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Der Himmel muss warten

von

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Geh, wenn du willst

78) Geh, wenn du willst
 

Mit einer Flasche Whiskey und zwei Gläsern kam er wieder. Er stellte sie auf den Tisch, füllte sie und schob eins davon zu Sam.

„Du wusstest nicht, dass du noch töten kannst?“, fragte er ruhig. Er musste das alles erst mal in einer ruhigen Minute verarbeiten.

„Nein. Ich dachte, dass ich diese Fähigkeit durch meinen Entzug verloren hätte. Aber ich, wenn ich darüber nachgedacht hätte, hätte mir eigentlich bewusst sein müssen, dass sie, dass sie mit Forcas’ Blut hätte wiederkommen könnten.“

Bobby starrte in die goldene Flüssigkeit in seinem Glas.

„Ich liebe ihn, Bobby“, ließ sich Sam leise verlauten, „aber ich solange ich in seiner Nähe bin, scheine ich ihm nur weh zu tun. Ich bin nicht gut für ihn. Ich mache ihm immer nur Schwierigkeiten.“

„Und was willst du tun, Sam? Gehen?“, wurde der alte Jäger laut.

„Ich weiß es nicht. Was, wenn ich ihn beim nächsten Mal sofort töte?“ Er kippte den Whiskey hinunter. „Ich weiß ja nicht mal, ob ich jetzt nicht schon ganze Arbeit geleistet habe.“

„Also gibst du auf!“

„Solange ich noch dieses Dämonenzeug in mir habe, bin ich eine Gefahr für ihn!“

„Und es ist einfacher aus der Ferne zu töten, als dabei zuzusehen? Verdammt noch mal, Sam, reiß dich endlich zusammen! Du hast schon immer den einfacheren Weg gewählt, anstatt dich deiner Dämonen zu stellen! Immer wenn es schwierig wurde bist du abgehauen! Was denkst du, wie Dean sich fühlen wird, wenn du weg bist, wenn er aufwacht?“

Sam schluckte. „Ich bin gegangen, als ich Dean habe so strahlen gesehen. Ich dachte, dass mir die frische Luft gut tun würde. Ich war so weit weg und habe ihm trotzdem das angetan. Was meinst du denn, was passiert wäre, wenn ich neben ihm gestanden hätte?“

„Dann hättest du gesehen, was du ihm antust und sofort aufgehört!“

„Du hast mehr Vertrauen zu mir als ich selbst!“, sagte der Jüngere resigniert. „Ich weiß wirklich nicht was ich tun werde, Bobby. Aber solange Dean in diesem Zustand ist, werde ich auf jeden Fall bleiben. Das bin ich ihm schuldig.“

„Du benimmst dich wie ein bockiges Kind“, brummte der Jäger in seinen Bart und goss sich noch ein Glas ein. Sam war schon aufgestanden und auf dem Weg in den Keller. Trotzdem hatte er es gehört.

Es tat weh. Alles, was der Ältere ihm gesagt hatte, tat weh. Aber er wollte nicht mehr dabei zusehen müssen, wie sich sein großer Bruder für ihn opferte. Er wollte nicht mehr, dass Dean litt, und das ging scheinbar nur, wenn er nicht bei ihm war. Hatte er das Thema nicht erst vor wenigen Tage mit Dean diskutiert, nur das damals die Vorzeichen genau anders herum standen und Dean gehen wollte?

Was sollte er denn jetzt tun? Er liebte Dean und er wollte ihn glücklich sehen. Gleichzeitig wollte er ihm aber auch nicht mehr wehtun, doch das schien nur möglich zu sein, wenn er seine dunkle Seite endlich in den Griff bekam, oder auslöschte. Und bis dahin…

Nein, er wusste wirklich nicht, was er tun sollte, doch darüber nachzudenken hatte er ja noch Zeit. Zuerst einmal musste Dean wieder gesund werden. Vielleicht sollte er mit Anna reden. Sie schien ihm trotz allem noch neutral gegenüber zu stehen.
 

Sam atmete noch einmal tief durch, bevor er den Panikraum betrat.

Es hatte sich nicht viel verändert. Die Infusionen waren weiter durchgelaufen und es lagen mehr Federn auf dem Boden.

Ein eisiger Schauer rann über seinen Rücken, als er daran dachte, was mit seinem Bruder gerade geschah und er fragte sich, wie lange Dean wohl noch so leiden müsste. Hoffentlich ging es ihm bald besser.

Langsam trat er an das Bett seines Bruders und strich die Decke glatt. Irrte er sich, oder waren Krankenhausbetten nicht eigentlich viel schmaler? Hatte Castiel das Bett breiter gemacht?

Wie stand der Engel wirklich zu seinem Bruder? War er tatsächlich nur ein Freund?

Energisch schüttelte Sam diesen Gedanken ab, der schon wieder die Wut ihn aufsteigen ließ. Dean war sein Partner, Freund, Geliebter und er war ihm treu, so wie er ihm treu war. Und nichts und niemand würde das ändern, egal wer wie für ihn empfand!

Genau diese Gedanken war es doch, die Dean in diese Lage gebracht hatte. Nie wieder wollte er an Deans Gefühlen und an seiner Treue zweifeln! Warum tat er das überhaupt? Dean hatte ihm nie einen Grund dafür gegeben. Einzig der Typ in dem Supermarkt hatte etwas in der Richtung gesagt! Aber warum sprang er so darauf an? Wütend auf sich schob er den Gedanken beiseite.

„Ich liebe dich!“, flüsterte er leise und strich Dean zärtlich über die Wange.

Sein Bruder fühlte sich wärmer an, als noch in der Hütte. Er ging zum Waschbecken und holte einen feuchten Lappen um seinem Engel etwas Kühlung zu bringen.
 

Die Tage vergingen.

Castiel patrouillierte die meiste Zeit irgendwo um das Haus, doch er hatte es hervorragend abgeschirmt. Er konnte zwar hin und wieder die Anwesenheit von Engeln spüren, doch keiner kam ihnen zu nahe.

Sam war, nach seinem Gespräch mit Bobby, zurück in den Panikraum gekommen und diesem seit dem nur zweimal von Deans Seite gewichen. Er hatte die ganze Zeit neben dem Bett gesessen und seine Hand gehalten. Er hatte ihm den Schweiß vom Körper gewaschen und kaum das die Infusionen leer gelaufen waren neue angehängt. Er hatte auf ihn eingeredet, ihm Geschichten erzählt und sinnlose Worte ins Ohr geflüstert, nur um ihm zu zeigen, dass er nicht allein war.

Nur mit Mühe und auch dann nur wenn es gar nicht mehr ging, war er von Deans Seite zu vertreiben gewesen, aber selbst dann legte er sich maximal auf die schmale Pritsche an der Wand.

Und doch konnte er nicht verhindern, dass es seinem Bruder immer schlechter ging.

Deans Temperatur stieg langsam aber stetig. Die Schmerzen, die Michael empfand, hatten schon bald auch auf Dean übergegriffen und gruben tiefen Rinnen in sein Gesicht. Seine Atmung wurde immer schleppender und sein Herz raste. Immer wieder und immer länger krampfte der Blonde.

Wie jeden Morgen brachte Anna Dr. Cara Marshall in den singer’schen Panikraum. Aber auch sie konnte nicht viel ausrichten, um die stetige Verschlechterung seines Zustandes aufzuhalten.
 

Ein weiterer Tag neigte sich unbemerkt dem Ende zu.

Routiniert wusch Sam den Schweiß von Deans heißem Körper. Wenn die Ärztin das nächste Mal kam, würde er sie um ein fiebersenkendes Mittel bitten. So konnte es nicht weiter gehen. Sein Bruder war kurz davor innerlich regelrecht zu verbrennen.

Er brachte die Schüssel samt Lappen weg und hängte noch eine neue Infusion an, bevor er sich wieder auf seinen Stuhl fallen ließ und Dean Hand in seine nahm.

Zärtlich strich er ihm mit der Rechten über Wange, Hals und Schulter.

„Ich liebe dich, Dean! Es tut mir so leid, was ich dir angetan habe und ich könnte verstehen, wenn du mich jetzt hassen würdest. Aber ich weiß, du wirst irgendwann aufwachen und mir alles vergeben und verzeihen, so wie du es immer wieder getan hast. Aber ich kann mir das nicht verzeihen, Dean! Ich weiß nicht, wie ich mit dem Wissen leben kann. Ich habe dir das angetan, wovor ich dich zu schützen mir geschworen hatte. Wie konnte ich nur?

Nichts was ich tun kann, wird das wieder ungeschehen machen können! Ich würde dir diese Schmerzen so gerne abnehmen! Immerhin bin ich ja dafür verantwortlich“, verzweifelt holte Sam Luft.

Traurig und voller Selbstvorwürfe blickte er auf die Flügel, die er so sehr liebte. Jetzt sah sein Bruder eher wie ein gerupftes Huhn aus. Nur noch wenige Federn waren geblieben und so sehr Anna und Castiel auch jedes Mal suchten, bis jetzt hatten sie noch nicht das kleinste Anzeichen für das Wachstum von neuen Federn gefunden.
 

Plötzlich verkrampfte sich der Blonde so komplett, dass ihm selbst das Atmen kaum noch gelang.

Leise, schmerzerfüllte Laute verließen ununterbrochen seine Lippen.

Sam japste erschrocken, als sich dabei auch Deans Hand so fest schloss, dass er den Eindruck hatte, seine Finger wären in einem Schraubstock gefangen.

Anna erstarrte kurz und hetzte dann aus dem Raum. Sam schaffte es seine Hand zu befreien. Er setzte sich auf das Bett und zog Dean in seine Arme. Vorsichtig, um ihm nicht noch mehr weh zu tun, bettete er dessen Kopf an seine Brust.

Immer wieder strich er ihm sanft über den Rücken, doch Deans Zustand schien sich nur weiter zu verschlechtern.
 

Anna stand bei der Ärztin im Schlafzimmer.

Dr. Cara Marshall prallte erschrocken zurück als sie in den Raum kam. Sie wollte gerade ins Bett gehen.

„Schnell!“, sagte die Rothaarige nur und schon hatte sie der Frau ihre Finger an die Stirn gelegt.
 

Auch Castiel war in den Keller gekommen. Er konnte Deans Kampf spüren und er fühlte dass es mehr als nur ernst war. Er prallte fast mit Anna und der Ärztin zusammen.

Bobby wollte ebenfalls gerade wieder in seinen Panikraum gehen, um Sam etwas zu essen zu bringen.

So standen die vier nun gemeinsam an der Tür und hörten, was Sam seinem Bruder sagte.

„Ich weiß, dass du es hasst einen Kampf zu verlieren, Dean, und ich weiß, dass du alles tun würdest, um mich zu schützen, aber ich bitte dich, hör auf, dich noch länger zu quälen. Gib auf, wenn du nicht mehr kannst. Geh! Wir schaffen das hier schon. Ruh dich aus. Geh in das große schwarze Nichts, dass du dir immer gewünscht hast. Bitte Dean. Du weißt, dass das besser ist als der Himmel“, sprach Sam mit ruhiger Stimme.

„Wir kämpfen weiter, Dean. Du hast mehr getan, als je ein Mensch oder Engel vor dir!“ Der jüngere Winchester drückte seinem Bruder einen Kuss auf die Stirn und ließ ihn dann wieder auf seine Brust gleiten.

Sam hatte so lange darüber nachgedacht, seinem Bruder das zu sagen und er hatte auch noch immer Angst davor, was passieren würde, wenn Dean wirklich sterben würde, deshalb hatte er den Gedanken immer wieder weit von sich geschoben. Er hatte befürchtet kein Wort heraus bekommen zu können, wenn er ihm das sagen würde, doch zusehen zu müssen, wie sein Bruder sich mit jedem Tag mehr quälte, hatte es ihm letztendlich leicht gemacht, ihm dieses Angebot zu unterbreiten. Er war sich nicht mal sicher, ob sein Großer ihn überhaupt gehört hatte und er wusste auch, dass Dean trotzdem weiter kämpfen würde, aber er wollte, dass der wusste, dass er ihm nicht böse wäre, wenn er aufgab. Niemand hätte das so lange durchstehen können.

Castiel sah das wohl anders. Er drängte die Ärztin in den Raum und bedeutete den jüngeren Winchester sofort aus dem Bett zu kommen. Kaum stand Sam auf seinen Beinen, riss Castiel ihn auch schon vom Bett weg und fuhr ihn wütend an.

„Für wen hältst du dich? Du gibst ihm die Erlaubnis zu gehen? Du hast nicht das Recht über unser aller Leben zu entscheiden. Du bis der Letzte, der hier irgendetwas entscheiden darf!“

„Sieh ihn dir doch an! Du behauptest sein Freund zu sein und willst, dass er weiter leidet?

Oh ich vergaß, du hast ja zugesehen, als sie ihn in der Hölle dreißig Jahre lang so sehr gequält hatten, bis er es nicht mehr aushielt und aufgab. Hat es dir Spaß gemacht zu sehen, wie er brach? War es besser als das, was jetzt mit ihm passiert? Blutiger? Schmerzhafter? Unterhaltsamer?“

Der Engel schlug mit aller Kraft zu. Beinahe ungebremst prallte Sam gegen die Wand. Seine Nase brach mit einem unschönen Knirschen und er ging zu Boden.

„Kümmere dich um ihn!“, forderte Anna die Ärztin leise auf und deutete auf Dean, während sie sich neben ihren Bruder stellte.

„Oh gütiger Gott“, keuchte Cara erschrocken.

„Er ist alles andere als gütig“, nuschelte Sam wütend in ihre Richtung und kämpfte sich wieder auf die Beine. Blut lief aus seiner Nase und tropfte auf sein Shirt. Er wischte es ungerührt weg und trat dem Engel wieder entgegen.

„Hast du genug oder willst du noch mal zuschlagen? Immerhin könnte ich mich ja wehren. Dean kann es nicht!“

Castiel spannte sich an. Seine Hände schlossen sich zu Fäusten.

„Du weißt was mit ihm geschieht. Wie kannst du ihn weiter so leiden sehen wollen?“, wollte Sam wütend wissen.

„Ich wäre mit Freuden bereit, seine Schmerzen zu tragen!“

„Ja, aber du würdest ihm auch jede Erlösung verweigern!“

„Es geht um unser aller Leben, Sam! Wann begreifst du das endlich! Du wirst in der Hölle landen und mit uns werden sie das Gleiche machen wie mit ihm!“

„Ich bin dafür verantwortlich was mit ihm passiert und ich weiß, dass ich in die Hölle komme, wenn er stirbt. Ich habe es verdient! Du bist aber auch nicht ganz unschuldig daran. Ein paar Worte der Erklärung, als du ihn zurück gebracht hattest und nichts wäre passiert! Aber du bist ja sofort wieder verschwunden.“

„Ich bezweifle, dass es etwas gebracht hätte, dir zu erklären, was mit ihm war!“

„Vielleicht hast du Recht. Aber du hast es noch nicht einmal versucht!“

„Ich brauche hier Hilfe!“, schaltete sich Dr. Marshall und unterbrach die Kampfhähne.

Sofort wandte sich Castiel ihr zu und sie dachte an all die Dinge, die sie brauchen würde.
 

Anna überbrückte die Distanz zu Sam und legte ihm zwei Finger an die Stirn. Schnell war seine Nase geheilt.

„Bitte Sam, gib ihm und uns noch einen Tag.“

„Ich will nicht, dass er sich noch eine Minute länger quälen muss“, beharrte Sam stur, „aber er wird wie immer seinen Kopf durchsetzen!“ Resigniert zuckte er mit den Schultern und verließ, zum ersten Mal seit dem Gespräch mit Bobby den Keller für längere Zeit. Er würde noch früh genug sehen, was sie sich ausgedacht hatten um Dean noch länger in seiner eigenen Folterkammer zu halten.



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