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Wolfgang und Juli

Begegnung im Park
von

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Besuch in der Tierklinik

Drei Wochen später sah ich den Jungen und Juli wieder. Eigentlich hatte ich den Vorfall im Park schon längst wieder vergessen.

Ich saß in der Praxis und schrieb die Lohnabrechnungen, ja auch das war mir von meinem Chef aufgehalst worden, als ich ohne Nachzudenken erwähnte, dass ich mich damit auskannte. Plötzlich hörte ich eine Stimme: „Oh? Der grandiose Musikkenner?“

Ich sah auf, und vor mir stand der Junge aus dem Park. Keine Ahnung, warum ich so verwirrt war, schließlich war es nicht ungewöhnlich, das ein Tierbesitzer, und er war ja einer, hin und wieder einen Tierarzt aufsuchte, nicht wahr?

Verärgert fragte ich: „Was willst du denn hier?“

Mittlerweile wusste auch ich, das Amadeus und Mozart ein und dieselbe Person waren. Ich hatte mich zum Affen gemacht. So etwas passierte eben, wenn man sich verstellen und jemandem etwas vormachen wollte. Und ich wusste noch nicht mal, warum ich den da überhaupt beeindrucken wollte.

„Was ich hier will?“ fragte er zurück und hob die Hand überlegend an sein Kinn. „Lass mal sehen, hm, ich glaube, ich hatte einen Termin. Ja, genau, das war es gewesen.“

Ganz toll, sarkastisch war er auch noch. Auf der anderen Seite, meine Frage war auch nicht eben die Hellste gewesen.

Ich legte die Lohnabrechnungen beiseite, nahm stattdessen den Terminkalender und fragte förmlich: „Wie ist ihr Name?“

„Von Bielefeld.“

Mit dem Finger fuhr ich die Liste entlang, ja da stand er. Wolfram von Bielefeld.

Die übliche formelle Prozedur konnte folgen. Waren sie schon einmal hier, nehmen sie bitte noch einen Moment Platz, als ich Juli sah. Erschrocken sprang ich von meinem Stuhl hoch. Julis Fell war blutverschmiert.

„Oh mein Gott, das ist ja schrecklich!“ Das arme Tier.

„So schrecklich nun auch wieder nicht.“ Er nahm mein Namensschild in Augenschein. „Shibuya. Shibuya Yuri. Findest du das besser?“

„Was?“ Was faselte der Typ da von Namen, wie konnte man nur so herzlos sein. Ich rannte um die Theke herum. „Wie ist das denn passiert?“

„Wie es eben so passiert, nicht wahr? Man heiratet, bekommt ein Kind, das natürlich einen Namen braucht – der Name meines Urgroßvaters war...“

„Der Name deines Großvaters interessiert mich nicht“, schrie ich ihn an.

„Urgroßvater.“

Ich hätte ihn gerne geschlagen. Aber niemand konnte in ein so schönes Gesicht mit der Faust schlagen, wenn ich vielleicht die flache Hand nahm?

Mein Chef kam gerade durch die Tür. Juli rannte zu ihm.

„Ah Juli, na wie geht’s dir. Hallo Wolfram.“

„Guten Tag, Herr Voltaire. Ich bin zur üblichen Kontrolluntersuchung hier.“

Was war hier los? Keiner interessierte sich für den verletzten Hund?

„Ja, ich weiß. O je, so kommst du mir aber nicht in mein Behandlungszimmer“, lachte mein Chef, als Juli an ihm hochsprang.

Ein Hund, der gerne zum Tierarzt geht. Das sah man auch nicht alle Tage, aber...

„Yuri, wasch ihm doch bitte die Farbe aus dem Fell. Wenn sie trocknet, müsste ich die Haare kürzen, das wäre doch echt schade.“

„Farbe?“

„Tut mir leid“, Wolfram entschuldigte sich bei meinem Chef mit einer kleinen Verbeugung. „Ein kleiner Unfall auf dem Weg hierher.“

„Ah ja, verstehe.“

Ich verstand überhaupt nichts. Mein Chef sah mich auffordernd an.

