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In the end you are alone

von

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Bribery


 

__Ich-Erzähler: Beyond Birthday__

~-~B~-~
 

Ich saß nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag an einen Stuhl gefesselt in einem kargen Raum und wartete auf meinen Besucher. Wie lustig! Die letzten Jahre habe ich nur Gesellschaft von Ärzten, Psychologen und gelegentlich von rachsüchtigen Polizisten bekommen. Und heute sogar zwei Privatbesuche. Die Tür öffnete sich. Ich starrte die Person an, die hereintrat. Verwundert riss ich die Augen auf.

„Du?“ Die Blondine, die sich auf den Stuhl mir gegenüber gesetzt hatte, faltete die Hände im Schoß. „Überrascht?“ Abwägend legte ich den Kopf schief.

„Heute überrascht mich fast gar nichts mehr… An einem anderen Tag hätte es mich vielleicht verblüfft.“ Ein schelmisches Grinsen legte sich auf mein Gesicht und meine Augen funkelten provokant.

„Doch… da ist mir tatsächlich was aufgefallen, was mich überrascht: Deine Haare sind zerzaust.“ Sie wirkte völlig zerstreut. Nicht nur ihre Haare waren außer Ordnung. Auch ihre Augen waren gerötet und man konnte sehen, dass sie versucht hatte, sich die Wimperntusche abzuwischen. Ohne Erfolg. Als ich ihren entsetzten Blick sah, kam eine gewisse Genugtuung in mir auf. Sie zupfte an ihrer Frisur herum, ruinierte sie dadurch aber komplett.

„Das muss an der Perücke liegen, die ich aufhatte.“

„An einer Perücke… Alles klar.“ Ich musterte sie skeptisch. „Für mich hat es eher den Anschein, als wärst du nach einem Abend in der Disko oder sonst wo im falschen Apartment aufgewacht und musstest schnell fliehen, bevor irgendein fetter alter Mann mit Halbglatze seinen Rausch komplett ausgeschlafen hat und nochmal über dich herfällt.“ Sie riss empört die Augen auf.

„Sag mal: Spinnst du?“ Ich zuckte mit den Schultern.

„Fragst du das gerade wirklich einen Mann, der ein Jahr zuvor aus Langeweile mal eben wahllos drei Menschen getötet hat?“ Sie schwieg und kaute sich auf der Unterlippe herum. Das letzte Mal, als wir uns gesehen hatten, waren wir beide in einer pubertären Phase gewesen. Sie hatte mit Pickeln und Stimmungsschwankungen kämpfen müssen und ich war gerade in den Stimmbruch geraten und schoss in die Höhe wie die Bohnenranke aus dem englischen Märchen „Jack and the Beanstalk“.

„Genau deswegen bin ich hier.“ Wie bitte? Sie war wegen einer Perücke da? Aha. Na, wenn das mal nicht spaßig wird.

Aus der Tüte, die sie mitgebracht hatte – es war garantiert schwierig gewesen, sie an den Sicherheitskräften vorbeizubekommen – holte sie zwei Marmeladengläser hervor und stellte sie vor sich auf den Tisch, der zwischen uns stand. In meinen Augen glitzerte Gier auf.

„Ist das etwa…?“ „Erdbeere? Ja.“ „Was verlangst du von mir?“, fragte ich eifrig und löste den Blick die ganze Zeit nicht von der Erdbeermarmelade.

„Ich brauche deine Hilfe. Wenn du eine logische Lösung zu meinem Problem findest, bekommst du diese zwei Gläser und wenn sie auch funktioniert, bring ich dir wieder welche mit.“ Während sie das sagte, strich C – ja, es war tatsächlich C, über die ich kurz zuvor noch mit A gesprochen hatte – unauffällig mit den Fingern über die glatte Oberfläche des Deckels. Ich bemerkte es trotzdem und die Tatsache, dass ich nicht drankam, machte mich wahnsinnig.

„Bekomme ich die Gläser mit dem Inhalt?“ Die Blondine seufzte. „Natürlich! Wo soll ich das glibbrige Zeug denn sonst hintun?“

Glibbriges Zeug?! Also bitte. Erdbeermarmelade war doch nicht nur glibbriges Zeug. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Mir fielen da einige Möglichkeiten ein. Zum Beispiel könnte C die Marmelade wegkippen oder vor meinen Augen essen. Aber mir fiel ein, dass C Erdbeermarmelade nicht mal mochte.

„Na schön.“, ging ich auf ihr Angebot ein. „Was kann ich für dich tun? Gefällt er dir nicht?“ Sie glotzte mich verdutzt an.

„Wie bitte?“, fragte sie perplex. Meine Güte, war die schwer von Begriff.

„Gefällt dir dein Idol? Bist du der Meinung, dass er so toll aussieht, wie du ihn dir immer vorgestellt hast?“, hakte ich genervt nach.

„Wie kommst du darauf, dass ich L kennengelernt habe?“

Ich legte den Kopf schief, sodass die Wirbelgelenke knackten.

„Ach, A hatte da mal erwähnt, dass du das Hotel gefunden hast, in dem unser Detektivchen lebt. Und außerdem hat er erzählt, dass du endlich genug Mumm hattest, ihn zu besuchen.“ Sie ging darauf nicht ein, aber ich konnte ihr Unbehagen spüren. Es war schon fast greifbar.

„Woher willst du denn bitteschön wissen, wie ich ihn mir vorstelle?“, fragte sie mich und, wäre ich nicht Beyond Birthday, hätte sie mir mit ihrem wütenden Blick Angst eingejagt.

„Das Versteck in der Ablage unter deinem Bett war nicht sonderlich gut. Aber ich muss wirklich sagen, dass du zeichnerisches Talent hast. Ich hätte es garantiert nicht so schön hinbekommen, ihn in solchen Posen zu konstruieren.“

Zu meiner Freude lief C puterrot an und wandte verlegen den Blick ab.

„Du hast in meinen Sachen herumgewühlt.“ Da sie scheinbar dringend meine Hilfe brauchte, hielt ich mich nicht zurück. Ich konnte sie so viel provozieren wie ich wollte und sie würde sich nicht beschweren.

Da sie aber so nett war, mir auch nach meiner Hilfe Marmelade zu bringen, entschied ich, sie nicht weiter zu quälen. Immerhin wollte ich die Erdbeermarmelade wirklich haben.

„Gut. Kommen wir zum Geschäftlichen: Was willst du, dass du mich sogar bestichst?“ Sie kaute auf ihrer Lippe herum.

„Ich habe ihn verloren. Ich habe meinen Plan durchgezogen, aber er war nicht da. Wahrscheinblich hat er frühzeitig ausgecheckt.“ Sie machte eine kurze Pause, um ihre eigenen Worte zu verkraften. Ich zog die Beine, die mal wieder aneinandergefesselt waren, an den Körper an.

„Bist du dir in dem Punkt sicher? War das Zimmer leer geräumt, als du gekommen bist?“ Ich würde mal den lieben, netten Freund spielen, der sich ihrer annimmt.

Außerdem war es lustig, sie wie ein kleines Kind zu behandeln.

Die junge, hübsche Frau schüttelte den Kopf. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen… Irgendetwas schien sie zu amüsieren.

„Nein, das Zimmer war nicht… leer. Zumindest nicht komplett. Überall lagen auf den Tischen und Stühlen irgendwelche Süßigkeiten herum. Die Möbel waren größtenteils aus dem Weg gerückt.“

Meine Mundwinkel zuckten verräterisch.

Süßigkeiten? Mein kompletter Körper zitterte, als ich versuchte, das Lachen abzuhalten, das in mir aufkam. Sie schaute mich etwas verwirrt an, fuhr aber fort. „Als ich gegangen bin, bin ich auf dem Weg nach unten einem seltsamen Mann begegnet. Er sah ziemlich merkwürdig aus: Leichenblass, dunkle, wirre Haare, tiefe Augenringe und eine Körperhaltung, die an eine Hyäne erinnerte. Du weißt schon… eine auf zwei Beinen stehende. Er sah etwa wie du aus, als du Ryuzaki gespielt hast.“

Cs Vergleiche waren schon immer zum Schreien gewesen, aber das war nicht der Grund, weshalb ich mich nicht mehr zurückhalten konnte.

Zuerst schwieg ich und starrte die zerzauste Blondine mir gegenüber verblüfft an, dann brach ich in schallendes Gelächter aus. Tränen stiegen mir in die Augen.

„Das ist doch nicht dein Ernst, oder?“

„Hm… Doch, man könnte ihn wirklich mit einer Hyäne vergleichen.“

Wegen ihrer Unwissenheit musste ich noch lauter lachen.

„Nein, das meinte ich nicht! Hast du eine Ahnung, wer das war, dem du da begegnet bist?“

Ihr schien es wie Schuppen von den Augen zu fallen.

„E…er hatte nicht ausgecheckt, nicht wahr?“

Ich schüttelte den Kopf, sodass die dunklen Zotteln meines schwarzen Haares in mein Gesicht flogen. Mit rot glühenden Augen sah ich sie höhnisch an. C sah aus wie ein verschrecktes Häschen.

„Vor zwei Stunden!“, schrie sie plötzlich auf.

Oh… doch kein verschrecktes Häschen. Sie hatte lediglich nachgedacht.

„Was war da?“ Ich zog eine Braue hoch. Scheinbar war ich zu sehr von dem Marmeladenglas betört, um ordentlich nachzudenken. Sie rollte mit den Augen.

„Da war ich in dem Apartment, Idiot.“ Mein Mundwinkel zuckte leicht. „Vielleicht erwische ich ihn noch!“ „Hör mal, C. Du kommst zu mir und erzählst mir, dass du nach jahrelanger Suche, oder was auch immer du gemacht hast, endlich auf ihn getroffen bist. Und dann bist du auch noch direkt an ihm vorbeigelaufen. Ich bitte dich: Wen nennst du hier Idiot?“ Ich sah flüchtig zu der Tür, die uns von den Wachleuten trennte. Wenn C nicht sichergestellt hatte, dass niemand zuhörte, würde ziemlich schnell klarwerden, dass ich, als Ls größter Widersacher – zumindest meiner Meinung nach –, ursprünglich sein Nachfolger werden sollte. Das wäre peinlich. Ich war schon so vorsichtig, das ich ernsthaft bei jedem Gespräch damit rechnete, aufzufliegen. Oh mein Gott, war ich langweilig geworden.

„Und du gehst davon aus, dass er noch da ist, nachdem irgendjemand in seinen Sachen herumgewühlt hat?“, kam ich auf das Thema zurück und in meiner Stimme lag ein Hauch von Sarkasmus.

„Ich habe doch nicht…“ Sie brach ab, als sie meine stechenden Augen wahrnahm.

„Ok, ich hab in einem Buch herumgeblättert, das da lag. Über Capoeira.“ Mein Blick verfinsterte sich und die Temperatur sank augenblicklich in den Minus-Grad-Bereich.

Naomi Misora.

Wegen dieser Kampfsportart war mein kompletter Plan ruiniert worden.

Entschuldigend zog C den Kopf ein und lächelte zaghaft. Anscheinend war ihr meine Abneigung gegen diese brasilianische Kampfsportart wieder eingefallen.

„Ich denke nicht, dass er abgereist ist.“, wechselte sie das Thema, ehe das Gespräch aus den Bahnen rudern konnte. „Immerhin hat er mich nicht gesehen, als ich in dem Zimmer war.“

Ich zuckte nur mit den Schultern und wandte meine Aufmerksamkeit wieder der Marmelade zu.

„Wenn du das sagst, wird es wohl stimmen.“ Immerhin war sie die ‚L-Expertin‘.

C wühlte in der Tasche herum. Was wohl da drin war? Weitere Marmeladengläser?

„Nochmal etwas anderes, worüber ich mit dir sprechen möchte.“, eröffnete sie mir. Endlich zog sie aus der Tasche heraus, was sie gesucht hatte.

„Eine Zeitung? Du willst doch wohl nicht ernsthaft, dass ich dir in einem Fall helfe, oder?“ Nicht schon wieder! Warum fragten die immer nur mich? Und wenn sie es taten, warum alle auf einmal?

Sie antwortete nicht, sondern tippte mit dem Zeigefinger auf die Schlagzeile. Ich warf einen Blick darauf und überflog den Artikel. Ein Lächeln zauberte sich auf meine vernarbten Lippen.

„Sieht so aus, als säße ich ziemlich tief in der Scheiße.“, merkte ich an.

„Glaubst du denn, dass es Morde sind und keine zufälligen Todesfälle?“, fragte die Blondine mich. Sie sah selbst so aus, als würde sie daran zweifeln.

„Ich denke, dass dieser… Kira, wie er laut diesem Text genannt wird, möchte, dass meine Strohpuppenmorde nicht ungestraft bleiben.“ Ich zuckte desinteressiert mit den Schultern und schob die Zeitung wieder zu ihr rüber.

Nun passierte endlich das, worauf ich die ganze Zeit gewartet hatte; das, was ich vor eineinhalb Jahren beabsichtigt hatte. Ich würde sterben.

Cs Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst.

„Ich wollte dich nur darüber informieren.“ Ach wirklich? Und ich dachte, sie wollte sich an meiner Angst ergötzen.

„Schreib dein Testament, B!“ Das klang schon eher nach ihr. Wären meine Hände nicht gefesselt, würde ich klatschen.

„Wie dramatisch, C. Reife Leistung.“ Vergnügt grinste ich sie an und sie schob mir mit einer wütenden und energischen Geste eines der Gläser hinüber und packte das zweite Glas wieder weg.

Bevor ich protestieren konnte, erklärte sie ihre Handlung.

„Ich muss deine Hilfe erst einmal nicht in Anspruch nehmen. Ich hatte eigentlich vorgehabt, dein Können mehr zu verwenden, aber das ist jetzt nicht mehr nötig. Vielleicht komme ich nochmal darauf zurück. Aber dank dir habe ich wieder einen Anhaltspunkt. Deshalb das eine Glas. Sei froh, dass du überhaupt was bekommst!“

C stand auf und ging zur Tür.

„Du gehst zurück zum Hotel, oder?“, fragte ich sie, obwohl mir ihre Antwort schon klar war. Sie nickte und verließ den Raum, nachdem dieser von außen geöffnet worden war.

Verärgert mit den Zähnen knirschend sah ich ihr nach. Sie entführte gerade mein anderes Marmeladenglas.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  RK9OO
2012-03-27T17:54:48+00:00 27.03.2012 19:54
Haaach, ich liebe die Kapitel, in denen Beyond der Erzähler ist... das ist so toll geschrieben! *schwärm*
Oh, C ist aber gemein, einfach das arme, wehrlose und leckere Marmeladenglas zu entführen... sie soll sich was schämen! XD


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