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Die Geflügelte Schlange - Aufstieg

* * make love, not war * * - Teil 1
von

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25. Der Zusammenbruch

Früh am Morgen, als Nefut und sein Wanack gerade ihre Schwertübungen abhielten, wurde Amemna zum Melack gerufen. Nefut holte für sie ihren Mantel und ihr Ma'ouwati-Tuch aus dem Wanackzelt, dabei fiel ihm ein amtlich aussehendes Holztäfelchen vor die Füße. Er schob es in seinen Gürtel, um die Hände frei zu haben. Doch erst als sein Wanack schon außer Sichtweite war, erinnerte Nefut sich wieder daran, also ging er noch einmal in Amemnas Zelt, um es wieder zurück zu bringen. Bevor er das Täfelchen zulegte, klappte er es jedoch neugierig auf, denn vielleicht enthielt es Informationen, die für das Wohlbefinden der Mawati wichtig waren: "An den Wanack Amemna Darashy. Die Nachforschungen aufgrund Eurer Nachfrage nach dem Mawar Adarach um-Anasku haben ergeben, daß er nicht zu den Hilfstruppen der Hannaiim gehörte oder gehört", las er.
 

Warum suchte Amemna nach einem Söldnerführer aus dem Osten? Und hatte nicht der Verwandte, dem sie aus der Gefangenschaft nach Ma'ouwat geschrieben hatte, ähnlich geheißen? Genau konnte Nefut sich nicht mehr an den Namen, den Farhan ihm genannt hatte, erinnern. Aber noch sehr genau im Ohr hatte er Amemnas inbrünstiges 'Darrach' im Badehaus. Hatte sie das 'A' im Schlaf verschluckt? War es also ihr Geliebter aus Ma'ouwat, den sie suchte? Sie war Jungfrau gewesen, als sie im Badehaus ihre erste gemeinsame Nacht mit Nefut verbracht hatte, und sie hatte gesagt, daß sie bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich als Mann gelebt habe. Es lag also nahe anzunehmen, daß dieser Adarach ein Liebhaber von Männern war - wie viele Ostler. Doch Nefut blieb seine Entrüstung über den sündhaften Lebenswandel im Halse stecken. Wenn sein Verhältnis zu Amemna bekannt würde, wäre Nefut dem äußeren Anschein nach ebenfalls Liebhaber eines Mannes, in Derhans Augen war er es ja schon. Nachdenklich legte Nefut das Holztäfelchen beiseite. Wahrscheinlich gab es für Amemnas Nachforschungen eine ganz harmlose Erklärung. Und als neuer Wirtschafter der Mawati würde Hamarem dann ja wohl darüber Bescheid wissen.
 

Als Nefut das Mawatizelt betrat, stellte er jedoch sehr erstaunt fest, daß Hamarem dort nicht war. Am Kochfeuer saß Derhan und war mit der Bereitung des Frühstücks beschäftigt. Die Decken von Hamarems Lagers waren ausgelüftet, er mußte schon vor einer ganzen Weile aufgestanden sein. Hamarem hätte sich bei ihm, dem Zweiten des Wanack, zumindest abmelden können, wenn er unpäßlich gewesen wäre und noch einmal das Zelt des Ungenannten aufsuchen wollte. Aber gestern Abend hatte er vollkommen gesundet gewirkt. "Wo ist Hamarem?" fragte Nefut unwirsch.
 

Derhan sah auf. "Ich weiß es nicht, aber ich vermute, er ist dort, wo wir gestern waren."
 

Nefut nahm zur Kenntnis, daß Derhan den Ort, den er mit Hamarem gemeinsam besucht hatte, nicht nannte. Scheu vor dem Göttlichen konnte es in Derhans Falle nicht sein. Was verbarg der Mann vor ihm? Die Bewegung neben Nefut kam von Oremar, der zuvor schweigend auf seinem Lager gesessen hatte und sich nun erhob. "Wo willst du hin?" fuhr Nefut ihn an.
 

Oremar schrak zusammen. "Ich will nur austreten, Herr", antwortete er dann verblüfft und warf Derhan einen fragenden Blick zu.
 

