Zum Inhalt der Seite

Menschenrechte

Eine Textsammlung zu den Menschenrechtsartikeln
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Artikel 1

Autor: Salix
 

Frei und gleich geboren?
 

Bremen
 

Kinderlachen und Rufen erfüllt den Raum. Zwanzig kleine Wirbelwinde sind dabei Fangen zu spielen. Sie liegen mit dem Bauch auf Rollbrettern, bewegen sich mit den Armen vorwärts und sind völlig in ihr Spiel vertieft. Ein Junge mit dunklen Haaren zischt atemberaubend schnell auf seinem Rollbrett durch den Raum. Er ist der Fänger. Nach und nach erwischt er alle seinen Gruppenkameraden. Unter viel Gelächter endet das Spiel. Die Kinder erheben sich von ihren Rollbrettern, bis auf einen. Der dunkelhaarige Fänger wird von der Betreuerin aufgehoben und in einen Rollstuhl gesetzt. Er ist seit seiner Geburt querschnittsgelähmt.
 

Rio de Janeiro
 

Eine junge Mutter stillt ihr drei Wochen altes Baby. Der Raum ist karg gerade das Nötigste zum Leben befindet sich darin. Sie summt ihrer Tochter etwas zu. Von draußen dringen Geräusche und frische Luft durch das vergittere Fenster.
 

London
 

Der Raum ist steril und warm. Überall ist technisches Gerät. Eine junge Frau steht vor einem Wärmebettchen, in dem ein kleines Mädchen liegt. Von dem winzigen Körper laufen Kabel zu Maschinen rund um das Bettchen. Ein Tropf steht daneben. Das Baby umklammerten den Finger der Frau, welcher in einem Plastikhandschuh steckt.

Wieder und wieder streicht se sacht mit den freien Fingern über die kleine Faust. Sie steht gebückt da, als drücke eine schwere Last auf ihre Schultern. Eine Träne rinnt aus ihrem Auge an der Nase vorbei und tropft zu Boden. Weitere Tränen folgen, ohne dass sie es verhindern kann. In der anderen Hand zerknüllt sie einen ärztlichen Bescheid, auf dem ihr mitgeteilt wird, dass ihr Kind niemals in der Lage sein wird für sich selbst zu sorgen.
 

Dies sind nur drei erfundene Beispiele dafür, dass in der Realität nicht alle Menschen frei und gleich geboren sind. Kinder werden in Slums, in Gefängnissen, in Krankenhäusern, Zuhause und an diversen anderen Orten geboren. Sie kommen als Jungen, Mädchen, zweigeschlechtlich, blind, taub, stumm, gelähmt oder sonst wie beeinträchtig zur Welt.

Gleichheit der Menschen existiert in der Realität nicht. Alle Menschen sind unterschiedlich.

Menschen werden immer in eine Lebenswelt um sie herum hineingeboren, dies kann in eine Familie im Slum, eine reiche, privilegierte Familie oder eben in einem Gefängnis geschehen. Insofern sind Menschen von Geburt an immer mit anderen Menschen verbunden und durch ihre unmittelbare Umgebung in ihrer Freiheit eingeschränkt.
 

Wieso nun dieses frei und gleich geboren, wenn die Realität ganz anders aussieht?

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.(Zitiert aus: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948)

Dieser Satz ist ein Ideal. Er bedeutet, dass jedem Menschen, egal wo er geboren wurde, egal in welche Situation er hineingeboren wurde, egal ob männlich, weiblich oder zweigeschlechtlich geboren, egal welche körperlichen und geistigen Fähigkeiten er in der Realität nun hat oder nicht hat, die gleichen Rechte nämlich die Menschenrechte zukommen sollen, weil er als Mensch geboren wurde. Ein Mensch kann seine Rechte selbst verletzten, sich töten oder seine Rechte werden durch andere verletzt, dennoch sollen ihm diese Rechte zukommen. Auch in diesen Fällen hat er immer noch das Recht auf die Menschenrechte, es beginnt mit der Geburt (Wobei hier Philosophen darüber diskutieren ab wann es eigentlich beginnen soll. Mit der Zeugung? Oder ab einer bestimmten Schwangerschaftswoche? Oder erst mit der Geburt?) und endet mit seinem Tod. (Auch hier gibt es Diskussionen. Zum Beispiel die Sterbehilfedebatte. Hat ein Mensch ein Recht auf einen würdevollen Tod? Darf er dann von jemand anderem getötet werden, wenn es sein Wille ist und er nicht selbst dazu fähig ist sich zu töten, weil er etwa gelähmt ist oder im Koma liegt?)

