Fuchsjagd
Sesshoumaru beeilte sich in das väterliche Schloss zurückzugelangen, ohne das freilich zu zeigen. Alarmiert hatte ihn die Menge an Dämonenenergie, die zu spüren gewesen war. Entweder es war ein hoher, äußerst hoher, Besuch oder aber ein Überfall. Und ehe er das nicht wusste, war es besser, von Unangenehmen auszugehen. Allerdings vermochte er es nicht, die Energie des Inu no Taishou zu spüren, so dass es sich doch wohl um einen Gast handelte.
Als er in Sichtweite war, atmete er doch unmerklich auf. Wachen standen ganz gewöhnlich am Tor, verneigten sich vor ihm. Im Hof entdeckte er dann zwei bewaffnete Fuchsdämonen, die ihn ebenfalls höflich begrüßten.
Das erklärte es.
Der Besucher musste dann der Ranghöchste aller Füchse, der Kitsune no Kyuu sein. Er beherrschte die Nordinsel und dominierte auch alle Fuchsdämonen im restlichen Land. Vater hatte mit ihm vor Jahren einen Nichtangriffspakt geschlossen. Nur – was wollte er hier? Unangekündigte Besuche wurden unter den ranghöchsten Dämonenfürsten gern als Kriegserklärung betrachtet, auch, wenn Vater das meist anders handhabte.
Ein dämonischer Diener kam herangeeilt und warf sich vor ihm zu Boden: „Befehl des Fürsten, Lord Sesshoumaru.“
„Was wünscht mein Herr und Vater?“
„Ihr mögt Euch unverzüglich in sein Arbeitszimmer begeben. Der Herr der Füchse ist bei ihm.“
Ohne Antwort zu geben, machte sich der Erbprinz auf den Weg.
Als er sich höflich vor seinem Erzeuger und dem Kitsune no Kyuu verneigte, entging ihm nicht, dass ihn dieser ein wenig neugierig betrachtete - soweit dies ein Dämonenfürst zeigte.
„Schön, dass du so rasch hier warst,“ sagte der Hausherr: „Nimm Platz.“ Dann wandte er sich wieder an seinen Gast: „Nun würde ich Euch bitten Euer Anliegen vorzutragen.“
Anliegen? Sesshoumaru ertappte sich bei gewissem Unbehagen, auch, wenn er sein unbewegtes Gesicht beibehielt. Ein Mordfall oder Eheanbahnung? Eines wäre so lästig wie das andere – obwohl: einen Mord konnte er aufklären und abreisen, mit einer Füchsin wäre er sein Leben lang belastet. Also, lieber Mord. Bitte.,..
Der Kitsune no Kyuu sah zu dem Hundeprinzen: „Fürst Kazuya...“ Sesshoumaru fühlte sich unangenehm an den Wolfsfürsten und seinen ungemein erzwungen höflichen Aufenthalt bei diesem erinnert. „Fürst Kazuya erwähnte bei einem kürzlichen Besuch, wie diplomatisch und intelligent Euer Sohn ist, ehrenwerter Inu no Taishou. Darum möchte ich Euch bitten, ihn mit mir zu schicken. Es gab einen überaus...unangenehmen Zwischenfall in meinem Schloss.“
Das klang nach Mord und Sesshoumaru atmete unmerklich auf. Der Kitsune no Kyuu war einer der Dämonen, die in Vaters Klasse spielten – ein Heiratsangebot wäre nicht abzulehnen.
Der Fuchsherr fuhr fort: „Mein eigener Sohn ist in Eurem Alter, Lord Sesshoumaru, und so hielt ich es für eine gute Idee, eine Reihe von Festlichkeiten zu veranstalten, an denen Füchse aller Inseln teilnehmen sollten, die heiratsfähige Töchter haben. Auch die Tochter des Herrn der Füchse vom Festland war darunter.“
War? Der Hundeprinz sah auf.
„In der Tat, Ihr seid aufmerksam. - Bei einer Theatervorführung wurde sie ermordet.“
„Es handelt sich sicher um Mord?“ erkundigte sich Sesshoumaru, nicht, ohne sich zuvor das bestätigende Nicken seines Vaters eingeholt zu haben, dass er reden durfte.
„Eine Klinge im Nacken. Ich bin mir wirklich nicht im Klaren, wie man in einem Raum voller Frauen unbemerkt morden kann, geschweige denn, was der Grund dafür sein könnte.“
„Es waren nur Damen anwesend?“
„Es handelte sich um das Damenprogramm. Die Väter und Brüder waren bei mir und meinem Sohn. - Die junge Dame hieß Lady Mailin. Sie kam nur in Begleitung ihres Bruders, Lord Lian. Dieser ist verständlicherweise äußerst erzürnt, stimmte mir aber zu, dass es sinnvoll wäre, ihren Vater erst dann zu informieren, wenn der Täter, oder eher die Täterin, gefunden ist. Ich sagte ihm zu, den besten dämonischen Ermittler des Landes zu holen.“
Der Hundeprinz brauchte nicht zu seinem Vater zu blicken, um zu wissen, dass ein Ablehnen nicht nur undiplomatisch war sondern zu einem Krieg führen würde. Der Kitsune no Kyuu war niemand, der ein Nein als Antwort akzeptierte, zumal für ihn selbst der Krieg mit den Festlandfüchsen drohte – und er sein Gesicht sowieso schon verloren hatte. „Ihr schmeichelt mir,“ sagte er daher nur: „Wenn es um Frauen geht, würde ich gern eine Heilerin mitnehmen – allerdings handelt es sich um einen Menschen. Dämonische Heilerinnen gibt es meines Wissens nicht.“
Der Herr der Füchse blickte zu dem Hundefürsten. Der Inu no Taishou nickte: „Sakura ist für einen Menschen sehr intelligent und diskret und verfügt über Erfahrung, sowohl im Umgang mit Dämonen als auch bei Mordfällen. Ich weise sie bei solchen gewöhnlich meinem Sohn zu.“
„So werde ich Eurer Einschätzung vertrauen und diesen Menschen mitnehmen.“ Und schließlich hatten die beiden Hunde recht – mit Frauen als Verdächtigen und einem unverheirateten jungen Prinzen als Ermittler sollte man vorsichtig sein, um nicht unehrenhaft zu erscheinen.
„Ich darf Euch doch noch um ein kleines Gespräch bitten?“ lud der Inu no Taishou seinen hohen Gast ein, um fortzufahren: „Sesshoumaru, du lässt Sakura sagen, dass ihre Dienste benötigt werden.“
Nun, das machte er lieber selbst, dachte der Hundeprinz,ehe Neigi auf die Idee kam, seine Schülerin dabehalten zu wollen. Sicher wusste der alte Heiler, wann er zurückzustecken hatte, aber manchmal bekam er solche Anwandlungen, da brauchte er nur an dessen mehr als unpassenden Heiratsantrag an Sakura denken.
So ging er in die Heilerhütte, wo ihm die davor wartenden Patienten mehr als eilig auswichen und sich verneigten.
Das taten auch Neigi und Sakura, die schon ahnten, um was es ging.
„Pack,“ befahl Sesshoumaru auch nur: „Ich reise in den Norden.“
Damit ging er und überließ es der Heilerschülerin zu ihrem Lehrer zu blicken.
Neigi nickte bloß: „Ich werde dir noch einen Umhang besorgen lassen. Auf Hokkaido ist es kälter als hier und, soweit ich weiß, liegt das Schloss des Herrn der Füchse in schneebedeckten Bergen.“
„Dann ist der Herr der Füchse auf Besuch?“
„Und es hat wohl einen Mord gegeben. Peinlich für ihn. - Ich werde die Heilertasche dir mitgeben. Ich komme auch so zurande.“
„Danke, sensei.“ Mord – das erklärte, warum der Kitsune no Kyuu mit gezeigter Energie angekommen war – er war wohl reichlich wütend. Allerdings schien auch die Miene Seiner Lordschaft nicht sonderlich erfreut gewesen zu sein. Sie sollte sich beeilen. Nun, viel zum einpacken besaß sie nicht, und noch ehe sie fertig war, hatte ihr eine Dienerin bereits einen bodenlangen, warmen Umhang mit Kapuze gebracht. Es mochte wohl nötig sein. So beeilte sie sich Neigis Heilerkoffer zu nehmen und im Hof zu warten – wohlweislich nicht bei den bewaffneten Fuchskriegern. Sie wusste nur zu gut, was Dämonen in Menschen sahen.
Als sie jedoch den Inu no Taishou und seinen Sohn mit einem Fuchsdämon aus dem Schloss treten sah, kniete sie sich lieber eilig hin und blickte auch nicht auf, als sich die drei hohen Herren ihr näherten.
