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Die Geflügelte Schlange - Aufstieg

* * make love, not war * * - Teil 1
von

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7. Die Beförderung

An der Wasserstelle von Bussir, wenige Wegstunden von dem Lager der Stammeslosen entfernt, machte Nefut mit seinen Männern halt und befahl, die Zelte für die Nacht aufzubauen. Er überließ den jungen Darashy Hamarems erprobter Obhut, dann führte er sein Pferd zur Tränke, streifte das Kopftuch ab, wusch sich das Gesicht und trank auch selbst ein paar Schluck aus der hohlen Hand. Als das Wasser sich beruhig hatte, sah ihm ein alt gewordener Mann mit angegrauten Schläfen, von weißen Haaren durchzogenem Bart und müdem Blick aus dem Wasser entgegen. Bis auf die langen Haare fast ein Ebenbild seines Vaters, bevor dieser sich vom Kriegshandwerk zurückzog und wieder eine Schmiede einrichtete. Nefut war damals etwa so alt gewesen, wie der junge Darashy, gerade alt genug, um des Ehebruchs angeklagt und verbannt zu werden. Heute nun hatte er seinen Anführer verraten, dem treu zu dienen er einst geschworen hatte. Und als reiche Ashans Blut an seinen Händen noch nicht, hatte er Terhan auch noch zugestanden, die restlichen Aufständischen, einschließlich Farhans Bruder Nefut, der noch ein halbes Kind gewesen war, hinzurichten. Nefut ertrug seinen eigenen Anblick nicht länger und wischte sein Spiegelbild aus dem Wasser, trank eine weitere Handvoll, sah in die Wüste hinaus.
 

Farhan hatte ohne mit der Wimper zu zucken zugesehen, wie seinem Bruder die Schlinge um den Hals gelegt und zugezogen wurde, doch die Anspannung in seinen Kiefermuskeln war nicht zu übersehen gewesen. Doch was anderes hätte Farhan tun können, wollte er nicht ebenfalls das Leben verlieren. Wozu hatte Nefut die anderen vor einer sicheren Bestrafung, vielleicht sogar vor einer Hinrichtung durch Terhans Männer eigentlich gerettet? Er wollte sie doch als Söldner der Hannaiim in einen Kampf führen, dem sie kaum gewachsen waren und den sie folglich nicht überleben würden: Farhan, der eher als Schriftgelehrter denn als Bandit taugte und während härterer Kämpfe meist zu denen gehört hatte, die Blessuren davontrugen; den bedächtigen Doshan, der zwar besser kämpfte als Farhan aber im Zweifelsfall nicht schnell genug reagieren würde, um sein Leben oder das eines anderen zu retten; Hamarem, der Waffen so sehr haßte, daß er sie nicht einmal in die Hand nehmen wollte, fünf weitere junge Männer, die alle nicht die geringste Vorstellung von einem echten Krieg hatten. Einzig der schon deutlich ältere Derhan mochte in dieser Hinsicht einige Erfahrungen haben, denn seine Kenntnisse als Wundarzt konnten nicht allein aus seiner Zeit bei den Stammeslosen stammen. Und alles auf das Wort eines dahergelaufenen jugendlichen Darashy hin, der auf welch verschlungenen Wegen auch immer irgendwie zu der Schlangenklinge gekommen war. Allerdings waren die Waffenfertigkeiten Amemna Darashys anerkennenswert, er hatte dem legendären Schwert Murhan Darashys an dem Tag des Überfalls keine Schande gemacht.
 

Wie mochten die Männer auf die Eröffnung reagieren, daß Amemna Darashy sie als Wanack der Söldnereinheit nach Nemis führen sollte? Der junge Mann galt den Männern als Unirdischer, auch wenn die wenigsten anscheinend mehr damit verbanden als die Pflicht zu frommer Scheu und die Geschichten, die an den Herdfeuern über die weißhaarigen geflügelten Halbgötter erzählt wurden. In den Schriften galten die Unirdischen und ihre menschlichen Nachkommen als die Kulturstifter, die großen Helden und überragenden Kämpfer. Sie vollbrachten Dinge, die kein rein sterblicher Mensch vollbringen konnte und am Ende ihres Lebens zogen sie sich in Falkengestalt in die Gärten der Freude zurück, die ihnen durch Geburtsrecht offenstanden, ungeachtet ihrer Taten oder Untaten unter den Menschen. Und auch für ihre Getreuen war zumeist ein Platz in den Gärten der Freude vorgesehen.
 

Hamarem war offenbar recht sicher, daß der Junge unirdisches Blut in seinen Adern hatte, sonst hätte er sich nicht so drängend für seine Freilassung eingesetzt. Und ihm war in diesen Dingen gewöhnlich zu trauen. Trotzdem stimmte irgendetwas mit diesem Amemna Darashy ganz und gar nicht. Wieso war er allein mit der Karawane nach Norden gereist und warum hatten die Darashy nicht auf die Lösegeldforderungen reagiert? Hamarem hatte erzählt, daß der Junge den Brief mit der Forderung selbst geschrieben hatte und daß auch ein Brief nach Ma'ouwat geschickt worden war. Was hatte in diesen Briefen gestanden? Trug der Junge den Namen Darashy womöglich nur, weil sein Vater ihn zu Recht getragen hatte, aber nicht, weil er selbst in den Zelten aufgewachsen war? Er hatte das Schmiedehandwerk gelernt, war Goldschmied in Ma'ouwat gewesen, hatte Hamarem erzählt. Die Darashy waren berühmt für ihre Schmiede und auch sein Akzent würde für ein Aufwachsen im Süden sprechen. Aber außerdem konnte er schreiben und war ein überaus fähiger Schwertkämpfer.
 

Langsam schlenderte Nefut von der Tränke zu den Zelten, in denen bereits die Kochfeuer brannten. Dieser bartlose Jüngling war entweder tatsächlich unirdischer Herkunft oder mußte schon ein paar Jahre älter sein, als er erschien.
 

*
 

Als die Dunkelheit hereingebrochen war, ließ Nefut Amemna Darashy zu sich bringen. "Wir brauchen Geld für unseren Weg nach Nemis. Kannst du uns aus den Gefäßen Münzen prägen, Goldschmied?" begann Nefut seine Befragung.
 

"Ich kann es verrsuchen", antwortete Amemna Darashy. "Aber ich habe keine Errfahrrung im Münzstempel-Schneiden. Außerrdem sind Münzen mit einem unbekannten Bild verrdächtigerr als Töpfe und Kannen, die ihrr in jederr Stadt zu ihrrem Metallwerrt verrkaufen könnt."
 

Diese Antwort klang vernünftig. "Wenn wir eine Stadt erreichen, werde ich es tun."
 

Hamarem brachte zwei Schalen und den Tee, schenkte ein und zog sich diskret in den Schatten zurück.
 

"Zu deinem Vorschlag, Goldschmied", begann Nefut dann wieder und der Junge sah überrascht von seiner Teetasse auf.
 

"Du hattest vorgeschlagen, daß die Stammeslosen sich in Nemis für das Heer anwerben lassen, das dort gesammelt wird."
 

Amemna Darashy nickte und wartete wie ein gut erzogener Oshey-Jüngling höflich darauf, daß der Ältere wieder zu sprechen begann.
 

"Sicherlich ist das Handgeld und der Bonus, etwa für eine Wannim - eine Einheit von zehn Männern zu Pferd - mehr, als wir als Lösegeld für dich erhalten hätten. Das Problem ist nur, daß sie uns kaum mit offenen Armen empfangen werden." Ganz abgesehen davon, daß ihnen ohne den Jüngling ein Mann zur Wannim fehlte.
 

Der fragende Blick des Jungen zeigte Nefut, daß er die Tragweite dessen, was es hieß, aus einem Stamm ausgestoßen zu sein, nicht erfaßte. Und anscheinend auch nicht einmal ahnte, wie andere Oshey und erst die Städter Stammeslosen gegenübertraten, wenn sie wußten, daß sie mit ihnen zu tun hatten.
 

"Wir sind Stammeslose: Rechtlose und Vogelfreie in den Augen der Oshey, Banditen und der Bodensatz der Gosse in den Augen der Städter. Wir können uns nicht als Stammeslose in Nemis anwerben lassen. Wir brauchen einen ehrlichen Namen - zumindest einen Anführer mit einem ehrlichen Stammesnamen, einem Namen wie Darashy."
 

Das verstand Amemna Darashy schnell. "Aberr was soll ich in einem Heerr?" fragte er erschrocken. Die Panik ließ ihn erbleichen und sehr jung aussehen.
 

Fast hatte Nefut Mitleid mit ihm, aber es gab kein Zurück mehr zu Terhan und seinen Leuten. Außerdem würden die Männer wohl eher dem Unirdischen als Nefut in ein solch gefährliches Abenteuer wie einen Krieg folgen. "Du hältst dich gut im Sattel, und als wir dich gefangen nahmen hast du dich tapfer gewehrt. Im Schwertkampf bist du besser als die meisten hier - und du trägst in jedem Fall einen besseren Namen." Nefut nahm die Schlangenklinge in die Hand, die neben ihm gelegen hatte. Seinem Blick nach erkannte Amemna Darashy das Schwert wieder. Nefut reichte es ihm.
 

Der junge Darashy griff nicht danach. "Ich soll also eurre Handpuppe sein und ihr befehlt weiterrhin, bis euch gefällt, mich schließlich doch zu verrkaufen."
 

Nefut schüttelte den Kopf. "Nein, du bist frei. Wenn du willst, geh deiner Wege und wir ziehen allein nach Nemis um unser Glück zu versuchen. Aber unter deinem Namen werden wir eher ehrenhaft behandelt und durch dein Wissen sofort entdecken, falls man uns mit falschem Geld bezahlen will." Wenn der Jüngling tatsächlich ging, war der Plan, die Männer durch die Anwerbung in Nemis zu ernähren, zum Scheitern verurteilt, da war Nefut sicher, aber er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. "Sei unser Anführer, unser Wanack", fuhr er fort. "Es heißt doch, die Unirdischen seien in allen Künsten der Menschen meisterhaft bewandert. Sicher wirst du der größte Kriegsherr, den die Oshey seit Hermil Tashrany hervorgebracht haben."
 

Diese Worte schienen dem jungen Mann zu schmeicheln. "Aber ich bin doch auf dem Weg nach Hannai und will nicht in irrgendeinen Krrieg ziehen", klagte er, doch in seinen Augen sah man schon jenes Glitzern, die Hoffnung auf Ruhm und Ehre in einer Schlacht.
 

Nefut ging auf das Spiel ein. "Dann zieh deiner Wege", und er streckte dem Jungen die Schlangenklinge noch ein bißchen weiter entgegen.
 

Nun griff Amemna Darashy danach. Seine Hände umschmeichelten Heft und Scheide, dann legte er es auf seinen Schoß. "Ihrr habt eurre Handpuppe, Stammesloserr. Aber ich denke, ihrr solltet derr Befehlshaberr bleiben."
 

Nefut mußte grinsen. "Ich werde dein Zweiter sein, Wanack Darashy."
 

"Wanack", flüsterte Amemna Darashy.
 

Anführer von zehn Stammeslosen zu Pferd würde er sein - und vielleicht seine erste Schlacht nicht überleben.
 

*
 

Beim gemeinsamen Nachtessen eröffnete Nefut seinen Männern schließlich die Entscheidung, daß sie nun unter dem Befehl des jungen Darashy, der wohl unirdischer Herkunft war, nach Nemis ziehen würden, um sich dort als Söldnerwannim einschreiben zu lassen.
 

Für einen Moment war es so still, daß man nur die Fliegen summen hörte, und Farhan sah sehr erschrocken aus.
 

"Ein Hoch auf unseren Wanack!", rief Doshan aus, was nun wieder den frischgebackenen Wanack zusammenzucken ließ. Aber er würde sich an den Titel gewöhnen, dafür würde Nefut schon sorgen. Von Doshans und Nefuts Männern kam verhaltene Zustimmung, Derhan und Telwar dagegen warteten noch auf eine Reaktion ihres Anführers Farhan, der gerade seinen kleinen Bruder durch dessen Eintreten für den jungen Darashy verloren hatte.
 

Schließlich nickte Farhan langsam. "Ich werde Wanack Darashy folgen."
 

Auch Telwar neigte zustimmend den Kopf.
 

Derhan zögerte noch und würde sich sicherlich nicht durch Argumente bezüglich der unirdischen Natur ihres Wanack bewegen lassen, also sagte Nefut gemessen: "Ich werde unserem Wanack in jedem Falle mit Rat und Tat beistehen."
 

Derhan strich durch seinen grauen Bart und grinste. "Ohne mich wär' es doch keine Wannim, nicht wahr?"
 

* * *
 



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