Da es auch möglich ist die Würde einer toten Person zu verletzen, (Straftatbestand Totenschändung, Grabschändung), besitzen Menschen, auch wenn sie gestorben sind noch ihre Würde.

Das Ideal der Menschenwürde geht von einer Würde aus, die jedem Menschen zukommt, weil er ein Mensch ist und, die er nie verliert oder veräußern kann. Er hat sie solange er lebt, egal, was ihm angetan wird. Jedes Opfer einer Menschenrechtsverletzung besitzt immer noch seine Menschenwürde, er wurde verletzt, erniedrigt, gedemütigt, gefoltert, dennoch ist er im Besitz des Rechts auf die Annerkennung der Menschenrechte und seiner Würde als Mensch.

Das Recht auf die Annerkennung der Menschenrechte und der Menschenwürde kann einem Menschen theoretisch nicht genommen werden, genauso wenig wie er sie selbst theoretisch nicht veräußern oder abgeben kann.

Ich spreche von theoretisch, weil es praktisch zu Menschrechts- und Menschenwürdeverletzungen kommen kann.
 

Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.(Zitiert aus: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948)

Und wenn ein Mensch geistig dazu nicht in der Lage ist?

Dann ist er dennoch ein Mensch, weswegen er Menschenrechte und Menschenwürde besitzt.

Es bedeutet allerdings, dass er anders behandelt werden muss als andere Menschen damit seine Würde gewahrt bleibt. Es kann bedeuten, dass dieser Mensch Betreuung und liebevolle Fürsorge braucht um ein menschenwürdiges Leben zu führen und er hat Recht genau darauf, weil er ein Mensch ist.

Straftäter verlieren ihre Freiheit, weil sie eine Gefahr für andere Menschen waren und immer noch darstellen können, sie verlieren ihre Würde damit nicht. (Egal, welches Verbrechen sie begangen haben.) Aber sie können zum Schutz anderer Menschen eingesperrt werden. Damit wird ihr Recht auf Freiheit eingeschränkt, ihr Recht im Sinne der Menschenrechte und menschenwürdig behandelt zu werden behalten sie.

Ein Problem der Menschenrechte ist, dass es zu einem Konflikt verschiedener, gleichrangiger Rechte kommen kann, dass es also zu einer Abwägung zwischen diesen eigentlich gleichrangiger Rechte kommt. Dies kann bei mehreren Rechten eines Menschen oder bei verschiedener Rechte mehrerer Menschen oder Menschengruppen geschehen. Und dennoch bleibt bestehen, dass jeder Menschen im Besitz von Menschenrechte und Menschenwürde ist, die ihm anerkannt werden sollen von seiner Regierung und von anderen Menschen.
 

Autor: Salix
 

Begriffsdefinitionsprobleme
 

In Artikel 1 der Menschenrechte werden mehrere Werte genannt, welche die Menschenrechte begründen. Der zentrale Wert der Menschenrechte ist die Menschenwürde, doch daneben werden noch Freiheit, Gleichheit, Vernunft, Gewissen und Brüderlichkeit erwähnt.

Zunächst erscheinen diese Begriffe leichtverständlich und es kommt einem einfach vor, nachzuvollziehen, was der Artikel 1 ausdrücken soll. Nur wenn man eine Weile über die scheinbar einfachen Begriffe nachdenkt, stellt sich heraus, dass es schwer ist diese zu bestimmen.

All diese Werte sind wichtig, nur ihre Definition ist problematisch und durch diese Werte kommen weitere Schwierigkeiten in der Menschenrechtsdebatte hinzu. Gerade die in Artikel 1 genannten Werte werden zum Teil seit der Antike unter Philosophen und anderen Denkern heiß diskutiert und immer wieder unterschiedlich ausgelegt. Mir stellen sich folgende Fragen:

Welche Freiheit ist es, in die Menschen hineingeboren werden? Welche Freiheit des Menschen ist zu schützen? Was ist eigentlich Freiheit?

Was bedeutet „die Menschen sind gleich an Rechten geboren“? Welche Art von Gleichheit ist gemeint? Welche Art von Gleichheit ist erstrebenswert? Braucht es vielleicht für ein gleichwertiges Leben von Menschen nicht manchmal eine ungleiche Behandlung?

