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Die Geflügelte Schlange - Aufstieg

* * make love, not war * * - Teil 1
von

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1. Der Überfall

Die Schädeloase lag friedlich in der Abendsonne. Die Karawane hatte die Zelte aufgebaut, am Brunnen waren nur noch einzelne Männer mit der für Oshey typischen schwarzen Augenbemalung dabei, Wasser zu schöpfen. Die Lastkamele waren anscheinend inzwischen versorgt.
 

"Nefut", flüsterte es plötzlich von hinten. Nefut drehte sich zu Terhan um.
 

Terhan zeigte auf ein Lichtsignal, das vom Lager kam, also ließen sich die beiden Unterführer in die Senke hinter der Düne gleiten.
 

Das Lager der Stammeslosen lag in sicherem Abstand von der Oase, die Zelte zwischen einigen Felsen versteckt. Etwa im Zentrum stand das Zelt ihres Anführers, der die anderen Befehlshaber bereits um sich geschart hatte, als Nefut und Terhan eintraten und die Kopftücher abnahmen.
 

"Wir greifen die Karawane heute nacht an", eröffnete Ashan seinen acht Unterführern. "Es gibt nur zehn Wachen, die..."
 

"Von den Reisenden sehen allerdings einige aus, als könnten sie mit Waffen umgehen", warf Terhan ein.
 

Nefut setzte zu einer Ergänzung über die Anzahl der Waffenfähigen an, aber Ashan schnitt ihm das Wort ab: "Du darfst deinen Einwand ausführen, Terhan. Auf wie viele schätzt du die gegnerischen Kräfte insgesamt?"
 

"Etwa zwanzig - im ungünstigsten Falle", antwortete Terhan.
 

"Mein guter Terhan, dann gibt es kein Problem: wir sind doppelt so viele." Und Ashan winkte einem seiner Diener, den Tee einzuschenken.
 

Nefut akzeptierte Ashan als Anführer, aber er respektierte ihn nicht. Natürlich war Ashan nicht von Adel und soweit Nefut wußte, kam er aus keinem der Stämme sondern ursprünglich aus einer der Städte am Nordrand der Wüste. Insbesondere störte Nefut jedoch die gönnerhafte Art, die Ashan gelegentlich seinen Untergebenen gegenüber an den Tag legte, oder wenn er sich wie ein Stammesfürst gab, Tee und Speisen servieren ließ, aber sich im Gegensatz zu einem wahren Fürsten, der aus seinen privaten Mitteln geschöpft hätte, dazu aus dem gemeinsamen Vorrat bediente und so die Großzügigkeit nur vorspielte. Den anderen Unterführern schien es egal zu sein, daß Ashan das Stammesleben nur nachäffte, aber vielleicht wußten sie es einfach nicht besser, denn die meisten waren die Söhne und Enkel anderer Ausgestoßener und hatten in ihrem Leben nie ein Fürstenzelt gesehen.
 

Nefut senkte den Blick auf den goldenen Inhalt seiner Teeschale: edelster Tee, ursprünglich für den Fürsten der Temhaly bestimmt, in feinster Keramik, die auf dem Weg zum Hof von Hannai gewesen war. Aber all das entschädigte nicht für den verlorenen Namen. Doch da es für Nefut keine Möglichkeit zur Rückkehr in sein altes Leben gab, konnte er nur hoffen, in einem der Kämpfe, in die Ashan ihn schickte, zu sterben, um wenigstens durch die Fürsorge für seine Leute und den Gehorsam seinem ungeschätzten Anführer gegenüber doch noch die Gärten der Freude betreten zu dürfen.
 

*
 

Beim Essen legte Ashan seine Angriffspläne dar und wies jedem Unterführer seine Aufgabe zu.
 

Nefut schob bald die Unterrichtung seiner Männer vor und verließ frühzeitig Ashans Zelt. Das eigene Zelt teilte er sich mit seinen vier Leuten, von denen jedoch nur sein Zweiter, Hamarem, sein Vertrauen genoß. Er war wie Nefut selbst etwa dreißig Jahre alt, hatte sich erst vor ein paar Jahren den Stammeslosen angeschlossen und kannte seinen Platz.
 

Hamarem hörte sich Nefuts Zusammenfassung der Pläne Ashans an, dann kaute er ein paar von seinen Zauberkräutern, trat vor das Zelt, nahm Sand in die Rechte und ließ ihn aus seiner auf Augenhöhe gehobenen Faust langsam wieder zu Boden rieseln. Aufmerksam betrachtete er in der Dämmerung den Fall der Körner und sagte dann: "Es wird ein schwerer Kampf, aber erfolgreich für uns."
 

Nefut unterdrückte ein Lächeln. Er kannte nur wenige Menschen, die Hamarem an Kenntnis der Schriften der Weisen und Heiligen übertrafen, unter den Stammeslosen keinen einzigen. Und doch praktizierte Hamarem auch die alten Weissagekünste, die ansonsten unter den Oshey eher verpöhnt waren. Nefut hatte Hamarem gegenüber aus seiner Herkunft keinen Hehl gemacht, aber nie gefragt, ob vielleicht die Neigung zum Schamanismus mit Hamarems Verbannung zu tun hatte. Und Hamarem schwieg über seine eigene Geschichte ebenso zuverlässig wie über das ihm Anvertraute.
 

"Werde ich sterben?" fragte Nefut, als Hamarem sich schon die letzten Sandkörner aus der Hand wischte.
 

Hamarem sah ihn lange aus seinen goldgesprenkelten Augen an. "Unser aller Schicksal erhält durch die heutige Nacht eine Wende, soviel ist sicher, Herr", sagte er dann. "Aber ob das in Eurem Falle der Tod ist kann ich nicht sagen."
 

Nefut nickte. In den verbleibenden Stunden hatte er Gelegenheit, Orem zu opfern und ihn zu bitten, sein Schicksal zu seinem Vorteil zu wenden, denn um den Tod konnte er den Nächtlichen Träumer leider nicht bitten.
 

*
 

Als der Mond seinen höchsten Stand erreicht hatte, bezogen Ashans Männer ihre Positionen rund um die Oase. Nefut und drei andere Unterführer sollten mit ihren Mannschaften die Reisenden gefangen nehmen, die anderen würden mit Ashan selbst gegen die Wächter der Karawane kämpfen.
 

Lautlos schlichen die Stammeslosen zwischen die Zelte der Reisenden, die dunklen Mäntel und Kopftücher ließen sie zu einem Teil der Schatten werden. In Zweier- und Dreiergruppen stellten sie sich an den Zelteingängen auf und warteten auf das verabredete Signal, um gleichzeitig loszuschlagen. Neben Nefut flüsterte Hamarem ein Gebet, er selbst faßte sein Schwertheft fester. Dann spähte er in das Zelt, neben dem sie kauerten.
 

Das durch die Zeltbahnen scheinende Mondlicht und das noch rötlich glimmende Herdfeuer im Innern des Zeltes reichte aus, um zwei schlafende Männer zu erkennen: einer wohl ein Städter, der andere ein weißhaariger Oshey, neben seiner Schlafstatt ein langes Schwert. Egal wie gut dieses Schwert sein mochte, ein weißhaariger Alter wäre Nefut nicht gewachsen. Der Städter hatte zudem seine Waffe offenbar nicht griffbereit, also schickte Nefut seine anderen Männer mit einer Handbewegung ein Zelt weiter. Mit diesen zwei würden Hamarem und er alleine fertigwerden.
 

Das verabredete Fuchsbellen ertönte, Nefut und Hamarem schlichen ins Zelt. Hamarem hielt die Seile zur Fesselung schon bereit, während Nefut sich nach dem Schwert auf dem Boden bückte. Da gellte ein Signalhorn durch die Oase, der Alte sprang viel zu behende auf und wie durch Zauberei hatte er sein Schwert blankgezogen, bevor Nefuts Hände es erreicht hatten.
 

Nefut wich vor dem Schlag hinter eine der Zeltstangen zurück. Wie konnte er den Mann besiegen, ohne Ashans Ware zu beschädigen?
 

Viel zu schnell hatte der alte Mann die Zeltstange umrundet und stieß nach Nefut.
 

Nefut sprang erneut beiseite und hörte die Klinge dicht neben seinem Ohr vorbeizischen. Für einen regelrechten Schwertkampf, in dem er seinen Gegner hätte entwaffnen können, war das Zelt zu niedrig. Aber auch wenn sein eigenes Leben vertan war, konnte er doch nicht zulassen, daß der Mann, der seine lange Klinge auf dem engen Raum sehr geschickt einsetzte, zuerst ihn und dann den bis auf seinen Dolch unbewaffneten Hamarem niedermachte um zu entkommen.
 

Nefut parierte den nächsten Schlag mit dem Schwert in der Scheide und hörte Hamarems Keuchen hinter sich, als dieser mit dem Städter rang. Am Rande seines Gesichtsfeldes nahm Nefut wahr, daß Hamarem seinen Gegner zu Boden geworfen hatte und begann, ihn zu fesseln. Nur mit List hatte Nefut eine Chance, den Weißhaarigen zu überwältigen.
 

In einer spontanen Eingebung riß Nefut das Schwert mit der Linken aus der Scheide und als sein Gegner das eigene Schwert zur Abwehr hob, schlug er mit der Holzscheide kräftig auf dessen Schwerthand. Die Waffe des Anderen fiel herab, Nefut setzte nach und zwang den Weißhaarigen zu Boden. Dessen Gegenwehr erstarb, als Nefut ihn herumrollte, um ihm die Hände auf dem Rücken zu fesseln.
 

Der Städter dagegen hatte es irgendwie geschafft, sich aus dem Strick zu winden, trat Hamarem in den Leib und stürmte aus dem Zelt, während Hamarem zusammenklappte. Doch noch bevor Hamarem sich wieder aufrappelte, ertönte draußen bereits ein Alarmschrei der Stammeslosen, also würde der Flüchtling aufgehalten werden.
 

Endlich zog Nefut seinen noch immer am Boden liegenden Gefangenen hoch und band ihm ein Stoffstück als Augenbinde um den Kopf.
 

Der Weißhaarige, der zuvor so entschlossen gekämpft hatte, ließ das nun widerstandlos mit sich geschehen.
 

Hamarem war inzwischen wieder zu Atem gekommen, also schickte Nefut ihn, den Alten in das vorbereitete Gefangenenzelt in der Wüste zu führen. Während die beiden das Zelt verließen, bückte Nefut sich nach seinem Schwert und der Scheide, die er während des Handgemenges beiseite geworfen hatte, dann griff er nach dem Schwert seines Gegners, den er im Zweikampf besiegt hatte.
 

Trotz der schwachen Beleuchtung konnte Nefut erkennen, daß es sich um eine erstklassige Klinge in sehr gepflegtem Zustand handelte, versehen mit einem Schmiedezeichen, daß Nefut nur allzu vertraut war -  zwei in sich verschlungenen Schlangen. Mit diesem Zeichen hatte sein Vater seine Werkstücke zu kennzeichnen gepflegt.
 

Nefut gelang es, mit der Anspannung des vorhergehenden Kampfes auch die düsteren Gedanken an seine Jugend, die aufsteigen wollten, abzuschütteln. Seit er bei den Stammeslosen war, hatte er selten einen so kenntnisreichen Gegner gehabt. Er nahm das erbeutete Schwert an sich und steckte es zu seinem eigenen in den Gürtel. Als Sieger hatte er es sich verdient, aber Ashan kümmerte sich wenig um Traditionen, wenn es um wertvolle Waffen ging, also achtete Nefut darauf, daß sich durch den Mantel nicht zwei Klingen abzeichneten. Dieses Beutestück ging Ashan nicht das Geringste an. Dann verließ auch Nefut das Zelt und stellte fest, daß der geflohene Städter in der Tat nicht weit gekommen war. Nur wenige Schritte neben der Zeltöffnung lag er in seinem Blute. Für ihn würde es kein Lösegeld mehr geben.
 

Aus dem Nebenzelt traten in diesem Moment zwei von Nefuts Männern, die drei gefesselte Männer herausführten. Mutar hatte eine blutige Nase, aber ansonsten waren beide unverletzt, also schickte Nefut sie mit ihren Gefangenen Hamarem hinterher und riet Mutar, sich seine Nase im Gefangenenlager versorgen zu lassen. Dann machte er sich auf die Suche nach Ashan, um ihm Bericht zu erstatten.
 

*
 

Ashan war mit Terhan und zwei anderen Unterführern, die er wie Nefut als Schreiber einsetzte, im Warenlager der Karawane. Anscheinend hatten sie gerade mit der Verzeichnung der Beute begonnen. Bei Nefuts Eintreten hob Ashan den Blick von einem Schriftstück. Er hatte eine Schnittwunde an der Wange, von der er mit einem Tuch das Blut abtupfte. "Wie ist es dir und deinen Männern ergangen?" fragte er Nefut.
 

Nefut trat näher, begrüßte die anderen kurz und antwortete: "Vier Gefangene und ein toter Städter. Er wollte fliehen und unsere Wachen haben ihn niedergestreckt."
 