Als Oremar das Zelt verlassen hatte, nahm Nefut sich noch einmal Derhan vor. "Wo warst du gestern mit Hamarem, Derhan?"
 

"Und was passiert, wenn ich es nicht sage? Werde ich dann auch wie... wie eine Fotze gefickt?" Diese Worte aus Derhans Mund zu hören, verstörte Nefut. Er versuchte, seinen Ärger herunterzuschlucken: seinen Ärger über Amemnas Festhalten an alten Liebhabern und an ihrem Mannsein, seinen Ärger über Hamarems ungewohnte Unzuverlässigkeit, seinen Ärger über Derhans Frechheiten, und nicht zuletzt der Ärger über seine eigene Unausgeglichenheit. Bis gestern hätte Nefut für Hamarems Treue und Folgsamkeit jederzeit bedenkenlos beide Hände ins Feuer gelegt, und nun vernachlässigte Hamarem seine Aufgaben und machte sich einfach ohne ein Wort aus dem Staub. Wenn Hamarem dahinter gekommen wäre, daß Nefut und Amemna das Lager teilten, hätte er wohl kaum heftiger darauf reagiert. Und eine fürchterliche Erkenntnis dämmerte Nefut, schien sich in seinem Gesicht auch deutlich abzuzeichnen, denn Derhan sagte leise: "Ich denke, daß Hamarem Bescheid weiß über die besondere Beziehung zwischen euch und unserem Wanack."
 

"Wie...", aber Nefut verstummte. Das 'wie' war gleichgültig, wenn es tatsächlich stimmte. Er ließ sich auf die Knie fallen und schlug mit beiden Fäusten auf den Boden, daß es schmerzte. Er hatte gedacht, nun, da er wußte, wie Amemnas Zauber wirkte, wie er ihn bannen konnte, wäre alles wieder in Ordnung. Aber weil er im Netz der Gelüste verfangen gewesen war, das Amemna um ihn gesponnen hatte, war Nefut die Kontrolle über die Männer der Wannim anscheinend schon längst entglitten. Hamarem war als treuer Gefolgsmann verloren, Derhan würde Nefut nie wieder vertrauen und Oremar gehörte kaum noch zu den Mawati, eher zu der nebenan lagernden Wannim, bei der er sich fast ständig aufhielt. Und das alles angesichts eines drohenden Aufstandes um ausbleibende Soldzahlungen und einen geflohenen Feldherrn. "Es darf nicht wahr sein, es darf einfach nicht wahr sein!" brach es aus Nefut hervor und zu jedem Wort hämmerte er mit seinen Fäusten auf den nackten, steinigen Boden nahe der Feuerstelle, bis seine Knöchel bluteten. Voller Verzweiflung ließ er den Kopf bis zum Boden sinken.
 

Endlich hob Nefut wieder den Kopf, begegnete Derhans mitleidlosem Blick, bevor dieser sich wieder der Frühstücksbereitung zuwandte. Und als Nefut sich aufraffte und aufstand, sah er Oremar im Zelteingang stehen, sein Gesicht eine einzige Frage. Er hatte also den Ausbruch des Zweiten miterlebt. Jetzt fehlte nur noch, daß Amemna hinterbracht wurde, wie Nefut die Fassung verloren hatte. Nefut verließ das Zelt, hockte sich in den Schatten und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Aber seine Gedanken kreisten nur panisch um Hamarems offensichtliche Abkehr von ihm und die möglichen Gründe dafür, und dazwischen irrlichterte die Erwartung des drohenden Zusammenbruchs der Ordnung im ganzen Lager. Obwohl seine Hände schmerzten, holte Nefut schließlich sein Schwert und betrieb seine Übungen, wiederholte jede der Übungen ein zweites Mal und ein drittes Mal, bis er endlich so erschöpft war, daß er einfach keine Kraft mehr zur Panik hatte. Er wusch sich, setzte sich wieder vor dem Zelt in den Schatten und begann, systematisch über die momentanen Probleme der Wannim nachzudenken.
 

