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es besser machen.

- a next generation story -
von

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Kapitel Neun.

Es besser machen.
 

Kapitel Neun.
 

„Kennst du dieses Gefühl, wenn alles plötzlich durcheinander kommt und du keine Kontrolle mehr hast und nur noch hilflos dastehst und beobachtest, wie dein gesamtes Leben falsch verläuft, ganz anders als du es geplant und dir jemals vorgestellt hattest?“
 

Mit zitternden Händen entzündete sich Rose eine Zigarette, während sie ihren Blick auf Adam fokussierte, der lässig an der Brüstung des Astronomieturms lehnte und die Kälte in der Novemberluft nicht zu spüren schien.
 

Er zuckte mit den Schultern. „Jeder fühlt sich mal so, oder nicht?“
 

„Sag du es mir! Und sag mir, wie ich das Kommando wiederbekomme! Momentan ist alles so verwirrend und es macht mich ganz krank! Ich mache mich krank!“
 

„Wenn dein Leben nicht mehr so verläuft, wie du es gerne möchtest, dann musst du ändern, wie du es lebst. Ist doch einfach, oder nicht?“
 

Rose lachte leise und schüttelte den Kopf, was dazu führte, dass sich ihre roten Haare aus dem unordentlichen Dutt lösten, den sie am Morgen zusammengesteckt hatte. Sie ignorierte die Strähnen, die ihr wild ins Gesicht fielen, und antwortete: „Ich glaube nicht, dass das so einfach ist, wie du es sagst. Wusste gar nicht, dass du so ein philosophischer Typ bist.“
 

Adam streckte ihr die Zunge raus, woraufhin sie ihn neckend in die Seite stieß. Dann steckte sie ihm die halb gerauchte Zigarette zwischen die Lippen und begann, ihre Haare erneut zu ordnen.
 

„Aber irgendwie hast du Recht. Weißt du, ich sollte wirklich ein paare grundlegende Sachen in meinem Leben ändern. In letzter Zeit halte ich es mit mir selbst kaum noch aus. Ich kann mich selbst nicht mehr ausstehen und bitte, wie ist das denn überhaupt möglich - ich bin fantastisch!“
 

Adam starrte sie gespielt überrascht und mit offenem Mund an. „Weasley, ich wusste nicht, das du so selbstverliebt bist!“
 

„Oh bitte, kennst du mich denn gar nicht?“, erwiderte Rose mit einem zufriedenen Grinsen. Dann wurde ihr Gesichtsausdruck eindringlich. „Jetzt mal ernsthaft; ich sollte etwas ändern, oder? Ich kann ja nicht ewig dieses naive, unzufriedene und leicht zu habende Mädchen sein. Ich meine, wir machen im Frühling unseren Abschluss, es wird Zeit, dass ich erwachsen werde und lerne, mich verantwortungsbewusst benehme. Das Problem ist: ich weiß wirklich nicht, wie das gehen soll.“
 

Mit gerümpfter Nase klaute sie sich ihre Zigarette zurück und nahm einen tiefen Zug. Mit geschlossenen Augen atmete sie aus.
 

„Rose“, begann Adam neben ihr und seine Stimme klang aufrichtig, „du machst es dir selbst so schwer. Du bist doch schon längst der Mensch, der du sein willst. Du versteckst dich nur hinter deinem kindischen Verhalten, hinter dieser Maske, warum auch immer.“
 

„Glaubst du das tatsächlich? Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mehr, wer ich eigentlich bin und welcher Teil von mir eine Maske ist. Tagsüber bin ich das brave, gut erzogene Mädchen, das perfekte Noten schreibt und keine Regeln bricht, abends betrinke ich mich und schlafe mit irgendwelchen dahergelaufenen Typen und nachts frage ich mich, was ich eigentlich mit meinem Leben anstelle. Adam, wer bin ich? Wer bin ich?“ Rose öffnete ihre Augen und starrte an die gegenüberliegende Wand, ihr Gesicht war ausdruckslos.
 

Adam legte seinen Arm um ihre Schulter, zog sie ein Stück näher und legte sein Kinn auf ihren Kopf, bevor er zu sprechen begann: „Ach Rosie! In meinen Augen bist du ein wundervolles Mädchen, nett und intelligent, das gerne Spaß hat und das Leben genießt. Du machst dir viel zu viele Gedanken! Lass einfach mal los und denk nicht über jeden Schritt und jedes Wort und jedes Lächeln nach. Denk nicht darüber nach, welche Rolle du in diesem Moment spielen willst und musst. Und mit der Zeit wirst du schon herausfinden, wer du bist und was du willst. Vertrau mir!“
 

Rose presste ihre Lippen zusammen und nickte steif, bevor sie sich in Adams Griff drehte und ihr Gesicht in seiner Schulter vergrub.
 

„Okay“, flüsterte sie, „ich werde es versuchen. Ich vertraue dir!“

___
 

Dominique hatte sich an diesem Morgen entschieden, mit Alice am Gryffindortisch zu frühstücken. Rose war nicht anwesend, doch das störte sie nicht weiter, denn Alice hatte sie zur Begrüßung angelächelt und es war seit Wochen einer der ersten ernst gemeinten, fröhlichen Gesichtsausdrücke.
 

„Wie geht es dir?“, fragte Dominique wie jeden Tag seit Alice‘ Termin bei Heilerin Cooper mit besorgtem Gesichtsausdruck. Und Alice antwortete immer mit einem viel zu großen, viel zu falschen Grinsen: „Gut!“ Dominique wünschte, sie würde das nicht machen.
 

Doch heute zuckte Alice mit den Schultern und meinte leise: „Es wird besser.“
 

Dominique nickte. „Ja, du siehst auch besser aus. Das freut mich für dich, wirklich, Alice!“ Sie drückte der Hand ihrer Freundin, bevor sie sich eine Schale Müsli nahm und großzügig Milch drüber schüttete.
 

Sie versanken in Schweigen, was Dominique nur Recht war. Sie war zu müde um viele Worte zu formulieren und sowieso hatte sie nichts zu sagen.
 