„Das ist Sakura,“ erklärte der Taishou: „Werter Kitsune no Kyuu. Falls es nötig ist, können die Damen Eures Volkes sie gern als Heilerin verwenden. Manches bespricht sich leichter unter Wesen des gleichen Geschlechtes, soweit ich hörte.“
„Da mögt Ihr recht haben, teurer Inu no Taishou.“ Dem Herrn der Füchse fiel durchaus auf, dass diese Heilerschülerin weder Angst zeigte noch ihre Neugier. Nun, sie lebte in einem Dämonenschloss und der Fürst des Westens würde sie nicht mitschicken, hätte er auch nur die geringste Sorge, dass sie ihn blamierte. „Dann gehen wir.“
Sakura wagte nicht aufzusehen, war jedoch überrascht. Wie sollte sie mit den vier Dämonen Schritt halten? Oder gar auf Dämonenart reisen?
Im nächsten Moment hörte sie ihren Namen und noch während sie aufstand, klemmte sie sich der Hundeprinz unter den Arm, ehe er sich dem Fuchsfürsten durch ein Dimensionsportal anschloss, dessen Begleiter ihm dann erst folgten.
Sakura kannte diese Art des Reisens – sehr schnell, aber für sie unbequem, und war auch nicht überrascht, als sie einfach fallengelassen wurde. Sie fiel auf Schnee und blieb lieber knien, als sich oder gar ihre Herren vor dem anscheinend mächtigen Fuchs zu blamieren. Es war kühl hier und sie war wirklich froh um den Umhang. Hoffentlich würde es im Schloss einigermaßen wärmer sein.
„Kommt nur, Lord Sesshoumaru,“ sagte der Kitsune no Kyuu: „Bitte, seid mein Gast. Ich lasse Euch von meinem Haushofmeister ein Zimmer bereiten, ehe ich Euch mit Lord Lian bekanntmache. Danach...nun, das überlasse ich Euch. Fürst Kazuya war des Lobes voll. Ich hörte, Ihr habt den mysteriösen Tod seines Jüngsten in nur zwei Tagen aufgeklärt.“
Dieser wölfische Tratschonkel hatte ihm diesen neuen Fall aufgehalst! Ohne Zweifel erwartete der Fuchsdämon nun auch in kürzester Zeit ein positives Ergebnis – und natürlich überaus diskret und höflich! Der Hundeprinz knirschte mit den Zähnen, hörte sich aber formell antworten: „In der Tat, das gelang mir. Schmeichelhaft, dass Ihr eine so gute Meinung über mich habt, Herr aller Füchse.“ Er bewegte nur einen Finger, aber Sakura sprang eilig auf, um ihnen in das Schloss zu folgen, dessen Bauart vollkommen anders war, als sie es kannte. Viel ausgedehnter, aber flacher, keinen ersten Stock, jedoch viele Seitenflügel. „Darf ich fragen, wie viele Bewerberinnen Ihr eingeladen habt?“
„Mit Lady Mailin waren es fünf, mit gewisser Begleitung, versteht sich. Dienstboten und Väter.“
Fünf weniger eine hieß, dass er nur mit vier Füchsinnen reden musste. Die Diener sollte ruhig Sakura übernehmen. „Dann bitte ich darum, mir das Gästezimmer zu zeigen, ehe Ihr mir Lord Lian und den Tatort vorstellt. - Die Tote?“
„Lady Mailin liegt noch bei meinem Heiler, der sie für die Reise in ihre Heimat vorbereitet.“
„Sakura sollte sie sich ansehen.“
„Natürlich. - Folge Kosame, Menschenmädchen.“
Das war ja einmal direkt eine relativ höfliche Ansprache für sie, dachte Sakura prompt, wartete aber das kaum bemerkbare Nicken Seiner Eisigkeit ab. Sie kannte seine Laune, wenn er ermitteln musste und da war er leicht mit einer Strafe zur Hand – zumal, wenn sie ihn vor so wichtigen Leuten in Verlegenheit bringen sollte. Sie verspürte nicht die mindeste Lust, wieder an der Wand zu landen – wobei sie zugab, dass er schon länger keine derartige Strafe mehr gegen sie verhängt hatte. Was keinerlei Garantie für die Zukunft bot.
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Ich weiß noch nicht, ob ich es schaffe, das nächste Kapitel zu Weihnachten zu korrigieren und hochzuladen – dann eben bis in zwei Wochen.