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Yuri

von

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Chapter 6: Rote Lippen, kristallklarer See

Chapter 6: Rote Lippen, kristallklarer See
 

Der nächste Morgen kam zügig, die Sonne war bereits dabei, den Horizont zu verlassen, als Chiyoko, die noch dösend auf dem Boden lag, plötzlich ein ungewohntes, und dennoch sehr angenehmes Gefühl auf ihrer Wange spürte. Sie säuselte im Schlaf und mehr wie ein „Mmh…“ hörte man nicht, auch wenn sie bereits dabei war, aufzuwachen.

Es war ein warmes Gefühl, das sie zu streicheln schien. Genau deshalb wollte sie nicht aufstehen. Sie kannte es, damals, als sie noch klein war, tat es ihr großer Bruder Takeo genauso, wenn sie traurig oder ermüdet war.

„Takeo?“, murmelte sie fragend, als sie langsam die Augen öffnete.

„Hihi, ich bin nicht dein Bruder, Chiyoko-chan“, erklang eine Stimme, die sich so rein gar nicht nach Takeo anhörte, sondern vielmehr nach einer Frau, „Du musst langsam aufstehen, es ist schon morgen und die Sonne geht auf.“

Chiyoko schreckte auf, mit großen Augen blickte sie in das Gesicht, welches sie mit zwei großen, roten Augen ansah.

„O-O-Ojou-sama…!“, schrie sie auf.

„Guten Morgen, Chiyoko-chan.“

„Guten Morgen!“, wieder verbeugte sie sich hastig.

Es war ihr mehr als peinlich. Was dachte ihre Herrin denn nun von ihr, wenn sie ihm Halbschlaf den Namen ihres Bruders säuselte, während sie von ihrer Herrin sanft berührt wurde.

Genau, wieso berührte sie sie? Sie wusste zwar, dass sie selbst nicht gerade eine schnelle Aufwacherin war, aber wenn man ihren Namen nannte, wurde sie doch immer davon geweckt. Aber dieses Mal nicht.
 

„Hime-sama, ich habe alles vorbereitet, die Eskorte ist jeden Augenblick da“, sagte Tanaka, der gerade aus einem Gebüsch am Wegesrand heraustrat.

„Vielen Dank, Tanaka-san. Das ist sehr nett von dir“, dankte Sayuri ihm.

„Ähm…?“, versuchte Chiyoko kundzugeben, denn sie verstand die Situation nicht

Tanaka beendete ihre Unwissenheit: „Ich war gerade bei der Eskorte, sie kommt gleich. Nachdem du so lange geschlafen hast, hast du das wohl auch nicht mitbekommen. Als Dienerin des ehrenwerten Hauses Okabashi solltest gerade du niedere Magd als Erste aufstehen und…“, wollte er fortführen, doch Sayuri unterbrach ihn.

„Du sahst so erschöpft aus und da schickte ich Tanaka-san los, damit du dich noch etwas ausruhen konntest“, strahlte Sayuri sie an.
 

Chiyoko wurde rot.

„Achso … V-Vielen Dank, Ojou-sama…“, murmelte sie leise auf den Boden schauend.

„Du brauchst dich gar nicht so geschmeichelt fühlen“, meckerte Tanaka sie an, „Schließlich können wir von Glück sprechen, dass keine Banditen gekommen sind. Alles wegen dieser Trödelei…“. Er seufzte schwer.

Für Chiyoko klang es gerade so, als sei sie daran schuld. Sicherlich hatte er Recht, schließlich war sie immer an allem Elend schuld. Doch diese spitzen Bemerkungen trafen sie besonders schwer. Sie biss sich auf die Unterlippe, da hörte sie schon ein Geräusch, dem sie nachblickte.

Die Eskorte war nun da. Es konnte also nicht mehr allzu lange dauern, bis sie dort ankamen, wo Chiyoko ab sofort leben musste.
 

Anmutig stieg Sayuri in die Sänfte, die von acht Leuten getragen wurde. Jene Sänfte war wunderschön verziert, in einem strahlendem Rot und einem goldenen Kranichmuster.

„Welch schöne Sänfte…“, dachte Chiyoko bewundert. Alles an Sayuri war zauberhaft. Nie hätte sich das junge Mädchen vorstellen können, dass solch wundersame Menschen, solch eine Eleganz wirklich existiert.

Nachdem die Fürstentochter eingestiegen war, schob sie den roten Vorhang leicht zur Seite und blickte lächelnd zu ihrer Magd.

„Worauf wartest du, Chiyoko-chan?“, fragte sie sanftmütig. Die Gefragte verstand selbstverständlich nicht, worauf ihre Herrin hinauswollte und blickte diese nur verwirrt an.

„Du bist doch müde und deine Füße sind doch so schlimm verletzt. Steig ein, die Sänfte ist groß genug für uns beide“, forderte sie auf.

Tatsächlich war es kein Transportmittel für nur eine Person, darin hätten sicherlich noch zwei weitere Mitinsassen Platz gefunden. Chiyoko jedoch konnte nur kundgeben, sie wisse nicht, was ihre Herrin von ihr erwartete, bis Tanaka ihr einen kleinen Klapps am Hinterkopf verpasste, der sie darauf hinweisen sollte, nun in die noch geöffnete Sänfte einzusteigen.

Nach einigen Sekunden des Zögerns nahm sie Platz gegenüber ihrer Herrin, deren langer Kimono fast den ganzen Boden bedeckte und Chiyoko große Mühe bereitete, mit ihren schmutzigen Füßen nicht darauf zu treten.

„Ojou-sama, w-warum sollte ich denn hier bei Euch Platz nehmen? … I-Ich meine, ich hätte doch auch laufen können?“, wollte sie wissen, als die Eskorte nun begann, loszuziehen.

„Nun, das sagte ich bereits. Deine Füße sind ganz wund und müssen sich erholen.“

Chiyoko seufzte und hielt ihren Kopf gesenkt. Eine eindeutige Erklärung bekam sie wohl nicht von ihr. Aber warum eigentlich eine eindeutige Erklärung? War es nicht so, dass Sayuri schon genug erläuterte gab? Überhaupt war die großartige Tochter des Hauses Okabashi ihr keinerlei Nettigkeit schuldig und dennoch behandelte sie Chiyoko ganz wie eine Freundin, nicht wie eine Dienerin. Sie schien eine wirklich sehr nette Herrin zu sein, wenn sie ihre Dienerin nur wegen verletzten Füßen bei sich in der Sänfte mitfahren ließ.

„Was erwarte ich denn für eine Antwort? Sie ist doch … meine Herrin… und ich muss sie unterstützen und ihre Entscheidungen nicht einfach anzweifeln. Aber wegen meinen Füßen? Nur weil ich verletzt bin… Deswegen alleine darf ich hier sein? …“, und noch vieles mehr waren Gedanken, die sie gerade beschäftigten, als sie kurz einen Blick nach oben erhaschte und ihre Augen sich weit öffneten.

„H-Herrin?“, fragte sie unsicher, doch auf eine Antwort wartete sie vergeblich.

So konnte sie Sayuri, die derart anmutig und wunderschön mit geschlossenen Augen vor ihr saß, nur ansehen. Sie war wohl nach dem anstrengenden Marsch gestern noch immer müde, obwohl sie letzte Nacht sehr friedlich zu schlafen schien, zumindest dachte das Chiyoko.

Sie lächelte ihre Herrin an, deren Körper nun langsam zur Seite wankte und sich gegen die Wände der Sänfte stützte, ihren Kopf ebenfalls dort anlehnend.

Das junge Mädchen hatte keine andere Wahl, als nur zu ihr zu sehen, so gebannt war sie von der Schönheit Sayuris. Sie konnte sich nicht erklären, woher diese Faszination hertrat.

War es ihr exotisches Aussehen? Ihre zarten Augenlider? Die feinen, langen Haare? Oder die so sanft wirkenden rot bemalten Lippen, die den leicht geöffneten Mund zierten? Sicherlich gehörte Sayuri zu den schönsten Frauen des Landes, das zweifelte Chiyoko nicht mehr an. So viel schöner als die ganzen Edeldamen ihres Heimatdorfes, so viel schöner als ihre elegante Mutter, niemand, den sie je zu Gesicht bekam, hätte mit ihr mithalten können. Vertieft sah sie sie nun schon viele Minuten an, bald eine Stunde, als sie sich nach vorne beugte, getrieben von leichter Neugierde, wie sich diese Lippen wohl anfühlten. Warum sie das tat, konnte niemand sagen. Sie streckte ihre Hand zögerlich aus, ihren Zeigefinger leicht gekrümmt zu dem Mund ihrer Herrin streckend, ihrer Herrin immer näher kommend, bis sie kurz zusammenzuckte, wieder auf Abstand ging und schnell zu atmen begann.
 

