Zum Inhalt der Seite

Die Geflügelte Schlange - Schatten

* * make love, not war * * - Teil 2
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

16. Ehrerbietung

Jochawam gehörte der Regentin von Tetraos nun seit Anfang des Winters. Sie behandelte ihre Sklaven anständig, wenn sie die ihnen zugedachten Aufgaben zu ihrer Zufriedenheit erfüllten, Großzügigkeit war jedoch ein Charakterzug, der Jochawam an seiner Gebieterin bisher entgangen war. Er mußte damit rechnen, bald erneut kastriert zu werden. Vielleicht jedoch ließ sich dieser Moment hinauszögern, wenn er Baridas Befehl nachkam, und sich weiterhin überzeugend als Eunuch gab. Um den Anschein aufrecht zu erhalten, durfte Jochawam in nichts von seinem gewöhnlichen Tagesablauf abweichen. In der Dienstbotenküche frühstückte er mit den anderen Sklaven, fand sich zum Ringkampf in den Übungshöfen ein und begann, seine Kräfte mit einem seiner üblichen Partner zu messen. Doch er hatte nicht mit der plötzlichen, wilden Wut gerechnet, die ihn erfüllte, als der andere ihn auf dem Sandplatz ein paar Handbreit zurückgedrängt hatte. Jochawam warf seinen Gegner ohne Mühe zu Boden und hatte schon die Hände an seiner Kehle, bevor ihm bewußt wurde, was er da machte, von ihm abließ und ein paar Mal tief durchatmete, um wieder zur Ruhe zu kommen.
 

"Was ist los mit dir, Jochawam?" fragte der am Boden Liegende keuchend. Ihm war anscheinend für einen Moment die Luft weggeblieben und sein Gesicht zeigte blanke Angst.
 

Jochawam wich zurück und merkte, wie das Blut in seinen Schläfen pochte. Er bemühte sich weiter, langsam ein- und auszuatmen. Das war kein Angriff gewesen, den er rächen mußte. Das vor ihm war sein Übungspartner, und der hatte ihm nichts getan. Jochawam half dem anderen schließlich wieder auf die Beine, merkte, das seine eigenen Arme vor unterdrückter Wut noch immer zitterten.
 

"Das war heftig", stöhnte der andere, klopfte sich den Sand von seinem Rock. "Und du hast dich verletzt."
 

Erstaunt nahm Jochawam die Abschürfungen an linkem Arm und Knie zur Kenntnis, die er jedoch nur dumpf spürte. Er war offenbar ohne es zu merken über die steinerne Einfassung des Sandplatzes geschrammt, als er den anderen zu Boden gedrängt hatte. "Ich weiß nicht, wie das passieren konnte." Jochawam war zutiefst bestürzt über seine Tat. Er mußte sich in Zukunft zusammenreißen, damit er nicht doch noch andere verletzte und sich selbst verriet. Auch diese heftige Wut hatte man ihm anscheinend mit seinen Hoden genommen. Und in zehn Jahren hatte er fast verlernt, wie man sie kontrollierte. Nachdem Jochawam sich den Sand von den Schrammen gewaschen hatte, wagte sein Übungspartner jedoch trotzdem einen weiteren Gang mit ihm.
 

*
 

Die Gebieterin ließ Jochawam von den Übungshöfen zu sich rufen, dabei konnte es noch kaum die Zeit der Mittagsruhe sein. Angesichts des ungewöhnlichen Zeitpunkts ihres Befehls, wagte Jochawam nicht, sich zunächst zu waschen und umzukleiden, sondern folgte der kleinen Dienerin so verschwitzt und sandig wie er war bis in das Audienzzimmer der Regentin.
 

Barida hob mißbilligend eine Augenbraue, als Jochawam eintrat. "Du hättest dir die Zeit nehmen sollen, dich zu säubern, Sklave", wies sie Jochawam zurecht.
 

Jochawam senkte schuldbewußt den Kopf. "Ja, Gebieterin", sagte er leise.
 

"Ich kann dich nur als Eunuch brauchen", sagte Barida ohne ein erkennbares Gefühl.
 

