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Idomanulum

von

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City Of Devils

City Of Devils
 

Langsam flogen Erinnerungen an ihm vorbei. Eine beinahe manische Stille machte sich ringsherum breit.

Wünsche, Sehnsüchte...Träume...Alles flog wie in einem Nebel um ihn herum, ineinander verworren und auf eine Art verbunden, die nur an diesem Ort Sinn machte und von der er wusste, dass er sich später nicht mehr daran erinnern konnte.

Eine Frau in einem durchscheinenden Kleid aus leichtem Stoff löste sich heraus. Das Kleid verhüllte nicht einmal ihre Oberschenkel und kitzelte ihre hellen, krausen Schamhaare. Sie war von außergewöhnlicher Schönheit. Ihre Brüste waren groß und rund, die Brustwarzen erigiert. Das lange, rote Haar floss wie Blut über ihre Haut, die fast weiß leuchtete.

Tiefer. Du musst tiefer eindringen.

Vorsichtig streckte er seine Sinne wie Fingerspitzen aus. Ein leichtes Beben durchlief die Gedanken – er hielt inne. Stumm lauschte er. Aber das Bewusstsein schlief weiter, ruhig und friedlich.

Wieder wandte er sich der Frau zu. Er betrachtete sie.

Das könnte es sein. Du könntest es sein.
 

Die Frau lächelte. Ihr Gesicht war herzförmig, junge und reine Haut. Eine kleine hübsche Nase und feine, rötlich schimmernde Augenbrauen, die wohlgeformt ihre braunen, großen Augäpfel umrahmten.

Ihre Konturen waren verschwommen, wie es bei den meisten Vorstellungen und Träumen war. Diese Tatsache verlieh ihr einen Hauch von Unschuld und er wusste, dass dieser Hauch den Traum noch verbessern würde.
 

Unschuld ist wie Gold und nichts ist wertvoller als Gold. Außer Unschuld.
 

Erneut fuhr er seine Sinne aus, dieses Mal leise wie eine Katze. Er nahm die Frau bei der Hand und spürte die Energie, die von ihr ausging.

Sie war es tatsächlich, sie war der Puls, den dieser Geist brauchte.

Um die Frau herum formten sich langsam die Einzelheiten eines Raums und er musste sich konzentrieren, um alles glaubhaft erscheinen zu lassen. Ein großes einladendes Bett, ein roter Teppich.

Der Raum war geprägt von den Farben Rot und Orange. Die Wände waren verziert mit golden glänzenden Ornamenten, mehrere kleine Skulpturen, deren Einzelheiten fein ausgearbeitete waren, jedoch in dieser unwirklichen Welt verschwammen. Schwere Vorhänge, durch die das schwache Licht einer grünen Sonne drang.

Der Raum wirkte unwirklich, durch den Kontrast von Rot und Grün. Kurz lächelte er. Er wirkt traumhaft.
 

Ein zweites Mal ließ er einen Blick über die Frau wandern. Ihre Augen bildeten einen faszinierenden Glanz aus, er zeugte von etwas, was er nicht mit Namen zu benennen wusste.

Etwas fehlt ihr.

Konzentriert dachte er nach. Mit seinen Gedanken reichte er ihr eine Kette, fein ausgearbeitet und gold glänzend. Sie legte sie an und nickte.

So ist es gut. Gut genug wenigstens.
 

Es war nicht das gewesen, was ihr gefehlt hatte, das wusste er. Aber hier würde er nicht darauf kommen, was dieses Etwas sein mochte, sonst würden sich seine Gedanken zu schwer mit den des schlafenden Bewusstseins verknoten.

Gleichzeitig spürte er, wie sich das eben erwähnte Bewusstsein wieder regte und er wusste, dass es Zeit war, sich von diesem Ort zurück zu ziehen.

Kurz sah er sich noch um, betrachtete die Frau und zog seine Sinne aus dem fremden Geist, dessen Gast er gewesen war, zurück – jedoch noch nicht ganz.

Er streckte vorsichtig seine Sinne aus, hinaus aus dem Raum in eine schwarze Umgebung, wo das fremde Bewusstsein sachte schlief. Eine schemenhafte, seltsam weiß leuchtende Erscheinung, körper- und formlos.

Er berührte es vorsichtig und kitzelte es, bis es sanft aufwachte und nahm es an der Hand. Gemeinsam erreichten sie den Raum, den er geschaffen hatte. Der fremde Geist trat ein, sah sich um und befand alles für wahr.

Das war der Zeitpunkt, in dem er nicht weiter gebraucht wurde. Mit einem Ruck beförderte er sich hinaus.

Die Stille zerbrach.
 

Noch für einen kurzen Moment ließ Veith seine Augen geschlossen. Dann nahm er einmal Luft und öffnete sie. Es tat gut, sich selbst wieder atmen hören zu können. Einige Sekunden noch fühlte er sich benebelt, dann hatte die Realität ihn wieder.

Er betrachtete den Mann, in dessen Geiste er gewesen war.

Das Gesicht war aufgequollen und voller eitriger Pusteln, die teilweise aufgekratzt worden waren und deren Eiter sich auf den Wangen verteilt hatte. Die Augen waren fest geschlossen, Haar wuchs ihm kaum noch aus seinem schmutzigen, kahlen Eierkopf. Sein Körper war dick, bereits alt und voller Flecken, auch hier fanden sich überall entzündete Pusteln. Er glich einem runzligen Walross, dessen Körper in fettige Laken eingewickelt worden war – dennoch war der Mann ein bekennender Exhibitionist.
 

Veith dachte darüber nach, dass es Regeln geben sollte, die solchen Dämonen solche Freizügigkeiten verbieten sollten. Obwohl er selbst nicht gerade von herausragender Schönheit war, empfand er solcherlei Anblicke als wahre Zumutung.

Sein eigenes Gesicht war sehr schmal und kantig, die Haut hatte eine unregelmäßige Bräune. Sein Haar war ungekämmt und dreckig, zerzaust stand es in alle Richtungen ab, es war schwarz, ebenso seine schmalen Augen – wie bei den meisten Incubi. Auch hatte er kleine Ansätze von Hörnern an seinem Kopf, die aber so flach waren, dass man sie unter dem schwarzen Haar nicht sah, nur wenn sie nass waren, zeichneten sich zwei kleine Beulen an seinen Schläfen ab. Er war froh darüber, denn auch die allermeisten Incubi hatten Hörner an ihrem Kopf, manche waren dick wie der Unterschenkel eines Riesen und wanden sich in einer Schnecke nach hinten. Es war das deutlichste Merkmal, wenn man einen Incubus ausmachen wollte – und daher war Veith ganz froh, dass man ihn durch dieses schwach ausgeprägte Merkmal nicht so leicht einordnen konnte. Im Gegensatz zu dem fetten Nackten vor ihm war sein Körper dünn, lang und sehnig, seine Knie waren groß und an seinem Rücken zeichneten sich Wirbelsäule und Schulterblätter deutlich ab. Meistens trug der junge Incubus nur eine Hose aus altem, dunklem Leinenstoff, die an den Enden schon ausgefranst war und überall Flecken aller Art hatte. Er lief oft barfuss, aber meistens hatte er ausgetretene Lederschuhe an, die an vielen Stellen löchrig und abgenutzt waren.
 

Veith wandte sich ab und ließ seinen Blick kurz durch den Raum wandern.

So elend wie der Exhibitionist selbst war, so war auch seine Baracke.

Sie bestand nur aus diesem einen Raum und der war gerade mal geschätzte 2 mal 3 Meter groß.

Die Decke, bestehend aus Wellblech und alter Pappe – so wie die gesamte Baracke – war so niedrig, dass er seinen Kopf einziehen musste. Es stank erbärmlich nach Fäkalien, Schweiß und Schimmel und das einzige Fenster war gerade mal so groß wie seine Handfläche.

Der junge Dämon sah auf das Geld in seiner Hand. Zwei glänzende Silbermünzen, auf denen jeweils eine 50 eingeprägt worden war. Nicht gerade viel, aber genug. Das, was er sich nicht leichten konnte, würde er sich bei Gelegenheit einfach nehmen.

Veith wusste, wäre ihm sein Glück wohlgesonnen, dann würde er es vielleicht auch in ganz andere Preisklassen schaffen, denn für sein junges Alter – so genau interessierte man sich in der Hölle für das Vergehen von Zeit nicht, deshalb wusste er auch nicht, wie alt er genau war – hatte er ein außergewöhnlich großes Potential an Kraft. Viele Incubi seines Alters würden einen solch detaillierten Traum, wie er ihn gerade erschaffen hatte, nur während des Höhepunkts ihrer Kraft erzeugen können, aber er fühlte sich gut und gerade ausgelastet genug, um vor lauter Energie nicht über zu laufen.

Nur war die Hölle eben der letzte Ort, an dem man für harte Arbeit gerecht belohnt wurde, also musste jeder seines eigenen Glückes Schmied sein.

Mit einer raschen Handbewegung glitt seine Hand in den Geldbeutel, der in einer Hand des Mannes ruhte und nahm sich eine weitere silberne Münze heraus.
 

Wenn du einen Taler verlangst, lass ihn dir zahlen und warte bis der Zahlende sich umdreht. Dann nimmst du dir den zweiten heraus.
 

Der Schwarzhaarige lächelte. Ein nettes Sprichwort.

Zufrieden mit seiner Leistung ließ er den hässlichen Nackten allein und verließ die Baracke.

Dieser schlummernde Exhibitionist würde für eine Stunde keiner Fliege etwas zu leide tun – aber währenddessen in seiner Traumwelt tagelang einen Heidenspaß mit seiner rothaarigen Schönheit haben. Wahrscheinlich würde er danach aufwachen und sich auch seiner letzten Münzen beraubt vorfinden.
 

Es war gerade Mittag und die Luft war an diesem Tag unangenehm feucht und spannungsgeladen.

Mehrere Sonnen schwebten wie geisterhafte Lichtkugeln aller Größen und Farben herum. Es gab riesige, die größer waren, als das größte Freudenhaus und sich deshalb nur sehr langsam in großer Höhe bewegten. Und es gab winzig kleine, gerade so groß wie ein Fingernagel, die hektisch und aufgebracht wie eine Fledermaus herum sirrten und es sich dabei nur zu gern zum Spaß machten, anderen Leuten quasi den Kopf zu verdrehen.

Aber die meisten waren ungefähr halb so groß, wie ein ausgewachsener, menschlicher Dämon, schwebten mit gleichmäßiger Geschwindigkeit durch die Gassen und taten nichts anderes, als einfach nur zu leuchten.

Veith sah bereits die ersten Linkfinger, die um die Baracke des Mannes schlichen – gebückte, dürre Gestalten, die nur darauf warteten, dass man sich umdrehte und sich in Sicherheit wiegte, um einem dann die Kehle durchzuschneiden oder das Hab und Gut entwenden. Ihn selbst kümmerte das Schicksal des Schlafenden jedoch nicht im Geringsten.

In dieser Gegend wusste jeder, wie dumm es war, sich von einem Incubus einen Traum machen zu lassen.

Ein vertrauter Geruch von Schwefel und Gewürzen lag in der Luft. Er schritt über unordentliche Kopfsteinpflaster, die mit allem bedeckt waren, was in die sehr weit gefächerte Kategorie Dreck passte.

Es gab kaum fest gemauerte Häuser, die meisten Unterkünfte glichen jener, in welcher er sich vor wenigen Minuten noch aufgehalten hatte. Die Dämonen, die hier lebten, waren wie die Straßen. Unordentlich, dreckig und stets darauf bedacht, jemanden flach zu legen.

