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Atlantis

von

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Tausend Wahrheiten

Deidara sah Sasori verstohlen von der Seite an. Seit sie aufgebrochen waren hatte dieser noch nicht ein Wort von sich gegeben. Dabei hatte am Morgen noch alles ganz gut ausgesehen. Der Rothaarige hatte sich tatsächlich ein wenig von ihm aufmuntern und motivieren lassen. Seit sie allerdings bei Itachi gewesen waren, um dort die weiteren Schritte zu besprechen, hatte Sasori sich wieder Minute für Minute mehr hinter seiner absolut undurchdringlichen Fassade verbarrikadiert.
 

Gut, der Geologe musste zugeben, dass die Voraussetzungen nicht gerade als „gut“ zu bezeichnen waren. Seit den frühen Morgenstunden blockierte Sakura den Altarraum für irgendwelche „unaufschiebbaren Arbeiten“. Es war allen sofort klar gewesen, dass die beiden Verräter etwas ahnten und den Zugang zum Portal bewachten. Und als Hohepriesterin war es für Sakura nun wirklich kein Problem. Noch dazu fiel es niemandem auf, der sie nicht ohnehin bereits verdächtigte. Deidara seufzte. So mussten Nagato, Itachi und Neji vorerst umdisponieren. Eigentlich wollten die beiden Elitekrieger ihren Anführer zu diesem Treffen begleiten, doch Sasori war strikt dagegen gewesen. Der Blonde musste sich korrigieren. Wie ein verbocktes Kind hatte der Rothaarige nicht mit sich reden lassen, das traf es wohl eher, da dieser nicht wollte, dass die beiden im Zweifelsfall mit auffliegen sollten. Innerlich lächelte Deidara leicht. Eigentlich hatte Sasori auch nicht gewollt, dass ER mitkommt, aber da hatte sich der Krieger mit dem Falschen angelegt.
 

Wenn es einen Menschen gab, der aus netter Hartnäckigkeit eine verbohrte Sturheit machen konnte, dann er. Und nach einer Stunde hatte Sasori sich schließlich geschlagen gegeben. Es war zu niedlich gewesen, wie der Rothaarige schließlich noch versucht hatte, das Ganze als seine Idee zu verkaufen. „Ich würde deine Kindereien ja ZU gerne fortsetzen, aber wir haben bereits genug Zeit verschwendet mit dem Unsinn. Also beeile dich, ich warte nicht auf dich, wenn du trödelst...“ hatte dieser mit vor der Brust verschränkten Armen geknurrt. Leise gluckste der Blonde erheitert. Danach hatten sie bei Sasori daheim die letzten Vorkehrungen getroffen und waren nun auf dem Weg zurück in die Stadt. Sie passierten gerade das Tor, als Deidara in seinen Erinnerungen versunken war. Der Krieger sah ihn aus den Augenwinkeln an: „Was ist so lustig?“
 

Ertappt sah der Geologe auf und schüttelte den Kopf: „Nicht... so wichtig, ich musste nur gerade an etwas denken...“ - „Aha...“ Sie passierten mit eiligen Schritten die kleinen Gassen am Stadtrand, doch Deidara blieb Zeit genug, um sich etwas irritiert umzusehen. Die Menschen, an denen sie vorbei kamen, sahen sie allesamt recht verstimmt an. Andere tuschelten bei ihrem Anblick plötzlich leise. Wieder andere verschwanden in ihren Häusern oder der nächsten Gasse. Der Blonde stutzte. Er war nun schon ein paar Mal mit Sasori durch die Stadt gegangen, aber SO hatten sich die Atlanter beim besten Willen noch nicht benommen. Ihre Blicke waren von Wut, Verachtung, Hass oder Angst erfüllt. Bei vielen war es gar eine Mischung aus allem.
 

Je näher sie dem Tempel kamen, umso voller wurden die Straßen und umso bedrückender wurden die Blicke. Viele Bürger folgten ihnen seit einiger Zeit, andere umklammerten ihre Angeln oder Messer. Es jagte Deidara eine Gänsehaut über den gesamten Körper und einen eiskalten Schauer über den Rücken. Er konnte in den Augen mancher Person richtig sehen, wie gerne sie mit ihrem Messer auf den Krieger losgehen würde, gleichwohl aber wusste, dass es ein Himmelfahrtskommando sein würde. Der Blonde sah zu Sasori, der jedoch mal wieder keine Miene verzog und mit starrem Blick einfach weiterlief. Er schien es für nicht so besorgniserregend und bedrohlich zu empfinden, wie Deidara es tat. War das hier etwa das, wovon in den Aufzeichnungen die Rede war? Es gab nur ein Problem: er konnte schlecht einfach danach fragen.
 