Was ist Würde? Von welcher Würde wird gesprochen, wenn auf die Würde des Menschen verwiesen wird?

Was heißt „Menschen sind mit Vernunft begabt“? Was ist Vernunft?

Was ist Gewissen?

Was bedeutet „sich im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“? Was ist Brüderlichkeit?

Aus diesem Grund habe ich im Folgenden versucht die Begriffe zu definieren, wobei ich Definitionen in einem philosophischen Lexikon nachgeschlagen habe, wenn ich nur eine vage Ahnung von der Bedeutung der Werte hatte. Herausgekommen sind Definitionen, die wiedergeben, was ich unter dem Begriff verstehe und welche Probleme ich mit diesen Begriffen verbinde. Ich hoffe euch mit diesen Definitionen ein bisschen beim Verständnis der Menschenrechte weiterzuhelfen.
 

Freiheit
 

Absolute Freiheit bedeutet keinerlei Verantwortung, keinerlei Sicherheit, keinerlei Bande zu irgendjemandem und irgendetwas. Als Bild dafür kann man sich eine Person in einer leeren Einöde vorstellen, die völlig auf sich allein gestellt ist. Dies ist ein Beispiel, wie man Freiheit negativ verstehen kann, wobei absolute Freiheit ein theoretisches Konstrukt ist, welches in der Realität nicht möglich ist, weil Menschen immer in eine Gesellschaft mit Verantwortungen, Regeln, Sicherheiten und menschlichen sowie emotionalen Banden hineingeboren werden und damit umgehen müssen.

Freiheit kann als eine Freiheit von etwas, z.B von Gefangenschaft oder Folter, begriffen werden oder als Freiheit für etwas, also die Freiheit etwas tun zu können, tun zu dürfen, die Möglichkeit zu erhalten es tun zu können. Beispiele dafür sind die Meinungsfreiheit, aber auch die Freiheit politischen Parteien, Gewerkschaften oder auch nur einer Theatergruppe beitreten zu können, wenn man das will.

„Der Mensch ist frei geboren“ heißt, er soll frei in seinen Handlungen und Entscheidungen sein. Er soll möglichst nicht in der Freiheit seines Willens und seiner Handlungen eingeschränkt sein.

Die Menschenrechte sind Freiheitsrechte, die Freiheiten gegenüber dem Staat gewähren. Sie sollen einen Schutz gegen das Eingreifen des Staates in die Rechte des Menschen sein. Gleichzeitig sollen sie die Freiheit gewähren, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, sich weiterzuentwickeln oder politisch aktiv zu sein.

Bei den Menschenrechten aus der Erklärung der Menschenrechte, handelt es sich zumeist um sogenannte Schutzrechte. Schutzrechte sind Rechte, die einen Schutz vor Eingriffen des Staates in die Rechte und das Leben des Menschen garantieren sollen. Ein Beispiel für ein Schutzrecht ist das Recht auf Schutz vor Folter.

Die andere Art von Rechten, welche in der Menschenrechtserklärung aufgenommen wurden sind Teilhaberechte. Teilhaberechte sollen Menschen die Teilhabe (also das Mitmachenkönnen bei etwas) an kulturellen, politischen oder sozialen Unternehmungen sichern. Ein Beispiel für ein Teilhaberecht ist das Recht auf Bildung.
 

Kurzer Miniexkurs zum Begriff Vogelfrei: Vogelfreiheit war historisch gesehen und ist auch heute noch eine nicht erstrebenswerte Freiheit. Vogelfrei zu sein, bedeutete außerhalb der menschlichen Gesellschaft mit ihren Regeln und Gesetzen und somit auch außerhalb ihres Schutzes zu stehen. Einem Vogelfreien kam keinerlei Schutz zu. Wer vogelfrei war, dem durfte von jedem, der gerade Lust dazu hatte, angetan werden, was dieser dem Vogelfreien antun wollte, ohne dass der Täter dafür eine Strafe fürchten musste. Eine Person, die für vogelfrei erklärt wurde, durfte von jedem getötet werden, ohne dass der Mörder für den Mord bestraft wurde. Vogelfreie hatten kein Dorf, keine Stadt, nichts wozu sie gehörten, sie konnten keinen Besitz haben und kein Land erwerben. Sie wurden ausgestoßen in dem Wissen, dass sie, wenn sie nicht zu Räubern wurden, verhungerten oder erfroren oder von jemandem getötet wurden. (Ich hielt den Einschub für notwendig, will es heute viele Romane, Bücher, Filme, Lieder und Spiele gibt in denen das Leben von Vogelfreien und das Vogelfreisein verherrlicht und beschönigt wird. Man denke nur an Robin Hood oder das Lied Vogelfrei von Schandmaul.)
 

