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Wenn deine Meinung nicht zählt

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Das Geschenk der ungeahnten Folgen

Das Geschenk der ungeahnten Folgen
 

Nachdem ich endlich wieder aus dem Staunen herausgekommen war, ersetzte sich die Überraschung jedoch durch ein mulmiges Gefühl, welches sich in meiner Magengegend erstreckte.

Langsam musterte ich das Cover in meinen Händen genauer und begann nun auch ein paar Seiten des Yaoi-Mangas zu durchblättern.

Tatsächlich war es nicht das erste Mal, dass ich soetwas in meinen Händen hielt. Meine beste Freundin las solche Mangas ab und an auch ganz gerne und ich durfte mir schon häufiger ihre Schwärmerei darüber anhören.

Meist störte mich das aber auch nicht, schließlich gab es auch sicher Themen, über die ich auch nicht die Klappe halten konnte.

Aber viel entscheidender war allerdings dieser Gedanke:

Wieso hatte Ronin mir, einem Jungen, so etwas geschenkt? Was sollte ich denn bitte damit anfangen, schließlich war ich doch nicht schwul oder hatte mir zumindest noch nie Gedanken darüber gemacht.

Ungläubig schüttelte ich nur den Kopf. Ich musste ihn unbedingt fragen, was es damit auf sich hatte, ehe irgendjemand davon erfuhr, denn dann würde mein Ruf für immer ruiniert sein.

Laut seufzend stand ich auf und vergrub das Buch in der hintersten Ecke meines Rucksacks, der in einer Zimmerecke stand und mit einem leisen Klappern geöffnet wurde. Mit zittrigen Beinen wankte ich wieder zum Bett, um mich kurz darauf niederzulassen.

Mein Kopf drohte zu platzen und in meinem Geiste hallte immer nur wieder: Ein Yaoi-Manga, ein Yaoi-Manga.

Egal wie oft ich in dieser Nacht noch versuchte das Titelbild, wohl bemerkt zwei wild knutschende Kerle, aus meinem Verstand zu vertreiben, es schob sich immer wieder mit großer Hartnäckigkeit in meine Gedanken.
 

Als ich einen Blick auf den Wecker riskierte, der auf dem hölzernen Nachtisch neben mir stand, und feststellte, dass es schon drei Uhr war, beschloss ich das Schlafen aufzugeben. Es würde mir sowieso nicht mehr gelingen. Vielleicht hatte mir die Einbildung einfach nur einen Streich gespielt und es war ein ganz normales Buch über die Liebe. Eine normale Liebe, keine Abweichung der Normalität, wie meine Eltern sagen würden.
 

Also stand ich wieder auf, um mich erneut an meinem Ranzen zu schaffen zu machen, bis ich Ronins Geschenk in Händen hielt. Langsam setzte ich mich vor den Schreibtisch, der sich ebenfalls in dem kleinen Raum befand, und begann zu lesen.

Zu Anfang war ich erleichtert, da der Prolog keine Anzeichen einer homosexuellen Beziehung und ihrer "Folgen" enthielt und wollte mich gerade beruhigen, als ich auf heftige Liebesszenen zweier Männer stieß.

Panisch schlug ich den Manga wieder zu und atmete schwer.

Scheiße, wieso sollte gerade ich so etwas geschenkt bekommen? Und das von Ronin?
 

Ich überlegte, ob ich einfach wieder schlafen gehen sollte, doch eine unterbewusste Stimme in meinem Kopf rang mit sich, diese Szenen nochmal genauer unter die Lupe zu nehmen und machte mich auch auf meine wachsende Erregung aufmerksam.

"Nein, nein, verdammt, das sollte mich kalt lassen.", rief ich leise vor mich hin und knallte das Ding, welches ich eben noch inspiziert hatte, aufgebracht in mein Gepäck, so als ob ich meine Erinnerungen daran einfach löschen könnte.
 

Etwas später, als goldschimmernde Sonnenstrahlen durch das Fenster hinein brachen und mich an der Nasenspitze zu kitzeln begannen, wachte ich auf.

Die Erinnerungen an die letzte Nacht, die für mich der Hölle gleichkamen, schwebten nur noch wie ein verblasster Traum in meinem Gedächtnis.

Heute würde ich mich mit Nina, einem Mädchen aus der Gothicszene treffen, die gerne mal eine Cola mit mir trinken gehen wollte. Rein freundschaftlich natürlich. Schließlich kannte ich sie schon seit guten fünf Jahren und wir waren einfach immer nur gute Freunde mit den selben Interessen gewesen.

Zudem war sie auch schon neunzehn, und welcher Junge wollte schon mit einem Mädchen gehen, die zwei Jahre älter und einen ganzen Kopf größer war als er. Zumindest nicht in der Schulzeit, in der man wegen sowas noch gehänselt werden konnte.
 