Er war froh, hier nicht leben zu müssen. Die hier hausenden Kreaturen hatten ihr Leben meist schon hinter sich – sie schleppten sich von einer Bettgesellschaft zur nächsten, ohne dabei einen Hauch von Erregung spüren zu können.
 

Nach einer Weile veränderte sich die Umgebung. Die Häuser bestanden nicht nur noch aus Wellblech oder alter Pappe, sondern immerhin aus Steinen, unordentlich zu einer brüchigen Mauer aufeinander gestapelt, mit einem Dach, welches gerade so in der Lage war, den Ascheregen einigermaßen abzuhalten.

Die meisten Dämonen hier waren bekleidet und die Nackten sahen gepflegter aus, als der Hässliche, den er zurückgelassen hatte.

Trotzdem waren nicht alle von herausragender Schönheit. Eine Dämonin, die ihn anschmachtete, hatte wild zusammengeknotetes Haar, in welchem er eine Spinne krabbeln sah.

Sie war knochendürr und ihre Haut war faltig, obwohl sie nicht sehr alt sein konnte. Mit ihren abgemagerten Fingern berührte sie ihn und krallte sich an ihm fest, presste dabei ihre runzligen, herunterhängenden Brüste an ihm und rieb sich an ihm.

„Komm schon, besorg’s mir – jetzt und auf der Stelle!“, krächzte sie und das Weiß ihrer Augen schimmerte auf.

Er wimmelte sie angewidert ab und ging weiter.

Ihm war ohnehin nicht nach Sex zumute, selbst wenn die Nackte ein wenig schöner gewesen wäre.
 

Veith erreichte ein Gasthaus, aus dem zu jeder Tageszeit ungehaltener Lärm nach außen drang. Er wühlte sich durch eine Gruppe Betrunkener vor dem Eingang und betrat das Haus.
 

Spontan musste er einem Stuhl ausweichen, der gegen die Wand geschleudert wurde.

Dem Stuhl folgte ein hager aussehender Dämon, dessen Nase so aussah, als wäre sie bereits dreimal gebrochen geworden und aus der das Blut strömte. Ein vor Wut knurrender Dämon rannte ihm hinterher und packte ihn am Kragen seines schmutzigen Lumpenhemds. Fäuste landeten auf Knochen und es knirschte.

Schnell machte der Schwarzhaarige sich daran, von dem Getümmel weg zu kommen, und überließ die Szene den Gaffern und Schaulustigen, die begeistert pfiffen und grölten, während der Dämon seinem Opfer die Zähne zerschlug und dann seinen Arm zerbiss. Der Hagere kreischte mit seinem blutigen Mund.

Veith begab sich an die Bartheke und ließ sich auf einem Hocker nieder, um erst einmal zu verschnaufen. Er atmete den Geruch von Alkohol, Erbrochenem und nach wie vor stechender Schweiß ein, betrachtete kurz die dunklen Holzwände, verdreckt und schimmelig, aber immerhin noch stabil genug, um das Gebäude zusammen zu halten. Kleine, rostrot leuchtende Sonnen leuchteten innerhalb von Gitterkugeln von der Decke. Sie bewegten sich hektisch und unruhig in ihrem Gefängnis hin und her, was das Licht stark flackern ließ und die Schatten der sich Prügelnden tanzen ließ.

Neben Veith saß ein blasser Vampirdämon mit langen weißen Haaren, die mit einem Band zusammengehalten wurden und leuchtend roten Augen. Er hatte die Beine übereinander geschlagen und sah entspannt aus, während er an einem gefüllten Krug nippte. Sein Gesicht war spitz zulaufend, ganz genau wie seine blitzenden, gefährlichen Fangzähne und ein leicht amüsiertes Lächeln schien die ganze Zeit in seinen Zügen zu lauern, als würde er insgeheim einen wahnsinnig ironischen Witz kennen, der so lustig war, dass er sich in jeder Situation darüber amüsieren konnte. Seine Kleidung war ebenso spärlich und unspektakulär wie Veiths eigene und meistens war das auch noch zu viel, wie er wusste. Eine glänzende, aber wertlose Münze mit einem Loch in der Mitte hing an einem Lederband auf seiner Brust.

