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Die Geflügelte Schlange - Aufstieg

* * make love, not war * * - Teil 1
von

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12. Vor der Schlacht

Am Nachmittag des zweiten Tages nach ihrem Aufbruch aus Nemis erreichte das Heer der Hannaiim die hügelige Ebene, an deren felsigem Nordrand sich die Stadt Tetraos erhob. Neben der Stadt war bereits das gegnerische Heerlager errichtet, gerade noch in Sichtweite des geplanten Lagerplatzes der Hannaiim. Ein umlaufender Graben wurde ausgehoben und der aufgeschüttete Erdwall mit den mitgebrachten Palisaden verstärkt, dann stellten die Einheiten ihre Zelte auf.
 

Am kommenden Morgen war die Schlacht gegen die Tetraosi zu erwarten und Hamarem fand trotz der schweren Schanzarbeit beim Aufbau des Lagers nicht in den Schlaf. Der Fluß der Kräfte verhieß den Tod, und außerdem quälten ihn unkeusche Gedanken. Fünf Nächte waren seit ihrem Aufenthalt in Hannai inzwischen vergangen, fünf Nächte, in denen Hamarem zwar nicht von Amemna geträumt hatte, jedoch vor dem Einschlafen stets mit den Gedanken bei dem jungen Wanack gewesen war und angesichts der Unerreichbarkeit des Ziels seiner Begierden inzwischen eine innige Beziehung zu seiner rechten Hand aufgebaut hatte. Derhan, der stets neben Hamarem schlief, mochte mitbekommen haben, wie Hamarem jede Nacht in den Schlaf fand, auch wenn er von den frevelhaften Gedanken seines Zeltgenossen nichts ahnen konnte. Schon bei ihrer letzten Übernachtung hatte Derhan ihn gefragt, ob er nicht am Abend mit ihm das Zelt Amas besuchen wolle, wo Frauen der Göttin dienten, indem sie nach der Sitte des Südens fremden Männern beiwohnten. Aber Hamarem hatte abgelehnt.
 

Die anderen Männer im Zelt schliefen bereits und Hamarem begann gerade, im Schutze der nächtlichen Dunkelheit sein Verlangen weiter anzufachen, damit er es um so lustvoller befriedigen konnte, als plötzlich ein Schatten in das Zelt schlich, zu seinem Lager kroch und mit der herbeigesehnten und gefürchteten Stimme flüsterte: "Hamarrem, bist du noch wach?"
 

Hamarem unterdrückte mühsam ein Stöhnen, zog unter der Decke sein Untergewand über seine Blöße und antwortete ebenso flüsternd: "Ja, Herr."
 

"Ich möchte mit dirr rreden, aberr nicht hierr", wisperte Amemna nun.
 

Hamarem erhob sich, aber als er sich das Ma'ouwati-Tuch um den Kopf wickeln wollte, hielt Amemna ihn zurück. "Man muß uns nicht gleich errkennen." Amemna trug ein gewöhnliches Oshey-Kopftuch und den alten Mantel.
 

Gemeinsam verließen sie das Zelt, in dem mit Hamarem die halbe Wannim schlief, gingen im Licht der halb heruntergebrannten Feuerschalen an dem anderen Mannschaftszelt und dem Zelt des Wanack vorbei und weiter zu den Pferdepferchen. Während des Weges sprach Amemna kein Wort und darum schwieg auch Hamarem, doch als sich Amemna schließlich über den Zaun lehnte und die unruhig schlafenden Pferde betrachtete, fragte er: "Was wollt ihr mit mir besprechen, Herr?"
 

"Ich habe Angst, Hamarrem", begann Amemna langsam, ohne den Blick von den Pferden zu wenden.
 

"Ihr fürchtet euch, weil ihr nie zuvor einen Menschen getötet habt und nicht wisst, ob ihr eine solche Tat auf euer Gewissen laden könnt", mutmaßte Hamarem.
 

Aber Amemna schüttelte den Kopf und sah Hamarem traurig an. "Ich habe vorr zwei Jahrren dem Mann den Schädel eingeschlagen, derr meine Ziehmutterr tötete. Aber das warr etwas anderres. Ich wußte nicht berreits Tage vorrherr, was passieren würrde und ich warr durrch meinen Haß wie im Rrausch. Wenn man mich damals nicht wiederr zurr Verrnunft gebrracht hätte, hätte ich ihn wörrtlich zu Brrei geschlagen."
 

"Und wovor habt ihr dann Angst?" wollte Hamarem wissen.
 

"Das ich nicht in Rrausch gerrate oder nicht aus meinem Rrausch zurrückfinde - oder daß ich durrch meinen Rrausch ein leichtes Ziel fürr meine Gegnerr bin und errschlagen werrde... Oderr vielleicht doch, daß ich es nicht ferrtigbrringe, im entscheidenden Moment fürr die paarr Münzen, die wirr errhalten, wildfrremde Männerr umzubrringen, die mirr nichts getan haben."
 

"Aber ihr werdet euch verteidigen müssen", gab Hamarem zu bedenken. Und er dachte zurück an seinen ersten und einzigen Kampf in den Reihen der Temhaly. Sie alle waren wie im Rausch gewesen, hatten beim Angriff geschrieen um ihre Feinde einzuschüchtern und um ihre eigene Angst zu vergessen. Die Kunst war es doch wohl, soviel Bewußtsein zu bewahren, daß man selbst nicht völlig unterging. Nicht, daß ihm das gelungen war - und Hamarem spürte, wie die schwarze Verzweiflung von damals plötzlich wieder nach seinem Herzen griff. Er schloß die Augen. "Gnädiger Orem! Ich wünschte, wir ständen nicht hier", flüsterte er. "Ich wünschte, keiner von uns müßte morgen in den Kampf ziehen."
 

Leicht wie Vogelschwingen umschlossen Amemnas Arme Hamarems Schultern, Wärme sickerte durch den Stoff seiner Kleidung - und Trost. "Bitte entschuldige, daß ich ausgerrechnet dich belästigt habe. Ich will dirr nichts Böses, Hamarrem. Du warrst immerr frreundlich zu mirr und hast mirr währrend derr Gefangenschaft sogarr meine Schrriftrrolle wiederrbeschafft. Und so danke ich es dirr nun. Bitte verzeih mirr." Weiche Lippen streiften Hamarems Wange, dann zog Amemna sich wieder zurück.
 

Hamarem sah in Amemnas zerknirschtes Gesicht. Ihm selbst drohten die Tränen zu kommen, als er den Kummer in den plötzlich erstaunlich dunklen Augen seines Wanack sah. Im Dämmerlich waren Amemnas Pupillen so groß, daß seine Augen fast so schwarz wie die eines gewöhnlichen Oshey wirkten. "Es tut mir leid, wenn ich euch beunruhigt habe, Herr. Es ist nur..." und er verstummte. Auch seinen Wanack ging das nichts an.
 

"Es ist nurr was?" fragte Amemna sanft nach.
 

Hamarem wandte den Blick ab von Amemna, seinem wunderschönen, traurigen Gesicht, und versuchte, sich vor dem Mitgefühl seines Wanack zu verschließen, das ihn noch wie eine Umarmung umfing. Es gelang ihm nicht. "Es ist nur, daß ich den Tod derjenigen spüre, die durch meine Hand sterben. Ich erleide ihn mit und das ertrage ich nicht gut", sagte er leise.
 

"Wie konntest du so das Leben bei den Banditen aushalten?" fragte Amemna erstaunt.
 

"Unser Anführer wollte Gefangene, für die er Lösegeld erhalten konnte, keine Leichen." Tatsächlich war es ein leichteres Leben als bei den Temhaly gewesen, wenn auch nicht so angenehm wie der Dienst in Orems Orakelstätte.
 

"Dann bleibst du morrgen bei den Zelten. Ich sage, daß...", fing Amemna eifrig an, aber Hamarem winkte ab.
 

"Wir haben den Bonus als Wannim erhalten. Wenn wir nicht als vollständige Wannim antreten, werden wir ihn zurückzahlen müssen - oder sogar das ganze Handgeld. Irgendwie wird es mir gelingen, meine Gegner abzuwehren ohne sie zu töten. Aber sprechen wir nicht von mir, Wanack. Wie kann ich euch helfen?" Er würde heute nacht von Amemna träumen, das tröstete für den Moment über die schwarzen Gedanken hinweg.
 

Amemna sah ihn an. "Ich würrde dich gerrne zufrrieden sehen, Hamarrem. Dich vorr allen in meinerr Wannim... und ich glaube, du hast mirr schon geholfen. Es ist berruhigend zu wissen, daß man mit seinerr Angst nicht allein ist." Und er schaute wieder in den Pferdepferch. "Auch die Tiere scheinen zu wissen, daß derr Tag morrgen schwerr wirrd."
 

"Seid ihr unirdischer Herkunft, Herr?" fragte Hamarem, jede Vorsicht vergessend.
 

"Derr Fürrst derr Darrashy errklärte mich offiziell zum Sohn Murrhan Darrashys und einerr Unirrdischen. Ich weiß jedoch nurr, daß Hawat... Ama anscheinend meine Schrritte lenkt. Aberr von den Unirrdischen heißt es doch, daß sie Orrem dienen."
 

Hamarem nickte. Natürlich kannte er die in den Schriften der Weisen zu findenden Berichte über die Boten Orems, die als weiße Falken mit gelben Augen aus den Gärten der Freude zu den Menschen flogen und zu ihnen sprachen, und sich manchmal in Menschengestalt zu Männern oder Frauen gesellten und Kinder mit ihnen zeugten. Es gab einige dieser Kinder und ihre Nachfahren in der Geschichte der Stämme. Auch das erste Fürstengeschlecht Hannais führte sich auf eine Unirdische zurück. Aber zumeist waren sich die Abkömmlinge der Unirdischen dessen bewußt. "Wißt ihr es nicht, Herr?" fragte Hamarem leise.
 