Der Platz vor dem Tempel war ungewohnt voll. Auch hier wurden sie von allen Seiten angestarrt, mit Blicken aufgespießt und mit knackenden Knöcheln genauestens beobachtet. Sie hatten die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, als sich ihnen eine Gruppe einfacher Soldaten in den Weg stellten. Sasori und Deidara blieben stehen. Der Blonde fühlte sich mehr als nur unwohl in seiner Haut. Diese Menschentraube, die sich um sie bildete, machte ihn verflucht nervös. Sasori jedoch verschränkte lediglich die Arme vor der Brust, sah einen der Soldaten an und fragte direkt heraus: „Würdet ihr vielleicht aus dem Weg gehen? Wir haben es eilig.“ Doch kein einziger der Kämpfer rührte sich auch nur einen Millimeter. Sasori seufzte genervt: „Wird es bald?! Das ist ein Befehl!“ Doch wieder einmal tat sich nichts.
 

Allmählich wurde es Deidara zu viel. Was sollte dieses Verhalten nur? Er trat an den vordersten Soldaten heran und keifte diesen frech an: „Sag mal, hörst du schlecht? Was soll das?“ Nun regte der Kämpfer sich, funkelte den Blonden aus hasserfüllten Augen an und knurrte bedrohlich: „Halt dich da raus, Kurzer. Geh aus dem Weg. Als Oberweltler hast du die atlantische Gastfreundschaft verdient, also nimm diese in Anspruch und mach dich nicht unglücklich damit, diesen... dieses Monster zu verteidigen. Du hast doch keine Ahnung, worum es hier geht.“ Der Soldat versuchte den Blonden zur Seite zu schieben, doch dieser drängte sich dem Atlanter wieder in den Weg und keifte aufgebracht weiter: „Was hast du da gerade gesagt? Monster??? Das... wie kommt ihr dazu so etwas zu sagen? Ihr seid widerlich!“ Plötzlich wurde der Kämpfer richtig zornig, knurrte einmal tief und laut, packte Deidara am Kragen. Abschätzig sah er auf den Geologen herab und hob eine Hand: „Widerstand gegen das Militär. Das ist auch für einen Oberweltler ein zu bestrafendes Vergehen! Also HAU AB!“
 

Der Blonde schloss die Augen und spürte, wie er von dem Soldaten herumgeschleudert wurde. Plötzlich jedoch stoppte die Bewegung abrupt. Zögerlich öffnete er seine Augen wieder und sah sich um. Der Arm des Soldaten, in dessen Fängen er sich noch immer über dem Boden baumelnd befand, wurde von einer verhältnismäßig zierlichen Hand festgehalten. Er brauchte nicht zu schauen, wessen Hand das war. Er wusste es auch so, wenngleich er es kaum zu glauben fähig war. Sein Blick wanderte ungläubig doch zur Seite und sah Sasori, der den Soldaten mit einem eiskalten Blick fixierte und bedrohlich grollte: „Du wagst es die Hand gegen einen unserer Gäste zu erheben? Du wagst es dich dem Befehl eines ranghöheren Kriegers zu wenden und die restliche Kompanie gegen mich aufzuhetzen? Das wird schwere Konsequenzen haben, das verspreche ich dir!“ Trotz der Tatsache, dass er körperlich deutlich stärker aussah, bildeten sich Schweißtropfen auf der Stirn des Soldaten. Angestrengt keuchte dieser: „Ja, das wage ich! Du hast dich nicht an deinen Teil der Abmachung gehalten und deshalb sind wir nicht länger an unseren gebunden!“
 

Sasori schien den Druck auf den Arm in seiner Hand noch ein wenig zu erhöhen, da der Kämpfer schmerzerfüllt stöhnte und Deidara endlich aus dessen Griff entließ. Dieser fiel unsanft zu Boden, rappelte sich jedoch rasch auf und stellte sich hinter den Rothaarigen. Mit knirschenden Zähnen fixierte Sasori sein Gegenüber und fauchte: „Was redest du da? Ich habe nicht gegen meinen Teil der Vereinbarung verstoßen!“ Plötzlich brüllte die gesamte Bürgerschaft um sie herum auf, bis bald der gesamte Platz von einem aufgeregten Tumult erfüllt war. Eine Frau brüllte neben ihnen laut los: „Ein Mörder und ein Lügner! Du Monster!“ Ohne eine Vorwarnung warf sie einen Stein auf Sasori, traf jedoch nicht.
 