„Was hat der Typ gemacht?“, fragte der Incubus von ihm abgewandt, während er sich einen bitteren Sirup bestellte.
 

Sein Gegenüber verzog gespielt gekränkt das Gesicht und schob schmollend seine Unterlippe vor.

„Dir auch einen wunderschönen Tag, mein allerliebster Lieblingsincubus!“, antwortete er.

Veith seufzte, drehte sich auf dem Stuhl, sodass er dem Dämon gegenüber saß und nahm dessen Hände in die eigenen.
 

„Sei gegrüßt Saron, du Schönster unter den Schönen, du Dämon mit dem Haar einer Medusa, du Stolzester unter dem Geschlecht der Vampire. Was für ein Wink des Schicksals, dass ich unbedeutende Person dich treffen darf.“

Saron lächelte zufrieden. „Das gefällt mir besser.“, meinte er und nahm einen Schluck von seinem eigenen Getränk. „Der dünne Wurm hat versucht, den anderen zu bestehlen. Dumm nur, dass es sich bei seinem Opfer um einen von Ira handelt.“

Veith pfiff durch die Zähne.
 

Einen Konflikt mit Zorndämonen überlebten die Wenigsten – und jene, die es taten, wünschten sich, sie hätten es nicht überlebt. Er hatte schon viele Auseinandersetzungen mit Dämonen aus Ira gesehen, seine Heimatstadt Sesso lag dicht an den Grenzen von Ira, Fürstentum des Zorns, und Acedia, Fürstentum der Trägheit, vielleicht waren beide nur ein paar Stunden entfernt – aber das wusste er genauso wenig, wie er sein genaues Alter kannte. Zwar waren die Bewohner Acedias einfach viel zu faul, um auch nur daran zu denken, hierher zu kommen – aber es gab immer wieder ein paar Zornländler, die nach Luxuria, dem Fürstentum der Lust, und damit hierher nach Sesso kamen, um irgendjemanden zusammen zu schlagen, zu töten oder sonst irgendetwas zu tun.

„Üble Sache.“, sagte er. Saron nickte. Der Wirt gab ihm seinen Sirup und er nahm einen kleinen Schluck. Der Geschmack von bitterer Schokolade und getrockneten Früchten machte sich angenehm schwer in seinem Mund breit. Der Alkohol brannte leicht in seiner Kehle.

Er bekam Lust darauf, sich zu betrinken und genehmigte sich gleich einen größeren Schluck.
 

„Hast du den Sirup hier mal probiert?“, fragte er Saron und reichte ihm sein Getränk. Der Vampir nahm ebenfalls einen Schluck, verzog jedoch angewidert das Getränk.

„Bittersirup. Ist ja ekelhaft.“, meinte er. „Ich bleib bei meinem Blutbier.“

Veith beobachtete, wie der Zorndämon dem anderen den Kopf zerbiss.

Blut spritzte in alle Richtungen, Schädelknochensplitter und die Stücke seines Hirns verteilten sich auf der gaffenden Masse.

Glücklicherweise war die Bar weit genug weg. Die Lust auf einen Vollsuff verging ihm bei diesem Anblick mit einem Mal wieder.

Saron hatte das Ende des Kampfes ebenfalls beobachtet. „Der Wirt würde durchdrehen, wäre der Dämon nicht aus Ira. Blut geht furchtbar schwer wieder von Holz ab.“, meinte er.

„Du musst es ja wissen.“
 

Sie drehten sich wieder um und überließen den vor Wut kochenden Dämon sich selbst.

„Hast du deine Bekanntschaft glücklich gemacht?“, fragte der Vampir mit dem hellen Haar.

Veith wiegte seinen Kopf leicht zur Seite. „Ich denke schon. Ein fetter, hässlicher Exhibitionist, der mich drüben angesprochen hat. Dem hätte ich alles vorsetzen können, er hätte sowieso abgespritzt – der Typ hat meinen Traum eigentlich nicht verdient.“

Drüben war ein Ausdruck für eben dieses Elendsviertel, in welchem Veith sich aufgehalten hatte und in der er stets darauf achtete, nicht zu viel Zeit zu verlieren, um schleunigst wieder umzukehren.

Allerdings traf man dort garantiert immer jemanden, der Sex brauchte, ganz egal in welcher Form, deshalb ging Veith, Stolz hin oder her, dennoch manchmal dort hin.

Saron lächelte. „Und du hast dir trotzdem ein Meisterwerk einfallen lassen. Irgendwann fällt das auf dich zurück und du findest keine Kunden mehr, weil du keine Kraft mehr hast.“

Er nahm einen großzügigen Schluck und leckte sich danach über die Lippen.

Seine spitzen Eckzähne glänzten kurz im flackernden, roten Sonnenlicht, ehe sie schnell wieder in seinem Mund verschwanden.

„Und das wäre schade. Die Leute sagen, du machst besondere Träume.“

Der Schwarzhaarige zog eine Augenbraue hoch.

„Wer hat dir das denn bitte erzählt?“, fragte er.

„Ein Kerl, den du mal bedient hast. Ich hatte ihn gestern unter mir. Er meinte, du würdest den Träumen einen Kniff verpassen, den er vorher nicht gekannt hat.“
 

Ein Kniff – das war interessant.

Nur gut, wenn man über ihn redete und wenn sich der ein oder andere Dämon für eine Weile sein Gesicht behielt, denn er hatte keine Lust, sein Geld auf ewig in stinkenden Baracken bei sexgeilen alten Säcken zu verdienen.

Die besten Incubi beschäftigten sich mit ganz anderen Geschichten.

Die pure Angst, die gnadenlosesten Albträume.
 

Der blanke Horror.
 

Es war eine Kunst, die sich nur sehr wenige widmen durften und zu der auch nur wenige imstande waren. Wer als Incubus geboren wurde, musste einen großen Einfallsreichtum mit sich bringen, wenn er etwas erreichen wollte. Und wenn er ein Meister seiner Künste werden wollte, dann musste er viel weiter gehen.

Monster und Untiere in Träumen zu erschaffen, war die eine Sache, aber um diese Dinge in der Realität erscheinen zu lassen, musste man sich gefährlich nahe an die Grenze zwischen der Wirklichkeit und der Illusion begeben.

Wer sich dort verlor, fand niemals wieder zurück.

Aber diejenigen, welche die Gratwanderung meisterten, waren imstande, alles erscheinen zu lassen, was sie nur wollten. Niemand war mächtiger, als ein Meister der Illusion.

Er war sich sicher, dass er niemals so weit kommen würde – aber wenn man schon als Incubus nicht träumen durfte, wer durfte es dann?
 

Schweigend betrachtete er den zähflüssigen Sirup in seinem Glas.

Er hatte einen schönen, dunkelgrünen Farbton und ein leichtes Glänzen. Veith hatte mal gehört, dass es bei den Menschen Bäume gab, die genau diese Farbe hatten – aber das hielt er für ein Gerücht, was die Wahnsinnigen erzählten, die einem von Zeit zu Zeit auf den Straßen begegneten, auf einen zuwankten oder krochen und einem alles mögliche weismachen wollten.

Wie sollte ein Baum jemals grün werden, wenn stets Asche auf ihn herabregnete?

Davon wurden die Blätter höchstens hellgelb.

Abgesehen davon war es sowieso unwahrscheinlich, dass überhaupt jemand wusste, wie ein Baum in der Welt der Menschen aussah. Niemand kannte den Weg dahin und allein die Existenz dieser Welt hielten die allermeisten Dämonen für eine Lügengeschichte.

Vielleicht gab es dort auch gar keine Bäume, wer wusste das schon?

Er ließ den Sirup langsam seine Kehle hinunterfließen, genoss den bittersüßen Geschmack und vergaß den Gedanken wieder.
 

„Ich hab übrigens eine Überraschung für dich.“, sagte Saron. „Hoffentlich hast du heute Nacht noch nichts vor.“ Ein vorfreudiges Lächeln breitete sich auf seinen Gesichtszügen aus.

„Mir ist nicht nach Sex mit dir.“, meinte der Schwarzhaarige kurz angebunden.

„Ich muss zugeben, das kränkt mich ziemlich, aber ich hab was Besseres in Petto.“, sagte er und jetzt horchte Veith überrascht auf.

Etwas Besseres als Sex – und das aus Sarons Mund?

Erwartungsvoll blickte er den Vampir an.
 

„Die Jäger haben was Besonderes ins Netz bekommen.“, sagte er und rückte an ihn heran. „Einen Engel.“

Ungläubig sah Veith in Sarons Augen. „Ein Engel. In der Hölle.“, meinte er trocken, „Von was für einen Club möchtest du mich gerade überzeugen? Heaven’s Hell?“

Der Dämon verdrehte die Augen. „Veith, glaub mir. Die haben einen Engel. Einen echten Engel. Und heute Nacht führen sie ihn vor.“

Veith sah sein Gegenüber an und erkannte, dass er nichts im Schilde führte, sondern ausnahmsweise die Wahrheit sagte.
 

Ein Engel?

Ein wahrer, wahrhaftiger Engel?
 

Sein Herz pochte bei dem Gedanken, so etwas Einzigartiges zu Gesicht zu bekommen und seine Hände begannen von einem Moment auf den anderen heftig zu schwitzen.

Er wusste natürlich wie ein Engel aussah – es gab tausende Huren, die sich so verkleideten um unschuldig und rein zu wirken und es war ebenfalls nicht das erste Mal, dass ein Engel in der Hölle landete.

Tatsächlich fielen zurzeit recht viele in Ungnade Gottes, soweit er das hörte oder in den Erinnerungen seiner Kunden sah, während er ihnen Träume machte.

Aber es war der erste Engel den Veith mit eigenen Augen sehen würde und das machte die Sache so besonders.

Saron lächelte zufrieden, als er den Gesichtsausdruck des Incubus sah.

„Überrascht mich, dass du es noch nicht erfahren hast, die Nachricht hat sich schneller verbreitet als jede Geschlechtskrankheit.“, meinte er. „Die Plätze um das Podium herum können wir vergessen, bei dem Andrang. Aber die Dächer sind immer noch gut genug, wenn wir jetzt sofort gehen, könnten wir uns noch was ergattern.“
 

Der schwarzhaarige Dämon nickte und sie standen auf. Im Gegensatz zu Saron ließ Veith dem Wirt eine Münze da – wofür er sich einen irritierten Blick von selbigem einfing.

Die wenigsten Gäste zahlten ehrlich für ihren Rausch, meistens bekam der Wirt sein Geld daher, dass er die Leichen der Dämonen ausnahm, die in seinem Gasthaus von anderen Kunden auf manchmal mehr manchmal weniger kreative Weise getötet worden waren.

Aber der junge Incubus war von Glück und Aufregung durchflutet. Er fühlte sich leicht, als ob ihn nichts und niemand einsperren könnte.

Als ob dieser Engel alles bedeuten würde und ohne seine Anwesenheit an diesem verkommenen Platz jedwede Handlung bedeutungslos sein würde.

Ein Engel.

Ein wahrer, wahrhaftiger Engel.



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