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Behind the Scenes

von

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Act 3 Scene 9: Never forget

Vor schmerzen leise stöhnend lies Kiriyan sich auf einen Stuhl fallen, rieb sich die geschwollenen Waden und den Knöchel durch die Stiefel hindurch. Das Training war momentan einfach nur die Hölle, doch konnte sie nicht wirklich sagen, wieso es so viel schwerer war als sonst. Momentan freute sich die Otokoyaku, wenn sie mal fünf Minuten sitzen konnte, woraufhin sie ihre schmerzenden Beine nur noch mehr spürte. Asako war seit neustem ein ziemlicher Sklaventreiber, wenn nicht noch schlimmer, wesshalb sie froh war, dass dies vorerst der letzte Trainingstag vor der Premiere von Elisabeth war. Noch immer konnte sie ihren Finger nicht so ganz auf das legen, was da mit ihrer Freundin passiert war an jenem Abend. Osa war nur ziemlich niedergeschlagen, mit geschwollenen Augen und einer leicht roten Wange zurückgekommen, wobei sie kein Wort darüber verloren hatte, was sich da in Asako's Wohnung abgespielt hatte, selbst nach intensiver Befragung durch Gaichi. Es war aber offensichtlich, dass es für beide Frauen fatal gewesen sein muss. Asako hatte tagelang kein Wort gesprochen, nicht einmal beim Training, und ging allem aus den Weg wenn sie nicht gezwungen war mit den entsprechenden Personen zu interagieren. Das hieß bis zu dem Tag, an dem der Direktor mit einem kleinen Paket zu ihr kam. Kiriyan hatte nur im Augenwinkel zugesehen, denn noch immer traute sie sich nicht an ihren Top Star heran, aber sie sah nur zu deutlich den Ring, den Asako aus einer kleinen Box zog. Ein bildschöner obendrein. Die Otokoyaku hatte eine halbe Ewigkeit damit verbracht den Ring an zu starren und seither hatte der Tsukigumi-Vice sie nie mehr ohne gesehen. Allerdings war sie seither strenger denn je, besonders wenn es um ihre Rolle ging. Sie lebte die Rolle des Todes aus in einer Art und Weise, die seinesgleichen suchte. Auch, wenn sie Asako einmal ausserhalb des Trainings sah, was sich zu einer Rarität entwickelt hatte, waren die Bewegungen, die sie in ihrer Rolle hatte zu deutlich sichtbar. Sie wirkte, als würde sie den ganzen Tag auf der Bühne stehen, verhielt sich auch so. Für ihre Mitschauspielerinnen war es vielleicht nicht sichtbar, aber Kiriyan sah genau, wie sehr Asako sich mit ihrem Lächeln ab zu quälen schien und obwohl sie sich bemühte lag immer eine gewisse Kälte darin. Zu gerne wäre die Otokoyaku zu ihrer Freundin gegangen, hätte sie aufgemuntert, wenn sie mal wieder alleine mit ihrem Script in der Hand in der Ecke saß, den roten Trainingsmantel, den sie als Tod in einer Szene trug, über die Schultern geworfen. Dann aber hatte sie in dieser Saison nicht umsonst intern den Titel 'Eiskönig' eingehandelt. Sie handelte oftmals ungerecht, zog ihre Ziele, die sie für die Tage gesetzt hatte, gnadenlos durch, selbst wenn es hieß, dass die jungen Schauspielerinnen, die noch völlig neu in Tsukigumi waren, bis tief in die Nacht bleiben mussten, was eigentlich unüblich war, und stellte sich gegen so viele der Entscheidungen der Direktoren und Produzenten. Elisabeth in den Grundstrukturen war fest in Stein gemeißelt, jedoch waren es die Details, die jede Aufführung einzigartig machten. Da Ayami, die vorherige Top-Star Musumeyaku, nach dem vorragegangenem Stück ausgestiegen war, Kiriyan war sich sicher, dass Asako auch da ihre Finger mit im Spiel gehabt hatte, hatte der Tsukigumi-Top-Star eine ganze Woche lang damit verbracht sich jede der Musumeyaku einzeln an zu sehen und hatte sich die passendste ausgesucht. Zwar fand Kiriyan, dass Asako eine durchaus bessere Wahl hätte treffen können, aber was wohl den Ausschlag gegeben hatte war, dass diese Musumeyaku bereit war auch auf der Bühne in der letzten Szene vor Asako auf die Knie zu gehen. Eigentlich ungewöhnlich, denn die Beziehung zwischen dem Tod und Elisabeth sollte ursprünglich nicht als die von Herr und Dienerin dargestellt werden. Gerade wegen Asako's harter Hand kamen sie dann aber doch sehr viel scheller als gedacht vorran, wesshalb die Direktoren ein Auge zudrückten und die Otokoyaku einfach ihr Ding hatten tun lassen. Ihr Ego verschlimmerte es nur, aber Kiriyan befand sich nicht in der Position um zu widersprechen.

