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Sakura hatte beschlossen im Frauentrakt vorbeizusehen. Unter Berufung auf den Befehl Seiner Eisigkeit konnte sie doch gewiss die Dienerinnen befragen, Füchse hin oder her. Tatsächlich gelangte sie unbehindert in den Seitenflügel, in dem die Damen untergebracht waren.
In einem Vorraum saßen zwei junge Fuchsdamen, die sie erkannte: Kasori und ihre Dienerin. Nori hatte ja behauptet, dass das wohl ihre Schwester sei, aber bei Dämonen war das schwer zu sagen. Alle Füchsinnen wirkten auf Sakura irgendwie ähnlich - Menschenaugen waren da leichter zu täuschen. Sie verneigte sich höflich.
„Noch etwas?“ seufzte Kasori: „Ich habe ihm doch schon gesagt, dass ich nichts mitbekommen habe....“
„Das stimmt nicht ganz, meine Liebe,“ wandte ihre Dienerin ein und bewies damit, dass sie wohl wirklich verwandt oder zumindest eng befreundet sein mussten. „Ich wollte es schon Lord Sesshoumaru sagen, dich dann aber nicht in Schwierigkeiten bringen. Er soll den Mord an Lady Mailin aufklären, da mag alles wichtig sein.“
Sakura wurde hellhörig: „Ja, ich hatte bereits öfter die Ehre an Seine Lordschaft befohlen zu werden und konnte da lernen, dass es oft nur anscheinend harmlose Dinge sind, die es ihm dann ermöglichen den Mörder zu überführen. Was ist geschehen?“
Kasori warf ihrer Schwester einen wütenden Blick zu: „Jetzt heißt es gleich wieder, ich war dumm oder ungeschickt!“
„Wenn Ihr mir nicht Auskunft geben wollt, werde ich bestraft,“ meinte Sakura betont höflich: „Allerdings würde Lord Sesshoumaru ohne Zweifel den mächtigen Kitsune no Kyuu darüber informieren.“
„Ja, und du würdest sicher nicht den Mund halten, Mensch, oder? Das ...Ach, was soll es.“ Kasori machte eine fast verächtliche Handbewegung: „Vielleicht werfen sie mich dann hier raus, aber ich kann wenigstens wieder hier weg und in meine gewohnte Kleidung.“
„Vater wäre nicht beglückt. Er wünscht sich sehr, dass du Lord Takeru heiratest, die ältere Tochter, was mir kein übles Schicksal erscheint,“ gab ihre Schwester zu bedenken, ehe sie fortfuhr: „Jetzt erzähle es schon – oder soll ich?“
„Nein, ich mache schon.“
Sakura konnte den Gedanken nicht unterdrücken, dass die vermutlich jüngere Schwester über ein weitaus ruhigeres Temperament verfügte – und womöglich auch die Klügere war. Aber natürlich wollte ein Vater die Kinder nach dem Alter verheiratet sehen – und, wenn sie Lord Takeru richtig einschätzte, hatte der keinen zweiten Blick auf die vorgebliche Dienerin geworfen. Sie hatte er ja auch nicht weiter beachtet. Das tat kaum einer der vornehmen Herren oder Damen, zumal, wenn es sich um die Diener eines anderen handelte.
Kasori sah zu ihr: „Also, während der Vorführung...Chiyo sagte mir nachher, da sei jemand gewesen, aber sie passte auch nicht weiter auf. Alle hatten ja die Dienerinnen hinter sich und ….“
„Ich dachte nicht daran, dass Lady Mailin keine hatte. So wandte ich auch nicht den Kopf,“ ergänzte ihre Schwester: „Ich sah dann nur....“
„Ja, eben, ich merkte auf einmal, wie Mailin auf mich fiel, seitwärts, so.....“ Kasori zuckte die Schultern: „Ich dachte, sie ist eingeschlafen. Ich war ja selbst kurz davor. Das war wirklich ätzend langweilig! Und das war ja erst der Beginn...Na, da ich aber nicht wollte, dass sie auf mir schläft, gab ich ihr einen kräftigen Schubs zurück. Sie blieb dann auch so.“
„Auf allen Vieren?“ erkundigte sich die Heilerin verwirrt: „Das wäre für eine Tote aber ungewöhnlich.“
„Nein, die hatte den Kopf dann auch vorn, auf dem Boden, glaube ich. Es interessierte mich nicht weiter, Hauptsache, sie ließ mich in Ruhe. Hinterher, bei der Untersuchung, stellte dann der Heiler fest, dass ich einige Blutflecke auf meinem Kimono hatte. Klar, wenn sie da schon tot war. Jedenfalls, als das Licht anging war sie so, halb im Knien, halb im Liegen und Lady Ruri schrie ja dann was von Blut und so. Es gab dann einen ziemlichen Aufstand.“
„Und das habt Ihr bislang nicht gesagt...?“
„Ist das wichtig?“
Sakura griff zu ihrer professionell antrainierten Nüchternheit: „Möglich. Darüber entscheidet Lord Sesshoumaru. - Die Person, die hinter Lady Mailin kam – war das ein Mann oder eine Frau?“
Die Jüngere schüttelte den Kopf: „Das weiß ich nicht. Ich sah nur aus den Augenwinkeln eine Bewegung....und einen langen Kimono tragen wir ja alle.“
Nicht Lord Takeru, der Kitsune no Kyuu und einige andere, dachte Sakura prompt. Nur wenige männliche Füchse – und Lord Lian. „Mehr könnt Ihr dazu nicht sagen?“
„Nein,“ erwiderten beide Schwestern gleichzeitig und Kasori fuhr etwas bitter fort: „Das wird jetzt wieder heißen, ich, wir seien ungeschickt, nicht wahr? Die hergelaufenen Fuchsmädchen aus dem Wald.“
Sakura wollte trösten: „Vielleicht heißt es aber auch, dass Ihr mitgeholfen habt, den Tod Lady Mailins aufzuklären. Ich werde Seine Lordschaft von Eurer Beobachtung in Kenntnis setzen. Hat das womöglich noch jemand mitbekommen?“
„Ich denke nicht. Mailin ...naja,. Ich dachte, sie ist eben eingeschlafen. Und sie ist nicht auf Ruri draufgefallen, als ich sie wegschubste. Sonst hätte die ja da schon bemerkt, dass etwas nicht stimmt.“
„Ich danke Euch.“
Allerdings war sie vorsichtig genug, zunächst noch zu Lady Ruri zu gehen, ob dieser oder eher deren Dienerin etwas aufgefallen war. Zwar vermeinte auch die Dienerin sich an etwas zu erinnern, aber das war weder deutlich noch sonst etwas so Sachliches, dass sie es ihrem Herrn hätte weitergeben mögen.
Auf dem Rückweg zum Gästezimmer hoffte Sakura nur, dass Lord Lian nicht mehr da war und sie womöglich in eine peinliche Situation platzte. So war sie eigentlich recht froh, den Heiler der Füchse auf sich zukommen zu sehen und neigte vor dem Erfahreneren höflich den Kopf: „Odayaka-sama.....“ Ein älterer Schüler ihres eigenen Meisters hatte Anspruch auf Respekt. Überdies war dies ein Dämon.
Dieser lächelte: „Ihr seid in der Tat sehr höflich und Dämonen gewohnt. Kann ich Euch zu Lord Sesshoumaru begleiten?“
„So habt Ihr noch etwas gefunden?“
„In der Tat. - Ich werde es allerdings zuerst Eurem jungen Herrn berichten.“
„Selbstverständlich.“
„Er ist schon recht erwachsen geworden, dabei erscheint es mir erst wie gestern, als er als kleiner Welpe auf dem Schlosshof herumtollte und nach Schmetterlingen haschte....“
Sakura versuchte sich das Bild vorzustellen. Ein kleiner, weißer, tollpatschiger Hund, der nach allem um sich haschte...? Nein, das überstieg ihre Phantasie, zumal sie wusste, wie streng ihn seine Mutter gehalten hatte. Nun gut, der Inu no Taishou war wohl da immer der nachsichtigere Elternteil gewesen. Sie stellte fest, dass der Fuchsheiler inzwischen auch eingesehen hatte, dass er über einen Fürstensohn besser nicht klatschen sollte und keine weitere Bemerkung mehr machte. Schade, eigentlich.
Sesshoumaru drehte sich um, als er feststellte, dass sie zu zweit eintraten, sich zu zweit vor ihm niederknieten. Ging es um etwas Heilertechnisches? Hoffentlich nicht, da kannte er sich nicht aus...
Und der Besuch Lord Lians zuvor hatte ihn, auch, wenn er das nie auch nur sich selbst zugeben würde, doch etwas aus der Fassung gebracht.
„Sakura.“
Sie berichtete das Gespräch mit dem Haushofmeister und mit Kasori und ihrer Schwester: dass Lady Mailin nicht im Frauentrakt schlief sondern bei ihrem Bruder, sich eigen verhielt – und vermutlich Kasoris Schwester den Mörder gesehen hatte, wenn auch nicht bewusst, und Kasori die wohl bereits Tote in die mehr oder weniger richtige Position geschubst hatte, so dass es nur ausgesehen hatte, als knie sie vornüber geneigt mit der Stirn am Boden.
„Da dies bereits zu Beginn des Stückes passierte, setzte dann wohl auch durch die steife Kleidung die Totenstarre ein und Lady Mailin blieb so halten.“ Sie sah seitwärts, da der ältere Heiler auch Einwände geltend machen könnte.
Der nickte jedoch nur leicht, schwieg aber.
Erst als Sesshoumaru meinte: „Und dein Bericht, Heiler?“, neigte er sich noch einmal höflich vor.
„Wie Euch bekannt ist, bereitete ich die Tote auf die lange Reise zum Festland vor. Dabei musste ich zwangsläufig ihren gesamten Körper zum Einbalsamieren versorgen, woran zuvor wohl niemand dachte. - Lord Sesshoumaru, es gab keine Lady Mailin. Der Tote ist ein Mann.“
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Und jetzt, Euer Lordschaft?