Ein weiterer Soldat kam auf sie zu und hielt ihnen einen abgetrennten Kopf entgegen. Deidara schaffte es gerade eben, sich nicht vor allen zu übergeben. Die Haare waren vom Blut verklebt. Der rote Lebenssaft tropfte am unteren Stumpf auf den Boden herab, wobei hin und wieder auch ein angerissenes Stück Fleisch seinen Weg zur Erde fand. Der Soldat, der sich noch immer im Griff Sasoris befand, knurrte keuchend: „Und wonach sieht das aus? Du wurdest gesehen! Du hast dir wieder einen geholt! Und den Rest ausgelöscht! Kabuto hat dich gesehen, verdammt! Und DU spielst hier den Unschuldigen?“ Sasori riss vor Schreck die Augen auf und auch Deidara traute seinen Ohren nicht. Der Rothaarige schüttelte langsam den Kopf: „Das ist...“ Der Kämpfer brüllte: „Scher dich zum Teufel! MONSTER!“
 

Die Menschen um sie herum stimmten in die Beschimpfungen ein. Es raubte dem Geologen beinahe Atem und Verstand. Hunderte Menschen umzingelten sie und beschimpften Sasori als Mörder, Lügner, Monster, Untier und anderen Dingen, die Deidara einfach nur grässlich fand, selbst wenn ihre Anschuldigungen wahr gewesen wären. Doch was sollte er tun? Den Menschen sagen, was er gestern Nacht gesehen hatte? Den Rothaarigen bloßstellen und damit zugeben, dass er ihn beobachtet hat? Nur um letztlich festzustellen, dass diese Meute ihm ja doch nicht glaubte?
 

Doch dann nahm diese Hetzjagd eine Form an, die der Blonde nie für möglich gehalten hatte. Wie die Frau vor wenigen Augenblicken, fingen nun auch andere an, Sachen nach ihnen zu werfen. Steine, Stöcke, Seetang, Essen, was auch immer die Leute gerade in der Hand hatten. Ohne sich zu wehren stellte Sasori sich vor Deidara, fing einen Treffer nach dem anderen ab, und sah den Geologen an. In den Augen konnte der Blonde jedoch genau erkennen, wie beschämt, verletzt und verzweifelt der Krieger war. Der Rothaarige jedoch griff ihn am Arm und schob ihn in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Dieser Weg war immerhin der Einzige, der ihnen offen stand. Nicht einmal bis zu Itachi wären sie gekommen, diese Menschen machten ihre Botschaft mehr als deutlich: geh dahin zurück, wo du hergekommen bist!
 

Kabuto schritt die Treppen des Tempels hinab zum Platz herunter und lächelte süffisant. Das hatte ja noch besser funktioniert, als er gedacht hatte. Zufrieden beobachtete er noch in aller Ruhe, wie der Anführer der Eliteeinheit durch die Menschengasse wieder aus der Stadt geführt wurde und wie an einer anderen Stelle des Platzes die ehemalige Hohepriesterin und Itachi entsetzt einsehen mussten, dass sie rein gar nichts an der Situation ändern konnten. Er beschloss, sich auf den Weg zu machen, so lange der Aufruhr noch im Gange war und Sakura Tsunade mit fadenscheinigen Angelegenheiten ablenkte.
 


 

Eine halbe Stunde später erreichte Kabuto eine kleine Lichtung inmitten des Pilzwaldes und lächelte abermals zufrieden. Orochimaru erwiderte dieses und sprach mit öliger Stimme: „Da bist du ja. Und so wie es aussieht gibt es gute Nachrichten...“ Der Schriftführer verbeugte sich untertänig, ehe er nickte und freudig berichtete: „In der Tat, es gibt so einige gute Nachrichten, auch wenn es welche gibt, die nicht so erfreulich sind.“ Der Ältere legte ihm eine Hand auf die Schulter und führte ihn ein paar Schritte in das Dickicht hinein, wo nach einigen Metern ein paar Soldaten aus Izyras und einige junge Personen zum Vorschein kamen, die Kabuto nicht kannte. Orochimaru deutete auf eine Gruppe Felsen, auf denen sie schließlich Platz nahmen.
 