„Na schon aufgeregt?“

Mirio hatte sich zu ihr gesetzt, sah sie mit müden Augen an. Die junge Otokoyaku hatte es mitunter am schlimmsten erwischt, denn Asako lies meist einen Teil ihrer schlechten Laune an ihr aus. Sie hatte Augenringe und lächelte etwas gequält.

„Aufgeregt weniger. Eher müde. Was ist mit dir? Freust du dich schon auf deinen großen Auftritt?"

Mirio lachte etwas.

„So groß, wie er halt ist, nicht?"

Masao hatte mit noch zwei anderen Otokoyaku die Rolle des Rudolph bekommen, ebenso die einer der Ungaren. Normalerweise wurden die Rotationsrollen von nicht mehr als zwei Personen besetzt, sodass sie sich abwechselten, aber Asako hatte sich schließlich zu einer dreifachen Rotationsrolle durchgesetzt. Ein in ihren Augen ziemlich unsinniges Unterfangen, denn das bedeutete nur noch mehr Arbeit für sie und ganz Tsukigumi als sie sowieso schon mit einem so berühmten Stück hatten. Obendrein hatte Mirio die Hauptrolle in der Shinji Kouen-Produktion bekommen, was für sie nur noch mehr Arbeit bedeutet hatte.

„Ach mach dir mal keinen Kopf. Du wirst toll." Kiriyan wurde ein wenig leiser, sodass die anderen nicht mithören konnten. „Wie läufts mit Mirio?"

„Wenn ich sie mal zu Gesicht bekomme, gut." Masao seufzte ein wenig, kratzte sich an der Wange.

„Wieso?"

„Asako trainiert mit ihr bis zum Umfallen. Ihr Tag besteht momentan nur aus Training, Abendessen und Schlafen."

„Ich glaub so geht's uns alles momentan."

Kiriyan sah hinüber zu ihrem Top Star, die gedankenverloren zu der Gruppe von Musumeyaku sah, die gerade um Masao herumtänzelten und noch ein letztes Mal für Masao's Lied probten, strich dabei geistesabwesend über den schwarzen Stein, der in ihren Ring, den sie am rechten Zeigefinger trug, eingelassen war. Näher hatte Kiriyan jenen Ring nur auf den Fotos gesehen, die für die Poster gemacht worden waren. Asako hatte es verstanden dieses winzige Detail aufs äußerste in Szene zu setzen, denn das Design ihres Todes war mehr als ausserordendlich schön. Es unterstrich so ziemlich alles, was Asako ausmachte.
 

Während der vergangenen Wochen hatte es Saeko dann doch tatsächlich geschafft mal wieder die Nächte in ihren eigenen vier Wänden zu verbringen, auch wenn sie es noch nicht so ganz ins Bett an sich geschafft hatte. Zwischenzeitlich hatte sie die Bettdecken gehörig ausschütteln müssen, da sich aufgrund ihrer Abwesenheit schon Staub darin gesammelt hatte. Gerade rollte sich die ehemalige Otokoyaku auf die Seite, stöhnte dabei einmal leicht. Zwar schlief sie auf der Couch und sie war so breit, dass es locker ein Bett hätte sein können, hieß aber nicht, dass sie sonderlich bequem war, im Gegenteil. Sie hatte oftmals Rückenschmerzen, wenn sie mal wieder in dieser verdammten Lücke gelegen hatte und ihr Nacken fühlte sich an wie Stein. Nur langsam zog sie sich unter der Bettdecke vor, streckte sich einmal, woraufhin ihre Muskeln unter der plötzlichen Last schmerzten. Sie musste einfach irgendwann mal wieder versuchen in ihrem Bett zu schlafen, aber jedes Mal, wenn sie es versuchte fühlte es sich so falsch an. Nicht nur, dass etwas fehlte auf der für sie viel zu großen Matratze, ihre Träume verzerrten sich. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass sie immer noch denselben Alptraum hatte, sie sah auch im Wachzustand, wie sich das ganze entwickelte. Saeko konnte ohne Probleme von Zuhause aus arbeiten, wesshalb sie die Wohnung nur verlies, wenn sie ihre Schwester oder Gaichi besuchte oder wenn sie einen wirklich wichtigen Termin hatte, was eigentlich nur aus Interviews und eventuellen Gastauftritten zusammensetzte. Obwohl Saeko nicht mehr offiziell in Takarazuka war, war sie noch recht gefragt als Markensymbol. Was in Takarazuka ablief wusste sie nur aus Telefonaten mit Kiriyan und/oder Yuuhi.

