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X053

Kein Entkommen
von

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„X053. Das ist dein Name.“

Er blickte auf. „Bitte was?“

Der Mann mit der Halbglatze verzog keine Miene.

„Ich sagte, dein Name ist X053.“

Er starrte ihn an, diesen fremden Mann, das einzige lebendige Individuum in diesem Raum und gleichzeitig der einzige Orientierungspunkt, denn der Raum war völlig leer. Keine Möbel, keine Lampen. Nur weiße Wände und das graue Licht, das durch die Fensterfront in seinem Rücken hereinfiel.

„Was... was ist meine Aufgabe?“, fragte X053 mit schwacher Stimme. Sie klang heiser. Er traute ihr nicht. Genau so wenig, wie dem Mann vor ihm.

„Deine Aufgabe ist zu leben und zu arbeiten. Für mich, für uns, für das System, für die Organisation.“

X053 Schwieg und senkte seinen Blick auf seine Finger. Sie waren rein, die Haut weich und unberührt.

„Dein Leben, du selbst, als Produkt der Organisation, das alles gehört uns. Du wirst tun, was wir von dir verlangen. Du wirst keine anderen Interessen haben, als diese, welche wir dir eingeben. Du wirst tun, was wir von dir verlangen, auch wenn es in dir aufschreit. Wir garantieren dir dafür alles, was du zur Erhaltung deiner Existenz benötigst. Du bekommst Nahrung, die dein Treibstoff sein soll und Schlaf, der deine Vitalfunktionen stabil halten wird, sowie die richtige Pflege, um deinen Körperapparat am Laufen zu halten. Fehlerhafte Teile werden ersetzt. Solltest du deine Loyalität uns gegenüber verweigern, wirst du all diese Garantien verlieren und verstoßen werden, was das unmittelbare Ende deiner Existenz bedeuten würde.“

X053 schwieg und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Schließlich blieb er an der Glatze des Mannes hängen.

„Was bietet ihr mir für meine Arbeit? Was bekomme ich im Austausch dafür?“

Der Mann räusperte sich und schob die Brille auf seiner Nase nach oben.

„Nun, das habe ich dir gerade geschildert. Bist du etwa nicht zufrieden damit?“

„Du hast mir Essen versprochen. Und Schlaf. Aber nicht wo ich beides bekommen werde oder was es zu essen gibt.“

„Das spielt keine Rolle“

„Das denke ich schon. Außerdem, was kommt nach der Arbeit? Kann ich Sport treiben? Lesen und studieren?“

„Du sollst keine anderen Interessen haben. Auch das sagte ich bereits.“

„Das ist alles? Das soll mein Leben sein?“, fragte X053 ungläubig.

„Sehr richtig. Nur ein Höriger ist gut für die Allgemeinheit“, erwiderte der Mann.

„Verstehe“, sagte X053, drehte sich langsam um und öffnete das Fenster.

„Und wer nicht hören will, wird ausgestoßen?“

„Korrekt. Und dies bedeutet den wahrscheinlichen Tod.“

„Alles klar“, sagte X053, stieg auf das Fensterbrett und sprang hinaus.

So kann ich wenigstens meinen Tod frei wählen, dachte er.

Und dann kam der Aufprall.
 

X053 starrte in den grauen Himmel hinauf.

Bin ich... ich bin ja gar nicht...!

Er versuchte, eine Hand zu heben und hielt sie sich vor die Augen. Kein einziger Kratzer.

Er setzte sich auf und entdeckte erschrocken, dass der Boden aus grauem Stein unter ihm und um ihn her zersplittert war. Frustriert und entsetzt ließ er sich nach hinten fallen.

Sein Blick glitt an der Fassade des grauen Turms über ihm hinauf und in einem Fenster im dreißigsten Stockwerk glänzte die Halbglatze des fremden Mannes zu ihm hinunter.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: haki-pata
2012-02-15T15:23:42+00:00 15.02.2012 16:23
Whoa!
Beim Lesen lief mir eine Gänsehaut den Rücken herunter. Am Ende direkt noch eine.

Daraus sollte etwas Längeres werden. Aber echt!

Liebe Grüße
haki


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