Das laute Flügelrauschen über ihr verriet ihr, dass die Post eintraf. Sie hob nicht den Kopf, wohlwissend, dass nichts für sie dabei sein würde. Immerhin stand Weihnachten schon bald vor der Tür und sie hatte mit ihrer Familie bereits alles nötige abgeklärt. Die wenigen Wochen bis zum Widersehen würde sie schon noch ohne Briefe aushalten.
 

Sie hatte sowieso nichts zu berichten, außer den üblichen Beschwerden über den Unterricht und der Versicherung, dass es all ihren Cousins und Cousinen, sowie ihrem Bruder gut erging. Und all das, was sie sich gerne von der Seele geredet hätte, konnte sie niemandem sagen. Und sie hatte es satt, alles für sich zu behalten, doch sie konnte Alice und Al nicht in den Rücken fallen und beginnen von ihrem toten Baby zu erzählen und wie sehr es ihr im Herzen wehtat, dass alles so gekommen war und genauso wenig konnte sie irgendjemandem ihre Geschichte aufbürden, sie mit ihren doofen Gefühlen für Fred belasten. Vergangene Gefühle, meinte sie natürlich. Denn jetzt empfand sie nichts anderes als Abscheu für ihren Cousin. Und wieso dachte sie eigentlich schon wieder über ihn nach? Jeder ihrer Gedanken schien sie momentan, über noch so verwundene Bahnen, auf Fred zu stoßen und sie wollte sich vor Wut und Machtlosigkeit die Haare ausreißen.
 

Sie wurde aus ihren wirbelnden Tagträumen gerissen, als eine große, dunkle Eule vor ihr landete und ihr auffordernd ein dürres Bein entgegenstreckte. Dominique kannte diesen Vogel nicht, aber entfernte das Pergamentstück trotzdem. Verwirrt schaute sie auf das Papier, auf welchem in sauberen Buchstaben ihr Name geschrieben war, keine Adresse. Demzufolge wurde der Brief wohl von innerhalb des Schlosses geschickt. Merkwürdig. Die Eule legte den Kopf schief und es wirkte wie eine kleine Verbeugung, bevor sie die Flügel spannte, dabei überraschenderweise keine Trinkkelche umstieß, und davonflog. Dominique folgte ihr mit ihrem Blick, bis sie sie zwischen den hunderten anderen Vögeln in der Luft nicht mehr ausmachen konnte.
 

„Wer schreibt denn?“, fragte Alice von ihrem Platz gegenüber von Dominique und man musste es ihr wirklich zugutehalten, dass sie endlich versuchte wieder aktiv am Leben teilzunehmen.
 

„Keine Ahnung, wir werden sehen“, gestand die Ravenclaw lächelnd und faltete das Pergament in ihrer Hand auseinander.
 

Dominique,
 

wie du sicherlich bemerkt hast, habe ich mich in den letzten Wochen von dir ferngehalten, so wie du es von mir verlangt hast. Ich hoffe es geht dir besser so und du bist glücklicher mit dieser Situation. Ich weiß, dass du nichts von mir wissen willst und ich verstehe deinen Standpunkt, glaub mir, aber es liegt so viel zwischen uns und das macht mich wirklich verrückt. Ich habe lange über deine letzten Worte an mich nachgedacht. Was wir falsch gemacht haben, was du falsch gemacht hast, warum alles so gekommen ist … Und ich habe alle Antworten, die du willst. Ich bin bereit die jede deiner Fragen zu beantworten. Aber ganz sicher nicht in einem Brief oder in einem Gespräch auf dem Korridor zwischen deinen Mitschülern und meinen Kollegen. Komm heute Abend nach dem Essen in mein Büro, dort können wir ungestört reden und ich werde dir alles erklären, wenn du das möchtest. Gib mir eine Chance!
 

Fred
 

Dominiques Finger verkrampften sich um das Blatt in ihren Händen und sie hielt für einen Moment die Luft an, um das Schwindelgefühl in ihrem Kopf zu vertreiben. Was bei Merlin bezweckte Fred damit? Warum machte er es ihr schwer ihn einfach gehen zu lassen, ihn zu vergessen?
 

Ihre Augen glitten wie von selbst zur Stirnseite der Halle. Am Lehrertisch konnte sie sofort die bekannten Gesichtszüge ihres Cousins ausmachen. Fred schaute in ihre Richtung. Seine Augen wirkten unsicher, nicht, dass sie das in dieser Entfernung wirklich erkennen könnte. Aber es war ganz offensichtlich, dass er sich auf die Unterlippe biss. Oh Merlin! Bevor sie wusste, was sie tat, senkte Dominique einen Kopf zu einem verstohlenen Nicken und sofort hellte sich das Gesicht des Referendars auf.
 

„Dome? Von wem ist denn der Brief nun?“ Alice‘ sanfte Stimme riss sie in die Wirklichkeit zurück. In die richtige Wirklichkeit. Sie drehte sich auf ihrem Platz und wandte sich wieder ihrer Freundin zu, blinkte einige Male kurz hintereinander und ließ dann ohne Vorwarnung den Kopf auf den Tisch fallen.
 

Was zur Hölle? Hatte sie Fred gerade eben zugesagt? War sie von allen guten Geistern verlassen? Seine Lippen waren schuld - er hätte nicht darauf rumbeißen sollen. Er hatte sie manipuliert und oh nein, worauf hatte sie sich da gerade eben eingelassen?
 

Sie hatte ein ungutes Gefühl. Das alles hier würde enden wie das letzte Mal. Fred würde davongehen ohne sich umzuschauen und sie würde zurückbleiben, allein und verletzt und am Ende. Das konnte sie nicht zulassen. Heute Abend würden sie alles klären und dann würde sie davongehen, ohne sich noch einmal umzuschauen. Ende der Geschichte.
 

Als wäre das alles so einfach.

___
 

Alice verabschiedete Dominique an der Marmortreppe. Die Blondine machte sich auf zu ihrer ersten Stunde am Montagmorgen, Kräuterkunde. Alice hatte dieses Fach abgewählt, sobald es möglich war. Keinesfalls wollte sie eine Stunde länger als nötig von ihrem Vater unterrichtet werden und die schrägen Blicke ihrer Klassenkameraden ertragen.
 