Sie warf einen Blick auf die Uhr. Sie hatte schon wieder den ganzen Mittag verschlafen. Schöner Mist. Da sie es vorzog Nachts zu arbeiten ging sie meist um die Vormittagszeit ins Bett und schlief bis Abends, obwohl sie sich vorgenommen hatte ihre Schlafangewohnheiten zu ändern, insbesondere, da die Elisabeth-Premiere anstand und sie diese unbedingt sehen wollte anstatt sie zu verschlafen. Es war vielleicht ihre einzige Möglichkeit Asako nochmal zu sehen, da sie den Top Star seit Monaten nicht zu Gesicht bekommen hatte. Von Chika hatte sie auch schon lange nichts mehr gehört, aber sie hoffte, dass der Yukigumi-Star ihre Freundin in Frieden lies. Wenn diese sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann nahm das meist ein unschönes Ende.

Ihr Telefon klingelte und Saeko fuhr auf. Wer konnte das denn schon wieder sein? Stöhnend erhob sich der Top Star und fischte nach dem Telefon, nahm ab.

„Ja?"

„Guten Abend, Schlafmütze."

„Guten Abend, Osa."

Saeko grinste schief. Sie wusste nicht wieso, aber seit neustem verstand sie sich wunderbar mit dem ehemaligen Top-Star, besonders nachdem sie so viele Fehlstarts hatten. Nicht zuletzt hatte wohl Gaichi den Auslöser dazu gegeben, dass sie ziemlich viel Zeit mit der ehemaligen Hanagumi-Darstellerin verbrachte. Gaichi, oftmals behindert durch Asako, schob einiges an Überstunden und war kaum zuhause, also vertrieben sich die zwei Frauen meist die Zeit miteinander. Ausserdem hielt Saeko Osa über Asako am laufen, da Osa durch ihre Rolle am Theater nicht wirklich die Zeit fand um lang und breit mit Yuuhi und Kiriyan zu telefonieren so wie Saeko es zu tun pflegte. Ausserdem mussten die zwei Vice nicht immer alles zwei Mal erzählen, besonders, da die gemeinsamen Abende der Gruppe recht selten geworden waren seit Asako Kiriyan so intensiv beanspruchte.

„Endlich ausgeschlafen? Ich hab heute Mittag schon versucht dich an zu rufen."

„Tut mir leid. Ich habs wohl einfach nicht gehört."

„Hab ich gemerkt." Ein kurzes Lachen. „Hör mal ich habe die Karten heute bekommen."

„Und?"

„Nicht ganz der Platz, den ich haben wollte, aber immerhin oben auf einem der Balkone."

„Na das ist doch gut. Und dafür musstest du mich unbedingt anrufen?"

„Eigentlich wollte ich fragen ob du dir sicher bist."

„Ich hab es versprochen. Natürlich geh ich hin. Erwarte aber nicht, dass ich mit zur Aftershowparty gehe."

„Ich glaube nicht, dass da irgendeiner hingeht. Kiriyan wird froh sein, wen sie ihr Bett sieht und so wie ich gehört habe geht es ganz Tsukigumi nicht anders."

Saeko seufzte etwas. Seine Leute so dermaßen aus zu beuten war eigentlich nicht richtig aber was sollte sie schon großartig sagen? Sie warf erneut einen Blick auf die Uhr.

