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Alternative Storyline zu 'Behind the Scenes'
von

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Error

Der kalte Regen prasselte ihr ins Gesicht, der Wind biss in ihre Haut wie ein wildes Tier und die Dunkelheit erstreckte sich über die Betondächer. Langsam schritt sie über die kalten Platten, lächelte etwas. Mit den nackten Füßen trat sie in eine Pfütze, aber sie ignorierte ihre schnell kalt werdenden, tauben Zehen einfach, schritt weiter über den Beton bis zum Rand des Daches. In ihrem Hinterkopf hörte sie eine leise Stimme.

Bist du sauer auf mich?

So vertraut, doch so fremd.

Ich kann nicht mehr zurück. Was ich getan habe ist unverzeihlich.

Sie lächelte. Es war vorbei. Und doch war es erst der Anfang. Den Rand des Daches erreichte sie schnell, sah auf die Seite. Das, was sie suchte, lag direkt zu ihren Füßen. Vorsichtig, als würde sie ein Kind aufheben, griff sie nach dem Schmuckstück, strich mit den Fingerspitzen darüber und legte den Onyx an die Lippen.

„Verzeih“, flüsterte sie leise. „Ich wollte dich nicht wegwerfen. Jetzt sind wir wieder zusammen.“

Sie stieg auf die kleine Umrandung des Daches, sah hinab in die Tiefe.

Geh.
 

Ein lauter Schrei riss Kiriyan aus dem Schlaf und sie saß aufrecht in ihrem Bett. Wohl eher auf der Couch, denn sie hatte die Nacht bei Asako verbracht, wie schon die vorangegangenen zwei. Saeko war beschäftigt, wesshalb Kiriyan an ihrer Stelle über den Tsukigumi-Star wachte. Wie gut sich das ganze entwickelt hatte mit der Schauspielerin mit ihrer Amnesie war erstaunlich, aber der Schrei, der Kiriyan aus ihren Träumen gerissen hatte, war eindeutig von Asako gekommen. Mit einem Mal hellwach sprang der Tsukigumi-Vice auf, schwankte einen Moment, da ihr Kreislauf noch nicht ganz fit war, und lief ins Schlafzimmer.

„Asako!“ Der Tsukigumi-Star saß aufrecht, sich in ihre Oberarme krallend, auf dem Bett, schluchzte bitterlich und zitterte am ganzen Körper. Kiriyan kletterte auf ihr Bett, setzte sich vor sie, ihre Freundin lag noch immer halb unter der Decke, und hielt sie an den Schultern fest. „Asako beruhig dich. Was ist passiert?“ Die andere sagte nichts, krallte sich nur an Kiriyan's Nachthemd und zog sie näher. Der Tsukigumi-Vice schloss sie sanft in die Arme, legte eine Hand auf ihren Kopf und strich über ihren Rücken, versuchte sie so irgendwie zu beruhigen. Ihr Rücken war klitschnass, aber sie schob es darauf, dass sie wohl geschwitzt hatte. Sie hatte Asako schon eine Ewigkeit nichtmehr so zerbrochen gesehen. Sie hatte schon in der vorangegangenen Nacht von einem Alptraum erzählt, aber ihrer Reaktion nach war der noch um einiges schlimmer. Sie redete ihrer Freundin gut zu, sodass sie schon bald aufhörte zu Schluchzen, zitterte nur noch etwas in den Armen ihrer Vice bis sie sich schlussendlich doch löste.

„Tut mir leid“, hauchte Asako etwas, strich sich mit zitternden Fingern die Tränen aus dem Gesicht. „Ich... ich weis nicht was da in mich gefahren ist.“

„Das ist doch nicht schlimm. Hattest du wieder Alpträume?“

„Nein“, erwiederte der Top Star sofort, stockte dann aber einen Moment. „Ich glaube zumindest nicht, dass es einer war.“

„Willst du mir davon erzählen?“

Asako schüttelte den Kopf, warf stattdessen einen Blick auf die Uhr und seufzte leise.

„Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe.“

„Schon gut. Willst du Kaffee? In einer halben Stunde müssten wir sowieso aufstehen.“

Leicht nickte der Top Star und Kiriyan lächelte etwas bevor sie aufstand. Erst dann fiel ihr auf, dass sie dieses süße Shirt mit dem Teddy zum Schlafen angezogen hatte, dabei war sie davon ausgegangen, dass es bei ihrem Umzug oder zumindest im letzten Jahr irgendwann Bekanntschaft mit der Mülltonne gemacht hatte, aber der Tsukigumi-Vice war aufgefallen, dass Asako die letzten zwei Tage anfing ihre ganzen alten Klamotten wieder raus zu kramen. Die Trainings mit ihr liefen gut. Bissher schien keiner zu merken, dass Asako nicht mehr alles so ganz auf die Reihe bekam, wie sie es gewohnt waren. Das neue Stück passte in das, was ihr Top Star am liebsten und am besten spielte, dementsprechend lernte sie auch die Texte recht flott, doch hier und da merkte Kiriyan trotzdem, dass irgendwas ihre Freundin bedrückte, spätestens wenn sie wieder allein waren oder zumindest einen ruhigen Moment hatten.
 

Noch immer keuchte Asako, schluckte den Klos im Hals herunter. Wieso sie eine solche Panik hatte vor dem, was sie gesehen hatte, wusste sie nicht, aber aus irgendeinem Grund zog sich in ihr alles zusammen, wenn sie daran dachte. Es war nur ein verdammtes Dach gewesen, aber so real und vertraut. Sie hatte diese Kälte gespürt, die sie umklammert hatte, diese Dunkelheit, die in ihre Glieder kroch. Asako sah auf ihre Hände, schlug die Decke etwas zurück und suchte auf der Matratze herum. Kein Ring. Real war das ganze also nicht gewesen. Glücklicherweise. Vielleicht würde es ihr nach einem Kaffee und einem ausgiebigem Frühstück besser gehen. Doch kaum schlug sie die Decke zurück zitterte sie erneut aufgrund des kalten Luftzugs. Ihre Beine waren von den Füßen aufwärts bis zu den Knien feucht, ebenso die Bettdecke, auf der sie gelegen hatte. Hatte sie keine Hose angehabt? Ihre nackten Beine froren furchtbar. Höchst wahrscheinlich hatte sie die nachts mal wieder abgestriffen. Laut Saeko tat sie das oft und wegen ihres Traumes hatte sie wohl ziemlich geschwitzt. Ihr ganzer Rücken war nass. Nur langsam stand der Tsukigumi-Star auf, fühlte ihre Beine zittern, jedoch zwang sie sich dazu, gerade zu stehen. Aus dem Schrank holte sie eine Jogginghose, zog sich diese an bevor sie sich auf den Weg in die Küche machte. Noch immer hatte sie sich nicht so ganz an die neue Wohnung gewöhnt, wobei ihr das besonders schwer fiel seit Saeko nicht mehr bei ihr wohnte. Das große Bett kam ihr nur noch größer vor als sowieso schon, da hätten sie wohl zu viert drin schlafen können, und ihre Freunde schliefen meistens auf dem Sofa. In der Küche fand sie Kiriyan auf, die vor die Kaffeemaschiene gebeugt war und diese anstarrte.

„Kiriyan? Was machst du da?“, fragte Asako verwirrt. „Sie geht nicht von allein an, wenn du sie lange genug anstarrst.“

„Einen Versuch ist es wert. Ich blick durch das Ding nicht durch.“

Der Tsukigumi-Star lächelte etwas. So begabt Kiriyan beim Kochen war, das was sie machte schmeckte einfach genial, wenn auch mit etwas zu wenig Salz, mit ihrer Kaffeemaschiene stand sie auf Kriegsfuß wie Osa mit ihrem Wecker. Der Top Star ging zu Kiriyan, sah über die Knöpfe und drückte auf einen. Die Maschiene gab einen zufriedenen Laut von sich und der tiefschwarze Kaffee tropfte in die neongrüne Tasse. Mit einem zufriedenem 'Aha!' richtete Kiriyan sich auf und grinste breit.

„...Aha? Hattest du einen Lichtblick?“

„Ich glaube, jetzt hab ichs verstanden.“

„Na dann kannst du ja die nächste Tasse machen.“

Frech grinste Asako, nahm sich das grüne Porzellan weg, als der Kaffee aufgefüllt war und Kiriyan gerade danach greifen wollte, wobei ihr Vice einen mehr als enttäuschten Laut von sich gab ehe sie sich erneut daran versuchte die Kaffeemaschiene zum laufen zu bekommen. Kiriyan dabei zu zu sehen wie sie an der so einfachen Technik verzweifelte hob ihre Laune dann doch irgendwie und sie lächelte etwas, erbarmte sich dann doch irgendwann ihrer Freundin eine Tasse zu machen. Die beiden Frauen setzten sich zusammen ins Wohnzimmer, wobei sich die Konversation noch aufgrund der Uhrzeit in Grenzen hielt. Obendrein war Asako geistig etwas abwesend, denn sie war müde, ihre Augen waren schwer von den Tränen und sie wollte am liebsten wieder ins Bett. Sie sah Kiriyan an, dass sie fragen wollte, ob es ihr besser ging, aber stattdessen schwieg, aber der Top Star lächelte ihrer Freundin nur aufmunternd zu.

„Es geht schon, Kiri. Es ist nicht so, als wäre ich vom Dach gesprungen.“

Kiriyan wurde mit einem Mal etwas bleich, sackte etwas zurück. Hatte sie einen wunden Punkt getroffen?

„Mach darüber keine Witze...“

Gerade als die Tsukigumi-Darstellerin nachfragen wollte hörte sie, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte, wesshalb die beiden Schauspielerinnen in die Richtung sahen. Ein ihnen nur zu bekannter Blondschopf trat ein, hatte eine Tüte in der Hand und mit einem mal roch es nach frischem Gebäck.

„Oh guten Morgen“, sagte Shio und lächelte. „Ich dachte ihr seid beide noch am schlafen. Die Freude euch aus den Federn zu schmeißen habt ihr mir dann wohl versaut.“

Asako lächelte während Kiriyan nur breit grinste.
 

„So wie gestern? Nein danke. Auf die Weckmethode verzichte ich“, meinte Kiriyan und Shio zog sich die Stiefel von den Füßen ehe sie zu den beiden Frauen kam und sich Kiriyan gegenüber auf die Couch setzte. Die Hoshigumi-Darstellerin war eigentlich gar kein Frühaufsteher, aber der Tsukigumi-Vice wusste, dass sie sich ebenso wie sie alle zusammen Sorgen um Asako und ihren Zustand machte. Ihre Weckmethoden waren jedoch mehr als rabiat. Da sie noch immer den Zweitschlüssel zu Asa's Wohnung besaß kam sie meist wenige Minuten bevor die beiden sowieso aufstanden in die Wohnung, brachte etwas vom Bäcker fürs Frühstück mit und fischte nach den Kopfhöhrern zur Anlage des Top Stars. Anschließend drehte sie die Lautstärke voll hoch, nahm sich die Fernbedienung, hielt die Kopfhöhrer an die Ohren des Tsukigumi-Vice und spielte einen Song ab. Selbst die ruhige Melodie, die Asako hier und da vorzog, liesen ihr fast die Ohren bluten, aber sie war dafür sofort wach und schreiend aufgesprungen. Zwar weckte Shio Asako sehr viel sanfter, was Kiriyan ziemlich unfair fand, aber Asako machte auch so schon genug durch. Ihre Freundin hatte immerhin immer noch Alpträume und ständig Kopfschmerzen. Osa hatte die Vermutung angestellt, dass etwas in ihrer besten Freundin versuchte sich zu erinnern, ein anderer Teil das jedoch unterdrückte. Gaichi unterstützte das, meinte ebenso, dass Asako's Kopf das aus Selbstschutz tat. Immerhin hatte sie so viel Aufmerksamkeit von Saeko wie lange nicht mehr.

Asako auf dem Sessel kicherte etwas und Kiriyan reckte den Kopf. Shio schien zu wissen, was der Vice wollte, stellte die Tüte auf den Tisch, packte anschließend ein paar Teilchen aus, ebenso wie ein paar Brötchen.

„Ich hoffe mal, dass was dabei ist, was dir schmeckt. Und lass diesmal was von den Schokoteilchen übrig, Kiriya.“
 

Shio sah, wie Asako etwas lachte, allerdings nicht so, wie sie es von ihr erwartet hatte. Sie kannte den Tsukigumi-Star inzwischen gut genug um zu wissen, wann es Asako schlecht ging und ihr ging es elendig. Allerdings wirkte sie nicht wirklich unausgeschlafen. Also hatte sie Alpträume gehabt? Shio sprach es aber nicht an. Wenn sie eines in den Jahren gelernt hatte, dann, dass sie ihrer Freundin nicht unnötig auf die Pelle rücken durfte. Sie brauchte nicht noch jemanden, der sie ständig hinterfragte, besonders was die letzten Jahre anging. Keiner war Asako so nahe gewesen wie die Hoshigumi-Schauspielerin, doch gerade desshalb ging sie mit Feingefühl vor. Chigi stand bei ihr an oberster Stelle, sie war verrückt nach der Yukigumi-Darstellerin wie nie zuvor, das hieß aber nicht, dass sie die innige Freundschaft mit Asako wegwerfen wollte, auch, wenn diese vor ihrem Unfall anderes behauptet hatte. Obendrein war sie neugierig, wie die 'echte' Asako so war, die Frau, die sie auf Saeko's Bildern gesehen hatte, ganz in weiß und unschuldig obendrein. Das, was sie bissher gesehen hatte, übertraf aber selbst ihre Erwartungen. Der Tsukigumi-Star war geradezu hinreisend, verspielt und man merkte ihr das ganze Leid, diesen ganzen verdrehten und kranken Charakter des Todes überhaupt nicht an. Aber so, wie sie jetzt war, gefiel sie Shio um einiges besser.

„Und wie läuft euer Training?“, fragte die Blonde und sah zu Asako, die an einem Puddingteilchen knabberte.

„Ganz gut, denke ich. Aber ich finde, die anderen erwarten zu viel von mir.“

„Zu viel?“ Kiriyan lachte etwas. „Hey deine Birne ist vielleicht Matsch, aber dein Talent hat das nicht beeinflusst. Du bist immer noch verdammt gut.“

Shio grinste schief. „Charmant, Kiriya. So hätte ich es nicht ausgedrückt, aber ich glaube dir einfach mal.“ Sie nahm einen Schluck von dem Kaffee, den sie sich gemacht hatte. „Was steht bei euch heute an?“

„Das übliche“, meinte Asako und lehnte sich zurück. „Den ganzen Tag Training.“

„Apropos.“ Kiriyan stopfte den Rest ihres Schokobrötchens in den Mund. „Ist es okay, wenn Yuuhi heute Abend bei dir bleibt? Ich hab ein Interview heute Abend und will dich nicht wecken.“

„Klar. Ich kann auch alleine nach Hause gehen. Ich bin kein Kind mehr.“

Shio lachte nur etwas. „Das hättest du wohl gerne, Asako. Du bist erst ein paar Tage aus dem Krankenhaus. Haruno würde uns den Kopf abreisen, wenn sie das rausfinden würde.“

Das schien den Tsukigumi-Star dann doch zu überzeugen und sie lächelte dieses liebliche, süße Lächeln, an dass sich die Blonde erst noch gewöhnen musste.
 

Frustriert warf Saeko den Kopf in den Nacken, rieb sich die Augen und sah erneut auf die vor ihr ausgebreitete Mappe. Sie war fertig, mit dem Konzept und mit den Nerven. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen um ihre Arbeit zuende zu bringen, aber sie hatte es geschafft. Irgendwie. Dann musste sie nur noch zum Meeting der Assistenten und dann zu ihrer Troupe um endlich an die Arbeit zu gehen. Langsam erhob sich die ehemalige Tsukigumi-Darstellerin, räumte ihre Sachen zusammen und schliff zunächst ins Bad. Wataru spukte noch immer in ihren Gedanken, ebenso wie Asako. Sie telefonierte so oft wie es ging mit dem Top Star, nutzte auch ihre Pausen dafür. Zu gerne würde sie bei der anderen vorbeischauen, wollte endlich wieder mit der Jüngeren in einem Bett schlafen, aber das musste noch ein bisschen warten bis sich der ganze Stress zunächst gelegt hatte. Der Mangel an Assistenten machte Takarazuka schwer zu schaffen, auch, wenn alles nach aussen hin so lief wie immer. Nach der heißen Dusche genehmigte sich Saeko noch einen Kaffee ehe sie sich auf den Weg ins Hauptgebäude machte. Wirklich wild war sie auf das Meeting nicht, aber es war Pflicht. Schon als sie die Tür des Besprechungszimmers öffnete fiel ihr sofort Wataru auf, die, ihre Unterlagen schon vollständig vor ihr ausgebreitet, am Kopfende des Tisches saß. Nicht nur das, sie hatte dieses unverschämte Outfit an, nach dem Saeko damals so verrückt gewesen war. Sie war es noch bis zu diesem Tag. Es war völlig in weiß, das Oberteil im Nacken zusammengebunden und gab damit diesen verführerischen Rücken frei, den sie aber verbarg indem sie sich an die Rückenlehne lehnte. Zwar sah Saeko die Beine der ehemaligen Hoshigumi-Darstellerin nicht, aber sie konnte schwören, dass sie diese verfluchten, ebenso weißen Hosen trug, die diese unendlich langen Beine nur erahnen lies. Die ehemalige Tsukigumi-Darstellerin riss ihren Blick von ihrer Arbeitskolleging los, setzte sich etwas entfernt von ihr hin ehe sie begann ihre eigenen Sachen aus zu packen. Der Chef lies noch etwas auf sich warten, aber immerhin war sie auch viel zu früh. Irgendwie schaffte Saeko es doch sich mit ihrem Konzept von Wataru ab zu lenken, verdrängte den Gedanken, sich ihrer ehemaligen Partnerin an den Hals zu werfen, sie über den Tisch nach drausen in die nächstbeste Abstellkammer zu zerren und die vergangenen Jahre nach zu holen. Immerhin war sie trotz dieser Hintergedanken immer noch stocksauer auf sie. Das Ende ihrer Beziehung hatte sie nie so ganz verkraftet. Doch sie hatte sich jetzt auf Asako zu konzentrieren, denn immerhin litt sie immer noch unter akuter Amnesie und der Arzt stellte auch keine Besserung fest.

„Guten Morgen“, sagte Gaichi, die die Tür hereinkam und damit auch die übrigen Assistenten aufschreckte. „Der Chef lässt sich entschuldigen. Es ist etwas dazwischen gekommen. Er hat mich gebeten das ganze zu übernehmen.“

Wenigstens ein Gesicht, dass ihr den Tag etwas versüßte. Gaichi würde ihre Gedanken schon in eine andere Richtung lenken.
 

In ihren Augen hatte das Meeting viel zu lange gedauert. Die ganzen Entscheidungen waren längst gefällt und der Chef hatte sie extra um diese Uhrzeit nochmal zusammengetrommelt nur um ihnen das zu sagen, was sie alle schon längst wussten. Wataru seufzte schwer, hörte sich aber geduldig das an, was Gaichi ihnen stellvertretend zu erzählen hatte, was nicht hieß, dass sie ihr zuhörte. Ihre Aufmerksamkeit galt eher der Frau, die da ein paar Plätze weiter saß. Obwohl sie nicht direkt hingesehen hatte, waren ihr die Blicke nicht entgangen. Diese vertrauten Blicke, wenn Saeko sie am liebsten irgendwo hinzerren würde, sofort. Das erste Mal seit langem fiel ihr auf, wie viel Zeit seit ihrer Trennung eigentlich vergangen war und noch immer sah sie den ehemaligen Tsukigumi-Star vor sich knien, weinend und flehend, aber sie hatte damals keine Wahl gehabt. Wenn Natsuki tatsächlich mit der Sprache rausgerückt wäre, dann wäre ihrer beide Karriere den Bach runter gegangen. Wie der Yukigumi-Star damals davon erfahren hatte war ihr absolut schleierhaft, aber sie hatte mehr als schlagkräftige Beweise gehabt, von diesem Foto mal ganz abgesehen. Diese Bestie war eine wandelnde Zeitbombe gewesen, ein Manipulator, der seinesgleichen gesucht hatte und mindestens ebenso gefährlich. Dennoch hatte sie Natsuki vor nicht allzu langer Zeit bei einer Gala gesehen und irgendwas hatte sich in der Schauspielerin verändert. Dieses bösartige Funkeln in den Augen dieses Tieres war nicht mehr da. Sie war in Begleitung gewesen, die Wataru erkannte, Saeko's kleine Schwester. Hiromi kannte sie nur flüchtig, aber sie hatte den Selben Charme wie Saeko selbst. Lag wohl in der Familie.

„Noch Fragen?“ Die Assistenten sahen sich flüchtig an, aber keiner sagte etwas. „Gut. Dann bitte ich euch, zu euren Troupes zu gehen. Viel Erfolg.“

Ein kurzer Applaus und Wataru beobachtete Gaichi, die Saeko nochmals aufmunternd zulächelte ehe sie den Raum verlies. Die ehemalige Hoshigumi selbst fing an ihre Sachen zu packen. Sie fragte sich, wie die noch so jungen Schauspielerinnen so zusammen arbeiteten und wie sich Takarazuka in den Jahren verändert hatte. Wataru hatte alles getan um so viel Abstand zum Theater wie möglich zu bekommen, doch die Bühne war wie eine Droge und Takarazuka war der Dealer. Immer wieder hatte sie sich in den Vorstellungen wieder gefunden, nicht zuletzt in dem letzten Elisabeth-Stück Tsukigumi's, welches sie schließlich dazu gebracht hatte sich als Assistent zu bewerben. Die nötige Ausbildung dafür hatte sie schon einige Zeit zuvor gehabt, denn sie hatte nebenbei als Gesangslehrerin gearbeitet. Besonders neugierig war sie auf den Takarazuka-Liebling Sena Jun, die sie früher oder später hoffendlich kennen lernte. Wataru selbst hatte nie den Tod gespielt, aber sie hatte Saeko darin gesehen, hatte sich davon erzählen lassen. Das letzte Mal hatte sie einen solchen Ansturm auf eine Otokoyaku bei Wao Youka, dem zweiten Top Star der jungen Soragumi-Troupe, erlebt.

Wataru's Aufmerksamkeit kam zurück in die Wirklichkeit, als Saeko versuchte schnellen Schrittes an ihr vorbei zu laufen, hielt sie am Handgelenk fest. Man sah ihrer Freundin den Otokoyaku noch immer an.

„Saeko warte.“

„Lass mich los.“

„Ich muss mit dir noch was besprechen. Gib mir fünf Minuten.“

Der ehemalige Tsukigumi-Star stockte, seufzte dann aber und warf die Mappe auf den Tisch. Dabei warf sie einen flüchtigen Blick zu Gaichi, die nur mit den Augen rollte und aus dem Türrahmen verschwand. Die anderen Assistenten hatten den Raum ebenfalls schon vergessen. Auffordernd sah Saeko sie an und Wataru lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

„Was willst du, Wataru? Ich denke wir haben es beide eilig.“

„Ich verstehe wenn du sauer bist, aber das ist der falsche Ort um deine Wut aus zulassen.“

„Ach ja? Und was ist deiner Meinung nach der richtige Ort?“

Wataru seufzte, rieb sich die Schläfen.

„Hör mal. Wir müssen ja keine Freunde sein, aber lass uns wenigstens zusammenarbeiten und uns zivilisiert unterhalten.“

„Wann verstehst du es endlich, Wataru? Egal was da war, ich vergebe dir nicht, dass du mich so kalt abserviert hast.“

„Du hattest was mit Natsuki als du noch mit mir zusammen warst“, entgegnete Wataru und Saeko schnaubte frustriert, trat einmal gegen den nächstbesten Stuhl.

„Ich habe dir hundert Mal gesagt, dass sie mich erpresst. Das hatte nichts mit dir zu tun.“

„Und was hällst dich davon ab, jetzt zu mir zurück zu kommen?“

„Ich betrüge meine Freundin nicht nochmal.“

„Und diese ominöse Freundin wäre?“

„Das geht dich nichts an. Wenn du mich nur angehalten hast um mit mir zu flirten, dann kannst du mich mal.“

„Saeko... Darling.“ Wataru setzte sich in ihrem Stuhl auf und wollte nach dem Handgelenk der anderen greifen, diese wich aber einen Schritt von ihr weg, drehte ihr den Rücken zu.

„Nichts da 'Darling'. Nichts da 'Liebling'. Ich hab die Kosenamen satt. Ich bin fertig mit dir und mit Natsuki.“

Wataru erhob sich dann doch, ging einen Schritt auf Saeko zu, die erschrocken in den Chefstuhl fiel, als sie sich umdrehte und mit einem Mal die ehemalige Hoshigumi vor sich sah. Die größere Frau beugte sich zu Saeko, sah ihr in die Augen und wusste, dass sie die Wahrheit sagte, zumindest was Natsuki anging. Sie kannte Saeko besser als jede andere, lächelte.

„Deine Freundin ist ein glücklicher Mensch. Eine Schande ist es trotzdem. Und um die Zusammenarbeit werden wir nicht herumkommen.“ Sie hauchte ihrer Freundin einen Kuss auf die Schläfe, richtete sich dann wieder auf und nahm ihre Mappe, verlies den Raum.
 

Perplex und noch immer zitternd sackte Saeko in ihrem Stuhl zusammen, schloss die Augen und musste das nochmal durchgehen, was da gerade passiert war. Hatte sie Wataru gerade tatsächlich den Laufpass gegeben? Sie hätte nicht gedacht dazu fähig zu sein, besonders, da dieses vermalledeite Herzklopfen noch immer da war. Wie ihre Exfreundin noch immer diese Macht über sie haben konnte war einfach nur verrückt. Asako sollte die Einzige in ihrem Leben sein. Saeko schluckte, schüttelte den Kopf um den Gedanken heraus zu bekommen. Sie hatte noch Arbeit vor sich. Seufzend erhob sich der ehemalige Tsukigumi-Star, griff nach ihrer Mappe und klemmte diese unter den Arm. Sie fühlte, dass ihre Wangen tiefrot sein mussten, aber immerhin hatte sie noch einen Weg vor sich und Zeit, um sich ab zu kühlen.

„Alte Zeiten aufgefrischt?“

Oh dieser oh so ironische Unterton könnte sie manchmal an die Decke gehen lassen.

„Gaichi wir haben nur geplaudert.“

„Seh ich. Du zitterst.“

Saeko schnaubte, würdigte ihre Freundin keines Blickes während sie sich auf den Weg zum Fahrstuhl machte, drückte ihre Mappe nur noch fester an sich. Sie würde nicht bis ganz nach oben laufen. Unglücklicherweise stieg Gaichi zu ihr, drückte aber auf einen anderen Knopf für ein anderes Stockwerk.

„Also. Was habt ihr so 'geplaudert'?“

„Ich hab ihr gesagt, dass ich kein Interesse habe.“

„Lügner. Ich seh, wie du kein Interesse hast.“

„Ich ziehe Asako jederzeit vor.“

„Das hoffe ich schwer für dich. Die Frau ist besser für dich, als Kozuki es je sein wird.“

„Musst du immer so hystrisch sein, wenn es um meine Exfreunde geht?“

„Von denen du im übrigem eine ganze Menge hast.“

„Dann müsstest du ja jedes Mal hysterisch werden, wenn du in den Spiegel siehst.“ Saeko fühlte Gaichi's stechenden Blick von der Seite, starrte aber weiterhin auf die Anzeige mit den Zahlen, die in regelmäßigen Abständen zunahm. „Du weist, dass ich Recht habe. Ich weis, was ich tue. Und nochmal gebe ich Asako nicht her, verlass dich drauf.“ Sie sah zu Gaichi, lächelte zu ihrer besten Freundin. „Lass mich mal ein bisschen von der Leine. Ich begehe keine Dummheiten mehr.“

„Das hoffe ich. Zu deiner eigenen Gesundheit.“
 

So ganz wieder auf der Höhe war Asako immer noch nicht als sie sich beim Training endlich aufgewärmt hatte und die ersten Choreographie-Teile durchgegangen war. Das ganze Top Star-Dasein hatte sich als einfacher rausgestellt, als sie zunächst gedacht hatte. Es war eigentlich alles so, wie sie es gewohnt war, nur, dass sie hier und da ein paar Shinkos unter die Arme greifen musste. Es kam ihr noch gar nicht so lange vor, da hatte sie sich noch selbst als Shinji Kouen bezeichnet, hatte nur die Hintergrundrollen gespielt und dann auf einmal stellte man sie als Top Star hin.

„Und bei dir ist wirklich alles okay?“, frage Kiriyan, die sich zu ihr gesellte, als Asako gedankenverloren mit dem Skript durch den Raum lief ohne wirklich auf den Text zu achten. Sie lies sich auf eine Bank fallen, legte das Script auf die Fensterbank ehe sie zu ihrer Freundin auflächelte. Dabei versuchte sie diese bestialischen Kopfschmerzen zu ignorieren.

„Ja geht schon. Ich bin blos ein wenig geschafft. Wenn wir endlich richtig anfangen kann ich mich auch ablenken.“

„Guten Morgen, Ladies“, rief der Direktor, als dieser mit Gefolge die Tür hinein kam. „Bitte sammelt euch, ich habe euch jemanden vor zu stellen.“ Die Schauspielerinnen taten, wie ihnen gehießen war. Asako schoben sie nach vorne ziemlich in die Mitte, Kiriyan und Mirio setzten sich zu ihr. „Mit Freuden kann ich ihnen sagen, dass wir endlich mit der richtigen Arbeit beginnen können.“ Er zeigte neben sich. „Einige von ihnen werden unseren neuen Assistenten bereits kennen. Ich heiße Kozuki Wataru diese Saison in Tsukigumi willkommen.“

Kozuki trat nach vorne, himmel war die Frau groß, obendrein bildschön, verbeugte sich und hielt dabei ihre hellgelbe Mappe vor dem Körper fest. Irgendwie kam ihr die Frau bekannt vor, aber so wirklich konnte sie ihren Finger nicht darauf legen.

„Ich freue mich dabei sein zu können. Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit.“

Kiriyan sties ihr den Ellbogen in die Seite, woraufhin Asako etwas die Luft einzog. Ihre Freundin machte eine kleine, bestimmende Kopfbewegung. Ach ja, sie war ja Top Star. Da musste sie den Assistenten entsprechend begrüßen. Die Tsukigumi-Darstellerin stand auf, verbeugte sich kurz und lächelte.

„Willkommen in Tsukigumi. Ich freue mich.“

„Sena Jun, nehme ich an?“

„Uhm ja.“

„Bezaubernd.“ Sie fühlte die prüfenden Blicke der anderen, überspielte aber die ihr unangenehme Prüfung mit einem Lächeln. „Ich habe deine letzte Aufführung gesehen. Genauso talentiert wie schön.“

„Ich fasse das als Kompliment auf.“

„Gut. Genug geplaudert. Wir haben Arbeit vor uns. Fangen wir gleich an, wir hinken sowieso schon hinterher.“
 

Nur etwas schleifend ging der ehemalige Tsukigumi-Star zu den Yukigumi-Trainingsräumen. Das Aufeinandertreffen mit Natsuki war unvermeidbar, über kurz oder lang, aber sie hatte gehofft noch länger Zeit zu haben. Saeko atmete nochmals durch, klopfte dann und trat in den Raum ein. Sie lächelte, wenn auch gekünstelt, als sie die Schauspielerinnen sah, wie sie schon so gut es ging am trainieren waren. Sie sah neben Chigi, Kimu und Mattsu auch Chika und Hiromi. Der Top Star schien sie noch nicht bemerkt zu haben.

„Guten Morgen“, rief sie in den Raum, woraufhin die Schauspielerinnen sich gesammelt zu ihr umdrehten. Sie lächelte.

„Ah Ayaki“, sagte der Direktor, stellte Saeko dann der Yukigumi-Troupe vor. Kaum, dass ihr Blick auf Natsuki fiel, sah sie die Panik in deren Augen, auch, wenn sie dies nur zu offensichtlich überspielte. Sie wusste, dass der Yukigumi-Star noch immer Angst hatte. Bei Gelegenheit musste sie den Top Star mal auf die Seite nehmen, das hieß, wenn sie das zulies.
 

Sena war sogar noch talentierter als sie es angenommen hatte. Zwar schien der Top Star nicht in top Form zu sein, das hinderte sie aber nicht daran das Pensum, dass sie gesetzt hatte, noch zu übertreffen. Ihr Vice, Kiriya Hiromu, wenn sie sich richtig erinnerte, stand ihr dabei immer zur Seite. Irgendwas war da im Busch, auch, wenn sie nicht sagen konnte was es war. Dennoch verstand sie, wieso Sena der neue Liebling war. Schnell hatte Wataru auch bemerkt, was so alles in der Troupe ablief. Zu ihrer Top Star Zeit hatten sich die Schwärmereien zumindest bis auf nach dem Training beschränkt, aber die Blicke einiger Tsukigumi-Schauspielerinnen auf ihren Top Star waren ihr nicht entgangen. Besonders eine der Schauspielerinnen, Asumi Rio, war ihr dabei aufgefallen, die mit allen Mitteln versuchte die Aufmerksamkeit ihrer Vorgesetzten zu bekommen, dabei kläglich scheiterte, und eine weitere, dessen Namen ihr entfallen war, sah dabei immer mehr als neidisch und eifersüchtig drein. Das konnte was werden. Konnten die jungen Schauspielerinnen ihre Gefühle nicht wenigstens etwas in Schach halten? Wataru sah auf ihre Unterlagen. Vielleicht war es ganz gut, wenn sie die Gruppe zunächst aufteilten. Den Tsukigumis standen insgesamt drei Probenräume zur Verfügung, jedoch blieben sie meist in dem Hauptraum, denn es war der einzige Raum mit einer Spiegelwand. Sie hatte veranlasst, dass die Tische der Leiter, die eigentlich vor den Spiegeln standen, auf die Seite geschoben wurden, denn Wataru war es wichtig, dass die Schauspielerinnen sich beim Trainingen sahen um gleich ihre eigenen Fehler aus zu merzen. Den neuen Platz auf der Seite nutzte die ehemalige Hoshigumi-Schauspielerin auch dazu, um sich den jungen Top Star etwas genauer an zu sehen. Dass diese Frau eine Otokoyaku sein soll war zunächst verwunderlich, dann aber verstand sie es doch wieder. Sie hatte ein bisschen etwas von Saeko, ein Schönling, talentiert und charmant. Obendrein dieser Hintern... Wataru konnte kaum ihre Augen davon abbringen. Schade nur, dass sie diese längere Jacke drüber hatte.

„Sehr gut. Nicht schlecht für einen ersten Tag. Packen wir ein und dann könnt ihr gehen“, sagte der Direktor und Wataru applaudierte den Schauspielerinnen, lächelte dabei. Sie stand auf und ging nochmals zu Sena.

„Sena.“ Der Top Star drehte sich zu ihr. „Bevor du gehst, gute Arbeit. Aber wenn du das nächste Mal die tiefen Töne singst, heb den Kopf ein wenig. So triffst du den Ton leichter. Hast du heute Abend noch etwas vor?“

Sena blinzelte und schüttelte etwas den Kopf.

„Nein.“

„Ich würde gerne die Passage nochmal mit dir durchgehen. Es ist einfacher, wenn der Andrang...“ Sie warf einen Blick zu den jüngeren Schauspielerinnen. „...nicht ganz so groß ist.“

Sena folgte ihrem Blick, nickte dann etwas und nickte leicht.

„Gut, einverstanden.“

„Uhm Kozuki?“ Kiriya stand mit einem Mal bei ihnen, schob sich zwischen sie und Sena. „Asako hat schon den ganzen Tag Kopfweh. Ich glaube, dass es dumm wäre wenn sie...“

Sena schlug ihrer Freundin gegen den Oberarm und Kiriya sprang mit einem leisem 'Au' auf die Seite.

„Kiriyan ich kann ganz gut selbst entscheiden, was ich noch kann und was nicht.“ Sena klang ziemlich verärgert. Ihre Laune schien sowieso über den Tag verteilt immer weiter abgesackt zu sein. „Geh du lieber zu deinem Interview.“
 

Wataru hatte wirklich Talent, das musste man ihr lassen. Sie sah sofort, wo Asako Fehler machte oder sich verbessern konnte, brachte es ihr auch gleich bei, was sich der Top Star auch zu Herzen nahm. Ein paar der Tricks und Kniffe kamen ihr bekannt vor, wahrscheinlich hatte sie diese in ihrer Blackout-Spanne gelernt, doch sie sprach es nicht weiter an. Die beiden Frauen verliesen zusammen das Gebäude, inzwischen war es draußen stockduster, und plauderten noch etwas. Sie verstanden sich ganz gut, auch wenn Asako dieser ganz spezielle Unterton in der wirklich schönen Stimme der anderen nicht entgangen war. Sie kannte diesen Tonfall schon von Osa.

„Wenn du möchtest“, sagte Kozuki und lächelte etwas und sah zu ihr als sie das Auto der Älteren erreicht hatten. „dann könnten wir uns öfter Abends treffen. Ich kann dir noch viel mehr zeigen.“

„Danke für das Angebot, aber ein andermal. Ich bin immer noch nicht so ganz auf der Höhe und ich muss regelmäßig zum Arzt.“

„Wie schade.“ Die größere lächelte charmant. „Verzeihung, wenn ich dir zu nahe getreten bin.“

Asako lächelte nur etwas ohne zu antworten, wobei sie nochmal in ihre Tasche sah.

„Verdammt“, fluchte der Top Star. „Ich muss nochmal rein. Wir sehen uns morgen.“

Wataru lächelte etwas verwirrt, nickte dann aber nur.

„Bis morgen.“

Eigentlich wollte Asako nur weg von dem ehemaligem Top Star. Sie war ihr irgendwie unheimlich. Sie war schön, sogar verdammt gutaussehend, und ihre Stimme war schmeichelhaft. Doch gerade das war ihr etwas zuwieder. Glücklicherweise hatte sie tatsächlich ihr Script im Probenraum liegen gelassen. Die Hintertür, die sie benutzt hatten, war noch immer auf, blieb nur noch die Frage, ob Wataru den Probenraum aufgelassen hatte.

Das Gebäude war stockduster, irgendwie unheimlich, aber es war einfach nur ein großes, dunkles Gebäude. Nichts, wovor sie sich fürchten musste. Den Probenraum hatte sie schnell erreicht, doch das bedrückende Gefühl wurde nur noch stärker. Dabei gab es nichts wovor sie sich fürchten müsste. Inzwischen dürfte sie komplett alleine in dem Haus sein. Doch wahrscheinlich lies genau das ihren Puls in die Höhe schnellen. Sie hasste es allein zu sein, mehr als alles andere. Dass sie dieses beklemmende Dunkelheit gespürt hatte war schon eine Weile her, damals hatte aber auf einmal Osa in ihrer Wohnung gestanden. Ihre ehemalige Vorgesetzte war immer für sie da gewesen.

Nur langsam glitt der Tsukigumi-Star durch den mit einem Mal gigantisch wirkendem Probenraum, lies ihre Tasche am Eingang liegen. Eigentlich sahen die Probenräume alle gleich aus, doch gerade weil es so dunkel war und aufgrund der Spiegelfront wirkte der Raum noch um so vieles größer. Während sie über den sich in die Länge ziehenden Boden lief hallten ihre Absätze wieder, sie waren so laut in ihren Ohren, und mitten im Raum blieb sie stehen. Das Script lag auf dem Flügel, der in der Ecke des Raumes stand.