Gleichheit
 

In einem Blumenkasten wachsen vier Primeln, sie sehen gleich aus, solange sie nicht blühen, denn es sind eine weiße, eine violette, eine rote und sogar ein Himmelsschlüsselchen. In diesem Blumenkasten, haben diese vier Pflanzen die gleichen Lebensbedingungen, da sie sich die Nahrung in der Erde teilen müssen, den fast gleichen Standort haben und zur gleichen Zeit gegossen werden. Dennoch, diese vier Primeln sind nicht gleich.

Einerseits ist Gleichheit ein schönes Ideal, alle sollen die gleichen Bedingungen, Möglichkeiten und Rechte haben. Andererseits ist Gleichheit selbst im Blumenkasten ungerecht, weil Menschen oder im Blumenkastenbeispiel Pflanzen, eben von Natur aus nicht gleich sind und nicht unter den gleichen Bedingungen leben.

Die Gleichheit vor dem Gesetz ist wichtig und notwendig, auch wenn sie nicht immer praktisch vorhanden ist. Die Möglichkeit gleicher Chancen für Menschen aus unterschiedlichen sozialen Umfeldern, Familien und mit unterschiedlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, erzwingt eine Ungleichbehandlung dieser Menschen, damit sie gleiche Chancen haben.

So ist in der Medizin eine Ungleichbehandlung der Patienten notwendig. Alle Menschen sollten ausreichend medizinisch versorgt werden, (Etwas, dass in der Realität nicht so ist.) aber wenn Kinder, Frauen und Männer mit der gleichen Krankheit von einem Arzt gleich behandelt würden, könnte es beispielsweise Kinder umbringen. In der Medizin muss also ein Unterschied in der Behandlung von Kindern, Frauen und Männern gemacht werden, weil sie alle unterschiedlich auf Medikamente, Wirkstoffe und insbesondere die Dosis reagieren. Es gibt genug Allergiker, welche die Behandlung mit einem bestimmten Medikament umbringen könnte.

Die Menschenrechte fordern Gleichheit, aber es ist eine Gleichheit der Chancen und Rechte. Jeder Mensch soll die gleichen Rechte haben und die gleiche Chance, nämlich die, sein Leben in menschenwürdigem Rahmen nach seinen Wünschen frei zu gestalten und leben zu können.
 

Würde
 

Die Würde des Menschen, welche ihm, weil er ein Mensch ist, zukommt, ist der zentrale Wert auf den sich alle Menschenrechte berufen und gründen.

Ein Grund, weswegen die Würde der zentrale Wert ist, ist der, dass die Würde eines Menschen von so ziemlich allen Menschen als Wert anerkannt werden kann, egal welchen kulturellen Hintergrund sie haben, aus welchem Land sie kommen, welcher Religion sie angehören und welche politische Richtung sie vertreten. In dieser Hinsicht ist der Wert der Menschenwürde zentral.

Ein Problem des Würdebegriffes ist es, dass er sehr unterschiedlich verstanden werden kann, je nach dem, ob er christlich, muslimisch, jüdisch, politisch, kulturell oder philosophisch definiert wird. Würde kann sehr viele sich auch widersprechende Bedeutungen haben, gleichzeitig bietet der Würdebegriff aber auch die Möglichkeit eines Minimalkonsenses, weil man sich auf die Würde berufen kann, egal wie man sie nun definiert.

Würde kann beispielsweise als ein Wert angesehen werden, der jedem Menschen innewohnt und den dieser nie verliert, aber was ist dann eine Würdeverletzung?* Sie wäre ja gar nicht möglich, weil der Mensch immer noch seine Würde besitzt, obwohl er z.B. gefoltert wurde.

Eine weitere Definition, die ich auch schon immer wieder in den Texten hier vertreten habe ist Folgende. Sie besagt, dass die Würde des Menschen unter anderem bedeutet, die Möglichkeiten der Selbstbestimmung als Mensch zu haben, dafür müssen die Bedingungen seines Menschseins (die Möglichkeiten der Selbstbestimmung) geschützt werden.*

Es gibt noch einen dritten philosophischen Ansatz der Würdebestimmung, der mir ebenfalls notwendig erscheint, zu der auch die Menschenwürde der Menschenrechte zählt. Die Menschenrechte sind Rechte die Grundsätze sein sollen, die ein bestimmtes Verhalten gegenüber sich selbst und anderen Menschen aber auch das Verhalten des Staates regeln sollen. Menschenrechte sind Grundsätze, die helfen sollen zu zeigen, welche Bedingungen gegeben werden müssen, damit Menschen ein menschenwürdiges Leben führen können.* Für ein menschenwürdiges Leben zählen Meinungsfreiheit, Teilhabe am sozialen, politischen und kulturellen Leben, die Möglichkeit von Bildung und Arbeit, Schutz vor Folter, Verletzung der Person, ungerechtfertigter Gefangenschaft, Sklaverei und noch vieles mehr, zählen zu den erklärten Bedingungen für ein menschenwürdiges Leben, deswegen sind sie in der Erklärung der Menschenrechten als Menschenrecht festgelegt. Es sollen Grundsätze sein, die helfen sollen in konkreten Fällen Entscheidungen, wie Menschen behandelt werden sollen, fällen zu können.

Würde ist ein ziemlich schwieriges und komplexes Thema, welches im Laufe der Menschenrechtsdebatten von vielen Philosophen untersucht und bearbeitet wurde.
 

Vernunft
 

Was bedeutet mit Vernunft begabt? Was ist Vernunft?

Folgt man der Frage, so begibt man sich auf das Feld der größten, wichtigsten und schwierigsten Problemen der Erkenntnisphilosophie.

1. Vernunft ist ein Zusammenspiel geistiger Vermögen, die das Erkennen von etwas ermöglichen. (In der Philosophie die theoretische Vernunft)*

2. Vernunft ist aber auch das begründet-Handeln-können. (Die praktische Vernunft)*

3. Oder auch Vernunft ist das, womit man etwas richtig auffasst und gleichzeitig das Vermögen, welches einem ermöglicht das Aufgefasste geistig zu verarbeiten und für sein Handeln zu nutzen. Alle drei Definitionen von Vernunft finden sich im Metzler Lexikon der Philosophie von 1999.* Diese Definitionen aus einem philosophischen Lexikon zeigen, wie unterschiedlich Vernunft definiert werden kann. Es sind drei Minimaldefinitionsversionen des Vernunftbegriffes. Auch zu der Frage, was Vernunft sei, gibt es einige Bücher, in den verschiedene Philosophen dieser Frage nachgehen und zu unterschiedlichen Antworten gelangen.

Für das Verständnis von Vernunft bei den Menschenrechten reicht meist aus zu wissen, dass Menschen mit Vernunft begabt sind, etwas dass sie von Tieren unterscheiden soll.

Allerdings passen für die Menschenrechte alle drei Definitionen aber am sinnvollsten ist hier wohl die dritte Definition, welche die ersten beiden miteinander vereint. Die Werte, welche in den Menschenrechten gefordert werden, sind nicht so leicht verständlich, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Sie haben jede Menge philosophisches Diskussionspotential.
 

Gewissen
 

Ein weiterer Begriff, der in der Ethik und in der Moralphilosophie stark umstritten ist. Das Menschen mit Gewissen begabt, davon sind diejenigen, welche 1948 die Erklärung der Menschenrechte erarbeiteten ausgegangen. Darüber, inwieweit die einzelnen Menschen mit einem Gewissen begabt sind, ist immer wieder fraglich.

Das Gewissen ist ein moralisches (Mit-)Wissen, welches das eigene Urteilen und Handeln bewertet, nach moralischen Regeln. Es ist die Fähigkeit seine Handlungen distanziert zu betrachten und zu überprüfen, wie moralisch bedeutende Entscheidungen und Handlungen eigentlich zustande gekommen sind.* Als Gewissen wird unsere Fähigkeit genannt, Handlungen im Nach- oder Vorhinein gedanklich auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Es heißt nicht, dass wir so handeln müssen, wie unser Gewissen uns eine Handlung als moralisch oder unmoralisch erkennen lässt. Die Tatsache, dass wir diese Fähigkeit besitzen, bedeutet, dass wir in der Lage sind, moralische Urteile zu fällen, etwas, das gerade im Bezug auf die Menschenrechte wichtig ist, weil es beispielsweise eines der Abgrenzungskriterien von Menschen und Tieren ist. Menschen haben ein Gewissen. Bei Tieren gehen wir davon aus, dass sie kein Gewissen haben.
 

Begegnung im Geiste der Brüderlichkeit
 

Warum keine Begegnung im Geiste der Schwesterlichkeit? Oder der Geschwisterlichkeit? Oder der Menschlichkeit?

Weil Brüderlichkeit nun einmal das Wort ist, welches gewählt wurde und welches auch aus einem historischen Kontext heraus für einen bestimmten Wert steht.

Brüderlichkeit soll auf ein Beziehungsverhältnis unter Gleichen verweisen. Der Begriff wird für außerfamiliäre, ideelle und soziale Gemeinschaften verwendet. Sie dient als Basis für die Legitimation von gemeinsamen Interessen, Zielen und einem gemeinsamen Wertehorizont bei religiösen, sozialen und politischen Gemeinschaften.*

Bei den Menschenrechten soll es verdeutlichen, dass alle Menschen sich gegenseitig achten sollen, weil sie Menschen sind.
 

Ich hoffe diese Versuche, die Werte, welche im ersten Artikel der Menschenrechte genannt werden, zu definieren, helfen beim Verständnis der Menschenrechte und zeigen auf, warum es auch innerhalb der Menschenrechtsdebatten Probleme und Widersprüche gibt. Denn die in Artikel 1 genannten Werte sind einzeln schon problematisch genug. Die weiteren Texte werden wahrscheinlich keine philosophischen Essays und Definitionsversuche werden (Hoffe ich. Versprechen kann ich das nicht.) Aber gerade im Bezug auf Artikel 1 finde ich es wichtig, diese Werteproblematiken angedeutet zu haben. Ich hoffe, ich konnte mich verständlich ausdrücken.
 

*Der Textteil, an den das * direkt anschließt und kursiv ist, entstand unter Zuhilfenahme des Metzler Philosophie Lexikons, 2. Auflage Stuttgart 1999. Es sind indirekte Zitate. Ich habe den Lexikontext so formuliert, wie ich ihn verstanden habe.
 


 

Artikel 1.

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Zitiert aus: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948, Abdruck aus, Norberto Bobbio, Das Zeitalter der Menschenrechte. Ist Toleranz durchsetzbar?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2012-05-11T19:40:16+00:00 11.05.2012 21:40
Ohje...wie soll ich zusammenfassen was ich über deine zwei Texte denke...
Also erstmal fällt mir dazu "erschlagend" ein.
Weil die Informations- und Interpretationsflut mich umgeworfen hat, was ich nicht wirklich negativ meine ;)
Als zweites "erleuchtend", da ich zwar nicht das Gefühl hatte den 1.Artikel nicht verstanden zu haben aber du mir doch noch einige Aspekte aufgezeigt hast.
Und drittens, "entwaffnend", denn ähnlich wie der Agnotizismus haben deine Definitionen für mich eine unbestreitbare Richtigkeit, ich werde nicht wagen dir zu wiedersprechen^^
Von: Futuhiro
2012-05-01T20:24:42+00:00 01.05.2012 22:24
Okay, ich sehe ganz deutlich, welche Hinweise umgesetzt wurden. Danke! ^^
(Vor allem dafür, daß die zynischen Passagen rausgenommen wurden.)

Die Definitionen sind nach wie vor der Wahnsinn, und ich bin immer noch der Meinung, daß ich das so nicht gekonnt hätte. Das Kapitel ist eine echt reife Leistung, klasse gemacht.

Ich hoffe, wir ziehen dieses Projekt wirklich bis zum Ende durch und alle angeschlossenen Autoren arbeiten fleißig mit dran. Es ist ein lohnendes Thema, das es wert ist, sich damit auseinanderzusetzen.
Von:  Larvae
2012-03-18T22:36:35+00:00 18.03.2012 23:36
Ich finde die Beispiele sehr anschaulich geschrieben. Im Ersten Moment haben die mich gefesselt. Mehr als der Text darunter, aber mit ihnen konnte ich diesen auch besser verstehen.
Man sagt immer, das man seine Würde nicht verlieren soll, dass man sich die immer bewahren kann, aber manchmal ist das sehr sehr schwer.
Wenn ich an die großen Schlagzeilen damals denke mit den Männerhaufen im Iran (Irak?).
Dann ist das mit der Würde schon eine schwere Frage.


Zurück