Sie beschloss ihre Freistunde möglichst weit weg von den Ländereien zu verbringen. Sie sollte in die Bibliothek gehen und ihren Aufsatz für Verwandlung schreiben, aber wann erledigte sie schon Hausaufgaben. Nur wegen den Vorkommnissen der letzten Wochen hatte sich ihr Wesen ja nicht um 360° gewendet.
 

Obwohl sie sich natürlich geändert hatte. In vielerlei Hinsicht und auch in Bezug auf ihre Einstellung zur Schule. Sie war in den letzten Wochen, seit dem Termin, um genau zu sein, viel öfter im Unterricht gewesen.
 

Vielleicht hatte ihr diese ganze Situation die Augen geöffnet, wenigstens ein kleines bisschen. Sie hatte verstanden, dass sie nicht ewig in dieser wohlbehüteten Schule sitzen und ihr Leben vor sich hin leben würde. Irgendwann musste sie beginnen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und dazu musste sie einige Grundlagen schaffen. Dazu zählte nun einmal, so sehr es Alice auch widerstrebte das zuzugeben, ein halbwegs anständiger Schulabschluss. Ihre ZAGs hatte sie total verhauen, dass konnte man nicht schön reden. Doch sie wollte wenigstens ein paar UTZe schaffen. Sie war ja nicht vollkommen auf den Kopf gefallen und es sollte nicht zu schwer sein in den Fächern, die sie interessierten, einige gute Noten zu erzielen.
 

Aber Verwandlung lag ihr nun einmal nicht, das hatte sie schon in der ersten Klasse begriffen. Also musste sie ihre Zeit auch nicht mit einem Aufsatz verbringen, für den ihr Professor Targin sowieso nur ein T geben würde.
 

Etwas ziellos streifte sie durch die leeren Korridore der Schule, ihr Blick glitt wieder und wieder zu den Fenstern und sie fragte sich, wann endlich der erste Schnee fallen würde. Immerhin hatte der Dezember schon begonnen und sie freute sich schon darauf, aus der Schule herauszukommen und Weihnachten mit ihrer Familie zu verbringen. Natürlich, sie verstand sich nicht immer gut mit ihrem Vater, doch zu ihrer Mutter hatte sie ein tadelloses Verhältnis und sie vermisste sie, auch wenn sie das nicht zugeben würde.
 

Wie gerne würde sie mit ihr reden, über all die Geschehnisse der letzten Wochen. Doch so sehr ihre Mutter sie auch verstand, Alice wusste, dass sie ihr ihre Handlungen nicht schnell verzeihen würde. Erst ließ sie sich schwängern und dann stand sie nicht einmal dafür gerade und nahm den leichtesten Ausweg. Ja, Alice wusste, was ihre Mutter sagen würde. Und sie könnte sie verstehen, denn sie dachte ja tagtäglich dasselbe über sich. Doch sie würde es nicht ertragen, zu hören wie feige und selbstsüchtig sie tatsächlich war.
 

Alice blieb an einem der Fenster stehen und starrte über das große Gelände der Schule. In der Ferne konnte sie die Gewächshäuser erkennen und sie fragte sich, was ihr Vater ihren Klassenkameraden wohl in diesem Moment beibrachte. Ob Rose wie immer gespielt interessiert Notizen machen würde und ob Albus sich einen Spaß daraus machen würde, die Pflanzen zu verzaubern, nur um ihren Vater zu verärgern.
 

Albus. Das war so eine Sache. Alice wusste nicht mehr weiter, was ihn betraf. In den letzten Wochen war er zu ihrem besten Freund geworden, erkundigte sich täglich nach ihrem Befinden und an ihren schlechten Tagen lag er stundenlang mit ihr im Raum der Wünsche auf dem Boden ohne etwas zu sagen, einfach nur, um bei ihr zu sein. Und sie war ihm so dankbar für alles, was er tat, dass sie es nicht einmal in Worte fassen konnte.
 

Sie wusste, dass er sich schuldig fühlte und sie erklärte ihm wieder und wieder, dass er sich nicht so fühlen solle, dass es nicht seine Schuld war, dass es so weit gekommen war. Und so dachte sie wirklich. Albus war für nichts verantwortlich zu machen. Sie allein hatte diese ganze Situation so fürchterlich erschwert und sowieso hätte sie aufpassen müssen. Dann wäre es gar nicht erst zu diesem ganzen Drama gekommen.
 

Und Albus und sie wären noch zusammen und glücklich und sorglos und frei.
 

Die Gryffindor seufzte leise. Wie sehr wünschte sie sich diese Zeiten zurück, als noch nicht all diese Schuld und Trauer auf ihren Schultern gelastet hatte. Wie sehr wünschte sie sich Albus zurück, ihren Albus, ihren Freund Albus, mit dem sie stundenlang küssend am Seeufer gelegen und Händchen gehalten hatte. Albus, mit dem sie sich mitten in der Nacht aus dem Schloss geschlichen hatte. Albus, mit dem sie immer zufrieden gewesen ist.
 

Zwei starke Arme schlossen sich unerwartet um ihren Körper und sie zuckte von der Berührung zurück, ein kleiner Schrei kam ihr über die Lippen und in Windeseile wirbelte sie zu der Person herum, die sie so plötzlich aus ihren Träumereien gerissen hatte.
 

„Albus, verdammt!“
 

Der Slytherin grinste sie verschmitzt an. „Warum so schreckhaft, Ali? Worüber hast du nachgedacht?“
 

Alice konnte nichts gegen die Röte tun, die ihr in die Wangen stieg. Als würde sie ihm sagen, dass er in diesem Augenblick ihrer Gedanken beherrscht hatte.
 

„So über dies und das. Was machst du hier? Du schwänzt doch nicht etwa den überaus lehrreichen Unterricht meines Vaters?“
 

Albus legte den Kopf schief und blinkte sie unschuldig an.
 

„Ist dir klar, dass er der Schulleiter dieser Institution ist? Er könnte dich wirklich schwer bestrafen“, erklärte ihm Alice gespielt ernst und wedelte mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand vor seinen Augen herum.
 

Der Potter lachte sein herzliches Lachen und Alice konnte nicht anders als ihn anzulächeln.
 

„Ich hatte keine Lust noch mehr über die bösen, bösen Giftbüsche zu lernen. Also wirklich, ich habe sowieso nicht vor, besonders viel Zeit in Afrika und Asien zu verbringen und da dieses Gestrüpp hauptsächlich dort vor sich hin wuchert, kann es mir ja egal sein“, ließ er sich schließlich doch noch zu einer Erläuterung seiner Motive herab.
 

„Ah, ich verstehe. Du solltest wirklich anfangen die Schule ein bisschen ernster zu nehmen“, erwiderte Alice und gab sich Mühe, nicht über eigenen Worte zu lachen.
 

„Und das sagt mir das Mädchen, das am Montagmorgen durch die Korridore streift, anstatt im Unterricht zu sitzen.“
 

„Hey, ich habe eine Freistunde. Im Gegensatz zu dir steht es mir frei, zu machen was ich will.“
 

Albus schaute sie abschätzend an und zuckte schlicht mit den Schultern. „Was soll’s, ich muss noch meinen Alte Runen Aufsatz schreiben, den ich im Übrigen in der nächsten Stunde brauche. Also habe ich einen guten Grund den Vortrag über Kampfbüsche, oder was auch immer, zu verpassen. Außerdem gibt mir Scorpius seine Notizen. Und jetzt genug von Kräuterkunde. Lust mir in der Bibliothek Gesellschaft zu leisten?“
 

Alice strich sich mit der Hand durch die Haare und biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. Sie sollte wirklich nicht mehr Zeit als nötig mit Albus verbringen. Sie beide hatten den schlimmsten Teil überstanden, zumindest hoffte sie das, und es war Zeit, wieder Abstand zu gewinnen. Andererseits würde Albus ihr Herz ein weiteres Mal brechen. Und sie war sich nicht sicher, ob sie das wirklich überstehen würde.
 

Sie musste sich endlich klar machen, dass zwischen ihnen nichts mehr war. Nur eine schöne Vergangenheit mit einem schmerzhaften Ende. Es würde nie wieder so werden, wie zuvor. Albus wollte sie nicht mehr so, wie früher. Sie war jetzt seine Freundin, eine unter vielen. Sie war nicht mehr sein Mädchen. Und sie musste es akzeptieren und sich nicht in irgendwelche Traumwelten flüchten, in denen es vielleicht noch eine Zukunft für sie gab. Denn die gab es ganz sicher nicht.
 

„Ich glaube nicht, dass du dann wirklich viel von deinem Aufsatz schaffen würdest. Ich muss sowieso zurück in den Gemeinschaftsraum und ein bisschen was für Astronomie vorbereiten, meine Sternenkarte etwas ausschmücken, du weißt schon“, wehrte sie seine Einladung ab und grinste breit um zu verbergen, wie gerne sie mit ihm gehen würde.
 

Albus‘ Gesichtsausdruck verdüsterte sich kaum merklich, doch er kaschierte es mit einem schiefen Lächeln. „Okay, wahrscheinlich hast du Recht. Dann ein anderes Mal!“ Er trat einen Schritt zurück und erst in dieser Sekunde wurde Alice klar, wie nahe sie sich eigentlich gewesen waren. Mit jedem anderen wäre ihr diese Nähe unangenehm gewesen, doch mit Albus war es so natürlich, dass sie es nicht einmal bemerkt hatte. Es wäre viel eher seltsam gewesen, wenn er weiter von ihr entfernt gestanden hätte.
 

Die Gryffindor wollte gerade den Mund öffnen, um eine Verabschiedung zu formulieren, als Albus erneut das Wort ergriff. „Da gab es, um ehrlich zu sein, noch etwas, über das ich mit dir sprechen wollte“, begann er etwas verlegen und kratzte sich im Nacken. „Ich hoffe es ist nicht, du weißt schon, unsensibel, darüber mit dir zu sprechen. Aber ich wollte deine ehrliche Meinung, du kannst sagen, was du willst - ich bin nicht beleidigt oder, ähm, sauer oder so, okay?“
 

Das Lächeln verschwand langsam aus Alice‘ Gesicht und Verwirrung spiegelte sich in ihren Augen wieder. „Raus mit der Sprache, Al. Worum geht’s?“, fragte sie, enthusiastisch und vorsichtig zugleich.
 

„Also Stella, ähm, du kennst Stella Parkinson? Also ja, ähm, sie hat mich gefragt, ob ich mit ihr ausgehen will. Und, ähm, ich habe irgendwie ja gesagt … Aber, ich meine, wenn du das doof findest oder zu früh, ich weiß auch nicht, dann kann ich auch absagen. Das macht mir nichts aus, wirklich. Also, ähm, naja, was sagst du dazu?“ Albus hatte den Blick gesenkt und seine Wangen waren ganz eindeutig rot, so wie Alice‘ Minuten zuvor.
 

„Oh, also, das macht mir nichts aus, keine Sorge.“ Und sobald diese Worte über ihre Lippen geschlüpft waren, hätte sie sich am liebsten selbst geschlagen. Was zur Hölle? Natürlich machte es ihr etwas aus! Wie konnte es nicht? Nach allem was passiert war, brauchte Albus nicht einmal einen Monat um eine neue Tusse anzuschleppen?
 

Aber sie sprach nichts von all dem aus und schenkte ihrem Exfreund stattdessen ein falsches, erfreutes Lächeln, während sie innerlich aus voller Seele schrie.
 

Albus wirkte überrascht von ihrer direkten Zustimmung und mit diesem Gefühl war er nicht allein. Was hatte sie sich gedacht, so einfach ihre Erlaubnis zu geben, nach der er so offensichtlich fragte. Hätte sie auch nur einen kleinen Zweifel gezeigt, hätte Albus jegliche Pläne sofort fallen gelassen. Und sie hatte jedes Recht, Einwand zu erheben. Es war schließlich nicht einmal einen Monat her, dass sie ihr Kind getötet hatten. Und gerade einmal zwei, seitdem sie ihre Beziehung beendet hatten. Zwei verdammte Monate. Merlin, sie hatte jeden Grund, ihn noch länger für sich zu beanspruchen.
 

„Es macht dir wirklich nichts aus? Alice, ich schwöre, wenn es dir nicht passt, dann - “
 

Doch Alice fiel ihm ohne zu Zögern ins Wort. „Es ist in Ordnung, Al. Wirklich. Du hast keinen Grund dich wegen mir zurückzuhalten. Wenn du Stella magst, dann solltest du mit ihr ausgehen.“ Und während sie das sagte, hatte sie das Gefühl, noch nie in ihrem Leben eine größere Lüge erzählt zu haben.
 

Albus nickte, noch immer etwas zaghaft, bevor er ihr sein atemberaubendes Lächeln zeigte. „Danke, Ali!“ Er nahm sie für einen kurzen Moment in die Arme, bevor er sich wieder von ihr entfernte. „Jetzt muss ich aber wirklich los, wenn ich die Pergamentrolle noch vollbekommen will.“ Und schon war er um die nächste Ecke verschwunden.
 

Alice drehte sich wieder zum Fenster um, machte keine Anstalten sich in Richtung ihres Gemeinschaftsraumes zu bewegen und war sich ebenso sicher, dass sie heute keinen Fuß mehr in einen Klassenraum setzen würde. Vielleicht sollte sie sich lieber hier und jetzt aus dem Fenster schmeißen. Und da hatte sie gerade gedacht, dass es von nun an bergauf gehen würde.

___
 

Erschöpft und mit dem dringenden Bedürfnis nach einer Zigarette betrat Rose am Montagabend nach dem Essen ihren Schlafsaal, der, wie sie heimlich gehofft hatte, leer war.
 

Seufzend warf sie ihre Schultasche auf den Boden neben ihrem Bett, löste den Knoten ihrer Krawatte und schälte sich langsam aus ihrer Schuluniform. Wie sie dieses lästige Ding hasste. Sie beschloss sich am nächsten Morgen zu duschen und schlüpfte sofort in ihr dünnes Nachthemd, bevor sie ihre Tasche auf der Suche nach Zigaretten durchwühlte.
 

Das plötzliche Öffnen der Badezimmertür verpasste ihr beinahe einen Herzinfarkt.
 

„Alice! Um Merlins Willen, ich dachte niemand wäre hier. Wie siehst du denn aus? Was ist passiert?“ Sofort erhob sich Rose von ihrer Position am Boden und ging auf ihre Freundin zu, welche sie nach ihrem ersten Schrecken genauer zu betrachten begann.
 

Alice war blass, hatte rotgeränderte Augen und ungekämmte, wirre Haare. Ein Anblick, an welchen sich Rose in den letzten Wochen durchaus gewöhnt hatte. Allerdings hatte sie gedacht, dass es Alice besser gehen würde. In den letzten vier Tagen hatte sie nicht einmal geweint, hatte keinen Zusammenbruch gehabt und sogar ab und an mal gelächelt. Rose hatte wirklich gehofft, dass die schlimmste Phase überstanden sei.
 

Offensichtlich lag sie damit falsch.
 

Ohne sich zurückzuhalten, fiel Alice ihr um den Hals und begann herzzerreißend zu schluchzen. Ihre Tränen durchweichten Rose‘ Nachthemd innerhalb weniger Minuten.
 

Sie hatte keine Ahnung, was Alice so aus der Fassung gebracht hatte. Sie hatte keine Ahnung, welche Worte sie nutzen sollte, um sie zu beruhigen. Sie wusste nur, dass Alice sich an ihren Hals klammerte wie eine Ertrinkende und offensichtlich völlig am Ende war.
 

Es brauchte viel gutes Zureden von Rose um die Longbottom endlich dazu zu bringen, zu erzählen, was vorgefallen war. Rose erfuhr von Albus und Stella und ihre Hände zitterten, weil sie so wütend auf ihren Cousin war. Was hatte er denn erwartet, was Alice sagen würde? Nein vielleicht? Als würde sie das machen. Dieser Idiot!
 

„Oh Alice, hör auf zu Weinen. Shh, es wird alles wieder gut, Kleine.“ Rose beschäftigte ihre Hände damit, durch die Haare und über den Rücken ihrer Freundin zu streichen, auch wenn sie ihre Handfläche gerne mit Albus‘ Wange kollidieren lassen würde.
 

Rose fühlte sich furchtbar. Wenn sie schon nichts in ihrem eigenen Leben auf die Reihe bekam, sollten wenigstens ihre Freundinnen glücklich sein, aber das waren sie offensichtlich nicht. Aber sie würde dafür sorgen. Das war immerhin ihre Aufgabe als Freundin - sich darum zu kümmern, dass ihre Freundinnen lachten und Spaß am Leben hatten und zufrieden waren. Und offensichtlich hatte sie in letzter Zeit bei dieser Aufgabe ziemlich versagt. Aber das würde sich ändern lassen.
 

Wenn sie ihr Leben schon umkrempelte, dann richtig. Ihre Freundinnen sollten bei ihr endlich wieder an erster Stelle kommen und alles andere danach. Sie hatte es satt, dass sich Alice schlecht fühlte, obwohl sie die richtigen Entscheidungen getroffen hatte und sie wollte, dass Dominique endlich einen anständigen Jungen kennen lernte und sich Hals über Kopf verliebte und die Welt durch eine rosarote Brille sah. Das hatten die beiden verdient, verdammt! Und dann, dann würde Rose sich durch ihre eigene Gefühlswelt kämpfen und endlich herausfinden, was sie wollte und wer ihr geben konnte, was sie brauchte. Und sie würde sich mit Scorpius Malfoy beschäftigen, der neben ihren ganzen Unsicherheiten permanent für noch mehr Chaos in ihrem Kopf zu sorgen schien.
 

„Ich liebe ihn immer noch. Ich dachte wirklich für einen Moment, ich wäre über ihn hinweg. Ich war zufrieden damit, nur seine Freundin zu sein. Aber das reicht mir nicht. Ich will ihn ganz für mich, so wie früher. Ich möchte mit ihm wieder glücklich werden, Rose“, nuschelte Alice nach einer Weile des Schweigens. Sie hatte ihren Kopf noch immer an Rose‘ Schulter gelehnt, ihre Stimme klang müde, doch ihre Tränen waren versiegt.
 

„Ich weiß“, erwiderte Rose leise, denn natürlich wusste sie das. Sie hatte es immer gewusst. Albus und Alice waren füreinander geschaffen, in diesem Universum und auch in jedem anderen, jedem Vergangenen und Zukünftigen. „Ihr bekommt das schon wieder hin. Albus wird einsehen, was er an dir hatte und er wird schneller zu dir zurückkommen, als das du blinken kannst. Versprochen!“

___
 

Langsam begann Dominique an ihrer eigenen Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln. Irgendwas musste ihrem Kopf zugestoßen sein. War sie vielleicht darauf gefallen, ohne es zu bemerken? Sie konnte doch unmöglich aus freiem Willen und mit klarem Verstand in diesem Moment hier stehen. Im Korridor vor Freds Büro. Mit der Intention, dieses auch zu betreten. Nein, das war verrückt!
 

Doch trotzdem ballte sich ihre Hand zur Faust, hob sich und klopfte sanft gegen die harte Eichenholztür. Merlin, was tat sie hier? Sie machte einen hastigen Schritt zurück und schaute mit schnell klopfendem Herzen nach links und rechts. Der Gang war leer, nicht, dass das wichtig wäre. Sie fühlte sich nur mit einem Mal so in die Enge getrieben und sie war sich sicher, dass ihre Handflächen feucht wurden.
 

Die Tür öffnete sich schwungvoll und Fred stand vor ihr, mit einem teils zaghaften, teils freudigen Grinsen auf den Lippen. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
 

„Hallo Dome, komm rein“, begrüßte er sie höflich und jeder ihrer Instinkte schrie ihr entgegen, wegzulaufen. So schnell und so weit wie möglich. Das alles hier würde nicht gut enden, es konnte gar nicht gut enden. Sie würde sich von Fred um den Finger wickeln lassen, sie würde ihm verzeihen und dann? Dann würde alles wieder werden, wie es vor über drei Jahren war. Sie würden wieder Cousin und Cousine sein, nicht mehr und nicht weniger. Und sie war sich nicht sicher, ob sie für das „nicht mehr“ schon bereit war.
 

Trotzdem führten ihre wackeligen Beine Dominique in das Büro des Referendars. Ihre Augen weiteten sich überrascht, als er sie in ein angrenzendes Zimmer leitete, weg von den Akten, Pergamentstapeln und üblichen Büroartikeln. Das kleine Wohnzimmer war überraschend gemütlich eingerichtet, in warmen Farben gehalten und mit dickem, beigem Teppich ausgelegt. Im Kamin prasselte ein Feuer, an den Wänden sorgten Kerzenhalter für weitere Beleuchtung.
 

„Es ist schön hier“, bemerkte sie leise und ließ sich auf das etwas abgenutzt wirkende Sofa fallen. Es war überraschend bequem und sie widerstand dem Drang, sich zurücksinken zu lassen und die Augen zu schließen.
 

„Tja, ich habe mein Bestes gegeben. Den anderen hat es auch gut gefallen.“
 

„Welchen anderen?“, fragte Dominique verwirrt nach.
 

Fred zog die Augenbrauen nach oben. „Deinen Cousins und Cousinen, Alice, Scorpius. Sie waren alle hier. Nur du hast dich bis jetzt geweigert.”
 

Dominique richtete sich schlagartig auf ihrem Platz auf, die Augen zu Schlitzen verengt. „Ich kann auch sofort gehen, wenn dir das lieber ist.“
 

Ihr Cousin seufzte hörbar auf, bevor er in einer entschuldigenden Geste seine Hände in die Luft hob.
 

„Du weißt ganz genau, warum ich nicht hier war und dir zu deinem ach-so-tollen neuen Job gratuliert habe“, sagte sie kühl und strich sich eine Strähne ihres blonden Haares hinters Ohr. „Weißt du was ich mich schon die gesamte Zeit über frage: Hast du einmal nachgerechnet? Ich meine, es muss dir doch klar gewesen sein, dass ich noch hier sein würde? War es dir schlicht egal oder hast du mich einfach nur total vergessen, in den letzten drei Jahren, während du dein perfektes Leben in Deutschland gelebt hast?“
 

Fred schüttelte ratlos den Kopf und ließ sich in einen nahestehenden Sessel fallen. „Kein Small-Talk also? Wir kommen gleich zur Fragerunde? Ich habe dir noch nicht einmal was zu trinken anbieten können. Möchtest du etwas? Wasser, Kürbissaft, Tee?“
 

Es dauerte einen Augenblick, bis Dominique verstand wovon Fred sprach und sie wurde rot. Natürlich, sie hatte nicht vor, besonders viel Zeit in seiner Gesellschaft zu verbringen, aber sie konnte wenigstens versuchen, höflich zu sein. „Tee, bitte“, erwiderte sie leise und ließ sich nun doch vollkommen in das Sofa zurücksinken.
 

Mit einem kurzen Nicken verschwand Fred in einen angrenzenden Raum, der wohl eine Art Küche darstellte. Dominique nutzte seine Abwesenheit, um tief durchzuatmen und sich selbst zu beruhigen. Es hatte keinen Sinn, diesem ganzen Gespräch unhöflich und feindselig gegenüberzutreten. Fred würde ihre Fragen beantworten, dass hatte er versprochen. Und dann würde sie gehen. Kein Grund für zusätzliche Belastungen in Form von Streitereien.
 