Der Ältere zeigte schließlich auf die jungen Personen und erklärte: „Das, mein Lieber, sind die zukünftigen Helden Izyras'. Während deiner Abwesenheit habe ich schon vor geraumer Zeit begonnen nach einer eigenen Eliteeinheit zu suchen. Nach zwei Jahren isoliertem Training bin ich überzeugt, dass, gerade auch aufgrund der wenigen Zeit, die uns noch bleibt, ein Test nun unausweichlich ist.“ Kabuto nickte und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Einen besseren Zeitpunkt hättest du dir nicht aussuchen können...“ - „Warum?“ - „Lass mich erklären, aber ich muss etwas weiter ausholen.“ - „So viel Zeit muss sein. Wir dürfen uns keine Fehler erlauben. Nicht mehr jetzt!“
 

Abermals nickte der Schriftführer und begann zu erklären: „Nun, wir haben Verstärkung in den atlantischen Reihen bekommen. Eine junge Frau namens Sakura hat mich gedeckt, als ich durch die einstige Hohepriesterin und ihre Vision beinahe aufgeflogen wäre. Ich habe mir die Freiheit genommen sie in unsere Belange teilweise einzuweihen.“ - „Kabuto! Das ist viel zu gefährlich! Was soll das?“ - „Nun werde nicht wütend und höre erst einmal zu. Denn SIE ist jetzt Hohepriesterin und deckt meine privaten Angelegenheiten, wenn du verstehst. Und da sie sich zur Verräterin gemacht hat ist sie im Zweifelsfall erpressbar. Ich habe es wirklich gut durchdacht, denn ein Problem ist deutlich größer, als dieses einfältige Mädchen!“ Orochimaru sah auf: „Und das wäre?“ Leise seufzte der Schriftführer, um seinen Ausführungen die nötige Dramatik zu verleihen: „Tsunade ist nach wie vor völlig geblendet. Doch ihre alte Hohepriesterin und der Anführer der Spezialeinheit machen wir das Leben noch immer sehr schwer. Beinahe hätten sie mich zu diesem Treffen verfolgt und allmählich geht mir insbesondere dieser Sasori schwer auf die Nerven. Sakura ist dafür ganz gut geeignet, um ihn ein bisschen abzulenken, aber er hat mich ins Visier genommen und lässt sich auf normalem Wege nicht abschütteln.“
 

Nun kehrte sein siegessicheres Grinsen jedoch wieder zurück: „Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht und mir ist da eine Idee gekommen. Ich habe sie bereits in Gang gesetzt.“ Der Ältere nickte: „Ich bin gespannt, erkläre es mir.“ - „Gerne. Ich musste ein paar unserer eigenen Leute opfern, nur damit du es weißt. So konnte ich behaupten, dass ich ihn dabei beobachtet habe, wie er sie zu einer seiner nervigen Marionetten gemacht hat. Er wurde vorhin aus der Stadt gejagt. Die Menschen sind bereits jetzt gegen ihn aufgelehnt, aber Tsunade hält große Stücke auf ihn. Was aber, wenn ich dir nun sage, dass wir es schaffen könnten eine Situation zu provozieren, in der er vor den Augen aller einen Köder umwandelt, dem er nicht widerstehen kann...“
 

Nun stimmte Orochimaru in das Grinsen mit ein und lachte trocken: „Du bist ein Lügner, ein Intrigant und ein Lump! Und darin bist und bleibst du der Beste!“ Er sah sich kurz um. „Uns bleibt jedoch nicht mehr viel Zeit. Ich glaube, wir sollten unsere kleine Elite zum Test schon einmal losschicken, nicht wahr?!“ Er sah einen der Soldaten an und fauchte: „Sieh zu, dass die Gruppe nach Atlantis kommt! Ihr kennt den Weg!“ Dann wanderte sein Blick zu einem jungen Mann mit hellem, fast weißem Haar, der beinahe unaufhörlich am Trinken war, und sprach mahnend: „Übertreibt es nicht, verstanden? Das ist eine Übung und ihr solltet davon ausgehen, dass sie euch noch überlegen sind. Ich möchte nur, dass ihr euch die Kampftechnik eurer Gegner einbläut und ihre Strategien kennenlernt.“ Die jungen Kämpfer verbeugten sich und verschwanden mit den Soldaten im Dickicht des Waldes.
 

Orochimaru blickte nun wieder seinen treuesten Vasallen an und nickte diesem zu: „Gut. Nun sind wir ungestört. Erkläre mir, was dir vorschwebt...“
 


 

Seit Deidara Sasori inmitten der Menschenmenge aus den Augen verloren hatte, war er alleine auf ein Ziel fixiert. Er wusste einfach, dass er den Rothaarigen wieder dort finden würde. Das, was er vor nicht einmal einer Stunde erlebt hatte, war die Hölle gewesen. Und dabei galten diese Anfeindungen nicht einmal ihm. Es machte ihn rasend vor Wut, wie dumm und engstirnig diese Menschen doch waren. Sie glaubten die Wahrheit einfach nicht. Aufgebracht stapfte er die letzten Meter des Pfades herunter und reduzierte sein Tempo ein wenig, als er um die letzte Ecke bog.
 

Sasori war augenblicklich hierher gekommen. Er hatte alleine sein wollen und darüber hinaus musste er sich die Überreste dieser Schmach abwaschen. Nicht nur die materiellen. Und die psychischen konnte nur immer dieser Wasserfall reinwaschen. Er war so inspirierend und magisch für ihn, gab ihm das Gefühl in einer Welt zu leben, die von Schönheit und natürlicher Perfektion erfüllt und gemacht war. Eine Welt, die einfach nur existierte, ohne zu verurteilen. Das Wasser des Beckens reichte ihm bis knapp unter den Bauchnabel und wurde durch die herabrauschenden Wassermassen aufgewirbelt und aufgeschäumt. Das Wasser spülte die letzten Reste an Seetang aus seinen Haaren, während er mit geschlossenen Augen dastand, den Kopf in den Nacken gelegt, und es auf sein Gesicht herunter prasselte. Neben dem Dreck wusch das Wasser auch seine Tränen hinfort, die sich übermächtig in seinen Augen angesammelt hatten.
 

Seine Gedanken jedoch konnte das Rauschen dieses Mal nicht übertönen. Unaufhörlich kehrten die Bilder zurück, unerbittlich sprach diese Stimme auf ihn ein, die ihm sagte, was für eine Schande und ein Ungeheuer er doch war. Er konnte diesen Menschen nicht einmal böse sein, sie hatten doch Recht. Vielleicht hatte er dieses Vergehen nicht begangen, aber was machte es denn mittlerweile für einen Unterschied? Auch wenn er es nicht war, aber er fühlte sich vom Scheitel bis zum Zeh schuldig. Und wieso fühlte man sich schuldig? Weil man es doch war... Er seufzte. Was machte es für einen Sinn, dass er sich schuldig fühlte, obwohl er keine Schuld trug? Da war es doch viel einleuchtender, dass er dieses Gefühl in sich hatte, weil er sich auch etwas hatte zu schulden kommen lassen. Wieder einmal hatte er alle enttäuscht. Und allmählich war er sich auch nicht mehr sicher, ob er nicht vielleicht doch etwas getan hatte. Er konnte es nicht mehr unterscheiden. Die gesamte Stadt WUSSTE, was er getan hatte. Doch er selbst... Sasori ließ den Kopf auf seine Brust sinken und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Er war sich nicht sicher. Es konnte sein. Es war möglich, doch er hatte doch nichts getan... oder doch? Wer war er schon, sich dem Urteil und dem Wissen eines ganzen Reiches zu widersetzen?! Wer war er schon, dass nicht einmal mehr die Soldaten seinen Befehl ausführten?!
 

Wieder begannen Tränen in seinen Augen zu brennen, doch er versuchte mit aller Macht, diese daran zu hindern. Kabuto. Er soll ihn dabei gesehen haben. Sein Kopf wusste, dass es eine Intrige, eine Ablenkung und ein ungemein falsches Spiel gewesen war, ein bewusster Bluff, der ihn an der Verfolgung des Schriftführers hindern sollte und auch gehindert hat. Doch seine verdammten Gefühle, die konnten es so einfach nicht empfinden. Sie sagten ihm, dass es seine Schuld war, dass es Recht so war und dass er es verdient hatte. Und dass es ihm trotzdem so unendlich weh tat. Seufzend strich er sich mit den Händen die Haare aus dem Gesicht nach hinten. Diese verhassten Gefühle, die in ihrer Zusammensetzung gar keinen Sinn ergaben. Wie konnte nur etwas so höllisch weh tun, was er gleichermaßen verdient hatte? Wieso quälten sie ihn immer nur? Wieso konnten sie nicht einmal verstummen und ihr Dasein aufgeben? Wieso verbot man ihm diese Erlösung nur?
 

Eine ihm mittlerweile bekannte Stimme riss ihn aus den Gedanken: „Hey... Sasori...“ Der Rothaarige sah auf und entdeckte Deidara, der am Ufer des Wasserbeckens stand und ihn mitleidig ansah. Schamesröte schoss Sasori augenblicklich ins Gesicht. Er wandte den Blick ab und sprach mit gepresster Stimme: „Bitte geh...“ Der Blonde verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf: „Nein, das werde ich nicht.“ - „Deidara! Bitte geh! Und sieh mich nicht an...“ Genervt schnaubte der Geologe, zog seine Schuhe aus und trat in das frische Wasser, ehe er Sasori abermals ansah und wieder den Kopf schüttelte: „Warum? Ich möchte dir helfen, verstehst du das nicht?“
 

Plötzlich fuhr der Rothaarige wütend herum und schrie: „Verdammt, jetzt geh! Ich habe deine Hilfe nicht nötig! Mach dich nicht unglücklich...“ Seine Stimme wurde wieder leise und verkümmerte fast zu einem Flüstern. „Ich verdiene es nicht... Sie haben doch Recht...“ Er hob seine Hände ein Stück und starrte diese an: „Weißt du, wie viel Blut an diesen Händen klebt? Wie viele Menschenleben diese Hände ausgelöscht haben? Doch nie haben sie etwas Gutes getan... und ich herrsche über sie. Ich gebe ihnen die Befehle... Was sollen sie denn in mir anderes sehen, als ein Monster?“ Deidara schritt langsam weiter auf den Krieger zu. Wieder konnte er es nicht verhindern, dass er durch den Schmerz, den er deutlich von Sasori ausgehen spürte, mitfühlend schaute. Sanft schüttelte er den Kopf: „Das ist nicht wahr. Nur, weil sie es immer wieder so sagen heißt das doch nicht, dass es wahr ist...“ Aus den Augenwinkeln sah der Rothaarige Deidara an und lachte trocken auf: „Nicht? Du hast doch selbst so gedacht...“
 

Die Hose des Blonden sog sich mit Wasser voll, doch es war ihm egal. Alles war ihm egal, bis auf eine einzige Sache: Sasori. Seufzend nickte der Geologe: „Ja, ich HABE so gedacht. Aber ich habe mich eines Besseren belehren lassen und das sollte die anderen auch tun. Du bist kein Monster!“ - „Doch! Verdammt, verstehst du es nicht? Ich mache aus Menschen Marionetten! Ich entspreche nicht den Anforderungen, die sie an mich stellen! Sie wollen doch nur, dass ich besser werde! Und es ist doch so, ich bin ohne meine grausige Technik miserabel! Sieh mich doch an... Ohne meine Marionetten bin ich eine Witzfigur! Nicht würdig, um den Befehl über diese Einheit zu haben, darum geht es!“
 

Mittlerweile stand Deidara das Wasser bis knapp über die Knie und noch immer fixierte er den Rothaarigen mit sanftem Blick, sprach mit gedämpfter Stimme: „Nein, das ist nicht wahr. Kabuto stand auf den Stufen des Tempels, ich habe ihn dort gesehen. Er will dich fertig machen. Und die Menschen glauben diesem Affen auf zwei Beinen auch noch, doch das hast du nicht verdient! Jeden Tag denkst du nur daran, Atlantis gegenüber deine Pflicht zu verrichten! Glaubst du etwa, das tut außer dir auch nur ein einziger von ihnen?“ - „Sicher! Sie SIND Atlantis, aber das werde ich nie sein! Egal, wie nahe ich daran kommen sollte, aber ich werde diese Gunst niemals erfahren!“ - „Sasori, es ist doch gar nicht nötig. Denk doch mal drüber nach: du bist nicht aus Atlantis, diesem Reich aber so bedingungslos ergeben, wie es sonst wohl niemand ist. Du kämpfst für Atlantis, du trainierst für Atlantis, du lebst für Atlantis, du denkst für Atlantis und, Herrgott nochmal, du LEIDEST für Atlantis... durch Atlantis! Ein jeder dieser Ignoranten wäre ein tausendmal besserer Bürger, würde er sich nur eine Scheibe von dem abschneiden, was du für Tsunade und ihr Reich tust. Aber statt dass du es dir danken lässt, stellst du dich da hin und lässt dich noch bestrafen und verunglimpfen, nur damit sie deine Integrität nicht in Frage stellen!“
 

Aufgeregt atmete Deidara einmal tief ein und aus, ehe er die letzten Schritte zu Sasori aufschloss und sich nun auch sein Hemd mit Wasser voll sog. Der Rothaarige wich seinem Blick trotzig aus, versuchte die Röte aus seinem Gesicht zu vertreiben und wurde allmählich nervös. Unsicher wich er einen Schritt zurück und raunte tonlos: „Wie willst du dir da ein Bild drüber machen? Du bist ein paar Tage hier und meinst darüber ein Urteil fällen zu können?“ Er verschränkte die Arme. „Was willst du eigentlich? Ich... ich verstehe es nicht! Wieso, um alles in der Welt, ist es dir so wichtig mich von diesen Argumenten zu überzeugen?“ Lächelnd schloss der Blonde abermals auf, legte Sasori seinen Zeigefinger unters Kinn und hob dessen Gesicht vorsichtig an, bis sie sich in die Augen sahen: „Weil du mir wichtig bist...“
 

Der Rothaarige begann leicht zu zittern. Er wusste eigentlich nicht, wieso er das tat. Diese Worte... sie fühlten sich verboten gut an. Wieder gerieten die unterschiedlichen Gefühle in ihm in einen Konflikt. Es war atemberaubend gut zu hören, dass er jemandem wichtig war. Aber... konnte das wirklich wahr sein? Seine Großmutter hatte dies einst auch behauptet und ihn dann fortgeschickt. Tsunade hatte ihn einst so aufgenommen, und dann mit Regeln, Pflichten und drohenden Sanktionen an seine Aufgaben gefesselt. Konan sagte es noch, doch er hatte sie enttäuscht und hängen gelassen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis auch sie sich abwenden würde und Nagato hatte ja bereits einen zwar anderen, aber extrem hohen Stellenwert in ihrem Leben eingenommen. Und Deidara? Wie konnte er behaupten, dass er diesem wichtig war, wenn er doch genau wusste, dass sich ihre Wege doch bald wieder trennen würden?
 

Deidara sah den Kampf, den Konflikt in den Augen Sasoris und seufzte leise: „Vielleicht kannst du es mir noch nicht glauben, aber es ist so... Ich kann es dir auch nicht erklären, ich weiß einfach, dass du ein wundervoller Mensch bist, der es nicht verdient hat so behandelt zu werden. Du solltest nicht die Wunden dessen tragen, das du mit deinem Leben verteidigst...“ Vorsichtig hob er eine Hand und strich über einige Blutergüsse, die an Sasoris Armen zu sehen waren. Erschrocken zuckte dieser zusammen und stolperte ein paar Schritte bis hinter das von oben herabfallende Wasser zurück. Lächelnd folgte Deidara hinter den Wasserfall und hauchte: „Du musst vor mir keine Angst haben. Ich würde dir niemals weh tun...“ - „Hör auf... du... ich... mach doch die Augen auf! Sieh mich an! Du bist doch nicht bei Sinnen, so etwas wirklich... zu mögen...“
 

Wieder streckte der Blonde seine Finger aus und strich über die weiche blasse Haut, bis Sasori zurücktaumelte. Dieses Mal jedoch beendete die Felswand dessen Bemühungen. Unruhig begann der Rothaarige, sich an den Felsen festzukrallen zu versuchen, während sich Deidara schließlich direkt vor ihn stellte und lächelte: „Du bist kein Etwas, Sasori. Du bist ein Jemand. Und ich... finde dich...“ Nun schlich sich auch die Röte auf seine Wangen. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern: „Ich finde dich wunderschön...“
 

Mit großen Augen sah Sasori den Blonden plötzlich an. Wunderschön? Er schlug die Hand vor den Mund. Was ging in diesem Oberweltler nur vor? Er wollte sein Freund sein, fand ihn... schön? Mit zitterndem Körper merkte er, wie Deidaras Finger zärtlich über seine Schultern glitten. Wieder einmal machte sich Panik in ihm breit. Es war egal, was er selbst davon hielt, und er empfand es wahrlich nicht als unangenehm, der Blonde musste damit aufhören. Es war nicht rechtens. Er durfte diese Berührungen nicht zulassen. Zumindest nicht, so lange er noch als potentieller Kandidat für die Nachfolgerin zur Verfügung stehen musste. Wie alle anderen auch. Doch gleichzeitig brannten diese Berührungen wie Feuer, ließen ihn so gut fühlen, wie er es noch nie erlebt hatte. Ein leises von Schreck geprägtes Keuchen verließ seine Lippen, als die Finger des Geologen langsam an seiner Brust entlangglitt. Wie Fieber fühlte sich das an, was Deidara mit ihm tat. Ihm wurde heiß und das Atmen fiel ihm immer schwerer.
 

Zaghaft brachte Sasori seine Hände zwischen sich und den Blonden und keuchte leise: „Was tust du da? Bitte, lass das...“ - „Wieso? Ist es dir unangenehm, dass ich dir nicht weh tue, sondern...“ - „Das ist es nicht! Es geht nicht! Ich darf das nicht...“ Deidara sah dem Krieger in die Augen. Es war ihm ein Rätsel, wie all diese Menschen den Rothaarigen falsch verstehen konnten. Alles, was sich in diesem abspielte, spiegelte sich in den dunklen Seelenspiegeln wieder. Sasoris Augen verrieten, wie hin und her gerissen dieser war. Sie verrieten, dass dieser es nicht als unangenehm empfand, doch irgendetwas lähmte den Krieger. Deidara wusste nicht was es war. In diesem Augenblick musste er auch gestehen, dass es ihm egal war. Vermutlich hatte Sasori lediglich wieder das Gefühl es nicht zu dürfen, im Prinzip sprach nichts dagegen.
 

Zärtlich ließ er seine Hände wieder nach oben wandern, über die Brust, auf die Schultern, bis in den Nacken, wo sie sich ineinander verhakten und Sasori näher zu sich zogen. Unendlich liebevoll sah Deidara sein Gegenüber an und seufzte zufrieden. Wie feinste elektrische Ströme pulsierten die Berührungen von seinen Fingern aus durch seinen gesamten Körper. Das Rauschen des Wasserfalls schien immer leiser zu werden. Ein Kribbeln entstand in ihm, das ihn von Kopf bis Fuß erfüllte. Das Wasser reflektierte das bläuliche Glimmern Sasoris und funkelte an der unebenen Oberfläche der Felsen, die sie großteils umgaben. Der perfekte Moment. Bisher...
 

Sasori spürte, wie der Blonde sich noch etwas annäherte. Schon zum Zweiten Mal war da etwas während sie sich so nahe waren, das deutlich gegen ihn drückte. Entschuldigend lächelte Deidara: „Es tut mir Leid, aber ich sagte ja... ich finde dich wunderschön...“ Der Rothaarige war irritiert und bemerkte nicht, wie der Geologe mit seinem Gesicht näher kam. Erst als sich ihre Nasenspitzen berührten, wurde ihm diese geringe Distanz erst klar. Wie konnte er verhindern, dass das passierte? Wollte er es verhindern? Musste er es verhindern?
 

Langsam schloss Deidara die Augen und schob sein Gesicht Millimeter für Millimeter nach vorne. Eine hauchzarte, flüchtige Berührung ihrer Lippen entstand. Nicht voneinander getrennt, aber noch lange nicht vereint. Der Blonde hörte nur noch seinen Herzschlag. Spürte diesen in jeder Ader. Doch dann wurde er brutal in die Realität zurückgeholt. Ein ohrenbetäubender Lärm brach aus. Grollend donnerte der Klang mehrerer Hörner durch den fast lautlosen Wald. Deidara wusste nicht, was dies war. Sasori jedoch kannte dieses Signal sehr gut. Er schob Deidara bestimmt von sich und sah sich um, wieder ganz in seinem Element: „Verdammt! Das ist das Warnsignal: Atlantis wird angegriffen...!“



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