„Ich bräuchte noch was zum Anziehen. Kommst du mit?“

„Wenn du gewillt bist mich ab zu holen ja."

„Ist dein Auto noch immer kaputt?"

„Ja. Diese Volltrottel bekommen es einfach nicht auf die Reihe und Gaichi hat das zweite."

„Ist sie denn immer noch arbeiten?"

„So kurz vor der Premiere? Natürlich. Du kennst sie doch."

„Ja aber das muss ja nichts heißen. Wann schläft die Frau eigentlich?"

„Frag ich mich auch. Vielleicht ist sie ja mutiert."

Kurze Stille an beiden Enden ehe sie anfingen zu lachen.
 

Kaum, dass das Training zuende war packte der Tsukigumi-Star ihre Sachen, warf nochmal einen Blick in den Raum. Sie war mit Ausnahme der Produzenten die letzte im Raum gewesen, wobei sie noch Kiriyan und Mirio in einer Ecke stehen sah, Wortfetzen von Glückwünschen mitbekam und kurze Abschiedsgrüße. Es machte sie krank alle so künstlich gut gelaunt zu sehen, aber es konnte ihr eigentlich völlig egal sein. Inzwischen hatte Asako gelernt für sich zu bleiben.

„Sena?", rief der Choreograph und Asako sah zu diesem, sagte aber nichts. „Denk bitte daran morgen ein wenig früher da zu sein wegen..."

Asako schnitt ihm das Wort ab indem sie die Hand hob.

„Ich weis. Ich werde nicht zu spät sein. Guten Abend."

Ohne eine großartige Verbeugung verlies sie den Raum, schulterte dabei ihre Tasche und zupfte ihre Jacke etwas zurecht. Wie war sie froh, wenn das ganze Theater endlich vorbei war. Die Proben hatten sich in ihren Augen unnötig in die Länge gezogen, denn sie hatten schon sehr viel früher als geplant alles einstudiert und geprobt gehabt.

„Würdest du endlich aufhören mir auf die Beine zu starren?", fragte Asako laut und drehte sich einmal auf dem Absatz, sah zu Natsuki, die ihr noch immer gefolgt war. Dachte der Yukigumi-Star tatsächlich, dass sie nicht gemerkt hatte, dass sie schon den ganzen Tag von ihr verfolgt wurde? Irgendwann im Lauf des Tages war Natsuki in den Probenraum der Tsukigumis gekommen, was für eine Menge Aufruhr gesorgt hatte, aber der Top Star hatte ihre Rivalin gekonnt ignoriert.

„Verzeihung. Aber sie sind einfach zu verführerisch."

„Charmant. Was willst du? Du rennst mir schon seit Tagen wie ein Stalker hinterher."

„So? Nun wenn du nicht zu mir kommst, dann muss ich halt wieder zu dir." Asako sah zu, wie der Yukigumi-Star sich vor sie stellte und sie einmal anlächelte. „Du fehlst mir, mein Liebling."

„Ich komme, wann es mir passt."

„Du hast noch ein Versprechen ein zu lösen."

„Ich sagte doch, dass ich komme, wann mir es passt. Du bekommst deine Nacht noch, keine Sorge. Aber ich bezweifle, dass du desswegen hier bist."

„Richtig." Natsuki lächelte etwas und strich ihr über den Oberarm. „Ich habe die Bilder von dir als Tod gesehen und ich muss sagen... wahnsinn. Es gefällt mir sogar noch besser als das Kleid."

Am liebsten hätte Asako sie wohl geschlagen.

„Soll heißen?"

„Wie wäre es, wenn du im Kostüm zu mir kommst? Ich kann mir gut vorstellen, dass dich das nicht stören würde."

Asako knurrte etwas, als Natsuki sie ohne Erlaubis anfasste, aber hielt sich zurück, sah der Nixe stattdessen in die Augen, da sie ihr inzwischen auf wenige Zentimeter nahe gekommen war. Ausserdem konnte sie ihr nicht wirklich widersprechen, denn sie hatte ja noch ihr Versprechen gut zu machen. Glücklicherweise war 'eine unvergessliche Nacht' ein recht weit gefasster Begriff und der Tsukigumi-Star bezweifelte, dass sie und der Yukigumi-Star die selbe Vorstellung davon hatten. Unvergesslich würde sie Chika diese Nacht sicherlich machen. Den Top Stars war es erlaubt nach der Premiere oder dem letzten Auftritt einige der Kostüme für ihr eigenes Vergnügen zu behalten, wobei Asako sich nicht so sicher war, ob selbiges auch für die Perücken galt. Aber etwas Überzeugungskraft würde das ganze schon richte.

„Ich seh mal, was sich machen lässt."

„Schön. Wir sehen uns dann."

Natsuki ging an ihr vorbei und kaum hatte sie die Nixe im Rücken lächelte Asako kalt.

„Ich kann es kaum erwarten."
 

Die Elisabeth-Premiere kam dann doch schneller als sie alle gedacht hatten. Saeko hatte sich für die Nacht bei Osa und Gaichi einquartiert und die drei Frauen machten sich für den großen Auftritt Tsukigumis fertig, auch wenn Yuuhi noch immer nicht aufgetaucht war. Osa hatte sich seit langem mal wieder in einen Anzug gezwängt, dank verlorener Wette, bei der es um ein Glas Milkshake gegangen war, und Gaichi, die die Wette ebenfalls verloren hatte, war in einem passendem Kleid.

„Ich versteh immer noch nicht, wieso er gerade lila sein muss", jammerte Osa, die sich einmal ausgiebig im Spiegel betrachtete. Sie hatte die Haare zurückgebunden und teils hochgesteckt, sodass sie vergleichsweise kurz wirkten. Zu dem tieflila Anzug trug sie ein weißes Hemd und eine schwarze Kravatte, wobei ihr das ganze Outfit nicht einmal schlecht stand. Gaichi schien da sehr viel mehr Probleme zu haben. Die Ältere war ihre Hosenanzüge gewohnt, hatte vergleichsweise wenig Erfahrung mit den dünneren Absätzen und torkelte einmal durch die Wohnung. Das Kleid, dass Saeko ihr aufgezwungen hatte, war asymetrisch geschnitten, aber ebenso lila wie Osa's Anzug und mit Pajetten besetzt. Es war einfach zu ersehen, dass Osa lieber das Kleid getragen hätte. Seit die ehemalige Otokoyaku aus Takarazuka ausgestiegen war, war sie furchtbar weiblich geworden.

„Frag mich mal. Ich kann in den Dingern kaum laufen", fluchte Saeko's beste Freundin und Saeko lachte einmal.

„Selbst schuld. Ist nicht so, dass ich euch nicht gewarnt hätte."

„Hab doch nicht wissen können, dass du das wirklich schaffst."

„Ich habs halt immer noch drauf." Auch Saeko trat vor den Spiegel, steckte sich die restlichen Haarsträhnen aus dem Gesicht und betrachtete sich ausgiebig. Sie hatte ein weinrotes, am Rücken tief ausgeschnittenes Kleid, dass an der Hüfte etwas hochgerüscht war und einen angenehmen Blick auf ihre Beine freigab, ohne jedoch zu viel Haut zu zeigen. Dazu hatte sie ihr altes Collier herausgekramt, in dem einige Rubine eingesetzt waren.

„Du hast gut reden. Immerhin siehst du fantastisch aus."

„Danke."

Saeko lächelte Gaichi im Spiegel an, kontrollierte nochmals ihr Make-Up. Sie konnte kaum glauben, dass sie sich da selbst im Spiegel sah. Sie wirkte mit diesem Make-up, insbesondere aber wegen diesem Kleid so furchtbar anders. Nichtmal Asako würde sie so erkennen können. Saeko sah auf den Boden. Asako würde sie sowieso nicht sehe können, das liesen ihre Plätze einfach nicht zu. Sie kannte diesen Platz genau, denn sie hatte schon einige von Tsukigumi's Auftritten dort verbracht. Sie waren eigentlich für die Mitglieder des Fanclubs reserviert, denn die höherrangigen Mitglieder hatten gewisse Vorrechte, doch dieser eine, fast winzige Balkon direkt an der Bühne wurde immer frei gemacht, wenn Top Stars, ehemalige Top Stars oder Vice eine Vorstellung sehen wollten. Für die Top Stars wurden alternativ auch gerne mal Plätze ganz vorne geräumt, aber diesen Luxus hatten sie schon lange nicht mehr. