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Der Himmel muss warten

von

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Der falsche Gebrauch von Weihwasser

XV) Der falsche Gebrauch von Weihwasser
 

Ein Aufschrei ließ Sam seine Augen ruckartig wieder öffnen. Er schaute sich um. Sie waren wieder in dem hässlichen Motelzimmer aus dem ihn der Dämon vor Stunden entführt hatte. Hier allerdings schien nicht viel Zeit vergangen zu sein. Das Pärchen hockte noch immer eng umschlungen auf dem Boden.

Dean stand schwerfällig auf und zog seinen kleinen Bruder mit auf die Beine. Er quälte sich mit leisem Stöhnen, was seinem kleinen Bruder zum Glück entging, aus seiner Jacke und reichte sie Sam. „Zieh an!“, sagte er und wartete, bis der Jüngere in die Jacke geschlüpft war.

„Leg dich aufs Bett, ich muss mich noch um deine anderen Verletzungen kümmern“, sagte er dann ruhig.

Sam nickte und tat wie ihm geheißen.

Angewidert zog er die Nase kraus als ihm der Geruch der Matratze in die Nase stieg. ‚Da war ja der Geruch nach verbrannten Fleisch vorhin fast angenehm’, überlegte er.

Vorsichtig trat der Blonde neben ihn und er musterte ihn fragend. Dean bewegte sich komisch. Doch schon waren dessen Hände über ihm und ließen dieses warme Kribbeln in seinem Körper entstehen, das immer da war, wenn der ihn heilte und er schloss genießend die Augen.

Aber er durfte nicht genießen! Er durfte sich nicht entspannen. Er hatte Blut getrunken.
 

„Hast du Weihwasser?“, fragte er seinen Bruder, nachdem der fertig war und er sich langsam und stöhnend wieder aufsetzte. Die Schmerzen waren noch zu frisch in seiner Erinnerung und er schien sie noch immer zu spüren.

„Warum?“

„Hast du?“

Dean nickte leicht, griff in die Innentasche seiner Jacke und holte die Flasche heraus. Warum er die noch immer mit sich herumtrug wusste er selbst nicht. Sie brauchten das Weihwasser nicht mehr, aber irgendwie gehörte dieses Gewicht in seine Jacke und er würde sich ohne das nackt fühlen. Genau wie ohne das vertraute Gefühl des Messers an seinem Knöchel und des Talismans um seinen Hals. Es war schon schlimm genug, als Castiel den eine ganze Zeit gehabt hatte.

„Was ...“ fragte er etwas verspätet. Doch Sam antwortete nicht. Er stand auf und verschwand im Bad, bevor Dean reagieren konnte.

„Sam?“

Die Tür schlug knallend ins Schloss und die drei im Zimmer Gebliebenen hörten wie der Schlüssel gedreht wurde.

Der Blonde kam etwas unsicher auf die Beine und stürzte zur Tür.

„Sam! Mach auf!“, rief er und hämmerte dagegen.

Er konnte würgende Geräusche in dem Raum dahinter hören.

„Sammy, bitte!“

„Lass! Mich!“, kam es dumpf zurück und dann war wieder nur das Würgen zu hören.

Dean resignierte. Ihm war übel und sein ganzer Körper schmerzte. Er wollte sich eigentlich nur noch hinlegen und schlafen. Aber bestimmt nicht hier!

Mit dem Rücken lehnte er sich gegen die Tür und rutschte langsam daran herab.

Er konnte Sams körperliche Wunden heilen, er konnte Sams Leben retten und vielleicht konnte er ihn irgendwann auch wieder seelisch halten. Aber im Moment wollte der wohl nichts von ihm wissen.

Sam war nicht böse! Aber wie konnte er ihm das klar machen? Sam war irgendwie ein Dämon, aber er war nicht böse. Sam war noch immer sein Sammy und NICHT böse.

„Wer bist du?“, riss ihn das Mädchen aus seinen trüben Grübeleien. Er schaute sie fragend an.

„Ihr kommt hier her und befreit uns von … Dämonen?“, sie schaute fragend zu ihrem Freund. „Dann taucht ein komischer Typ mit roten Augen auf und verschwindet mit dem, der jetzt im Bad hockt wieder und kaum bis du hier im Raum verschwindest du auch. Gibt’s hier ein schwarzes Loch? Deine Hände leuchten! WAS bist du?“

Dean musterte die beiden. Sie waren so leicht zu lesen. Verwirrt, verängstig, aufsässig. Aber eigentlich wollten sie nur akzeptiert werden. Ohne Sam wäre er vielleicht genauso geworden.

Er erhob sich leise ächzend und trat vor die beiden.

„Heute bin ich euer Schutzengel!“, antwortete er mit ruhiger, fester Stimme.

„So was gibt es nicht!“, blaffte der junge Mann.

Dean entfaltete seine Flügel: „So, gibt es nicht?!?“

Sie starrten ihn erschrocken an.