Fred kehrte mit zwei bunten Teetassen ins Zimmer zurück und reichte Dominique eine. Sie dankte ihm mit einem kleinen Lächeln und nippte vorsichtig. Das warme Getränk schien ihr schnell klopfendes Herz zu beruhigen und half ihr, klare Gedanken zu fassen. Doch was sie als nächstes sagen sollte, wusste sie trotzdem nicht.
 

„Ich habe dir versprochen, alle deine Fragen zu beantworten und ich werde dieses Versprechen halten. Also fange ich am besten gleich mit der ersten an.“ Fred räusperte sich und stellte die Tasse auf dem kleinen Couchtisch ab, um die Hände verschränken zu können. „Natürlich war es mir klar, dass du noch hier zur Schule gehen würdest. Ich habe zwar nicht viel Kontakt zu unserer Familie gehalten, aber ich hätte schon mitbekommen, wenn du plötzlich die Schule gewechselt oder abgebrochen hättest. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht wirklich darüber nachgedacht, was das für uns bedeuten könnte. Ich habe mich gefreut, eine Chance zu bekommen, hierhin zurückzukehren. Es tut mir leid, ich hätte auf dich Rücksicht nehmen müssen.“ Er neigte den Kopf zur Seite und symbolisierte ihr, dass seine Rede hiermit beendet sei.
 

Dominique biss sich auf die Unterlippe und nickte. Überzeugt war sie von der Antwort nicht, aber sie würde sie akzeptieren. „In Ordnung.“
 

Und es lagen ihr hunderte weitere Fragen auf der Zunge, doch sie war zu verängstigt, sie zu stellen. Seit Monaten und Jahren brannte sie auf eine Gelegenheit, Fred all jene ins Gesicht zu schreien und jetzt war sie nicht in der Lage, sie auszusprechen. Sie atmete tief durch, nahm noch einen Schluck Tee und schaute Fred dann wieder in die Augen. „Warum hast du dich nicht verabschiedet? Warum bist du ohne ein einziges Wort abgehauen?“
 

„Wow, die schweren Fragen gleich zu Beginn.“
 

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Antworte einfach, Fred!“
 

„Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und ich habe mich nicht getraut.“ Er zuckte unsicher mit den Schultern und senkte den Blick.
 

Dominique wartete einige Sekunden, doch ihr wurde schnell klar, dass sie nichts weiter zu hören bekäme. „Das ist alles? Das ist deine Rechtfertigung?“, hakte sie fassungslos nach.
 

„Ja.“
 

„Verdammt noch mal, Fred. Du bist mir mehr als das schuldig! Es ist nicht getan mit diesen zwei feigen Gründen. Hast du einmal darüber nachgedacht, wie ich mich fühle? Wie es mir ging nachdem du einfach abgehauen war und ich es von deinen Eltern erfahren hatte?“, rief sie ihm aufgebracht entgegen.
 

„Ja, natürlich! Verdammt, Dome, was glaubst du denn?“ Freds Stimme klang nicht weniger aufgebracht als ihre eigene. „Ich habe ständig darüber nachgedacht, was ich getan hatte. Und es tut mir unendlich leid, dass ich abgehauen bin ohne mich zu verabschieden. Das war nicht fair und ja, es war feige. Aber ich kann es nicht mehr ändern, auch wenn ich es will.“
 

„Ist dir klar, dass ich niemals normal weitermachen konnte? Du hast mir nie eine Chance gegeben. Es war, als würde ich immer noch zu dir gehören, die ganze Zeit über, obwohl das natürlich nie der Fall war. Aber du hast mich nicht gehen lassen, du warst ungerecht. Du hast mich nie weggeschickt, du hast nie gesagt, dass du mich nicht mehr willst. Du hast die Sache zwischen uns nie wirklich beendet. Du bist nur gegangen und hast einen Teil von mir mit dir genommen und du hast dir nie die Mühe gemacht, ihn mir zurückzugeben. Und ich weiß, dass das unheimlich klischeehaft klingt, aber es ist die Wahrheit. Ich konnte nicht loslassen, weil du mich nie losgelassen hast. Nicht wirklich zumindest. Wenn du mir wenigstens einen Brief geschrieben hättest, mir in ein paar Sätzen erklärt hättest, dass alles, was jemals zwischen uns existierte, nicht mehr besteht, dann hätte ich abschließen können. Aber du hast mir diese Möglichkeit niemals gegeben und das war egoistisch von dir. Und du schuldest mir das. Ich verlange das von dir. Damit ich endlich wieder anfangen kann, mein Leben zu leben und einem anderen Jungen mein Herz schenken kann. Verstehst du, ich brauche diesen Abschluss!“
 

Dominique konnte nicht erklären, woher die Tränen in ihren Augen plötzlich kamen. Mit zitternden Fingern trocknete sie ihre Wangen und senkte beschämt den Blick. Sie konnte nicht länger in Freds blaue Augen schauen, wenn sie nicht vollkommen die Beherrschung verlieren wollte. Auch wenn es nicht das Schlimmste gewesen wäre - denn es tat so unendlich gut, ihm das alles endlich zu sagen und das rauszulassen, was sie über drei Jahre lang niemandem hatte erzählen können. Es war so befreiend, dass es sie selbst erschreckte.
 

„Ich wusste nicht, dass es für dich so ist.“ Die Stimme ihres Cousins klang belegt. Als würde es ihm wirklich etwas ausmachen, dass es ihr die ganzen Jahre über so ergangen war.
 

„Ich weiß“, erwiderte sie mit rauer, tränenerstickter Stimme. „Und ich weiß, dass du nicht wolltest, dass es so kommt. Natürlich ist mir klar, dass du niemals so für mich empfunden hast, wie ich für dich, aber du wolltest auch nicht, dass es mir schlecht geht. Ich weiß das, Fred.“ Langsam ausatmend hob sie den Kopf und schenkte ihrem Cousin das erste aufrichtige Lächeln sein Jahren. Und auch wenn es wackelig und von Traurigkeit geprägt war, war es wunderschön.
 

Fred starrte sie mit großen Augen an. „Wie kommst du denn darauf, dass ich niemals so empfunden habe, wie du?“ Er klang ernsthaft erstaunt.
 

