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Der Himmel muss warten

von

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Georgetown, South Carolina

XXIII) Georgetown, South Carolina
 

„Ich hab mit Bobby telefoniert“, warf Sam leise ein.

Dean schaute zu Sam. „Und?“

„Ich hab ihm das mit dem Jäger und Belial erzählt. Er wollte mit Ellen reden, damit sie die Jäger warnen kann.“

„Gut!“

Wieder schaute der Ältere zu seinem kleinen Bruder. Der hatte doch noch mehr auf der Seele.

Immer wieder holte Sam Luft um einen Satz zu beginnen und immer wieder atmete er nach einer Weile wieder aus. Die richtigen Worte wollten ihm einfach nicht einfallen. Gab es die überhaupt?

„Und? Das war es doch nicht, was du mir mit dieser Einleitung erzählen wolltest“, forschte Dean nach.

„Nein! Ich …“, wieder holte der Größere tief Luft. „Ich habe ihn gefragt, was er über verseuchte Seelen weiß, über menschliche Seelen überhaupt. Ob es da etwas gibt, wie die sein sollen oder so.“

‚Oh Gott! Was hatte Bobby geantwortet?’, schoss es dem Blonden durch den Kopf. Hatte Bobby sein Wissen preisgegeben?

Dean dachte zurück.

Nach Sams Entzug hatte er den älteren Freund gemieden. Er hatte Angst, dass das, was er in Bobby immer gesehen hatte, was zwischen ihnen war, einfach nicht mehr sein würde, jetzt wo sie keine richtigen Menschen mehr waren. Er hatte Sam und sich von einem Dämonen zum nächsten gehetzt, von einer Stadt in die nächste. So überlaufen wie die Erde mit dem Höllenpack war, war quasi in jedem Ort mit mehr als zwanzig Häusern mindestens einer zu finden. Sie hatten keine Strategie und keine Idee, wie sie vorgehen sollten. Er wollte nur so viele wie möglich so schnell wie möglich beseitigen um aus diesem Leben verschwinden zu können. Und er hatte sie in mehr als eine brenzlige Situation gebracht. Doch er wollte mit seinen Kamikazeaktionen weitermachen und wies jeden guten Rat von sich. Und Sammy war viel zu sehr auf Dean angewiesen, um seinem Bruder Einhalt gebieten zu können.

Dann hatte Bobby Probleme mit einer Horde Succubi. Die zogen wie ein Heuschreckenschwarm durchs Land und fielen marodierend über die Orte her. Wenn sie weiterzogen waren die Friedhöfe um etliche Gräber reicher.

Obwohl er eigentlich nicht mehr aktiv ins Geschehen eingreifen wollte, hatte Bobby den Fall übernommen. Es war aber auch viel zu viel zu tun und jeder Jäger, den er kannte, steckte bis zum Hals in eigenen Fällen.

Das alles hatte der Ältere Dean am Telefon erzählt, als er sie bat ihm zu helfen.

Der Winchester konnte nicht ablehnen. Also fuhren die Brüder, jeder für sich mit einem riesigen schlechten Gewissen, zu ihm.

Bobby hatte nicht weiter nachgefragt, obwohl er gespürt haben musste, wie zurückhaltend, ja schon fast abweisend, sie waren. Und dafür war er ihm noch immer mehr als dankbar.

Der Fall war schwierig gewesen und wäre zum Schluss fast in die Hose gegangen.

Sam war von der Macht der Dämonen vollkommen lahmgelegt worden. Er hatte ihn mit einem gezielten Schlag betäuben müssen.

Bobby hing, von der Kraft von zwei Succubi, an die Wand gepresst, und auch er hatte schon einiges einstecken müssen.

Hilflos hatte Dean auf die einzigen beiden Menschen geschaut, die ihm auf der Welt wirklich etwas bedeuteten. Er hatte sich fest vorgenommen gehabt, dass er seine Kräfte vor Bobby nicht gebrauchen würde, doch dann hätten sie diesen Kampf verloren und Sam wäre endgültig verloren gewesen.

Mit einem wütenden Knurren hatte er sich aufgerichtet und die Dämonen mittels seiner Kräfte vernichtet.

Schweigend hatten sie Sam danach zum Motel gebracht und waren, nachdem er ihn geheilt hatte, zum Schrottplatz gefahren.

In der Nacht hatten sich seine Kräfte mit den üblichen schmerzhaften Krämpfen regeneriert. Bobby war die ganze Zeit an seiner Seite gewesen, also hatte er ihm am nächsten Morgen die Hälfte seiner Misere gebeichtet, hatte ihm erzählt, dass Sams Seele vergiftet war und er nicht zulassen konnte, dass sein kleiner Bruder in die Hölle müsste, wenn er sterben sollte. Und er hatte ihm erklärt, dass er deshalb die Kräfte, die Castiel ihm gegeben hatte um Luzifer wieder zu verbannen, behalten hätte. Er hatte nichts davon erzählt, dass er ein Erzengel war, genau wie Sam. Und auch nichts davon, dass das alles eine Intrige von Zacharias gewesen war.

Danach hatte er schon fast ängstlich von seinem Kaffee aufgesehen. Er hatte erwartet, dass Bobby ihn angeekelt anschauen, denn genauso empfand er sich selbst, und sie rauswerfen würde.

Wie wenig Vertrauen er doch in die Menschheit im Allgemeinen und Bobby im Speziellen hatte!

Nichts davon war passiert!

Bobby hatte ihn voller Verständnis angeschaut und gesagt: „Du bist für Sam in die Hölle gegangen, Junge. Warum solltest du ihn jetzt seinem Schicksal überlassen?“

„Aber…“, hatte er gestammelt.

„Wenn du dich gegen Sam entschieden hättest, dann hätte ich dich rausgeworfen! Du hast Luzifer gebannt und die Welt gerettet. Du hast die Apokalypse verhindert, Dean! Also hör auf, dich selbst zu verachten!“

„Ich kann nicht….“ hatte er leise geantwortet.

Und er konnte sich auch heute noch nicht wirklich verzeihen.

Sie hatten nie wieder darüber gesprochen. Ihr Verhältnis war wieder zu dem geworden, was es schon immer war.

Er wusste nicht, ob er es verkraften könnte, wenn Bobby sich jetzt doch noch von ihm abwenden würde, schließlich hatte er ihn belogen! Der alte Freund war außer Sam der einzige Mensch, den er noch an sich heran ließ. Selbst das Verhältnis zu Jo und Ellen hatte sich merklich abgekühlt, aber er wollte es auch nicht anders. Cas hatte sein Versprechen gehalten und die beiden Frauen zurückgeholt. Er hatte ihr Gedächtnis „bereinigt“ und sie wussten nichts mehr von der Aktion in Carthage, Missouri. Dean hatte ein bisschen Angst davor, dass ihr Anblick die verschütteten Erinnerungen doch noch zum Vorschein bringen könnte.
 

„Dean?“, fragte Sam und legte seinem Bruder eine Hand auf den Arm.

Der Blonde zuckte zusammen.

„Was?“, fragte er verwirrt.

„Ich versuch … geht’s dir nicht gut? Hast Du noch Schmerzen?“

„Mir geht’s gut!“

„Ich kann auch fahren. Dann kannst du dich ausruhen.“

„Nein, ich bin okay.“

„Das seh ich!“, sagte der Jüngere und deutete auf Deans Hände, die aussahen als wolle er das Lenkrad in Atome spalten oder wenigstens mit genügend Druck zu Diamanten pressen.

„Fahr rechts ran.“

Mühsam lockerte der Blonde seine Hände und tat wie ihm geheißen.

„Rutsch rüber, ich fahre.“

Dean nickte ergeben und wechselte mit Sam den Platz.

„Was hast du?“, wollte der Jüngere erneut wissen, nachdem er sich wieder in den fließenden Verkehr eingeordnet hatte.

„Nichts, ich … ich bin wohl doch noch nicht so fit“, griff er letztendlich doch die Ausrede auf, die Sam ihm geboten hatte.

„Versuch zu schlafen. Wir haben noch ein paar Stunden.“

„Was hat Bobby rausgefunden?“, wollte er wissen und machte es sich auf dem Beifahrersitz so gemütlich wie möglich.

„Nicht viel. Er sagte, dass er nicht wüsste, wie eine Seele für einen Menschen sein sollte und dass er auch von verseuchten Seelen keine Ahnung hätte und auch nicht wüsste, ob ein Engel anders als durch Inbesitznahme des Wirtskörpers in einem Menschen leben könnte.“

„Also bist du nicht wirklich weiter gekommen?“

Nein, bin ich nicht. Dabei hatte ich gehofft, dass ich dir helfen könnte.“

„Wieso mir?“

„Na ja, wohl eher mir, wenn ich meine Seele irgendwie reinigen könnte?“

„Das schaffen wir schon. Sobald die Anzahl der Dämonen hier auf der Erde auf ihr normales Maß gesunken ist, oder darunter, wird deine Seele wieder rein sein!“

„Und dann?“

„Was und dann?“

„Was geschieht dann mit uns?“

„Keine Ahnung, Sammy. Vielleicht bedankt sich ja Gott höchstpersönlich bei uns?“

„Dean!“

„Was? Ich weiß nicht was du willst, das passieren soll. Ich hoffe einfach auf Erlösung von diesem Leben!“

„Du willst sterben?“, fragte der Jüngere entsetzt.

„Ich … keine Ahnung was ich will, Sammy. Ich will nicht mehr in diesem Körper sein, mit diesen Erinnerungen, dem Wissen, was ich angerichtet habe, hier oben und in der Hölle und … Ich …“, er wollte seinen Kleinen auf keinen Fall ängstigen. Er wollte auf keinen Fall noch so ein Jahr erleben, wie das vor seinem „Urlaub“ in der Hölle, egal wie lange dieses Jahr dieses Mal dauern würde. Für die Wahrheit wäre auch später noch Zeit.

„Wovon träumst du, wenn … Was würdest du dir wünschen, wenn du einen Wunsch frei hast?“, lenkte Sam, der heute scheinbar jedes von Deans Gefühlen richtig deuten konnte, das Thema auf ein unverfänglicheres Gebiet.

„Ein richtiges Leben.“

„Haus, Frau, zweieinhalb Kinder und einen langweiligen Job?“, grinste der Jüngere ungläubig.

„Wenn das das normale Leben ist? Ja. Vor allem die zweieinhalb Kinder!“

„Die obere oder die untere Hälfte?“

„Was?“

„Dein halbes Kind.“

„Die Linke“, sagte er, gähnte und schloss die Augen.

Sam lächelte und ließ Dean in Ruhe. Sein Bruder hatte wohl mal wieder den Starken gemimt.

Ob Dean wirklich sterben wollte? Er hatte noch nie über das Danach nachgedacht. Er hatte sich angewöhnt nur noch den Moment zu leben und war einfach immer weiter gegangen.

Wahrscheinlich hatte sein Engel Recht. Es gab für sie nur dieses Leben und sie würden nie wissen, was normal war. Würden sie danach endlich die Erlösung finden? Wie die wohl aussah?

Weiße Wolken, ein dünnes Nachthemdchen, eine Harfe und ganz viel Manna? Oder diese Engel wie aus dieser Frischkäsewerbung?

Nein, er sollte besser nicht darüber nachdenken. Das brachte nichts. Aber er hoffte, dass es für Dean da eine Entschädigung für seine Höllenjahre geben würde, wie auch immer die aussehen könnte, verdient hatte er es auf jeden Fall!
 

Zwei Stunden vor Georgetown hielt er zum Tanken an und da auch Dean wach war, gingen sie im benachbarten Diner etwas essen. Danach fuhr Dean das letzte Stück und Sam nahm sich das Internet vor. Vielleicht fand er noch einige Phänomene oder Omen, die auf Belial hindeuteten.
 

Missmutig und schweigend trottete der Blonde hinter seinem Bruder her.

Sam warf immer wieder mal einen Blick über die Schulter auf den Kleineren und schüttelte den Kopf.

Sein Bruder war wieder zu dem wortkargen … maulfaul traf es ja wohl eher, grinste Sam …, verschlossenen Wesen geworden, das er seit Luzifers Verbannung war. Die letzten Tage im Motel waren wohl nur eine wunderschöne Ausnahme gewesen!?! Wie gerne wollte er seinen alten Dean wiederhaben!

Mit dem Impala hatten sie sich, nachdem sie angekommen waren, den Stadtteil einmal im Groben angesehen und sich dann darauf geeinigt, die Straßen zu Fuß abzulaufen und jeden nach Belial zu fragen, der ihnen über den Weg lief. Außerdem wollten sie nach Schwefel und toten Pflanzen Ausschau halten.

Okay, er hatte es vorgeschlagen und sein großer Bruder hatte nur genickt.

Am ersten Tag hatte Dean noch bei jedem Passanten sein professionelles Lächeln aufgesetzt, wenn Sam die immer gleiche Geschichte erzählte. „Wir suchen unseren Freund. Er hat uns angerufen und sagte, dass er in Schwierigkeiten stecke. Er wollte sich wieder melden, doch das hat er nicht. Sein Handy haben wir hier das letzte Mal geortet.“

„Woher sollen wir ihren Freund denn kennen?“, war die meistgestellte Frage darauf gewesen.

„Sie würden sich an ihn erinnern. Er hat leuchtend blaue Augen.“

„Nein, so jemanden haben wir nicht gesehen.“

Wieder und wieder die gleichen Fragen und dieselben Antworten.

Hin und wieder hatte Dean sogar ein Wort mit in die Unterhaltung eingestreut.

Am zweiten Tag hatte der es nur noch zu einem Lächeln geschafft und seit gestern kam auch das nicht mal mehr.

Wenn er mit einem Passanten sprach blieb der Blonde einen Schritt hinter ihm stehen und wartete und wenn er sich verabschiedet hatte, dann trottete er weiter, einen oder zwei Schritte hinter ihm her.

Hatte Dean am ersten Abend wenigstens noch über seine schmerzenden Füße gestöhnt, wäre Sam jetzt schon mit einer Silbe zufrieden gewesen. Doch selbst wenn sie zum Essen in ein Diner gingen blieb Dean sprachlos in seinen Gedanken versunken.

Sam konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass sein Bruder im Energiesparmodus lief. Wachsam genug um eingreifen zu können, wenn etwas ungewöhnlich passieren sollte, aber weit genug weg um sich nicht ständig über die Situation aufregen zu müssen.
 

Hier würden sie nichts finden, da war sich Dean sicher. Es gab keine Omen, keine plötzlich abgestorbene Pflanzen, keinen Schwefel, nichts absolut nichts, das auf einen hochrangigen Dämon schließen lassen könnte. Aber sie mussten es versuchen und Sam würde nicht aufgeben, bevor er nicht alles geprüft hatte.

Auch Sam bezweifelte seine Suchergebnisse inzwischen deutlich, aber sie mussten es trotzdem versuchen.

Heute blieben noch drei Straßen und morgen die große Chaussee, die den Stadtteil umschloss.



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