„W-Was ist nur los mit mir? W-Was habe ich da gerade getan? I-Ich hätte mich b-beinahe erdreistet, d-die Lippen m-meiner Herrin zu berühren…“, dachte sie aufgeregt, während die ihre eine Hand die andere umfasste.

„Schläft die edle Hime-sama?“, fragte Tanaka plötzlich. Er erschrak das aufgewühlte Mädchen damit so sehr, dass sie wieder zusammenzuckte.

„W-Wie bitte?“

„Ich fragte, ob die junge Hime-sama gerade schläft, da ihr euch nicht unterhaltet und ihr so still in der Sänfte seid, seit einer Weile schon“, erklärte Tanaka kurz, während er draußen neben der Sänfte herlief.

„J-Ja, d-die verehrte Ojou-sama ist schon vor einiger Zeit e-eingeschlafen“, entgegnete sie dem Diener mit zittriger Stimme.

Der Moment passte zu perfekt, als das er sie bei ihrem Vorhaben nicht hätte erwischen können. Sie dachte schon daran, was sie alles für Strafen erwarten würden, doch zu ihrer Überraschung kamen keine Drohungen oder dergleichen, sondern nur ein ruhiges „Verstehe, wir machen bald eine Pause, die Männer sind ohnehin erschöpft“, seinerseits.
 

„I-Ist gut, i-ich habe verstanden, Tanaka-san“, antwortete sie ihm schüchtern.

„Zum Glück scheint er nichts bemerkt zu haben…“, seufzte sie innerlich auf. Einen gewissen Sicherheitsabstand zu ihrer schlafenden Herrin behielt sie nun bei, bis nach einer weiteren Stunde die Pause begonnen wurde und nun auch Sayuri wieder unter den Lebenden weilte. Nachdem die beiden Frauen aus der Sänfte ausgestiegen waren, überhallte sie ein Anblick, der besonders Chiyoko überraschte. Ein angenehmer Wind wehte, strich ihr durch ihr Haar und ließ sie etwas abkühlen. Der kristallklare See vor ihren Augen, die fliegenden Spatzen und Schmetterlinge. Es war ein traumhafter Anblick. Chiyoko gab ihrer kindischen Ader etwas nach, sie musste auf den kleinen Hügel etwas abseits des Weges rennen, um diese Aussicht mit einem Strahlen empfangen zu können.

„Gefällt es dir hier?“, fragte ihre Herrin sie, während sie nun auch durch das grüne, saftige Gras schritt, jedoch nicht so weit nach vorne, wie es Chiyoko tat.

„Ja!“, antworte Chiyoko ihrer Ojou-sama fröhlich, „Es ist so schön hier! Ich danke Euch! Nie habe ich so eine schöne Landschaft gesehen!“ Sie wand sich ihrer Herrin zu, dann tanzte sie am Wegesrand ausgewogen, hinunter, über die Wiese zu dem See. Sie streckte ihre Arme aus und blickte in den Himmel, dann auf das klare, frische Wasser. Ihr genussvolles, aufrichtiges Lachen ließ Sayuri schmunzeln.
 

„Hime-sama, wir machen keine lange Rast, bitte verzeiht, aber wir haben schon genügend Zeit am gestrigen Tage verschwendet“, riss Tanaka Sayuri aus ihren Gedanken.

„Ja, ich habe verstanden. Wir bleiben nicht lange, nur noch ein klein wenig bitte…“, lächelte sie ihn an. Die schöne Frau setzte sich ins Gras und beobachtete ihre Magd noch die restliche Zeit, bis diese zu ihr hinaufschnellte.

„Ojou-sama!“, sie ergriff die Hand ihrer Herrin und zerrte leicht an ihr, „Bitte, Ihr müsst mit nach unten kommen, das Wasser, der See, es ist so herrlich!“

Sayuri lächelte, während ein kurzer Blick zu Tanaka wanderte, der die Frauen skeptisch ansah.

„Wahrscheinlich denkt er gerade etwas wie: „Bleib bloß weg von meiner Hime-sama!“ oder dergleichen“, kicherte sie in ihren Gedanken vor sich hin. Sie erhob sich, mitsamt ihrem schweren Gewand.

Sie wurde weiter ans Ufer geführt, dann kicherte sie.

„Chiyoko-chan, nicht so stürmisch! Ich komme ja gar nicht richtig hinterher!“, lachte sie. Es war auch so. Mit dem Junihitoe fiel es ihr wahrlich schwer, mit dem jungen Mädchen mithalten zu können.

„Aber Ojou-sama! Hier ist es noch schöner, seht nur, kleine Kaulquappen!“, wies das Fräulein sie hin, als sie in die Hocke ging und in das niedrige Wasser am Seeufer zeigte.

„Sie sind sicher alle Geschwister, die immer zusammenbleiben…“, murmelte sie gedankenversunken vor sich hin.

Sayuri verstand nun. Ihre Magd hatte Heimweh, obwohl sie erst einen Tag von Zuhause getrennt war.

„Ich bin mir sicher, du siehst deine Familie bald wieder, Chiyoko-chan“, redete sie behutsam auf die Traurige ein, „Sag, kannst du lesen und schreiben?“ Die Befragte schüttelte den Kopf. „Dann bringe ich es dir im Schloss bei. Es ist nicht ganz einfach, aber du bist so schlau, ich bin sicher, du lernst es sehr schnell.“

Chiyoko sah ihre Herrin leicht verwundert an. Sie vermag es wirklich, ihr ganz leicht Mut zusprechen zu können. Sie lachte, stand auf und band ihren ohnehin nur knielangen Kimono etwas nach oben. Danach rannte sie freudig ins Wasser.

„Es ist schön frisch! Ganz kühl! Ojou-sama, kommt doch auch herein!“, forderte sie ihre Herrin auf. Diese winkte dankend ab. Sie wollte zwar sehr gerne ins kühle Nass, aber das gehörte sich nicht. Zum Gespött der ganzen Dienerschaft würde sie sich machen, wenn sie da jetzt nachgeben würde. Dann wurde sie von ihrer quirligen Magd nassgespritzt.

„Dann eben so!“, strahlte Chiyoko. Ihre Herrin genoss diese kleine Zweisamkeit sehr, doch musste sie sich vor den Wassertropfen schützen, denn sie hätten ihr perfekt geschminktes Gesicht von dem Rouge befreit.

„Ch-Chiyoko-chan, es reicht langsam…“, lachte sie.

Tanaka trat neben seine Herrin. Er beäugte das im Wasser planschende Frauenzimmer äußerst argwöhnisch, beinahe schon etwas düster. „Wie die mit meiner Hime-sama umspringt…“, dachte er schnippisch, doch im gleichen Moment wurde er von einer etwas größeren Ladung Wasser erfasst, die Chiyoko versehentlich direkt in sein Gesicht beförderte.

„A-Ah, das tut mir leid! Bitte verzeihen Sie mir, Tanaka-san!“, entschuldigte sich das nun leicht nervös gewordene Mädchen.

„Komm sofort heraus, Weib!“, entgegnete er äußerst wütend, während er sich das Wasser aus dem Gesicht rieb, „Wir reisen weiter! Die Rast ist vorbei!“

„J-Jawohl!“, stotterte Chiyoko. Nun hatte sie erneut einen Fehler gemacht. Sie war wirklich traurig und tat dann sofort, wie ihr befohlen.

„Aber, aber, Tanaka-san. Es war ja nur ein Spiel, nur ein Spiel und nichts weiter“, tröstete die Fürstentochter ihren Begleiter. Sie beruhigte ihn recht schnell mit der Aussage, es sei ja nur Wasser gewesen.

„Ein solches Verhalten ziemt sich nicht, schon gar nicht für so eine niedere Magd wie sie es ist und das wisst Ihr auch, Hime-sama“, belehrte Tanaka seiner Herrin leicht flüsternd, als Chiyoko, die weiterhin ihren Kimono zurechtrückte und ihre Beine abtrocknete, außer Hörweite war. Natürlich wusste das Sayuri längst, doch ihre erfrischende Art belustigte sie und es machte ihr wirklich eine Freude, dem jungen Mädchen zuzuschauen. Sie reagierte nicht weiter auf seine Aussage, sondern rief ihre Magd zu sich. Die beiden betraten daraufhin die wieder die Sänfte und die Reise, die in wenigen Stunden enden wird, würde nun fortgesetzt werden können und das ohne jegliche Zwischenfälle.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  dragon493
2013-01-22T18:02:22+00:00 22.01.2013 19:02
tolles Kapitel
die beiden sind echt süß
freu mich aufs nächste Kapitel
lg dragon493
Von:  Renaki
2013-01-22T14:31:21+00:00 22.01.2013 15:31
Das Kapitel ist wirklich schön geworden^^
Bin gespannt wann und ob Chiyoko mal richtigen Ärger bekommt, wird ja im Moment immer von Sayuri beschützt, wenn sie einen Fehler macht. Tanaka würde sicher sofort auf sie losgehen, wenn er mit ihr alleine wäre.

LG Renaki^^


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