„Oh ich bitte dich, Fred. Es ist in Ordnung. Ich habe dich offensichtlich vergöttert, verdammt, ich habe dich wirklich geliebt. Und ja, ich weiß, dass du mir deine Liebe ebenfalls gestanden hast und ich war fünfzehn und naiv und ich habe dir geglaubt. Ich bin drüber weg, ich weiß, dass du mich nicht geliebt hast und es ist okay.“
 

Fred hatte sich aus seinem Sessel erhoben und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. Ihre Worte hingen in der Luft und sie wagte nicht, mehr zu sagen. Etwas schien Fred zu beschäftigen und sie wollte ihm die Zeit geben, es zu verarbeiten. Abrupt blieb er jedoch nur Sekunden später vor ihr stehen. Sein Blick bohrte sich in ihren und er schien wirklich aufgewühlt.
 

„Ich habe niemals gelogen, wenn ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe.“
 

Und diese Worte waren wirklich das letzte, womit Dominique gerechnet hätte. Sie zogen ihr den Boden unter den Füßen weg, denn sie hatte jede ihrer Annahmen und Begründungen für jede von Freds Handlungen auf diese Tatsache gestützt. Auf die Tatsache, dass sie ihm niemals besonders viel bedeutet hatte. Sie schluckte schwer, bevor sie ihre nächste Frage formulierte:
 

„Wann hast du damit aufgehört? Was ist passiert? Was habe ich falsch gemacht?“ Ihre Worte klangen schwach und verzweifelt und sie wünschte, sie hätte die Kraft, sich stärker auszudrücken.
 

„Ich habe niemals gesagt, dass ich irgendwann aufgehört habe, dich zu lieben.“

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tbc

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Vielen Dank an alle Favoriteneinträge und Kommentare! :)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Asketenherz
2013-04-07T15:20:46+00:00 07.04.2013 17:20
Wow. Famous Last Words für ein Kapitel. :)
Von:  Dahlie
2013-02-28T17:36:56+00:00 28.02.2013 18:36
Hallo!

Nachdem ich heute so gerade noch einen Abgabetermin meiner Hausarbeit einhalten konnte, möchte ich mich endlich wieder etwas Schönem widmen und dachte, ich hole vielleicht am Besten einmal ein paar Kommentare nach ;)
Beginnen wir also.
Zuerst einmal: ich liebe es, dass du es dem Leser so leicht machst zu lesen, also mit den Absätzen und so. Bei dir sieht das immer wunderschön natürlich aus und hilf enorm die Leselust beizubehalten.
Kennst du dieses Gefühl, wenn alles plötzlich durcheinander kommt und du keine Kontrolle mehr hast und nur noch hilflos dastehst und beobachtest, wie dein gesamtes Leben falsch verläuft, ganz anders als du es geplant und dir jemals vorgestellt hattest - ich liebe den Einstiegssatz, denn ehrlich gesagt, jaaa auch ich kenne das. Und es ist schrecklich, vor allem wenn man ein Mensch ist mit einer klaren Planung im Kopf. Es tut schon fast weh, wenn man sich nicht dran halten kann :(

Das gesamte Kapitel stimmt mich eher traurig, ich habe sowieso das Gefühl, dass überwiegend alle unglücklich sind und das schlägt mir ziemlich aufs Gemüt. Besonders mit Alice leide ich so was von mit. Ich mag sie, ebenso wie Rosie, nur mit Dominique kann ich noch nicht so ganz, auch Fred ist mir aktuell nicht so symapthisch, auch wenn er echt die Kurve zum Ende hin bekommt. Natürlich liegt es nicht an deinen fantastischen Stil, das beide nicht unbedingt in meiner Gunst stehen. Ich denke, es ist einfach so, warum kann ich die leider noch nicht einmal fest begründen. Mir fehlt etwas, nur weiß ich nicht was.
Aber bevor ich mein Urteil komplett fälle, müsste ich die gesamte FF eh zu ende lesen ;) also kann sich alles noch ändern und aktuell bin ich nach diesem irgendwie-traurigen Kapitel gespannt auf das Nächste, weshalb du es mir hoffentlich nicht krumm nimmst, wenn ich dorthin husche ;)

Liebe Grüße [[Dahlie}}
Von: abgemeldet
2013-02-03T16:29:14+00:00 03.02.2013 17:29
Hallihallo meine liebe Violie :)

Du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe, als ich gerade das neue Kapitel entdeckt habe. ^.^ Ich musste mich gleich darauf stürzen! :3
Und bin mal wieder sehr begeistert. x3

Die Szene mit Rose & Adam auf dem Dach ist dir wirklich außerordentlich gut gelungen. <3 So langsam gewinnt die liebe Rosie wieder meine Sympathie. ^-^ Und es war wirklich unheimlich süß, wie Adam sie versucht hat, zu trösten. ♥ :)

Sie war nicht mehr sein Mädchen.
Dieser Satz hat mir fast das Herz gebrochen. T.T Ach man, die Beiden machen es sich aber auch schwer. Und Al...ach Al! Weiß er denn nicht, dass Mädchen generell IMMER das Gegenteil davon meinen, was sie eigentlich sagen? ´__` :( Ich hoffe wirklich, dass sie am Ende doch noch irgendwie zusammen finden werden. x3 ♥ Sie haben so viel durchgemacht, vor allem Alice. x3 Ein happy end hätten sie sich wirklich verdient. <3

Ahh, endlich eine Aussprache zwischen Dome & Fred. Wurde aber auch Zeit, dass Dome sich mal überwindet und hört, was er zu sagen hat. ♥ :) Uhh, ihre Ansprache. ♥♥♥ Wirklich ein wenig kitschig, aber genau so ist es eben manchmal. <3 Wirklich wunderschön ausgedrückt!

*__* Er hat es gesagt, wuhuu. ^.^ ♥♥ Uff, wie gemein, gerade da aufzuhören! >-< Ich bin gespannt, wie Dome darauf reagieren wird...!:3

Wieder einmal ein sehr schönes Kapitel! Freue mich schon auf das Nächste! :)

Liebe Grüße ♥ :3


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