„Komm schon Asako“, sagte sie leise zu sich. „Es ist nur ein dummer Raum. Nimm dein Script und geh.“

Und da waren schon wieder diese Kopfschmerzen. Geistesabwesend rieb sie sich mit dem Handballen über die Schläfe. Etwas torkelnd brachte sie den Rest des Raumes hinter sich, lies sich auf der Bank nieder und fuhr sich durch die Haare. Wo kam diese furchtbare Panik her? Sie hatte keinen Grund so zu reagieren. Doch diese Einsamkeit war so vertraut, die Dunkelheit und die Kälte, die in ihre Glieder kroch. Asako drehte sich etwas auf ihrem Platz, versuchte sich wieder auf zu stehen, blieb aber lieber noch einen Augenblick sitzen. Die Kopfschmerzen wurden schon den ganzen Tag immer schlimmer. Fast zeitlupenartig erhob sie sich von dem Platz, ging an eines der Fenster. Vielleicht tat ihr etwas frische Luft gut. Man konnte die Fenster nur kippen, aber es würde reichen. Die Tsukigumi-Darstellerin hielt sich am Fensterbrett fest, atmete die kühle Nachtluft ein und schloss einen Moment die Augen. Sie musste raus. Der Arzt hatte sie schon vorgewarnt, dass es ihr unvermittelt schlechter gehen konnte, jedoch hatte sie nicht geglaubt, dass es so plötzlich sein würde. Asako hob den Blick, sah auf ihr Spiegelbild, glaubte einen Donner zu hören und fuhr instinktiv herum, fand den Raum aber noch immer genauso leer vor wie vorher. Warum hatte sie das Gefühl, dass da jemand hinter ihr stehen sollte?

„Jetzt komm runter. Es regnet nichtmal. Wieso sollte es also Donnern?“, keuchte sie unter dem rasendem Atem zu sich selbst. „Mach dich nicht lächerlich. Du bist allein.“

Die Tsukigumi-Schauspielerin stieß sich mit noch immer zitternden Knien von der Fensterbank ab, krallte sich unterwegs ihr Script und rannte regelrecht durch den Raum zu ihrer Tasche, stopfte das Papier zwischen ihre Sachen. Anschliesend richtete sie sich wieder auf, schluckte hart und hielt sich die Hand über die Augen. Wieso fühlte sie diese Leere, diese Angst? Sie hatte gar keinen Grund zu weinen, dennoch wurden ihre Finger nass und das Salzwasser tropfte von ihrem Kinn. Der Top Star starrte auf ihre Hände.

Hast du Angst?

„Furchtbare...“

Sieh mal in deine Tasche, mein Engel.

Asako blinzelte. Das war... verrückt. Sie war alleine. Doch gerade, als sie nach ihrer Tasche greifen wollte stockte sie. Was sollte da in ihrer Tasche überhaupt sein? Langsam lies sie die Finger in ihren Mantel gleiten, ertastete etwas nur ihr allzu vertrautes. Aber wie kam das da hin? Asako schob die Fingerspitze in das runde Metall, zog es anschliesend aus der Tasche. Sie hatte ihn schon die ganze Zeit gehabt ohne es zu merken? Fasziniert lies sie den Ring entgültig über den rechten Zeigefinger gleiten, wunderte sich dabei, wie gut das Silber ihr passte. Der schwarze Stein auf dem kunstvoll gearbeiteten Edelmetall zog sie geradewegs in ihren Bann. Er glitzerte leicht in der Dunkelheit, eingerahmt durch das schimmernde Silber. Als sie wieder aufsah stand sie vor dem Flügel am anderen Ende des Raumes. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie durch den Raum gegangen war. Jetzt, wo sie so darüber nachdachte, wäre es vielleicht ganz schön mal wieder etwas für sich auf dem Klavier zu spielen. Sie wusste gar nicht, ob sie das noch konnte. Asako setzte sich auf die Bank, klappte die Abdeckung hoch und strich mit den Fingerspitzen über die Tasten. Ihr Blick klebte dabei an dem schönen Ring. Sie fühlte eine merkwürdige Verbundenheit, dabei war es nur ein Schmuckstück. Langsam spielte sie irgendwelche Töne auf dem Flügel, lächelte dabei etwas. Die Töne formten sich zu einer ihr bekannten Melodie. Asako lächelte etwas mehr. Diese Melodie, so dunkel sie auch klingen mochte, beflügelte ihr Herz und schenkte ihr etwas Wärme. Der Top Star holte Luft, ihr war nach Singen, aber sie stockte erneut. Was sollte das? Schnell erhob sich die Tsukigumi-Darstellerin, schlug das Klavier zu.

„Das ist verrückt.“

Schnellen Schrittes ging sie durch den Raum, weg vom Klavier, weg von diesem Raum, weg vom Fenster.

„Verrückt ist anders. Ich glaube man nennt es: Einsam.“ Asako blieb auf der Stelle stehen, sah sich um, stoppte, als sie eine dunkle Gestalt etwas entfernt vor sich stehen sah. Dem Schatten nach zu urteilen eine Frau. Manchmal verhasste Asako sich Abends schlechter zu sehen. Ihre Brille hatte sie auch nicht dabei. „Guten Abend.“ Die Stimme hallte an den Wänden wieder. Die Frau drehte sich gänzlich zu ihr, doch noch immer konnte sie nicht sagen, wer genau das war.

„Wer bist du?“, fragte der Tsukigumi-Star und schluckte etwas.

„Hast du mich etwa vergessen? Mein armes Herz.“ Die Frau, eher der Schatten, kam langsam auf sie zu, doch Asako konnte nichts weiter tun als in diese kalten Augen zu sehen. Trotz der Dunkelheit konnte sie es sehen. Dieses Glitzern. Als sie näher kam auch dieses kalte Lächeln. Je näher die Frau ihr kam, umso deutlicher sah sie es. „Du kannst mich nicht vergessen. Du bist nicht stark genug.“ Die andere hob die Hand, zeigte ihr damit einen silbernen Ring an ihrer Linken. „Glaubst du nur wegen einem Sturz auf den Kopf könntest du einfach alles abstreiten, was du bist? Mach dich nicht lächerlich.“

Asako sah auf den Ring an ihrer Rechten, fühlte erneut diese Angst in sich aufsteigen. Die Kopfschmerzen wurden stärker, ebenso wie dieses Drücken an ihrem Hinterkopf.

„Was willst du mir sagen?“

Sie sah weg von dem Ring, sah die Frau inzwischen direkt vor sich stehen. Die andere legte die Linke auf ihre Rechte.

„Du brauchst mich. Ich liebe dich, mein Engel. Mehr als jeder andere. Es ist alles, was du hast.“

Asako starrte nur in die Augen der anderen, die den Kopf etwas schief legte und kalt lächelte. Sie kam ihr etwas näher, sodass sie befürchtete den Atem der anderen spüren zu können. Stattdessen hörte sie sie singen. Dieses oh so vertraute Lied.

„Yami ga hirogaru...“

Die Spiegelscheibe vor ihr beschlug.
 