"Ist von deinen Leuten jemand verletzt?" wollte Ashan wissen, und tupfte erneut an seiner frischen Wunde.
 

Nefut dachte an Mutars eingeschlagene Nase und schüttelte dann den Kopf. "Nichts Ernstes."
 

"Dann habt ihr Glück gehabt. Die Wächter haben sich heftig gewehrt", und Ashan deutete an seine Wange. "Drei der Karawanen-Wachen sind tot, wir haben nach dem momentanen Stand der Dinge acht Verletzte, einer davon hat seine Hand verloren. Aber immerhin wird es eine ordentliche Menge Lösegeld geben."
 

Also hatte Hamarem wieder einmal Recht gehabt, als er einen schweren Kampf vorhersagte. "Allerdings habe ich Lehan bisher nirgends finden können", bemerkte Nefut dann, als ihm einfiel, daß er nach dem Kampf erst drei seiner Leute gesehen hatte.
 

"Den habe ich ins Gefangenenlager geschickt", meldete sich der Unterführer Farhan zu Wort.
 

"Und dich und Nefut schicke ich in unser Lager zurück, damit ihr euch morgen ausgeruht um die Lösegeldforderungen kümmern könnt", beendete Ashan seine Audienz und wedelte mit der Hand in Richtung Zeltausgang. "Die Briefe werdet ihr wieder von der Kameloase aus schicken."
 

Nefut und Farhan, der wie Nefut mit seinen Leuten die Reisenden überfallen hatte, verneigten sich gehorsam vor ihrem Anführer und verließen das Zelt, um durch die Wüste in das Lager der Stammeslosen zurückzukehren.
 

Auf dem schweigend zurückgelegten Weg über knirschenden Sand und Steine spürte Nefut überdeutlich das zusätzliche Gewicht des zweiten Schwertes in seinem Gürtel. Am nächsten Morgen würden sie im Gefangenenlager die Namen der Gefangenen aufnehmen und die Lösegeldforderungen an deren Verwandten schreiben, in die einen Tagesritt entfernte Kameloase reiten, von dort die Briefe in alle Himmelsrichtungen senden und das Eintreffen der Lösegeldzahlungen abwarten. Erfahrungsgemäß würden sie für etwa zehn Tage Ashans Lager verlassen. Diese Tage würden angenehm und unbeschwert werden. Nefut gestattete sich, seine Gedanken für einen Moment zu Serah schweifen zu lassen, die er in der Kameloase besuchen würde. Sie war ein einfaches Mädchen, aber sie wußte sich zu benehmen und war eine willige Bettgefährtin.
 

"Das war ein sehr erfolgreicher Überfall", sagte Farhan plötzlich. "Allein die Schätze, die die Karawane mit sich führt, sind bemerkenswert."
 

Nefut hatte eigentlich kein großes Interesse, mit Farhan über die Schätze der Karawane zu sprechen, aber gewohnheitsmäßig nickte er und sagte: "Aha."
 

Farhan nahm das als Aufforderung, weiterzusprechen. "Außer den Gewürzen aus dem Süden und Stoffen aus dem Osten gibt es laut der Transportliste noch eine ganze Kamelladung mit Büchern. Die muß ich unbedingt genauer in Augenschein nehmen. Ich hoffe, der Aufenthalt in der Kameloase dauert nicht zu lang. Als Herkunftsangabe stand in der Liste 'Berresh', also sind aller Wahrscheinlichkeit nach unter den Rollen ungewöhnlichere Themen als nur die Schriften der Weisen und Heiligen zu finden."
 

Nefut nickte uninteressiert und fragte sich im Stillen, wie jemand nur so unkritisch versessen auf alle Arten von Büchern sein konnte. Farhan interessierte sich sogar für Herdenkalender der Tashrany und Kräuterbücher der Sertany.
 

Farhan aber erzählte unerschüttert weiter, bis sie endlich das Lager der Stammeslosen erreicht hatten und sich voneinander verabschiedeten, um sich jeder in seinem eigenen Zelt zur Ruhe zu begeben.
 

Auch wenn er sich selbst um seine Bequemlichkeit kümmern mußte, war es Nefut ganz recht, daß seine Leute mit der Bewachung der Gefangenen beauftragt waren und er den Rest dieser Nacht allein im Zelt verbringen konnte. So hatte er die Möglichkeit, die erbeutete Klinge mit der Doppelschlange ohne Zeugen zwischen seinen Habseligkeiten zu verbergen.
 

Dann legte er sich schlafen.
 

* * *
 



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