„Ähm, sofort.“ Ich ging zu Juli, der sich sofort zu mir wandte und aufgeregt an mir schnüffelte. Ob er wohl Wolfgangs Geruch noch kannte? Fragte ich mich.

„Komm Juli, gehen wir baden.“

Juli war wirklich ein freundliches Tier. Und ein Labrador, das sollte wohl kein Problem werden. Dachte ich.

Nach einer Stunde war ich klatschnass, aber hatte es endlich geschafft, die Farbe aus Julis Fell zu waschen. Ich wartete, bis er mit seiner Schüttelei fertig war, das Bad würde ich dann auch noch trocknen müssen, und brachte ihn dann ins Behandlungszimmer. Wolfram und Dr. Voltaire saßen in trauter Eintracht an dem kleinen Tisch vor seinem Schreibtisch. Ich blieb an der Tür stehen, weil ich das Zimmer nicht nass machen wollte, Juli trabte an mir vorbei zu seinem Herrchen. Keine Ahnung, ob ich es mir nur einbildete, aber ich hatte den Eindruck als würde sich Wolfram von Bielefeld bei meinem Anblick köstlich amüsieren. Er wandte den Kopf ab.

„Vielen Dank, Yuri“, sagte mein Chef.

Ich nickte nur erschöpft und ging zurück ins Bad.
 

Später, als ich wieder trocken und anderen Klamotten am Eingang saß, kam mein Chef zu mir und fragte, ob ich mit den Abrechnungen fertig geworden wäre. Ich nickte. Zum Glück hatte ich darin ja schon Übung. Schon am Weggehen blieb er nochmal stehen und sagte: „Tut mir leid, dass du Juli baden musstest.“

„Ach, schon okay. Ich war nur überrascht, dass er sich so gegen Wasser sträubt, ich meine, als Labrador.“

„Ja, dein Wolfgang ist ja auch ein Retriever, nicht wahr?“

„Na ja, eben, Wolfgang ist – nicht mal Wolfgang hat was gegen Wasser und das will wirklich was heißen.“

„Wolfram kippt Juli immer einen Becher mit Wasserfarbe übers Fell, wenn er vorbeikommt.“ Mein Chef nickte vor sich hin.

Wie war das? Das war Absicht?

„Armer Wolfram“, sagte mein Chef grade.

Armer Wolfram? Gerade noch rechtzeitig bemerkte ich, das ich fast die Abrechnungen zerknüllt hätte.

„Nun, ich wünsche dir noch einen schönen Feierabend.“

Ich fühlte mich wie benebelt, vergaß sogar ihm auch einen schönen Feierabend zu wünschen. Zum Glück schien er es nicht zu bemerken. Die Tür fiel ins Schloss.

Ich räumte meinen Arbeitsplatz auf, und ging nochmal durch die verschiedenen Zimmer um nach dem Rechten zu sehen. In meinem Kopf herrschte immer noch gähnende Lehre, die langsam abgelöst wurde durch Rachegedanken, was so gar nicht meine Art war. Ich sah mich selbst, und einen schreienden Wolfram, sah wie ich Wolfram in der Badewanne festhielt und gründlich schrubbte. Ich kam zum Behandlungszimmer, sah kurz hinein und wollte schon wieder rausgehen, als mir ein königsblaues Etwas auffiel. Da lag was. Ich ging hin, ein Geldbeutel. Oh nein, mir schwante Übles. Noch bevor ich ihn öffnete und nach einem Hinweis auf den Besitzer suchte, wusste ich schon, wer ihn hier vergessen hatte. Wär ich doch heute bloß im Bett geblieben, ich seufzte, steckte den Beutel ein, holte meine Jacke und schloss die Praxis ab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Onlyknow3
2012-05-09T20:23:35+00:00 09.05.2012 22:23
Süß,wenn man ironie versteht,wie kann man einem Hund Farbe ins Fell kippen und ihn dann Baden lassen in der Tierklinik.Das die Geldbörse da liegt ist eher zufall als vom Besitzer gewollt.Weiter so.


LG
Onlyknow3


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