Zum Inhalt der Seite

Magnolia

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kindheitstage - Prolog

Virginia – 1856
 

„Jacob...Jaaaacob...“

Eine braungebrannte Hand schnellte aus einem der dichtbewachsenen, tiefhängenden Magnolienbäume hervor und packte das zarte Handgelenk des rufenden Mädchens.

„Huu…“, keuchte sie erschrocken.

„Schsch…“, kam es aus den dichten Blättern.

Mit einem kräftigen Ruck brachte der feste Griff das Mädchen zu Fall und ehe sie sich versah, wurde sie rücklings unter den Baum gezogen. Sie wollte gerade schreien, als ihr der Mund unsanft verschlossen wurde und sie in die frech funkelnden, dunklen Augen ihres Freundes sah.

„Dschake…laff daff…“, nuschelte sie in die Handfläche des Jungen, der den Zeigefinger seiner anderen Hand langsam zu seinem Mund führte. Ein weiteres, leises „Schsch…“, war zu hören und als das Mädchen nickte, löste er seine Hand von ihrem Mund.

„Du hast mein Kleid ruiniert“, schmollte sie und besah sich die großen Grasflecke auf ihrem blassrosa Kleid. Auch die weiße Rüschenhose, die darunter hervor blitzte, sah nicht besser aus.

Jacob kicherte.

„Stell dich nicht so an, Bella. Es ist doch nicht das erste Mal.“

Isabella kräuselte die Stirn und eine kleine Zornesfalte wurde zwischen ihren schokoladenfarbenen Augen sichtbar.

„Kannst du nicht einmal so tun, als ob ich ein Mädchen wäre? Nur ein Mal?“

Der Junge zog eine Augenbraue hoch und beäugte Isabella aufmerksam.

„Es ist ziemlich offensichtlich, dass du ein Mädchen bist. Keiner der Jungs hier rennt in einem Rüschenkleid durch die Gegend. Und solche Hosen tragen sie auch nicht.“

Sie boxte ihn leicht in die Seite.

„Autsch! Das hat weh getan“, schmunzelte der Junge und rieb sich theatralisch über die Rippen.

„Hat es nicht!“, kicherte Isabella. „Was machst du eigentlich hier?“, wollte sie schließlich wissen und sah ihn fragend an.

„Jacob?....JAAAACOOOOB?...“

Abermals hallte sein Name laut über die Plantage.

„Na was wohl?“, murmelte er und rutschte weiter nach hinten, an den Stamm des blühenden Baumes.

„Klavierunterricht?“, fragte Isabella. Verstohlen lugte sie dabei durch den Blütenschleier nach draußen und sah Edward, Jacobs zwei Jahre älteren Bruder, der rufend und suchend über das weitläufige Gelände lief.

„Hmm…“, nickte Jacob und zupfte eine der dicken Blüten von einem Ast ab. Verträumt zwirbelte er sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Es machte den Anschein, als wäre er meilenweit entfernt. „Ist er schon rot?“, fragte er abwesend.

„Wer?“

„Edward.“

„Nein.“

„Schade!“

„Wieso?“

„Sobald er rot wird, hört er auf zu suchen.“

Es klang wie ein Scherz, doch es war keiner. Jacob hasste es etwas zu tun, was er nicht mochte und Klavierunterricht stand ganz oben auf seiner Liste der verhassten Dinge.

„Wieso sagst du es deinem Vater nicht einfach?“

„Was?“

„Dass du kein Klavier spielen möchtest.“

„Du kennst ihn doch“, sagte Jacob leise und klopfte auf die freie Stelle im Gras direkt neben sich. Er zwinkerte Isabella zu und konnte sich ein Lachen kaum verkneifen, als sich ihre Wangen leicht röteten. So war es immer, wenn er sie in Verlegenheit brachte und er mochte es. Ein wenig ungeschickt rutschte sie neben ihn und lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm des Magnolienbaumes. Angestrengt fixierte sie ihre Schuhspitzen und knetete ihren Rockzipfel, bis ihr Gesicht wieder seine ursprüngliche Farbe angenommen hatte.

„Hast du es denn schon versucht?“, fragte sie nach einer Weile.

„Nein, es würde ja sowieso nichts ändern.“

Jacob rupfte eines der Blütenblätter ab und blies es von seiner Handfläche. Einen kurzen Moment schwebte es in der Luft, bevor es unsanft zu Boden fiel.

„Manchmal habe ich das Gefühl, ich gehöre nicht hierher. Für mich gibt es keinen Platz in ihrer Welt zwischen all den Büchern, der Musik und dem ganzen Reichtum. Ich sehe ihnen nicht mal ähnlich.“ Jacob stockte kurz. Er sah hinauf in das dichte Grün des Baumes, als ob er dort Antworten auf all die Fragen finden könnte, die ihn beschäftigten. „Sobald ich erwachsen bin, werde ich fortgehen…“

„Nimmst du mich mit, Jacob?“

Ein leises, kehliges Lachen löste sich aus seiner Kehle, bevor sich ein charmantes Lächeln über seine Lippen schlich. Er beugte sich so weit nach vorne, dass Isabella nicht umhin kam, ihn anzusehen. Sie konnte dem Blick seiner tiefliegenden Augen kaum standhalten und ihre Wangen glühten förmlich, als er ihr das zerzauste Haar behutsam aus dem Gesicht strich und die Magnolienblüte darin befestigte.

„Natürlich nehme ich dich mit“, flüsterte er. „Wenn es dich nicht geben würde, wäre ich schon lange fort…“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück