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Die Geflügelte Schlange - Schatten

* * make love, not war * * - Teil 2
von

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29. Die Aussprache (jugendfrei)

Merat sah ratlos auf den Papyrus vor sich. "Nefut, ich...", las sie in den etwas eckigen Schriftzeichen, die sie der Handschrift ihres Vaters nachempfunden hatte, versuchte sich wieder an die vor dem Besuch des Priesters gefundene Formulierung zu erinnern.
 

"Herrin, soll ich Amatis Füße waschen, nachdem der fremde Mann sie dort... berührt hat?" fragte die Amme vom vorderen Teil des Zeltes. Tabit mußte wohl den ehrfürchtigen Kuß des Priesters des Ungenannten meinen. Die Amme war eben doch nur ein ungebildeter Trampel, der nie aus den Zelten herausgekommen war, herzensgut zu ihrem Schützling, aber unfähig, sich in einer anderen Welt als der ihr bekannten zurecht zu finden.
 

Merat stand also wieder auf, kam nach vorne, streichelte ihrer Tochter sanft über die wunderbar weichen Löckchen. "Tabit, das war ein Priester, ein heiliger Mann, so wie die Priester Orems."
 

"Aber er sah gar nicht so aus", protestierte Tabit.
 

Merat sah, daß Losat ein freches Grinsen dadurch zu verstecken suchte, daß sie den Kopf beiseite drehte und vorgab, sich um das Kochfeuer zu kümmern. "Tabit", versuchte Merat es geduldig, "das war kein Priester des Nächtlichen Träumers, das war ein Priester des Ungenannten, ein Priester der Städter. Die tragen eben weiße statt schwarze Gewänder. Er hat Amati gesegnet, weil sie durch meinen Mann Anteil am Blut der Unirdischen hat."
 

"Es sah aber ganz anders aus als eine Segnung durch unsere Priester", widersprach Tabit.
 

Im Stillen verfluchte Merat die Hartnäckigkeit ihrer Bediensteten. "Es war nichts Anstößiges an seiner Berührung, sei dessen versichert", beharrte sie nun ihrerseits. Schließlich war sie hier die Herrin. Und anscheinend hatte ihre Stimme doch einiges ihrer Verärgerung transportiert, denn Tabit schwieg betreten.
 

"Er hat sich der Kleinen unterworfen, Tabit", sagte plötzlich eine Jungenstimme. Merat hatte den Knaben ganz vergessen.
 

"Wo gehörst du eigentlich hin?" fragte sie nun etwas schärfer, als die Höflichkeit gegenüber einem Gast es gebot. "Bist du der Sohn von einem der Mawati, oder dienst du einem der Männer hier?" Der Junge sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. "Ein Kind in deinem Alter trägt doch noch keine Waffen. Kinder gehören überhaupt nicht in ein Heerlager", rechtfertigte Merat sich. Wenn ihr nur wieder die Formulierung einfallen würde. Sie war sich vor dem Eintreffen des Priesters so sicher gewesen, daß es genau die Worte waren, die ihr Vater in dieser Situation auch gebraucht hätte.
 

"Es gibt viele Kinder hier im Heerlager", widersprach der Junge ihr. "Die meisten sind die Söhne und Töchter der Söldner."
 

Dieser vorlaute Junge fehlte ihr gerade noch. "Aber du bist nicht mein Sohn. Warum bist du in meinem Zelt? Ist mein Gatte für dich verantwortlich?"
 

Der Junge sah sie nur ratlos an, aber Losat strich ihm über die Schulter, sah Merat herausfordernd an. "Er brauchte jemanden, der ihn tröstet und er gehört zur Wannim eures Gatten, Herrin. Braucht ihr noch mehr Gründe, um ihn in eurem Zelt willkommen zu heißen?"
 

Merat biß die Zähne zusammen, um nicht ihre Meinung zu dem Thema herauszuschreien. Sie sah, wie Amati sich unruhig auf Tabits Schoß bewegte, als merke sie, wie aufgebracht ihre Mutter war. Merat atmete einmal, zweimal tief ein und aus. "Dein Vater gehört also zur Wannim meines Gatten, Junge?" schloß sie aus dem Gehörten.
 

"Der Junge heißt Nefut, Herrin", warf nun Tabit ein, wiegte Amati auf ihrem Schoß, während Losat den Jungen an ihren Busen drückte und ihm über das Haar strich.
 

"Wenn die Wannim wieder im Lager ist, gehst du zu deinem Vater", entschied Merat mitleidslos. "Bis dahin werden sich meine Frauen um dich kümmern. Aber du kannst nicht länger als bis zur Rückkehr deines Vaters hier bleiben, dafür bist du zu alt." Wieder ein solch vorwurfsvoller Blick von Losat. Natürlich, der Knabe war noch lange nicht alt genug, als daß ihm die Stirnlocke geschoren worden wäre, wenn er denn eine gehabt hätte. Bei jedem Stamm hätte er als Kind gegolten. Aber wie kam sie dazu, irgendwelche Bastarde der Männer aus Amemnas Wannim aufzunehmen, als wären es ihre eigenen Kinder? Der Junge war nicht einmal ein Oshey. Dann drehte sie sich um und ging wieder nach hinten zu dem widerspenstigen Brief, den sie an einen anderen Nefut schreiben wollte.
 

*
 

Auch wenn es Merat nicht gelang, die treffende Formulierung zu rekonstruieren, die sie früher am Tag gefunden hatte, war es nun doch ein halbwegs passabler Brief geworden, in einer Handschrift, die täuschend der von Murhan Darashy glich. Mit dem Daumen konnte sie den Brief natürlich nicht siegeln, ihre Finger waren viel kleiner als die ihres Vaters, aber sie konnte ihre große Zehe auf das heiße Wachs drücken, das würde zumindest auf den ersten Blick den Anschein erwecken, daß tatsächlich ein Mann diesen Brief verschlossen hatte. Und welchen Grund hatte Nefut, ihr zu mißtrauen, wenn sie ihm sagte, daß dieser Brief von Murhan stammte? War das Siegel erst einmal erbrochen, konnte man nicht mehr feststellen, wie es genau ausgesehen hatte, und niemand würde sie als Fälscherin verdächtigen. Merat freute sich über ihren nach allen Seiten abgesicherten Plan, las das Schreiben noch einmal durch:
 

"Nefut, ich bedaure inzwischen meine Entscheidung, dich verstoßen zu haben. Im Laufe der Jahre sehnte ich mich immer mehr danach, mich mit meinem Erstgeborenen auszusöhnen, insbesondere nachdem ich erfahren hatte, wie viel Schuld auch meine dahingegangene Gattin an dem Geschehenen trug. Leider bekam ich erst vor kurzem Nachricht, daß ein Mann, dessen Beschreibung auf Dich paßt, sich bei den Hannaiim als Söldner verpflichtet habe, so daß ich meine letzte noch lebende Tochter Merat damit beauftragen werde, bei dem Besuch ihres Mannes auch nach Dir zu suchen und Dir diesen Brief auszuhändigen, wenn sie davon überzeugt ist, tatsächlich ihrem Bruder gegenüber zu stehen.
 

Nefut, ich bitte Dich, willige ein, Dich mit mir zu treffen und den Zwist zu begraben, damit ich Dich wieder in die Familie aufnehmen kann. Ich schlage dafür die Nahusa-Oase zur Zeit der Sonnenwende vor, da unsere Zelte zu diesem Zeitpunkt in ihrer Nähe stehen werden. Solltest Du verhindert sein, schicke mir bitte durch Merat einen Brief.
 

Dein Vater Murhan."
 

Es war damit alles gesagt, es paßte zu Merats bisheriger Geschichte und klang auch glaubwürdig genug, denn ein alter, vom Leben und den Schicksalschlägen gebeutelter Mann mochte sich tatsächlich danach sehnen, seinen verstoßenen Erstgeborenen wieder als seinen Sohn und Erben in die Arme zu schließen. Daß der Weg der Darashy zu dem genannten Zeitpunkt nahe der Nahusa-Oase vorbeiführte, konnte auch Amemna bestätigen, wenn sich Nefut nicht noch selber daran erinnerte. Zufrieden faltete sie den beschriebenen Papyrus, verschloß ihn mit etwas Wachs und drückte den großen Zeh ihres rechten Fußes darauf. Wirklich sah das Ergebnis wie der Abdruck eines großen, männlichen Daumens aus. So konnte es Merat gelingen, Nefut aus Amemnas Zugriff zu befreien: sie würde den Scheidebrief annehmen, Nefut den Brief aushändigen und ihm sagen, wie sehr Murhan in den vergangenen Jahren mit der Verstoßung seines einzigen leiblichen Sohnes gehadert habe. Dann würde Nefut nicht anders können, als bei der nächsten Gelegenheit in die Nahusa-Oase zu reisen, um sich endlich mit seinem Vater auszusöhnen. Und den gleichen Weg konnten Bruder und Schwester ja auch gemeinsam zurücklegen.
 

Merat war noch dabei, ihre Schreibutensilien wegzuräumen, als von außen ungewohnte Geräusche und unbekannte Männerstimmen an ihr Ohr drangen. Natürlich, die Wannim war von dem Aufklärungsritt zurückgekehrt und nun würde der Knabe Nefut sie endlich wieder verlassen. Merat ging in den vorderen Teil des Zeltes, registrierte, daß Nefut gleich aufsprang, als sie näherkam. "Dein Vater ist wieder da", sagte sie, deutete auf die Gruppe von vier Männern, die vor dem Mannschaftszelt stand. Allerdings war nur ein und noch dazu recht junger Mann in Osheymantel und mit Fischerturban darunter.
 

"Da ist nur Oremar", sagte Nefut, "das ist doch nicht mein Vater." Die anderen drei Männer verabschiedeten sich, gingen die Zeltgasse weiter und Oremar verschwand im Mannschaftszelt.
 

Jetzt würde der artig dastehende und erwartungsvoll aus der Zeltöffnung schauende Knabe also noch länger hier bleiben! Wer von den Mawati war denn nun der Vater des Knaben? Etwa ihr Bruder Nefut? Amemna konnte sie immerhin ausschließen. Angesichts der Tatsache, daß ihr Mann nicht einmal den Anstand hatte, seine Männer gemeinsam zurück zu den Zelten zu schicken, verflüchtigte sich Merats Hochgefühl über den erfolgreich gefälschten Brief zunehmend. Eine weitere Gruppe von Männern ging die Zeltgasse entlang, keiner der 'Mawati' war dabei, noch einmal zwei Männer, schwarzhäutige Südländer, in ein angeregtes Gespräch vertieft. Was machte sie mit dem Jungen, wenn gerade der Mann am längsten ausblieb, der Nefuts Vater war? Dann mußte sie wohl oder übel dulden, daß er die Mittagsruhe in ihrem Zelt verbrachte, wollte sie nicht vor ihren eigenen Dienerinnen herzlos erscheinen. Aber der Junge hatte hier nichts zu suchen, er gehörte einfach nicht zur Familie! Allein die vage Aussicht, möglicherweise gegen ihre eigenen Wünschen handeln zu müssen, ließ ihre Laune noch schlechter werden. Natürlich war es nicht ungehörig, den Jungen in ihrem Zelt zu beherbergen, er war schließlich noch ein Kind, aber wem würde er es hinterbringen, in welcher Form sie Amemna erklärte, daß sie nun die Scheidung anzunehmen gedächte? Wem würde er erzählen, wenn sie ihren Bruder Nefut in ihr Zelt bat?
 

Tabit erhob sich schon und trug die schlafende Amati in den hinteren Zeltraum, legte sich vermutlich selbst auf ihren Schlafplatz neben der Wiege. Aber der Junge konnte nicht einfach am Kochfeuer seine Mittagsruhe halten. Anscheinend gingen Losat ähnliche Gedanken durch den Kopf. "Herrin, wenn ich mich neben Tabit bette, kann der Junge auf meinem Lager im vorderen Teil des Zeltes schlafen."
 

"Ich hoffe, es wird nicht nötig sein", antwortete Merat abwesend. Da näherte sich doch einer der Mawati. Das war Derhan.
 

"Da ist er ja", rief der Junge in dem Moment freudig, umarmte Losat zum Abschied und rannte aus dem Zelt, um Derhan zu begrüßen.
 

"Geh hin und erkläre ihm, warum Nefut bei uns war", wies Merat ihre Dienerin an. Wo war eigentlich Hamarem, der Zweite der Wannim, geblieben? Er wollte doch zur Mittagsstunde wieder bei den Zelten sein. Und wann kamen Nefut und Amemna? Sie durften doch keine Gelegenheit haben, über das Kind, das in Amemnas Bauch wuchs, zu sprechen. Das würde Merats ganzen schönen Plan hinfällig machen.
 

Losat kehrte nach einem kurzen Gespräch mit Derhan und einem Abschiedskuß für den Knaben wieder zurück. "Warum begebt ihr euch nicht zur Ruhe, Herrin?" fragte sie.
 

Merat überlegte, was sie darauf sagen konnte. "Ich bin unruhig, wie es meinem Gatten ergangen ist", antwortete sie nach einigen Augenblicken.
 

"Ich nehme an, er hat noch Verpflichtungen. Wäre er gefallen, hättet ihr sicher schon Nachricht erhalten, Herrin", sagte Losat, und es sollte wohl beruhigend klingen. Welcher Art mochten Amemnas Verpflichtungen sein? Hatte er wieder ein Stelldichein mit einem seiner vielen Liebhaber? Oh, natürlich, der Ostler lag krank im Zelt seines Herrn darnieder, aber was war mit Hamarem, mit dem Amemna sich in der Nacht ja schon vergnügt und auch so intim unterhalten hatte? Und dann gab es noch Nefut, der Amemna so hingebungsvoll und offensichtlich schon seit einiger Zeit begattete.
 

"Herrin, eure Besorgnis hilft euch doch auch nicht weiter", sagte Losat mit freundlichem Mitgefühl. Glücklicherweise hatte sie also Merats Miene falsch interpretiert. "Wartet einfach ab oder laßt mich für euch Ausschau halten, Herrin. Ich verspreche, daß ich euren Mann gleich zu euch bringe, wenn er sich bei den Zelten blicken läßt. Legt euch doch schlafen."
 

"Ich glaube nicht, daß ich schlafen kann", gab Merat überzeugt zurück.
 

*
 

Merat gab schließlich nach, legte sich auf ihr Lager und versuchte, in den Lebensgeschichten der Weisen und Heiligen zu lesen, mit denen sie sich einen Gutteil der Langeweile auf der Reise vertrieben hatte. Aber sie war zu aufgewühlt, und es widerstrebte ihr, sich gerade jetzt in die Beschreibung von Narzims asketischem Streben nach wahrer Erleuchtung, sein Ablegen aller weltlichen Güter und seine strikte Ehelosigkeit zu vertiefen. Sie legte die Schriftrolle weg, ließ ihre Gedanken zu Nefut schweifen, ihrem Bruder, dem Sohn ihres Vaters, aber nicht ihrer Mutter. Nichts sprach in den Geboten der Weisen und Heiligen dagegen, ihn zum Mann zu nehmen - außer der Tatsache, daß er aus dem Stamm verstoßen worden war. Um Murhans Segen zu bekommen, mußte sie ihn davon überzeugen, daß Nefut durch die vergangenen siebzehn Jahre geläutert worden war und sich danach sehnte, sich mit seinem Vater zu versöhnen. Das würde aber ein gutes Stück mehr Arbeit kosten, als einen Brief zu fälschen, denn Murhan hatte die unangenehme Fähigkeit, seine Tochter sehr schnell zu durchschauen, wenn Merat versuchte, ihm etwas zu verheimlichen oder vorzumachen.
 

"Herrin, euer Gatte ist da. Ich habe ihm schon den prachtvollen Mantel gezeigt, den der Priester des Ungenannten ihm gebracht hat", sagte Losat da plötzlich.
 

Merat schreckte auf. War sie doch eingenickt oder hatte es bis zum Eintreffen Amemnas wirklich gar nicht allzu lange gedauert? Merat sprang auf, warf sich das Übergewand über die Schultern, hastete in den vorderen Bereich des Zeltes. Wenn er mit Nefut hier aufgetaucht war... aber er war allein, hielt den schweren Prachtmantel ohne sichtbare Anstrengung, aber mit skeptischem Gesichtsausdruck auf Armlänge vor sich.
 

"Das ist mirr unheimlich", sagte er leise, zu dem Mantel oder zu Merat, fixierte dabei das Gesicht eines der gestickten Unirdischen.
 

"Paßt er dir denn?" fragte Merat betont beiläufig.
 

Amemna sah sie überrascht an, als habe er ihren geräuschvollen Auftritt gar nicht mitbekommen. "Diesen Mantel kann ich doch nicht trragen. Ich kann ihn eigentlich nicht einmal annehmen, aberr das ist nun ja wohl su spät, nicht wahrr?"
 

Merat nickte und versuchte, sich ihren Triumpf nicht anmerken zu lassen. "Bitte, leg ihn an", bettelte sie dann.
 

Wieder ein zweifelnder Blick auf den Mantel, dann auf Merat, die sich bemühte, besonders bittend, besonders liebevoll zu schauen. Wieso wollte Amemna ihr nun wieder den Plan verderben und den Mantel verweigern? "Also kut", ließ Amemna sich erweichen. Er legte den Prachtmantel vorsichtig wieder auf die Tücher, in die er verpackt gewesen war, zog den schon etwas schäbigen schwarzen Mantel aus, nahm dann den Prachtmantel wieder auf, legte ihn wirklich um die Schultern, rückte ihn zurecht.
 

Merat bekam einen Schreck, als ihr Mann plötzlich wie von innen heraus zu leuchten schien, als wäre er wahrhaftig ein Unirdischer reinen Blutes, von denen auch in den Lebensgeschichten der Weisen und Heiligen an vielen Stellen berichtet wurde. Ob das nur der Glanz der Gold- und Silberfäden war?
 

Überrascht sah Amemna an sich herab. "Err paßt errstaunlich kut", sagte er, strich mit der Hand über die Stickereien der Flügel, die tatsächlich wirken, als wüchsen sie ihm aus dem Rücken, als lege er sie schützend um sich. Für einen Moment ergriff Merat die Ehrfurcht vor dem Göttlichen, das sich in Amemnas weißen Haaren so unzweifelhaft zeigte, und der Anflug der Erkenntnis, daß dieses Göttliche der Menschheit zugedacht war und nicht einem Menschen allein, flimmerte durch ihr Bewußtsein.
 

Dann legte Amemna den Mantel wieder ab, so rasch, als habe er sich daran verbrannt, und das prachtvolle Kleidungsstück stackte zu Boden. Doch er bückte sich, hob den Mantel auf, legte ihn zusammen und verpackte ihn wieder. "Ich brrauche ein krräftigerres Pferrd, wenn ich diesen Mantel im Kampf trragen soll", sagte er, schüttelte den Kopf. "Ich bin doch kein Panzerrreiterr."
 

Dann griff er nach einer Kanne, die neben den Vorräten gestanden hatte, Merat aber unbekannt vorkam. Amemna mußte sie mitgebracht haben, und sie enthielt anscheinend eine Flüssigkeit. "Laß uns su deinem Lagerr kehen, diesen Oinos trrinken und..."
 

"Laß uns reden", warf Merat mit kaum unterdrücktem Ärger ein. Wieso brachte Amemna dieses Rauschgetränk der Ostler mit in ihr Zelt? War es nicht schlimm genug, daß er offenbar schon einiges davon getrunken hatte? Daß er sich von einem Ostler nach Ostlerart begatten ließ? Nie zuvor war sie so sehr davon überzeugt gewesen, daß sie die abgelehnte Scheidung nun doch annehmen mußte. Amemna war kein Oshey, auch wenn er sich wie einer kleidete, sich bemühte, wie einer zu reden. Er war und blieb ein Barbar von den Westlichen Inseln, das Leben einzig auf den Lustgewinn ausgerichtet.
 

Amemna ließ sich nicht berirren, winkte Losat, ihm zwei Becher zu reichen und ging dann voran in den hinteren Zeltbereich. Tabit schnarchte leise auf ihrem Lager, Amati lag ruhig in ihrer Wiege und Amemna sah so wehmütig auf das völlig entspannt daliegende Kind, das im Schlaf aber dennoch sanft lächelte, daß Merat sich das erste Mal seiner weiblichen Natur tatsächlich bewußt wurde. Aber dann umrundete er die letzte der drei Zeltbahnen, die Merats Lager vor zufälligen Einblicken schützten, legte Schwert und Gürtel ab und ließ sich auf den Decken und Kissen nieder. Wie schmuddelig sein Untergewand war, mit braunen Flecken am Saum, großen Schatten auf den Ärmeln, als habe er Verschmutzungen nur oberflächlich ausgewaschen. Wenn er als ihr Gatte zu ihr kam, konnte sie doch die Höflichkeit erwarten, daß er sich zuvor für sie zurecht machte.
 

Finster sah sie auf ihn herab, wie er in Südländerart auf ihrem Lager saß, einen Becher mit dem Oinos füllte, ihn zu Merat hinaufreichte. Das war doch eine städtische Mode, gemeinsam Oinos zu trinken bevor man das Lager teilte. "Ich bin eine Oshey!" fauchte Merat ihren Mann an, spürte, wie der angestaute Zorn, die Enttäuschungen der vergangenen eineinhalb Jahre ihrer Ehe plötzlich begannen, aufzuwallen, übermächtig anzuwachsen und nun dringend ein Ventil brauchten. "Ich dachte, ich hätte einen Oshey geheiratet, nicht einen Ostler. Du versuchst ja nicht einmal, dich angemessen zu benehmen!"
 

Amemna schüttelte den Kopf, sah sie an. "Merat, du weißt, ich wuchs auf den Westlichen Inseln auf", sagte er ruhig in der Südländersprache, trank einen Schluck von dem starkriechenden Oinos aus dem Merat zugedachten Becher. "Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht."
 

"Aber mir ist es unerträglich, wie du dich plötzlich benimmst", beschwerte Merat sich, fiel nun ebenfalls in die Südländersprache, mit der sie dank ihrer Ziehmutter aufgewachsen war. "Und ich meine nicht den Oinos, wenn ich sage, du benimmst dich wie ein Ostler. Ich meine deinen Bettgenossen. Hast du denn gar keinen Anstand mehr? Was soll aus mir und Amati werden, wenn dir so wenig an einem sittsamen Betragen gelegen ist?"
 

"Sie erdrücken mich, eure Osheysitten, die Reglementierung jeder Lebensäußerung", gab Amemna aufgebracht zurück. "Ich ertrage es nicht mehr, nur noch Mann sein zu dürfen, wenn ich in den Zelten lebe, egal ob ich unter Menschen bin oder allein mit dir in unserem Zelt. Ich bin von der Göttin beschenkt. Ich bin nicht nur ein Mann, und ich bin nicht nur eine Frau! Ich liebe dich und ich liebe Amati, aber hast du eine Ahnung, was ich fühle, wenn mir bei den Darashy ein ansehnlicher Mann begegnet? Ich muß ständig ebenso auf meine Blicke und meine Hände achten, wie auf meine Worte. Ich fühle mich wie ein Gefangener deiner Osheysitten, ich fühle mich, als sei ich dein Gefangener.
 

Und damit nicht genug, denn nicht einmal heimlich könnte ich mich einem dieser Männer nähern, denn Naeïs Oshey, euer frommer Lebensweg, läßt das nicht zu. Daß es auch auf dieser Seite der Wüste Männer gibt, die einem anderen Mann einen verliebten Blick schenken, habe ich erst auf meiner Reise nach Hannai gelernt. Aber ich wollte dir nicht wehtun, ich wollte verhindern, daß du des Verhaltens deines Mannes wegen in der Achtung der Darashy sinkst, also habe ich dir einen Scheidebrief geschickt, als sich plötzlich eine anständige, dem Naeïs Oshey entsprechende Gelegenheit ergab. Ich wollte dich und Amati schützen vor der Schande, Verwandte eines Mannes zu sein, der bei anderen Männern liegt. Und anstatt mir diesen Ausweg zu lassen, der doch ganz sittsam gewesen wäre, reist du mir nach, kommst hierher in das Heerlager, noch dazu mit Amati, so daß ich euch erneut aus meinem Herzen reißen muß. Ich kann nicht mehr lügen! Ich werde nicht wieder zurückkehren zu dem Leben eines Oshey. Denn das bin ich wahrhaftig nicht." Dann trank er hastig den Becher leer, füllte ihn noch einmal aus der Kanne und stürzte auch diesen Oinos mit großen Schlucken herunter.
 

Merat hatte mehrfach etwas einwerfen wollen, aber Amemna hatte so schnell gesprochen, ganz anders, als wenn er sich der Nordländersprache bediente, daß sie keine Gelegenheit gefunden hatte, Gehör zu erhalten. Und das hatte ihren Zorn, der sich bei einigen der Worte Amemnas in Mitleid zu wandeln begonnen hatte, erneut entfacht. "Aus Liebe zu mir hast du dich scheiden lassen?" fragte sie nun also höhnisch, als Amemna endlich verstummt war, auch wenn sie wenige Augenblicke zuvor noch versucht gewesen war, ihren Mann tröstend in die Arme zu schließen. "Aus Liebe hast du mich zu deinem Ostler und deinem anderen Liebhaber auf das Lager gebeten? Aus Liebe bespringst du mich wie ein Hengst seine Stute, anstatt mir liebevolle Berührungen zu schenken, anstatt einfühlsam meine Lust zu steigern und zu befriedigen? Aus Liebe entzündest du in mir bei jeder unserer Vereinigungen einen Feuerbrand, so daß nach wenigen Augenblicken nichts anderes bleibt als Asche?"
 

Amemna sah sie bestürzt an. "Ich tat es, weil ich dachte du wolltest es so. Warum hast du nie etwas gesagt?"
 

"Weil ich es nicht anders kannte!" rief Merat frustiert. Ihr war egal, ob Tabit oder sogar Losat aufwachten, sie würden sie ohnehin nicht verstehen. "Ich habe nicht die Fünfhundert Künste studiert, und ich habe nicht andere Männer besucht, bevor ich auf dein Lager kam, so wie du damals in Ma'ouwat mit den Dienerinnen der Hawat verkehrtest. Gestern nacht erfuhr ich das erste Mal, wie es ist, eine wahrhaft befriedigende Vereinigung zu erleben, eine Vereinigung, nach der man nicht innerhalb von Augenblicken völlig ausgebrannt ist, bar jeder Lust, sondern andauerndes Begehren empfindet. Ja, ich habe am Anfang genossen, daß du mir kaum Zeit zum atmen gabst, doch es ist nichts, was ich mein Leben lang ertragen kann. Ich wünschte wirklich, du hättest mich einmal so genommen, wie es Nefut gestern Nacht tat." Erschrocken senkte Merat ihren Blick nach diesem unfreiwilligen Bekenntnis.
 

"Nefut ist ein wahrhafter Oshey", stimmte Amemna ihr zu, "und er ist ein wirklich passabler Liebhaber. Du willst also, daß ich dir gebe, was Nefut dir gegeben hat - oder willst du eher Nefut?"
 

Unwillkürlich sah Merat wieder auf, doch Amemnas Blick war so durchdringend, daß sie ihm nur kurz standhalten konnte und die Augen wieder zu Boden senkte. Amemna trug ein Kind von Nefut. Und sie fühlte sich plötzlich, als wolle sie einer anderen Frau ihren Gatten wegnehmen, denn natürlich wollte sie Nefut. Ihr Schweigen reichte Amemna anscheinend als Antwort, denn er sagte nichts mehr.
 

Dann erhob er sich plötzlich von den Kissen, sank vor ihr auf die Knie, verneigte sich demütig, drückte seine Stirn auf die Teppiche, so dicht vor Merat, daß sein feines Haar ihre Zehen berührte. "Ich bitte dich dafür um Verzeihung, daß ich dir ein so schlechter Ehemann und Liebhaber war. Vielleicht wärst du bei Letzterem weniger unzufrieden mit mir, wenn ich mehr wie Nefut wäre, aber ich bin nicht Nefut, ich bin ich. Bitte nimm meinen Scheidebrief an, so wäre uns beiden geholfen."
 

Diese einfühlsame Entschuldigung erweckte in Merat plötzlich die tiefe Zuneigung zu Amemna, die sie ansonsten in mancher einsamen Stunde angesichts ihrer gemeinsamen Tochter ergriffen hatte. Sie erinnerte sich der Geborgenheit, die sie in seinen Armen so oft gefühlt hatte, ihren aus Verzweiflung geborenen Zorn über den Scheidebrief und erkannte plötzlich, daß sie sich nicht von Amemna lösen konnte, ohne den größten Teil ihrer selbst aufzugeben. Sie kniete sich vor ihn, hob mit beiden Händen sein Gesicht zu sich, strich ihm über das weiße Haar, das fast so weich war wie die Locken von Amati, über sein knabenhaft glattes Kinn, die zarte Haut seines Halses. Allein dieses Gefühl an ihren Händen wollte sie niemals missen müssen. "Ich würde die Scheidung so gerne einfach akzeptieren, aber du hältst mein Herz gefangen", sagte sie unter Tränen. "Ich wollte dir sagen, daß ich nun die Scheidung will, aber ich liebe dich zu sehr dafür, auch wenn es mich krank macht, dich in der Nähe dieses Ostlers zu sehen."
 

Amemna trocknete ihr zärtlich die Tränen aus dem Gesicht. "Also darf ich Nefut weiter küssen?" fragte er mit einem schalkhaften Blick.
 

Merat wollte ihn zugleich schlagen und umarmen, und sie entschied sich für die Umarmung. "Es ist eine so ausweglose Situation", flüsterte sie an seiner Kehle. "Du paßt wahrhaftig nicht in die Zelte, aber ich will dich nicht verlieren. Und ich will dich nicht teilen. Andererseits weiß ich nicht, ob ich eifersüchtig auf Nefut bin oder auf dich."
 

Nach einem Moment des Schweigens legten sie sich auf das Lager und Amemna umfing sie mit seinen starken Armen, tröstete sie allein durch seine Berührung. "Auch ich will dich nicht verlieren, meine Geliebte. Es gibt keine andere Frau die ich so liebe wie dich." Er streichelte über ihr Haar, küßte sie auf die Stirn. "Und ich wüßte nicht, ob ich dich Nefut oder Nefut dir vorziehen würde, wenn ich mich für einen von euch beiden entscheiden müßte. Warum können wir uns denn dem Willen der Göttin nicht einfach ergeben? Er kann ohnehin nicht zurückkehren zu den Stämmen, warum lassen wir drei uns also nicht in einer der Städte nieder, wenn dieser Krieg vorbei ist?"
 

"Und wenn ihr ihn nicht beide überlebt?" fragte Merat erschocken, auch wenn sie sich eigentlich fragte, was wohl Nefut zu einem solchen Plan sagen würde.
 

Amemna küßte sein Weib auf die Wange. "Natürlich werden wir ihn überleben", sagte er so selbstverständlich, daß auch Merat nicht daran zweifelte. Dann fiel ihr sein Blick auf Amati wieder ein. "Ich weiß, daß du ein Kind von Nefut erwartest", flüsterte sie.
 

"Du warst gestern Nacht noch einmal in meinem Zelt", stellte Amemna wenig überrascht fest. Hatte er sie gehört oder gar gesehen?
 

"Was wird Nefut dazu sagen, daß er uns beide bekommen soll?" sprach Merat dann endlich den Gedanken, der ihr noch immer so hartnäckig im Kopf herumging, laut aus.
 

Amemna lachte leise. "Er wird es genießen, oder er wird uns hassen."
 

Und wie würde sie selbst damit leben können? Es war im höchsten Maße unmoralisch und Murhan würde nie seinen Segen dazu geben, selbst wenn Nefut kein Stammesloser wäre. Es stand in völligem Widerspruch zum Wahren Weg, es war unanständig und maßlos, wie das Verhalten dekadenter Städter, aber Merat würde ihr Gewissen nicht mit dem Gebrauch des gefälschten Briefes belasten müssen, die Verbindung mit Nefut nicht auf einer Lüge aufbauen. Murhan mußte ja nicht erfahren, daß sie sich nicht allein mit ihrem Gatten in Hannai niederließ und so würde sie ihrem Vater weitere Seelenpein ersparen, ja vielleicht schenkte es Murhan sogar Befriedigung zu wissen, daß es seiner Tochter gelungen war, ihren Mann davon zu überzeugen, von seinem Scheidungswunsch abzulassen. Und sie müßte weder Amemna noch Nefut manipulieren, um die beiden voneinander zu trennen, wenn sie beide haben konnte. Vielleicht war sie selbst durch ihr Leben in Ma'ouwat verdorben, denn es war so unsagbar schön gewesen, von beiden zugleich berührt zu werden, sich von beiden begehrt zu fühlen. Merat war, als hätte sich mit dem Akzeptieren dieser Lösung der Knoten in ihrem Leib, den sie seit dem Erhalt des Scheidebriefes zu spüren geglaubt hatte, plötzlich aufgelöst. Amemna liebte sie wohl wahrhaftig, wenn er seinen Geliebten mit ihr teilen wollte. Sie suchte die Lippen ihres Gatten und küßte sie zärtlich, schmeckte überrascht den süßen Oinos. Amemna erwiderte den Kuß sanft, gar nicht in seiner sonstigen stürmischen Art, und Merat kuschelte sich in seine Umarmung, so daß sie schließlich mit dem Rücken zu ihm lag, den Kopf auf seinem Oberarm, die Wange nahe an einer Ader, in der sie sein Blut durch das Untergewand pulsieren spürte. Und auch an einer anderen Stelle pochte anscheinend sein Blut, aber er hielt seine Hände ruhig um sie gelegt, als schlafe er.
 

Amemnas offensichtliches Begehren, sein vertrauter Geruch, weckte die Lust in Merat, und sie drückte ihr Gesäß an ihn, führte eine seiner Hände durch die Öffnung ihres Untergewandes. Sanft streichelte Amemna die Rundung ihrer Brust, küßte höchst erregend ihren Hals, schob dann langsam mit der freien Hand den Stoff von Über- und Untergewand von ihrer Schulter, bedeckte diese mit einer Spur aus Küssen, die Merat dahinschmelzen ließ. ... So sanft berührte er sie, daß Merat sich durch einen Blick vergewissern mußte, daß es tatsächlich ihr Gatte war, der hinter ihr lag, ihre erwartungsvollen Lippen küßte, auf den von ihr begonnenen Kampf ihrer Zungen einging, während er sie liebkoste. Allein den Duft des Oinos aus Amemnas Mund einzuatmen, schien Merat zu berauschen. Ströme des Wohlgefühls gingen von seinen Berührungen aus und erhitzten Merat aufs Höchste, so daß sie begann, sich eine Vereinigung herbeizusehnen. "Ich bin bereit für dich", keuchte sie, als Amemnas Mund erneut zu ihrem Hals wanderte.
 

"Und ich bin bereit für dich", hauchte er in ihr Ohr, ... Ich habe dir so Unrecht getan, dachte Merat, wand ihren Kopf erneut zu ihm um, erhaschte hinter dem Schleier aus feinem Haar einen verträumten Blick aus seinen hellen Augen. Wie schön er war, seine weißen Haare im Kontrast zu seiner makellosen, dunklen Haut.
 

...
 

"Süße Hawat", flüsterte sie und dankte der Göttin für dieses Geschenk, als die Anspannung nachgelassen hatte. Sie drehte sich zu ihrem Gatten. ... "Ich danke dir", flüsterte sie.
 

Lächelnd sah Amemna sie an. "Ich stehe dir zur Verfügung, wann immer du es wünscht", versprach er, strich ihr ein paar Haare aus dem Gesicht.
 

"Wir sind noch immer im Heerlager der Tetraosi", erinnerte Merat ihn, strich wieder über sein weiches Haar, zog die Konturen seines so wunderschönen Gesichtes nach. Wie hatte sie nur jemals die Liebe, die sie für ihn empfand, vergessen können? Ja, sie begehrte auch Nefut, aber würde sie wirklich ertragen können, Amemna mit ihm zu teilen? Mußte sie möglicherweise auch dulden, den Zweiten oder gar den Ostler in Amemnas Armen zu sehen?
 

"Woran denkst du?" fragte Amemna plötzlich, sah sie neugierig an.
 

"Ich denke an die Zukunft von Murhans Kindern", gab Merat zurück. Hannai war doch eine schöne Stadt. Wenn sie sich von Amemnas Lohn für seine Dienste als Birh-Melack dort ein Haus kauften, konnten sie sicher sehr glücklich werden, vorausgesetzt die Eifersucht zermürbte sie nicht. Sie mußte einfach versuchen, sich immer diesen Moment des Glücks in Amemnas Armen in Erinnerung zu rufen, wenn sie begann, an ihm zu zweifeln. Sicher würden ihn weitere Liebhaber nicht erschöpfen, also konnte sie sich zumindest seiner Zuwendung sicher sein, und Hawat würde auf sie herablächeln.
 

*
 

"Herr, Herrin, der Zweite der Wannim will euch sprechen, Herr", erklang plötzlich Losats Stimme von jenseits der Zeltbahn um Merats Lager.
 

Amemna sprang sofort auf, glättete sein schmuddeliges Untergewand, legte den Gürtel um und griff nach dem Schwert, das Murhan ihm geschenkt hatte. "Bleib liegen, Keliebte", sagte er in der Nordländersprache, verschwand in den vorderen Teil des Zeltes.
 

"Was heißt, err wurrde verrhaftet?" erhob nach einigen Augenblicken Amemna plötzlich die Stimme. "Err hat doch nurr den Toten mit dirr ketrragen. Werr hat Nefut denn ankeseigt? Wenn es die Orremprriesterrschaft warr, warrum wurrdest du dann nicht ebenso verrhaftet?" Amemna klang sehr aufgebracht. Nefut war verhaftet worden? Hatte Merat das eben richtig gehört? Das konnte doch nicht wahr sein!
 

"Ich weiß nur, daß ihm von den Tetraosi angeblich okkulte Künste vorgeworfen werden. Es gehen aber Gerüchte, diese Anklage sei nur ein Vorwand, um ihn einer anderen Sache wegen in Haft zu halten", erklärte der Zweite mit seiner melodischen Stimme. Ob Amemna sich von diesen Mann als Geliebtem lossagen würde, wenn sie nach Hannai zogen? Er hatte am Morgen zwar einen recht müden, aber wie auch schon am Vortag einen sehr sympatischen, wohlerzogenen Eindruck gemacht.
 

"Wegen einerr anderren Strraftat oderr weswegen?" wollte Amemna wissen.
 

"Sicher nicht wegen einer Straftat", antwortete Hamarem auffällig gelassen, anscheinend in dem Bemühen, seinen Birh-Melack zu beruhigen. "Dann hätten sie doch keinen Vorwand für die Verhaftung gebraucht. Außerdem kann ich mir das bei Nefut nicht vorstellen. Laß uns abwarten, wie die Prozessanklage lautet." Wie konnten es die Tetraosi überhaupt wagen, den Geliebten des Birh-Melack ihrer Söldner zu verhaften? Dagegen mußte sich unter den Söldnern doch auch Widerstand regen!
 

"Ich mirr auch nicht", entgegnete Amemna nun wieder etwas leiser. "Aberr natürrlich hast du rrecht, wirr müssen erfahren, welcherr Krrund offiziell kenannt wirrd. Und werr bittet mich, sie su besuchen?"
 

"Meine... die Amapriesterin. Sie bittet um eine Unterredung", erklärte Hamarem.
 

"Dann laß uns kehen." Die beiden verließen Merats Zelt.
 

Merat, die sich nach Amemnas ersten lauten Worten auf ihrem Lager aufgesetzt hatte, stützte schwer den Kopf in die Hände. Irgendetwas mußte doch unternommen werden, um Nefut aus der Gefangenschaft zu befreien. Amemna konnte doch jetzt nicht zu einem Stelldichein im Amazelt davongehen und Nefut in Ketten leiden lassen!
 

* * *
 



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