Dennoch eilte ich, nachdem ich eine kräftige Umarmung meiner Großmutter ertragen musste, nach Hause, um mich noch ein bisschen herausputzen zu können, da ich mich nicht mit dieser hässlichen Hose und dem geschmacklosen T-Shirt vor ihr zeigen wollte.
 

Eine Stunde später hatte ich so gut wie alle Klamotten meines Kleiderschrankes auf dem Boden verteilt und eingehend studiert, bevor ich mich für eine schlichte schwarze Hose und ein ebenso schwarzes T-Shirt aus Lack und Leder entschieden hatte, obwohl ich mich fragte, ob dieser Stoff nicht vielleicht doch eine Spur zu auffällig und vielleicht auch "schwul" wirkte. Seit gestern Abend blieb mir vor allem letzteres in Erinnerung.

Aber die Leute, mit denen ich sonst immer so um die Häuser zog, trugen doch dasselbe, oder nicht?

Also sprühte ich meine Haare nur noch mit ein paar Tonnen Haarspray ein, das bei meiner Frisur wie so oft keine Wirkung zeigte und verließ das Haus, nachdem ich meinen Rucksack samt des Yaoi-Mangas in mein Zimmer verbannt hatte.
 

Als wir dann in der Bar saßen und ich mit dem Gedanken spielte, Nina vielleicht von meiner brenzligen Situation zu erzählen, fühlte ich mich doch ziemlich einsam. Was würde sie wohl von mir denken, wenn ich von diesem peinlichen Vorfall erzählte und dann noch erwähnen würde, dass diese Art von Lektüre meinem Körper scheinbar auch gefallen hatte, so sehr sich mein Geist auch dagegen sträubte.

Also beschloss ich einfach mal die Klappe zu halten und eine gepflegte Konversation zu führen, anstatt wieder einmal andere Menschen mit meinen eigenen Problemen zu belasten.

"Finn, ist alles in Ordnung mit dir? Du scheinst ziemlich in Gedanken versunken zu sein.", riss mich ihre Stimme dann aus meinen monotonen "Jas" und ,"Neins", die ich ihr knapp als Antwort gab.

"Mein Leben ist gerade einfach ein bisschen verwirrend.", entgegnete ich dann doch recht offen, wieso sollte ich sie auch anlügen. Recht wohl war mir aber immer noch nicht dabei, jemanden von meinen Problemen zu erzählen.

"Wenn ich dir helfen kann oder du nur reden willst, kannst du das jederzeit sagen, ja? Ich bin immer da. Aber ich dränge dich zu nichts. Mach dir keine Sorgen, Kleiner.", flüsterte Nina mir leise zu, während ein zartes Lächeln ihre Lippen umspielte.
 

"Danke, Große.", sagte ich dann grinsend und verabschiedete mich dann doch. Insgeheim war ich aber trotzdem ganz froh, dass ich nun jemanden gefunden hatte, auf dessen Angebot ich vielleicht mal zurückgreifen konnte.

Jetzt hatte ich noch den ganzen Sonntag vor mir, der vergehen würde, ohne dass ich Ronin fragen konnte, was er sich mit dieser ganzen Aktion gedacht hatte oder ob er mich einfach nur bloßstellen wollte. Da waren so viele Gedanken in meinem Kopf, dass ich erst bemerkte, dass ich ans andere Ende der Stadt gelaufen war, als die Sonne auch schon langsam unterging.

Das war wieder einer dieser Momente, in denen ich glücklich darüber war, dass ich in einer Kleinstadt lebte und so nicht allzu lange nach Hause laufen musste. Meine Mutter hatte sich bestimmt bereits fürchterliche Sorgen gemacht oder meinen Vater auf die Suche nach mir geschickt, denn nach acht Uhr abends war Ausgangssperre und jetzt hatten wir schon halb neun.

Manchmal fragte ich mich, ob meine Mutter tatsächlich glaubte, dass ich erst drei Jahre alt war, oder ob sie sich ernsthaft Sorgen darüber machte, dass ich auf die schiefe Bahn geraten könne.

Aber ich wusste es nicht.
 

Als ich erschöpft, da ich das letzte Stück gerannt war, um noch vor neun Uhr zu Hause einzutreffen, ankam, wunderte ich mich, dass mich nicht sofort jemand wütend oder schluchzend an der Tür empfing. Eigentlich konnte ich ja froh darüber sein und so ging ich einfach schulterzuckend in mein Zimmer, in dem ich mich auf dem Schreibtischstuhl niederließ.
 

Gerade als ich ein wenig ausgespannt hatte, ging die Zimmertür auf und meine Mutter kam mit hochrotem Kopf hereingerannt.

"Finn, kommst du mal.", spie sie mir eher entgegen, als dass sie es sagte.

Verwirrt zog ich die Augenbrauen noch oben und schaue sie unwissend an, setzte mich aber dennoch aus Respekt in Bewegung, um ihr zu folgen.

Nachdem ich aber bemerkt hatte, dass auch mein Vater an unserem großen Küchentisch Platz genommen hatte, musste ich unwillkürlich hart schlucken. Was hatte ich denn gemacht, dass meine beiden Elternteile aussahen, als würden sie mich liebend gerne ins alte Frankreich katapultieren, um mir dort mit einer Guillotine eigenhändig den Kopf abzuhacken?
 

Verängstigt setzte ich mich auf den weitentferntesten Platz, als auch schon mein Vater das Wort ergriff.

"Warst du bei deinem Lover oder wieso bist du zu spät nach Hause gekommen?", schrie er mir entgegen, während er mich mit tödlichen Blicken musterte.

"Schau dir doch mal seine Klamotten an, Harrison. Nur Lack und Leder.", sagte dann auch meine Mutter. Doch ihre Stimme war eher weinerlich, als wütend.

Ich hatte keine Ahnung, wieso meine Eltern gerade so ein Spektakel veranstalten mussten. Auch sonst kam ich mal später nach Hause und auch meine Klamotten waren dann stets dieselben.

Mir war auch klar, dass meine Mutter das nie für gut befunden hatte, aber in der Regel hatte man darum nie so einen Hehl gemacht und genau aus diesem Grund verstand ich ihre Stimmung gar nicht.

"Was? Wieso denn Lover? Ich verstehe euch nicht.", kam ich dann doch zu Wort, wurde aber scheinbar nicht wirklich ernst genommen.

"Wieso Lover?", äffte mein Vater mich nach. "Weil du schwul bist, wieso denn sonst.", fügte er dann noch hinzu.

"Habe ich hier etwas verpasst?", sagte ich genervt, was erzählte er denn da nur, von dem ich selbst noch nichts mitbekommen hatte.

"Das ist los." Meine Mutter hielt ein Heftchen hoch, auf dessen Cover zwei wild knutschenden Kerle abgebildet waren, doch mein Vater riss es ihr aus der Hand und blätterte darin, bis er mir eine unverkennbare Szene vor die Nase halten konnte.

"Oh Shit!", rutschte es mir unvorbereitet heraus und ich schlug mir die Hände vor die Augen.

"Ja, Kleiner, du bist aufgeflogen. Du brauchst uns nichts mehr zu erklären.", sagte mein Vater matt.

Aus der anderen Ecke vernahm ich nur ein "Wieso gerade mein Sohn", während meine Mutter immer lauter zu schluchzen begann.

Ich spürte, wie sich meine Kehle immer enger zusammenzog und ich nach einer Erklärung suchte, die die Situation noch retten konnte. Doch ich fand keine.
 

"Papa, ich... das Ding ist von einem Freund. Er hat das bei mir vergessen.", flüstere ich still, war aber nicht im Stande, meinen Erziehungsberechtigten in die Augen zu sehen.

"Falsch. Das ist bestimmt nicht von einem Freund, sondern von deinem Freund und wer auch immer es ist, wir verbieten dir den Umgang mit ihm.", entgegnete mein Vater wieder mit lauter Stimme.

Natürlich ging es hier nicht um ihren Sohn, hier ging es nur um die Nachbarschaft, die sich sicherlich wieder das Maul zerreißen würde. Sonst nichts.
 

Als ich laut aufseufzte wurde ich am Arm gepackt und auf mein Zimmer gezerrt. Von außen erklang noch das Geräusch eines Schlüssels, der gerade im Schloss gedreht wurde.

Doch kurz bevor ich mir sagte, dass jetzt die schlimmstmögliche Wendung eingetreten war, wurde ich wieder einmal vom Gegenteil überzeugt.

"Außerdem werde ich morgen ein Gespräch mit dir führen. Von Mann zu Mann. Stell dich darauf ein." Den letzten Punkt erwähnt er dann so beiläufig wie möglich.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Seid bitte nett zu Nina, ja? Frauen haben es in Male-Slash-Storys immer so schwer. Sie wird wahrscheinlich noch eine nette Nebenrolle spielen.
Dieses Kapitel ist leider absolut Roninfrei.
Irgendwie hasse ich mich selbst manchmal dafür, durch was Finn alles gehen muss. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yumiko_Youku
2012-07-14T14:56:38+00:00 14.07.2012 16:56
Of f*** nicht so geil wenn die Eltern sowas in einem Jungenzimmer finden :D


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