Hamarem wußte also Bescheid. Nicht darüber, daß Amemna eine Frau war, dann wäre alles wohl einfacher gewesen, nein, er wußte wohl gerade genug, um in Nefut einen heimlichen Liebhaber von Männern zu sehen. Ein Abgrund mußte sich für den herzensguten, gottesfürchtigen und sehr weltfremden Mann aufgetan haben, der gedacht hatte, sein Herr achte die Gebote so streng wie er selbst und sei wie ein Fels gegen fremde Unsitten gefeit. Er konnte nichts an Hamarems erschüttertem Glauben reparieren, ohne an anderer Stelle neue Abgründe aufzureißen. Sollte er ihm sagen: 'Der Wanack ist eine Frau' oder lieber: 'Der Wanack ist ein zweigeschlechtliches Wesen'? Das mußte selbst Hamarem für Dämonenwerk halten. 'Der Wanack ist ein Unirdischer und hat mich mit seinem Duft bezaubert', das war die Wahrheit, aber war es für Hamarem nachvollziehbar? Immerhin war Hamarem selbst von der unirdischen Natur Amemnas überzeugt und kannte außerdem sicher die zahllosen Geschichten von den verführerischen Traumerscheinungen aus alter Zeit. Jetzt mußte Nefut nur noch die Gelegenheit bekommen, mit Hamarem in aller Ruhe zu sprechen. Dafür mußte er allerdings erst einmal wissen, wo Hamarem sich eigentlich aufhielt.
 

Derhan wußte, wo Hamarem war, da war Nefut sicher. Aber er war genauso sicher, daß Derhan sich unter Zwang eher die Zunge herausschneiden würde, als zu sagen, wo Hamarem sich verkrochen hatte. Wie konnte er Derhan wieder umgänglicher stimmen? Seine Kränkung durch Nefuts Giftmischerbemerkung war noch frisch, außer Abwarten half hier wohl nicht viel.
 

Oremars Furcht vor Amemna mußte auch irgendwie behoben werden. Zwar war Nefut für Oremar einfach der Zweite des Wanack und nichts weiter, den Wanack hielt er jedoch anscheinend noch immer für einen Dämon aus Chelems Reich. Tatsächlich waren die unirdischen Verführungskünste furchterregend genug, um auch Nefut zu verstören, der immerhin daran glaubte, es in Amemna mit dem Abkömmling eines Unirdischen zu tun zu haben. Hier würde Hamarem vielleicht helfen können eine Lösung zu finden, da er sich in den Schriften der Weisen und Heiligen gut genug auskannte. Und damit war er wieder an dem Punkt, zunächst Hamarems Versteck finden zu müssen. Wo mochte sich ein von seinem Herrn zutiefst enttäuschter ehemaliger Einsiedler oder Mönch aufhalten? Vielleicht doch im Zelt des Ungenannten? Was würde die Wahrheit eher verbergen, als diese Wahrheit offen auszusprechen? Wenn Hamarem nicht bis zum Abend wieder aufgetaucht war, würde Nefut ihn dort suchen gehen.
 

Und es blieb noch ein weiteres Problem der Mawati: Nefuts eigene Unausgeglichenheit. Diese Nacht hatte er sich Amemna nicht genähert und er war noch einmal im Badezelt gewesen. Nichts von ihrem Duft konnte noch an ihm haften, was ihm die Sinne verwirrte. Und trotzdem war er leicht zu erzürnen, ungerecht gegen Unbeteiligte und allgemein ein schlechter Zweiter der Wannim. Nefut hatte Sehnsucht nach der Vereinigung ihrer Körper, auch wenn er nicht von Amemnas unirdischem Zauber dazu verführt wurde. Dagegen half wohl nur, sie regelmäßig zu nehmen, danach mußte er nur ihren Geruch abwaschen - dann war er befriedigt und klar im Kopf, etwa einen halben Tag lang, so wie es jetzt stand. Aber wo blieb Amemna? Was wurde im Zelt des Melack so lange besprochen? Auch dem Melack mußte klar sein, daß ein Aufstand drohte, würden er und die Befehlshaber der Fußsoldaten nicht Geld herbeischaffen. Und die Söldner mußten versorgt werden. Die meisten Männer hatten wohl wie die Mawati für die nächsten drei bis vier Tage ausreichend Vorräte, aber solange das Lager belagert wurde, konnten die Kaufleute keine neuen Waren besorgen und keinen Markt für die Männer abhalten. Spätestens, wenn die Vorräte verbraucht waren und die Anführer keine Lösung parat hatten, würde der Aufruhr ausbrechen. Vielleicht sogar schon früher, wenn genügend Männer ihren eigenen Anführern die Schuld am momentanen Zustand gaben.
 

Um die etwa sechzig Reiter der Mellim machte Nefut sich keine großen Sorgen. Die Wannimin waren zum größten Teil Adlige und Fürsten mit ihren Leibwachen, die Abenteuer in der Fremde suchten. Es handelte sich um vernünftige, gebildete Männer, die wie Nefut verstanden, daß der Melack der berittenen Hilfstruppen selbst betrogen worden war. Aber der Mob, die Söldner zu Fuß, die aus den Gossen der Städte stammten und deren einziger Antrieb gewesen war, als Söldner reich zu werden, war eine Gefahr für alle. Würde es deren Anführern gelingen, sie ruhig zu halten? Und was konnte ein einzelner Mawar denn einhundert Mann, die ihm ans Leben wollten, entgegensetzen? Eine zwanzig Mann starke Leibwache? Doch die mußte ebenfalls bezahlt und versorgt werden.
 

*
 

Erst kurz vor der Mittagsstunde kam Amemna aus dem Zelt des Melack zurück. Und sie sah nicht aus, als brächte sie gute Nachrichten. Sie nahm Nefut beiseite, aber fragte zunächst: "Was ist mit deinen Händen passierrt, Nefut?"
 

Nefut würdigte die aufgeschlagenen Knöchel keines Blickes. Vielleicht erinnerte ihn ihre Wundheit eine Weile daran, den Mawati und auch seinem Wanack wie ein verantwortungsbewußter Zweiter zu begegnen. "Das war nur ein kleiner Unfall", log er Amemna an.
 

Amemna akzeptierte die Antwort schweigend. Dann gingen sie in das Wanackzelt und Amemna bestätigte in ihrem Bericht, was Nefut schon befürchtet hatte. Die Geldtruhe war mit dem Feldherrn und seinen Beamten verschwunden, die Warenlager der Kaufleute waren leer und die Fußsoldaten wurden bereits ungeduldig. Außerdem war abzusehen, daß das Wasser knapp wurde, weil einer der Brunnen im Lager trocken gefallen war. Die Befehlshaber der Fußtruppen hatten den Melack zum Befehlshaber aller Söldner gewählt und ihm den Titel Birh-Melack verliehen, was zwar eigentlich einen Anführer von Fünfhundert Reitern bezeichnete, aber vielleicht auch dazu angetan war, bei den Tetraosi Eindruck zu machen. Mit denen sollte nämlich nun über eine Übernahme der Söldner oder zumindest ihren unbehelligten Abzug verhandelt werden. Ein Bote des frisch ernannten Birh-Melack war bereits in das Lager der Feinde geschickt worden, nun mußte man auf die Antwort warten. "Wirr können nurr hoffen, daß die Tetrraosi geneigt sind, einen derr Vorrschläge anzunehmen, sonst wirrd die Lage hierr sehrr gefährrlich", beendete Amemna ihren Bericht und Nefut nickte sorgenvoll dazu.
 

Er war auf Abstand zu seinem Wanack bedacht, um seinen mühsam erarbeiteten klaren Verstand nicht wieder mit ihrem Duft zu vernebeln. Aber allein der Blick auf den Sichtschutz um ihr Lager sorgte dafür, daß in Nefut das Begehren erneut erwachte. Er versuchte, sich angesichts der ernsten Lage zusammenzureißen. "Wurde der versiegte Brunnen zugeschüttet?" fragte er nach, denn auch das war einem Feldherrn, der sich heimlich davon machte, durchaus zuzutrauen.
 

Amemna schüttelte den Kopf. "Err scheint wohl im Sommerr rregelmäßig trrocken zu fallen. Und auch in den anderren Brrunnen ist derr Wasserrspiegel starrk gesunken, vielleicht stehen wirr in ein paar Tagen ganz ohne Wasserr da."
 

Nefut fiel es zunehmend schwerer, seine Begierde im Zaum zu halten, und dabei wirkte Amemna gerade in diesem Moment kein bißchen wie eine Frau. Das schmale, etwas kantige, wenn auch bartlose Gesicht, die während des Berichtes ernst zusammengezogenen, fremdartig weißen Brauen, die schlanken, großen Hände, die mit knappen Gesten die Worte unterstrichen hatten, natürlich die recht kurzen weißen Haare, als hätte Murhan selbst vor einiger Zeit für die Frisur eines Schwertkämpfers gesorgt, Amemnas dunkle Stimme, allein die Körpergröße, alles sprach dafür, daß hier ein junger Mann saß, der sich inzwischen ganz gut in seinem Amt als Wanack zurechtfand. Doch Nefut sah auch die zarten Rundungen ihrer Brüste, die sich bei manchen Bewegungen durch das Untergewand abzeichneten, er wußte von ihrem weiß beflaumten, jugendlichen Schoß, der ihn so kenntnisreich verschlingen konnte. Sie war das Weib, das er in diesem Moment begehrte. "Warten wir also auf die Antwort der Tetraosi", schloß Nefut aus dem Bericht seines Wanack und zog sie in Gedanken schon aus.
 

Und Amemna nickte und lächelte ihn an. Mit einem Handgriff verschloß sie den Zelteingang und sie fielen einander in die Arme.
 

*
 

"Wanack, ihr sollt in das Zelt des Me.. des Birh-Melack kommen", hörte man von draußen Derhans Stimme.
 

"Ich komme", antwortete Amemna, dann gab sie Nefut einen langen Kuß zum Abschied, zog sich rasch an und ging hinaus.
 

Nefut genoß für einen Moment den Duft seiner unirdischen Geliebten, der ihn noch umfing, dann wusch er sich gründlich, bevor auch er sich anzog und das Zelt verließ. Nefut war bereit, seinem Wanack ein guter Zweiter zu sein und die Männer der Wannim gerecht zu behandeln. Es war bereits Nachmittag, Derhan bereitete das Nachtessen vor und Oremar saß tatsächlich im Mawatizelt und flickte eine Sandale. "Ist Hamarem schon wieder aufgetaucht?" wagte Nefut in höflichem Ton zu fragen.
 

Wie ein Mann schüttelten Oremar und Derhan den Kopf. "Nein, Herr", ergänzte Oremar überflüssigerweise.
 

Falls tatsächlich ein Aufstand ausbrach, sollte Hamarem sich lieber bei seinen Waffengefährten aufhalten, ging Nefut durch den Kopf. Allein hatte er keine Chance - schon gar nicht ohne sein Schwert, das neben seinen Decken lag. Noch ein Indiz dafür, daß er sich in einem der Zelte aufhielt, die den Göttern geweiht waren.
 

"Hört zu!" schlug Nefut seinen Kommandoton aus seiner Zeit als Ashans Unterführer an, und Derhan und Oremar sahen ihn tatsächlich alarmiert an. "Die Lage ist sehr ernst. Wir werden nicht nur belagert, das Wasser geht auch zur Neige, von den Lebensmitteln ganz zu schweigen. Rechnet damit, daß es nur das gibt, was wir hier im Zelt haben."
 

"Was ist mit den Tieren?" fragte Oremar.
 

"Warst du heute morgen bei den Pferchen und hast sie versorgt?" fragte Nefut zurück.
 

Oremar nickte.
 

"Dann geh jetzt gleich noch einmal zu ihnen, am besten geht ihr beide. Bringt die Pferde und Kamele her, ich stelle das zweite Mawatizelt als Unterstand für sie auf. Hier können wir vielleicht verhindern, daß ein wütender Mob sie abschlachtet." Nefut versuchte, die widerstreitenden Gefühlsregungen in den Gesichtern der beiden Mawati zu interpretieren: sie wirkten besorgt, aber andererseits schien sie sein entschiedenes Auftreten auch zu beruhigen. Hoffentlich verstanden sie wirklich den Ernst der Lage. "Unser neuer Birh-Melack versucht, Verhandlungen mit den Tetraosi über eine Weiterbeschäftigung oder zumindest freien Abzug zu führen", fuhr Nefut fort. "Falls die Tetraosi die Verhandlungen ablehnen, sucht ihr beide Hamarem und bringt ihn unverzüglich hierher."
 

Derhan nickte sofort. Er hatte wohl eingesehen, daß die Zeit für Spielchen vorbei war.
 

"Und dann haltet Ruhe, egal was an anderer Stelle im Lager passiert. Falls ein Aufstand ausbricht und bis hierher vordringt, schützt ihr vor allem den Wanack. Wir handeln nur gemeinsam, ist das klar?"
 

"Ja, das ist klar", antwortete Oremar, schnürte die nur halb reparierte Sandale behelfsmäßig um den Fuß und stand auf, und auch Derhan erhob sich. Die beiden Mawati steckten die Schwerter in die Gürtel und eilten zu den Pferdepferchen.
 

*
 

Diesmal kam Amemna schneller zurück von der Besprechung mit dem Birh-Melack. Nefut hatte gerade begonnen, die Streben für den Unterstand in den Boden zu rammen, als sie heraneilte. "Läßt du die Tierre hierrherr holen?" fragte sie.
 

Nefut nickte.
 

Amemna half bei der Befestigung der Zeltbahnen und berichtete kurz: "Die Tetrraosi haben geantworrtet. Sie lassen die Prriesterr, Kaufleute und anderren Zivilisten ziehen, die Söldnerr dagegen sollen im Lagerr bleiben."
 

"Gibt es irgendwelche Zusagen über eine Übernahme in den Dienst der Tetraosi?" fragte Nefut hoffnungsvoll.
 

"Nein. Derr Brrief des Königs schloß die Söldnerr nurr ausdrrücklich vom frreien Abzug aus", erklärte Amemna.
 

So mußte es zwangsläufig zu einem Aufstand kommen, spätestens wenn sich die Entscheidung der Tetraosi herumsprach. "Wie war die Stimmung unter den Anführern?"
 

Amemna verzog das Gesicht. "Sehrr schlecht. Der Birrh-Melack hat mit unserrerr drrei Wannimin mit derr Bewachung des Lagerrzentrrums beauftrragt. Err hofft, so Ausschrreitungen gegen die Prriesterrschaft zu verrhinderrn. Und wenn err die Rruhe halten kann, nehmen uns die Tetrraosi vielleicht doch in Dienst."
 

"Was ist mit dem Troß? Wird der auch bewacht?" fragte Nefut weiter. Dort waren die Kaufleute, die zwar keine Waren mehr hatten, aber das Geld der Söldner in ihren Kassen.
 

"Ja natürrlich, schon um Plünderrungen zu verrhinderrn", antwortete sie. Dann sah sie plötzlich an Nefut vorbei. "Ah, da kommen sie ja." Tatsächlich führten Derhan und Oremar gerade die acht Pferde und zwei Kamele heran, die mit Sätteln, Zaumzeug und allem anderen, sowie reichlich Heu und Wasserschläuchen beladen waren.
 

"Wo ist eigentlich Hamarrem?" fragte Amemna, als die nicht benötigten Tiere untergebracht waren. Vier Pferde wurden gesattelt, denn die Patrouille im Lager sollten sie zu Pferd machen.
 

Nefut betrachtete seine verschorften Knöchel. "Frag Derhan", antwortete er resignierend.
 

Amemna schaute mit hochgezogenen Augenbrauen zu Derhan hinüber. "Wieso weißt du nicht, wo Hamarrem ist, Zweiter?" fragte sie Nefut dann streng.
 

Seufztend stellte Nefut sich dieser berechtigten Frage seines Wanack: "Weil..."
 

"Weil ich Nefut belogen habe", fiel Derhan ihm ins Wort. Wieso kam Derhan ihm zur Hilfe? Aber seinem Blick wich er aus.
 

Amemna sah von einem zum anderen. "Wirr müssen los", befahl sie dann. "Aberr diese Sache wird noch geklärt werden." Sie saß auf und befahl ihrer Wannim, ihr zu folgen. Inzwischen war sie offensichtlich ein wahrhafter Wanack geworden.
 

* * *
 



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