Noch immer hockte der Soragumi-Star in der Wohnung ihrer Freundin, arbeitete an ihrem Script. Sie hatte gewusst, dass das Top Star Leben stressig war, aber niemand hatte ihr gesagt, dass sie noch so lange arbeiten musste. Dabei sollte das gar nicht so schwer sein. Sie hatte schon oft lange Texte auswendig gelernt, aber der Gedanke, dass sie ihn perfekt beherrschen musste, da sie sonst ganz Soragumi beleidigte, hockte ihr im Nacken. Man erwartete von ihr den Text so früh wie möglich auf die Reihe zu bekommen, dabei steckte sie eigentlich mit ihrer Troupe noch in der Auftrittsphase. Zwar am Ende davon, aber immerhin. Hanagumi würde sie demnächst ablösen und so würde sie ein paar Tage frei haben. Allerdings wusste sie, dass sie in der Zeit wohl eher über Asako wachen musste bis Saeko wieder mal etwas mehr Luft hatte. Ihre Freundin hatte schon ein paar Mal angerufen, hatte mit der Dame ihres Herzens sprechen wollen, aber der Tsukigumi-Star lies sich ausserordendlich viel Zeit. Kiriyan hatte ihr eine Nachricht geschickt, dass ihr Top Star noch eine Extrastunde vom neuen Assistenten bekam, bei dem es sich ausgerechnet um Kozuki Wataru handelte. Den ehemaligen Hoshigumi-Star kannte sie nur aus Erzählungen, aber es reichte. Sie war wohl eine alte Freundin von Saeko, Gaichi und Osa, doch alle drei schwiegen das Thema Wataru so gut es ging tot. Apropos Asako, der Top Star war immer noch nicht wieder da. Wahrscheinlich sollte sie besser mal anrufen um zu erfahren wo sie blieb. Gerade als Yuuhi aufstand öffnete sich dann doch die Tür und die Soragumi-Darstellerin lächelte.

„Da bist du ja. Ich hab mir schon Sorgen gemacht.“

Der Tsukigumi-Star lies nur ein leises, brummendes Geräusch von sich, stieg aus den Stiefeletten, die sie getragen hatte, und zog die Tasche hinter sich her, die sie auf halben Weg liegen lies und ohne auf Yuuhi zu achten direkt ins Schlafzimmer lief. Hinter ihr fiel die Tür knallend ins Schloss. Hatte Kiriyan nicht gesagt, dass Asako schon den ganzen Tag Kopfschmerzen hatte? Dann hatte das sicherlich weh getan. Der Soragumi-Star griff nach der Tablette und dem Glas Wasser, dass sie vorbereitet hatte, und ging leise an die Schlafzimmertür und öffnete diese nachdem sie leise geklopft und sowohl Glas als auch Tabletten neben der Tür auf eine Kommode abgestellt hatte.

„Asako? Ist alles okay?“ Yuuhi wurde etwas rot als sie sah, dass Asako sich inzwischen ihrer Hose entledigt hatte und ebenfalls das Hemd ablegte, darunter aber nur den Slip, die Ringelsocken und das T-Shirt mit diesen hübschen, roten Engelsflügeln trug. „Verzeih ich warte drausen.“

„Yuuhi?“

Der Top Star sah zu ihrer Freundin, drehte sich im Türrahmen nochmal um.

„Was ist?“

„Kann ich dich was fragen? Du musst aber ehrlich sein.“

„Klar. Du bist dir sicher, dass alles okay ist?“ Asako schien sie aber gänzlich zu ignorieren, zog sich stattdessen das Shirt über den Kopf, woraufhin Yuuhi auf die Seite starrte. Zwar wusste sie, dass Asako noch die Abbinde drunter trug, dennoch war es ihr unangenehm ihre Freundin nur so spärlich bekleidet zu sehen. Gerade als der Soragumi-Star sie bitten wollte noch etwas an zu ziehen sprach ihre Freundin weiter.

„Denkst du, ich bin schön?“

Irritiert blinzelte der Soragumi-Star, starrte aber noch immer auf die Seite.

„Ist das eine Fangfrage? Wir wissen beide, dass du hübsch bist.“

„Warum kannst du mich dann nicht ansehen?“

„Asa du hast fast nichts an...“

„Und das stört dich?“ Die Stimme der anderen war auf einmal direkt vor ihr und Yuuhi sah die kleinere dann doch gewzungenermaßen an. Glücklicherweise hatte sie tatsächlich die Abbinde drunter, aber das hellblaue Höschen, dass sie trug, machte die ganze Situation auch nicht wirklich besser. Der Tsukigumi-Star hob die Hand, strich ihr über den Kieferknochen und über ihre Wange. „Ich finde nämlich, du bist aussergewöhnlich schön.“ Sie lächelte.

„Wieso...“

„Wieso nicht?“, fiel die andere ihr ins Wort. Yuuhi fand kaum Worte, immerhin stand Asako fast nackt vor ihr. Auch wenn sie die Rolle eines Mannes nur Tag ein, Tag aus spielte, als Frau musste sie sich dennoch zurückhalten. Asako nahm ihre Rechte und sie starrte dann doch auf die schlanken Finger der anderen, doch ehe ihre Hand sich auf der weichen Haut an der Taille der anderen wiederfand. Ihre Freundin rutschte noch etwas an sie heran, reckte sich zu ihrem Ohr. „Ich hatte einen wirklichen Scheißtag. Lenk mich ab.“

„A-Asako ich kann nicht... Saeko... und Kiriyan...“

„Die beiden erfahren nichts, versprochen. Das bleibt unter uns.“ Die Kleinere hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Wange und Yuuhi schloss die Augen etwas. „Ich brauche dich jetzt.“ Die Hände der anderen wanderten in ihren Nacken, wobei sie die Hitze dieser schönen Frau an ihrem Körper fühlte, die sich besonders von da her in ihr ausbreitete, an der ihre Haut die ihrer Freundin berührte. Bestimmt zog Asako sie etwas zu sich, sodass sie ihr dann doch in die Augen sah.

„Schlaf mit mir“, flüsterte der Tsukigumi-Star und zog sie mit sich. Yuuhi stolperte fast als der andere Top Star sich nach hinten auf das königliche Bett fallen lies, kniete über ihr und atmete noch immer unentschlossen gegen die Lippen der anderen. Einerseits wollte sie ihre Freunde nicht hintergehen, andererseits würde sie die Gelegenheit nie wieder haben. Ihre Gedanken stellten sich ab, als Asako die Fingernägel in ihrem Schlüsselbein vergrub, diese runterzog und ihr Hemd damit ein Stück aufriss und Yuuhi selbst damit aufstöhnen lies. Sie sackte etwas mehr auf die Tsukigumi-Schauspielerin, die sich erneut zu ihrem Ohr beugte. „Bist du nicht neugierig, wieso Kiriyan mir so verfallen war?“

Damit war es für sie dann doch vorbei. Sie lehnte sich auf dem Unterarm auf, drückte ihre Freundin mit der so freien Hand in die Matratze, sah sie ein paar Sekunden an. Wie eine Frau so viel Anziehungskraft auf jemanden ausüben konnte war ihr schleierhaft. Schleierhaft, unverständlich und egal. Sie beugte sich zu ihr hinunter, küsste Asako heiß auf die Lippen. Alles, was sie in dem Moment wollte, war von dieser eigentlich verbotenen Frucht zu kosten.



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