„Fahrt nach Hause! Ihr seid in einen Krieg geraten, der nicht eurer ist. Entschuldigt euch bei euren Eltern, macht die Schule fertig und sucht euch einen Job von dem ihr leben könnt! Heute war ich da! Ob ich ein anderes Mal erreichbar bin bezweifle ich!“

„Du hast gesagt, dass du unser Schutzengel bist!“, maulte die Kleine.

„Heute ja, aber sonst ist er mein Job“, sagte Dean leise und deutete dabei auf die Tür, „und er füllt mich vollkommen aus!“

Der Blonde erstarrte. Leises, unterdrücktes Stöhnen drang an sein Ohr.

„Verdammt, Sam! Mach die Tür auf!“, fluchte Dean und wandte sich von den beiden ab. Er legte die Hand an die Tür, und ohne dass er sich anstrengen musste flog sie auf.

„Sammy!“, keuchte er erschrocken und stürzte zu seinem Bruder. Er ließ sich neben ihm auf die Knie sinken und zog den Jüngeren an sich.

„Davon, dass du Weihwasser trinkst, wird es auch nicht besser! Wir müssen jetzt eben ein paar mehr Dämonen töten, bis du wieder du bist“, tadelte er leise und strich seinem Bruder die nassen Haare aus der Stirn.

„Du bist das Intelligenteste, was ich kenne, aber das war eine so blöde Idee, auf die wäre nicht mal ich gekommen.“ Sofort ließ er seine Hände wieder heilend über den Körper seines Bruders gleiten.

Unwirsch schob Sam die Hände zur Seite.

Mit einem leisen Seufzen steckte der Blonde die Flasche wieder in die Innentasche seiner Jacke und strich dabei sanft über Sams Bauch.

„Sie war eh leer“, lächelte Sam schief.

„Ich glaube wir sollten mal darüber reden, dass sich Austreibungen bei dir zum Fetisch zu entwickeln scheinen. Erst der Jäger und dann trinkst du freiwillig Weihwasser.“

„Einen Versuch war es wert“, krächzte Sam.

„Ist es so toll von mir geheilt zu werden?“

„Dann bist du für mich da.“

„Ich bin immer für dich da!“

„Ich weiß aber ich liebe deinen Gesichtsausdruck, wenn du dich so auf meine Heilung konzentrierst." Sam wollte lachen, aber seine Kehle brannte noch von dem Weihwasser, und so kam nur ein jämmerliches Krächzen heraus.

„Das war nicht lustig Sammy. Außerdem sind lahme Witze mein Spezialgebiet.“

„Dean ich … ich schäme mich so. Du bist immer für mich da und ich bau immer wieder Scheiße.“

„Hör auf dich schlecht zu machen, Sammy.“

„Aber wenn ich nicht wäre …“

„Das hatten wir doch schon. Hör auf damit, es bringt nichts und jetzt lass uns hier verschwinden.“

Sam schloss die Augen und genoss für einen Augenblick das Gefühl von Dean gehalten zu werden. Dann nickte er.

Der Blonde arbeitete sich unter dem Jüngeren hervor und stand leise ächzend auf. Dann half er Sam auf die Füße.

Das Pärchen hatten sie beide vollkommen aus ihrem Bewusstsein verdrängt.

„Komm her kleiner Bruder und schließ die Augen.“

Sam kuschelte sich an den Blonden.
 

Viel zu schnell hatte er wieder festen Boden unter den Füßen und wurde aus der Umarmung entlassen.

Er schaute sich um.

Sie schienen wieder auf der Rückseite des Diners gelandet sein.

Fragend schaute er zu seinem Bruder. Dean war blass und als er sich umdrehte, sah Sam wie er das Gesicht verzog. Dean musste Schmerzen haben.

„Dean?“ fragte Sam besorgt doch der Blonde reagierte nicht. Natürlich reagierte er nicht. Stur stakste er steif zu seinem Wagen. Er schloss die Beifahrertür auf, ging um die Motorhaube herum und ließ sich mit einem leisen Stöhnen auf den Sitz fallen.

Als Sam eingestiegen war startete er den Wagen und rollte vom Platz.

Sam musterte den Älteren eine Weile. Dean hatte definitiv Schmerzen und würde es wie üblich nicht zugeben. Der Jüngere grinste leicht. Manches änderte sich eben doch nicht.
 

„Dean?“ fragte er leise und freute sich, dass seine Stimme so kratzig klang, wie sie es sollte. Gut, ihm ging es auch noch nicht wieder prächtig. Ein Tag Ruhe würde ihnen beiden gut tun. Belial konnten sie dann immer noch jagen. Mal abgesehen davon, bezweifelte er inzwischen, dass der überhaupt da gewesen war.

„Sammy?“ Der Blonde schaute besorgt zu seinem Beifahrer.

„Können wir uns ein Zimmer suchen? Ich … Mir …“

„Hab ich was übersehen? Tut dir noch was weh?“

„Nein, ich fühl mich einfach nur noch nicht so gut. Mein Kopf brummt und … Ich hätte gerne noch ein bisschen Ruhe“, sagte er. ‚Verdammt Dean? Warum meinst du eigentlich schon wieder DU hättest einen Fehler gemacht? Ich hab deine Hände weggeschoben bevor du fertig warst! Und die Schmerzen, die ich habe, WILL ich fühlen. Stell dir das mal vor! Auch ich will Schmerzen haben! Mir geht es eigentlich viel zu gut, für das was ich getan habe. Nicht blendend und ich möchte mich auch nicht mit einem weiteren Dämon anlegen müssen, aber ja, ich bin soweit okay! Du allerdings nicht’, fluchte Sam in Gedanken und war froh, dass sie sich gegenseitig versprochen hatten, die Gedanken des anderen nicht zu lesen und wochenlang miteinander geübt hatten, bis sie sich auch wirklich voreinander abschotten konnten.

„Im nächsten Ort halte ich an.“

„Danke.“
 

„Hast du Hunger?“, fragte der Blonde und deutete auf ein Hinweisschild, das verkündete, dass es fünf Meilen weiter ein Diner gab.

Etwas in Deans Stimme lies den Jüngern aufhorchen.

„Nein, du?“, beeilte er sich zu antworten. Er hoffte, dass sie schnell ein Motel fanden. Dean umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Fingerknöchel schon ganz weiß waren, und er war blass. Schweißtropfen perlten über seine Schläfe.

Der Blonde schüttelte nur kurz mit dem Kopf: „Hatte vor zwei Stunden Frühstück!“

„Das hat dich doch sonst nicht vom Essen abgehalten.“

„Kann ich nicht auch einfach mal keinen Hunger haben?“, knurrte der Blonde und rutschte kurz auf seinem Sitz herum, nur um gleich wieder in starrer Haltung zu gefrieren.

Sam biss sich auf die Zunge. ‚Nur nichts sagen!’
 

Der Impala rollte auf den Parkplatz eines Motels, das, zumindest von außen, einen ansprechenden Eindruck machte. Sam sprang regelrecht aus dem Wagen und war mit seinen langen Beinen schon fast an der Rezeption angekommen, bevor Dean den Motor ausgeschaltet hatte. Dankbar ließ er den Kopf auf das Lenkrad fallen. Warum konnte er Sam nicht einfach sagen, dass es ihm beschissen ging? Sein Rücken brannte und er hatte das ungute Gefühl, das Shirt hätte sich in seine Haut gefressen. Sam hatte es mit Sicherheit gemerkt. Aber er war der große Bruder. Er durfte keine Schwäche zeigen. Er war für Sammy verantwortlich. Jetzt vielleicht noch mehr als je zuvor.

Sam verließ die Anmeldung und kam auf den Impala zu.

Der Blonde holte tief Luft, ignorierte das Brennen seines Rückens, das ihm Übelkeit verursachte und hievte sich aus seinem Sitz. Langsam stakste er zum Kofferraum und schloss ihn auf. Der Jüngere griff nach den Taschen und ging schon ein paar Schritte in Richtung ihres Zimmers.

Dean schloss den Kofferraum.

„Hey, wo bleibst du?“, fragte Sam, der sich zu ihm umgedreht hatte und warf ihm seine Tasche zu.

Er fing sie auf.

Ein Ruck ging durch seinen Körper. Der Schmerz stach in seine Rippen, explodierte in seinem Gehirn und ließ seine Sicht verschwimmen. Mit einem leisen Keuchen ging er in die Knie.

Sofort stand Sam neben ihm und zog ihn in die Arme. Wortlos nahm er ihm die Tasche ab und wartete bis Dean versuchte, sich mit einem zerknirschten „Danke“ von seinem Bruder loszumachen. Doch der Jüngere schob ihm seinen Arm um die Schultern und stützte ihn bis in ihr Zimmer.

Der Blonde wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken. So hilflos hatte er sich schon ewig nicht mehr gefühlt und Sams Schweigen machte es noch schlimmer. Wenn er ihn angebrüllt, ihm Vorwürfe gemacht hätte, damit hätte er umgehen können, aber dieser stummen Hilfe hatte er nichts entgegen zu setzten. Er raffte all seinen Stolz zusammen und wehrte sich gegen Sams Druck, ihn zum Bett schieben zu wollen. Schwerfällig ließ er sich auf den Stuhl fallen. Er traute sich nicht einmal, Sam in die Augen zu schauen.

„Wo?“, fragte der Jüngere nur.

„Rücken“, knirschte er heiser, machte aber keine Anstalten sich ausziehen zu wollen.

Sanft schob Sam ihm das Hemd von den Schultern. Doch als er es wegziehen wollte sog der Blonde die Luft geräuschvoll durch die Nase. Der Jüngere hielt inne.

„Rechts oder links?“

„Links“

„Willst du nicht wenigstens unsere altbewährte Johnny-Walker-Narkose?“

Der Blonde schüttelte nur stur den Kopf.



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