Amemna schüttelte den Kopf. "Ich bin ein Findelkind und kenne meine Elterrn nicht. Ich warr dabei, eine Spurr meinerr Ahnen nach Hannai zu verrfolgen, als eurre Bande mich gefangen nahm. Und aufgewachsen bin ich an einem Orrt, derr derr Göttin heilig ist, bis ich dorrt nicht mehrr bleiben konnte. Errst danach wurrde ich derr Ziehsohn Murrhan Darrashys." Wieder dieser Name. Ob es Zufall war, daß Amemnas Ziehvater den selben Namen hatte wie Nefuts leiblicher Vater? Aber Hamarem sagte nichts, wagte kaum zu atmen, um Amemna nicht zu unterbrechen. "Ich lerrnte ein Handwerrk, kam zu den Stämmen und fand endlich Hinweise auf meine Herrkunft. Davorr konnte ich nurr annehmen, daß zumindestens ein Oshey zu meinen Ahnen gehörrt."
 

"Eurem Aussehen nach steht das außer Frage", konnte Hamarem sich nicht verkneifen und biß sich gleich darauf auf die Zunge.
 

Aber Amemna lächelte. "Am Orrte meinerr frrühesten Jugend galt ich als blasses Kind und meine Haarrfarbe machte das nicht besserr. Die Menschen dorrt haben fast schwarrze Haut, und die Oshey und Nordstädler sind ihnen unbekannt. 'Geisterrkind' nannten sie mich, weil ich so hell warr, denn nurr die Geisterr - oderr Dämonen - sind so blaß, weil sie das Tageslicht meiden... Meinst du auch, daß ich ein Dämon bin?" fragte Amemna plötzlich neckend und Hamarems Herz setzte einen Schlag aus.
 

Amemna merkte, daß er ins Schwarze getroffen hatte. "Du denkst es wirrklich, nicht wahrr? Aberr hast nicht du im Lagerr derr Banditen verrbrreitet, ich sei ein Unirrdischerr?"
 

Was konnte Hamarem dazu sagen?
 

"Nach den Maßstäben derr Westlichen Inseln bin ich kein Dämon, denn ich muß das Tageslicht nicht fürrchten. Welche Maßstäbe legen die Oshey in einem solchen Fall an?" Amemna klang wirklich interessiert an einer Antwort.
 

"Bei den Oshey sind die Dämonen einfach die Bewohner von Chelems Unterwelt, die den Sterblichen Böses wollen", erklärte Hamarem. "Bei den Nordstädtlern allerdings heißt es, daß der Herr der Dämonen im andauernden Krieg mit dem Ungenannten ist, daher können seine Gefolgsleute nicht unbeschadet betreten oder berühren, was dem Ungenannten geweiht wurde." Hannai war die Stadt des Ungenannten. Eines der Zelte im Zentrum des Heerlagers war dem Ungenannten geweiht und beherbergte ein paar Priester, die dem Ungenannten täglich auf dem Platz davor opferten. Vielleicht sollte er wirklich verlangen, daß sein Wanack eine Probe machte.
 

"Wer da?" rief plötzlich eine unbekannte Stimme. Ein Wachsoldat der Hannaiim.
 

"Wir sehen nach den Pferden unserer Wannim, Herr", beeilte sich Hamarem zu antworten.
 

"Ach, Oshey", brummte der Wachsoldat, nachdem er Amemna und Hamarem in Augenschein genommen hatte. "Geht schlafen! Es wird morgen eine große Schlacht geben, nicht ein kleines Stammesgeplänkel mit der entfernten Verwandtschaft."
 

Sie kehrten schweigend zurück zu ihren Zelten, aber bevor Amemna in seinem verschwand flüsterte er noch. "Laß uns morrgen weiterr rreden."
 

Wenn wir die Schlacht überleben, dachte Hamarem, aber er verzichtete darauf, es auszusprechen, betrat das Zelt und suchte sein Lager auf. Amemna hatte ihn umarmt als sie bei den Pferdepferchen gestanden hatten, er würde diese Nacht wieder einen jener unheimlich wirklichen Träume haben. Noch immer konnte er Amemnas Arme um seine Schultern spüren, als säße der junge Wanack neben Hamarems Lager. Wie weit mochte der Traum diesmal gehen? Würde es zu einer tatsächlichen Vereinigung ihrer Leiber kommen? Und morgen würde er dann den Tod erleben, wenn nicht seinen eigenen, dann den der Männer, die er tötete. Die Furcht umklammerte sein Herz erneut, ihm wurde schlecht vor Angst vor dem kommenden Tag. Und dann fiel ihm der Stechapfelsud ein, den er in Hannai gekauft hatte. Es war besser, in dieser Nacht nicht von Träumen bedrängt zu werden, für die er sich nicht bereit fand und vielleicht war ja auch die Schlacht in dem etwas benebelten Zustand, den die Droge noch am Folgetag erzeugte, leichter zu ertragen. Also nahm er die neu befüllte Phiole aus seiner Satteltasche und trank einen kleinen Schluck.
 

Während die Flüssigkeit mit einem ungewohnten Brennen seine Kehle hinunterrann bereute er seinen aus Panik geborenen Entschluß bereits, aber nun war es zu spät.
 

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