Jochawam erschrak. So schnell also würde er seine wiedergeschenkte Männlichkeit verlieren. Vielleicht sollte er einfach versuchen, zu fliehen. Der Zwischenfall im Übungshof hatte ihm das verlorene Zutrauen in die eigene Stärke und Entschlossenheit zurückgegeben. Er wollte lieber auf der Flucht scheitern, als sich ohne Widerstand erneut entmannen zu lassen, und Jochawam merkte, daß er unbewußt beide Hände schützend vor seine Genitalien gelegt hatte.
 

Barida lächelte überheblich. "Nein, du darfst dein kostbares Geschenk behalten. Du wirst meinen Hof verlassen."
 

Jochawam atmete erleichtert auf, dann wurde ihm jedoch klar, welche Ungewißheit mit diesem Urteil verbunden war. Er mochte als Sklave der Regentin auf den Feldern eines tributpflichtigen Dorfes eingesetzt werden oder in einer der Bleiminen, aus denen kaum einer der königlichen Sklaven lebend zurückkehrte. "Was wird mit mir geschehen, Gebieterin?" fragte er, als Barida keine Anstalten machte, ihre Entscheidung weiter auszuführen.
 

Nun wurde das Lächeln Baridas freundlicher. "Ich werde dich verschenken, Jochawam. Ich denke, es gefällt deinem neuen Herrn, daß du ein Mann bist. Vielleicht läßt er dich sogar frei, zuzutrauen wäre es ihm."
 

Sie dachte an Amemna, mit unverkennbarer Lust dachte seine Gebieterin an den göttlichen Gesandten, der ihm seine Männlichkeit zurückgegeben hatte. In seinen Besitz überzugehen war ein weit erstrebenswerteres Schicksal, als alles, was Jochawam sich bisher auszumalen gewagt hatte. Wie begehrenswert Barida in diesem Moment aussah. Jochawam hatte das Gefühl, nie zuvor wahrhaft gewürdigt zu haben, wie hübsch ihr rundes Gesicht war, das volle, wenn auch an einigen Stellen schon grau werdende Haar und ihre grünen Augen.
 

"Mach dich zurecht, damit ich mich vor dem Osheyprinzen meines Geschenkes nicht schämen muß", ermahnte Barida Jochawam noch einmal. "Ich werde jemanden schicken, der dich zu ihm bringt."
 

Jochawam versuchte, seine freudige Erregung zu zügeln, verneigte sich und beeilte sich, in seine Kammer zu gelangen, um sich zu waschen und angemessen zu kleiden. Wenig später holte ihn einer der kleinen Diener der Regentin ab und führte ihn aus dem Palast, über die abschüssigen Straßen aus der Stadt und zum Heerlager der Tetraosi, das bereits zum großen Teil abgebaut war.
 

Der Diener gebot Jochawam, außerhalb eines der letzten noch stehenden Zelte zu warten, ging hinein und kam kurz darauf mit einem hochgewachsenen Oshey wieder heraus. Das war nicht Amemna, es war ein gefährlich aussehender Osheykrieger, der dem Alter nach Amemnas Vater hätte sein können. Vielleicht war er in den Diensten von Amemnas Vaters grau geworden und sorgte jetzt für den Sohn seines Herrn. Daß er sich als Beschützer Amemnas sah war jedenfalls unverkennbar. Jochawam bemühte sich, wieder ganz die Rolle des Eunuchensklaven zu verkörpern, denn in einem solchen würde dieser Krieger wohl keine Gefahr für seinen Herrn sehen. Der Oshey befragte Jochawam nach seinem Namen und seinem Begehr, doch dann trat endlich auch Amemna aus dem Zelt. Jochawam durchlief eine Welle der Erleichterung, als er sah, daß es seinem neuen Gebieter offensichtlich gut ging und der Traum von seiner eigenhändigen Entmannung wirklich nur ein böser Traum gewesen war.
 

Amemna setzte vor dem Zelt einen stoffumwickelten Helm auf, kam näher und fiel Jochawam ins Wort, als er gerade erklären wollte, daß er einer der Deckenwärmer der Regentin gewesen war. Der Göttliche Zwitter log seinem Beschützer mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen gerade ins Gesicht und schickte ihn fort, ein Pferd für Jochawam zu besorgen. Dabei schien er den anderen nicht aus Böswilligkeit zu täuschen, sondern eher aus Mitgefühl und Zuneigung. Vielleicht wollte er seinem väterlichen Vertrauten keine schlaflosen Nächte bereiten, denn Jochawams Wissen nach standen die meisten Oshey der männlichen Gestalt der Göttin mit großer Skepsis gegenüber.
 

Die anderen Männer, die aus dem Zelt herausgekommen waren, saßen auf ihre vor dem Zelt wartenden Pferde auf, Diener beeilten sich, das Zelt abzubauen und seinen Inhalt zusammenzupacken, die Reiter verschwanden zum ehemaligen Ausgang des Lagers. Amemna winkte Jochawam, ihm zu einer Fuchsstute zu folgen, saß auf und fragte: "Hast du kein Gepäck, Jochawam?"
 

Jochawam schüttelte den Kopf. "Nicht einmal die Kleidung, die ich am Leibe trage, gehört mir, Gebieter."
 

"Umso besserr. Komm hinterr mich", und mit einem Arm zog er Jochawam hinter den Sattel. Durch die Satteltaschen drohte Jochawam wieder herunter zu rutschen, so daß er seinem neuen Gebieter beherzt um die Taille griff, um sich festzuhalten. So dicht war er Amemna, hatte den dunkelhäutigen Nacken mit den zarten weißen Härchen, die dort wuchsen genau vor seiner Nase, in die nun auch der köstliche Duft des Göttlichen Zwitters stieg. Er konnte nicht anders, als Amemna einen Kuß auf den Hals zu drücken.
 

"Laß das Nefut nicht sehen", sagte Amemna leise, legte eine Hand auf Jochawams Oberschenkel.
 

"Das ist euer Vertrauter, nicht wahr, Gebieter?" fragte Jochawam und genoß die warme Hand auf seinem Oberschenkel. Die Erregung ließ sein Herz pochen und an seinen Händen, die um die schlanke Mitte seines neuen Gebieters lagen, meinte er den nicht minder erregten Herzschlag Amemnas zu spüren. Er wußte, daß die Lust in seinem Gebieter erwachte, und das Begehren nach dem wunderbaren Körper des Göttlichen Zwitters stieg in ihm auf.
 

"Du hast es auch", entfuhr es Amemna plötzlich erschrocken und er nahm die Hand von Jochawams Schenkel, löste Jochawamas Hände um seinen Leib. "So geht das nicht, rrunter mit dirr, Jochawam! Du gehst rrechts und ich gehe links des Pferrdes." Und ohne darauf zu warten, daß Jochawam seinen Befehl umsetzte, schwang Amemna ein Bein nach vorne auf die andere Seite und ließ sich aus dem Sattel gleiten.
 

"Entschuldigt, Gebieter", beeilte sich Jochawam verwirrt zu versichern und stieg ebenfalls ab. Was war dagegen einzuwenden, ein wenig in der Erinnerung an die in der Nacht zuvor genossenen Freuden zu schwelgen? Schweigend führte Amemna das Pferd am Zügel den anderen Reitern hinterher. Sie schienen die letzten zu sein, die das Lager verließen. "Gebieter, was habe ich falsch gemacht?" drängte Jochawam schließlich doch auf eine Antwort.
 

"Ich habe etwas falsch gemacht, Jochawam. Hätte ich geahnt, daß auch du unirrdisches Blut hast, hätte ich dich nicht so nah am mich herrangelassen", sagte er leise, so daß Jochawam es nur mit Mühe verstand.
 

"Was fürchtet ihr, Gebieter?" fragte Jochawam, während er sich schon anstrengen mußte, mit Amemna und dem Pferd Schritt zu halten. Was hatte es mit dem unirdischen Blut auf sich, von dem sein neuer Gebieter sprach?
 

"Ich fürrchte, mich nicht beherrrschen zu können, Jochawam. Es ist so verrlockend, sich diesen Gefühlen einfach hinzugeben. Wenn wirr heute abend das Lagerr aufgeschlagen haben, dann haben wirr vielleicht Gelegenheit, die Göttin zu feierrn." Amemna klang so traurig, als er es sagte.
 

"Ihr glaubt nicht daran, daß sich die Gelegenheit ergibt, nicht wahr, Gebieter?" fragte Jochawam nach.
 

Amemna sah ihn im Gehen über den Sattel seiner Stute hinweg an. "Es wirrd nicht einfach werrden, eine Gelegenheit zu finden, Jochawam. Nefut ist nicht nurr mein Leibwächterr, err ist mein Liebhaberr. Ich fürrchte, err wirrd eiferrsüchtig werrden, wenn err ahnt, was uns beide verrbindet. Und dann ist da noch meine Gattin, Merrat, die bisherr nicht einmal etwas von Nefut ahnt, von dirr ganz zu schweigen. Ich will ihrre Gefühle nicht verrletzten, so sehrr ich mich auch nach einerr weiterren Begegnung mit dirr sehne." Amemna war aber doch ein Gesandter der Göttin. Es war seine Bestimmung, die Lehre der Großen Mutter in der Welt zu verbreiten, Leidenschaft zu wecken und Befriedigung zu schenken. Warum hatte er jetzt plötzlich Vorbehalte, während er doch die Nacht zuvor das dreisame Beisammensein so offensichtlich genossen hatte. Amemna seufzte. "Es sind Oshey, Jochawam. Sie denken, man kann nicht gleichzeitig die selbe Zuneigung fürr mehrr als einen Geliebten empfinden, und natürrlich nicht als Mann fürr einen anderren Mann. Ich habe das Verrsteckspiel satt, aberr..."
 

"Gebieter, sie sollten euch dankbar sein für die Gunst, die ihr ihnen erweist, anstatt Ausschließlichkeitsansprüche zu stellen", wagte Jochawam einzuwerfen.
 

"Aberr ich habe Angst sie zu verrlieren, Jochawam. Das Band das Nefut und mich verrbindet, ist so dünn, daß es bei ein wenig mehrr Belastung rreißen wirrd, denn err heißt nicht alle Bedürrfnisse gut, die ich an einen Mann habe. Und Merrat wage ich garr nicht vorr die Augen zu trreten. Wenn ich ihrr beiwohne, wirrd sie wissen, daß ich selbst bei einem Mann gelegen habe, das ich sie in ihren Augen betrrogen habe. Ich hatte ihrr einen Scheidebrrief geschickt, weil ich gemerrkt hatte, daß ich mehrr will, mehrr brrauche als nurr sie, und sie es wohl nicht akzeptierren wirrd. Doch nun, da sie die Scheidung nicht angenommen hat, mirr sogarr nachgerreist ist, will ich sie doch nicht verrlierren. Und mein Zweiterr..." Amemna schüttelte den Kopf, als könne er dadurch die Beziehungen zu seinen Liebsten ordnen. "Ich weiß nicht, was ich tun kann, um allen glaubhaft meine Liebe zu verrsicherrn, und ich will doch noch mehrr als das. Ich werrde sie alle und dich und mich unglücklich machen." Verzweifelt sah Amemna über das Pferd zu Jochawam, als könne er ihm helfen.
 

Er war so jung und schön, und so herzzerreißend hoffnungslos. Jochawam wünschte sich, das Pferd würde plötzlich verschwinden, so daß er seinen neuen Gebieter einfach tröstend in die Arme schließen konnte. "Gebieter, ich werde euch in allem dienen, ohne Vorbehalte. Es macht mich so glücklich, in eurer Nähe sein zu können, daß nichts dieses Glück trüben könnte, außer wenn ich eurer Gegenwart beraubt würde. Meint ihr nicht, es könnte eurer Gattin und eurem Liebhaber ähnlich gehen? Wenn man euch nahe ist, ist man der Göttin selbst nahe, das werden auch sie bemerkt haben. Denkt ihr nicht, sie wollen euch glücklich sehen? Aber vielleicht fürchten sie einfach, ihr könntet nur einen Menschen lieben, weil sie eure Natur nicht verstehen. Redet mit ihnen, oder zeigt ihnen, wie ihr fühlt. Verzweifelt nicht schon an euren Befürchtungen darüber, wie sie reagieren könnten."
 

Sie hatten den Sammelplatz der Befehlshaber und ihres Gefolges fast erreicht. Ein Teil des Heeres der Tetraosi machte sich bereits auf den Marsch, die Reiter würden sich dem Zug wohl in Kürze anschließen. Amemna blieb stehen und berührte für einen Moment ganz leicht Jochawams Hand, die dieser auf dem Sattel hatte ruhen lassen. "Ich danke dirr, Jochawam. Und wenn es nach mirr geht, wirrst du meinerr Gegenwarrt nicht berraubt werrden. Aber du sollst selbst entscheiden können, doch zu gehen, wenn es dirr beliebt. Du bist ein frreierr Mann, und in meinerr Wannim ist ein Platz fürr dich, wenn du Interresse darran hast."
 

Jochawam bedauerte, daß die Berührung der kräftigen und doch so sanften Hand nicht länger angedauert hatte. "Ich werde an eurer Seite bleiben, bis zu meinem letzten Atemzug, Birh-Melack."
 

*
 

Der Heerzug hatte sich noch nicht weit bewegt, als Amemnas Vertrauter und Liebhaber wieder zu ihnen stieß, ein weiteres Pferd am Zügel, das bepackt war mit Vorräten, Decken und einem Osheymantel, der Jochawam recht gut paßte. Während der kurzen Rast am Wegrand wickelte Jochawam auch das Ma'ouwatituch um, und Amemna setzte Nefut davon in Kenntnis, daß Jochawam nun zu den Mawati gehörte.
 

Nefut sah es mit den osheytypischen Vorbehalten gegenüber Männern aus dem Osten, aber er nahm es stumm nickend zur Kenntnis.
 

"Besorrg ihm noch ein Schwerrt", befahl Amemna mit seiner Birh-Melack-Stimme.
 

"Kannst du mit einem Osheyschwert umgehen, Ostler?" fragte Nefut daraufhin skeptisch.
 

"Kürzere Klingen sind mir vertrauter", mußte Jochawam gestehen. Allerdings lag auch der letzte Gebrauch der typischen geraden Kerrschwerter schon zehn Jahre zurück.
 

"Dann mußt du dich selbst um ein Schwerrt bemühen, Jochawam", entschied Amemna. "Frrag im Söldnerrheerr, ob vielleicht eine derr Ostländerreinheiten ein Schwerrt zu verrkaufen haben. Das Geld bekommst du von mirr wenn du weißt, wieviel du brrauchst."
 

"In Ordnung, Birh-Melack", antwortete Jochawam zackig, schwang sich auf das ihm zugedachte Pferd, um den Heerwurm entlang zur Nachhut zu reiten, in der sich nach Amemnas Angabe die Söldner befanden. Wenn Amemna Gelegenheit bekam, ungestört mit seinem Liebhaber zu reden, mochte das dafür sorgen, daß der Oshey sich der Wichtigkeit der umfassenden Befriedigung seines Herrn bewußt wurde und vielleicht sogar Verständnis dafür entwickelte. Aber möglicherweise mußte Amemna seine Liebsten auch einfach vor vollendete Tatsachen stellen und sie entscheiden lassen, ob sie damit leben konnten, daß er noch andere Menschen begehrte.
 

Bei den Söldnern fand Jochawam eine aus dem Osten stammende Hundertschaft, deren Mawar Jochawam fragte, ob er ein Schwert zu verkaufen hatte. Der Mawar musterte Jochawam neugierig. "Wer bist du und zu wem gehörst du?" fragte er dann zurück.
 

Jochawam grüßte soldatisch. "Herr, ich heiße Jochawam um-Buhachu und gehöre zu den Mawati des Birh-Belack", sagte er stolz.
 

Der Mawar grinste bei dieser Antwort. "Ein Mann aus dem Osten in einer Osheywannim? Wie bis du denn dazu gekommen?" Seinem Dialekt nach mußte er zu den Irim oder sogar wie Jochawam selbst zu den Kerr gehören.
 

"Ich war in Gefangenschaft bei den Tetraosi. Der Birh-Melack hat meine Freilassung bewirkt und mich in seinen Dienst genommen, Herr", erklärte Jochawam. "Nun brauche ich ein Schwert, mit dem ich umgehen kann."
 

"Und der Birh-Melack hätte dir nur ein Osheyschwert geben können, richtig?"
 

Jochawam nickte.
 

Tatsächlich fand sich in der Mawim ein Schwert, das zum Verkauf stand und in Größe und Gewichtsverteilung ähnlich war wie diejenigen, die die Kerr zu verwenden pflegten. Jochawam schwang es ein paar Mal zur Probe und wunderte sich, wie schnell die vor Jahren zuletzt trainierten Bewegungsmuster wieder zutage kamen. "Was soll es kosten, Herr?" fragte er.
 

"Der Birh-Melack ist gut für das Geld?" fragte der Mawar mißtrauisch.
 

Jochawam nickte. "Sagt, was ihr verlangt, Herr, und ich bringe euch das Geld."
 

"Ich gebe dir einen Brief für den Oshey-Birh-Melack mit. Das Geld hat Zeit bis wir Tarib erreicht haben", und er winkte nach seinem Schreiber.
 

Jochawam hatte das Gefühl, die Ehre seines Birh-Melack verteidigen zu müssen. "Herr, der Birh-Melack ist kein Oshey", wandte Jochawam nachdrücklich ein, während der Mawar seinem Schreiber schon den Text diktierte.
 

"Jaja, ein... Unirdischer sei er sagen die Nordler allesamt, was immer das sein mag. Aber er kleidet sich wie ein Oshey", entgegnete der Mawar mit einer wegwerfenden Handbewegung, dann nahm er von seinem Schreiber den Brief entgegen. "Hauptsache er sorgt für unsere Bezahlung."
 

Jochawam konnte die mangelnde Ehrerbietung gegenüber seinem Birh-Melack nicht ertragen. "Aber er ist einer der Gesandten der Großen Mutter, einer der Göttlichen Zwitter!" rief Jochawam aufgebracht.
 

"Woher willst du das wissen?" fragte der Mawar kritisch. Er trug ein Amulett der Göttin an seinem Gürtel stellte Jochawam fest, als der Mann eine Hand in die Nähe der Kupferplakette legte. Anscheinend achtete der Mann also wenigstens die Göttin.
 

Um seinen Worten Glaubwürdigkeit zu verleihen, machte Jochawam das Zeichen der Göttin vor seinem Herzen. "Ich bin mir sehr sicher, denn er erlaubte mir, mit ihm die Göttin zu feiern."
 

Die Augen des Mawar weiteten sich staunend. "Wie kam es dazu?" fragte er ehrfürchtig.
 

Jochawam war im Zweifel, wie viel er von den Geschehnissen der vergangenen Nacht preisgeben durfte. Er befand sich zwar nicht mehr als Eunuch im Besitz der Regentin, aber er war als Mawati noch immer im Dienst der Regentin von Tetraos, auch wenn der Birh-Melack seine schützende Hand über ihn halten würde.
 

Der Mawar zog seine Schlüsse aus Jochawams Schweigen. "Ihr habt schon recht, das betrifft nur euch, den Birh-Melack und die Göttin. Mich geht das nichts an", sagte er plötzlich in einem sehr viel ehrerbietigeren, schon fast reumütigen Ton. "Vielleicht meinen die Nordler mit 'Unirdische' die Gesandten der Göttin. Das würde auch erklären, warum sie dem Birh-Melack mit solch ehrfürchtiger Scheu begegnen. Ich hatte das bisher immer als Nordlerunsinn abgetan. Ich muß bei dem Birh-Melack Abbitte leisten. Und bis dahin versichert euren Herrn bitte meiner untertänigsten Gefolgschaft. Das Schwert ist natürlich ein Geschenk an euch." Und der Mawar zerriß den Brief demonstrativ.
 

"Aber das kann ich nicht annehmen, Herr", widersprach Jochawam, auch wenn es ihn sehr freute, nun ein so prächtiges Schwert sein Eigen nennen zu können, ohne dafür seinen Herrn wegen des Geldes belästigen zu müssen.
 

"Oh doch, das könnt ihr. Ihr seid geheiligt durch die Aufmerksamkeit, die der Birh-Melack euch schenkte. Laßt mich euch auf diese Weise meine Ehrerbietung zum Ausdruck bringen." Und der Mawar verbeugte sich förmlich vor Jochawam.
 

Jochawam erwiderte die ehrlich gemeinte Verbeugung und ritt dann erwartungsvoll zurück zu seinem Herrn. Er erinnerte sich, daß Amemna gesagt hatte, Jochawam hätte unirdisches Blut und er dachte zurück an die Geschichten, die ihm als Knabe über seine eigenen Ahnen erzählt worden waren, wonach eine seiner Ururgroßmütter während des Rauschfestes von einem Göttlichen Zwitter empfangen hätte. Vielleicht stimmte das wirklich.
 

* * *
 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück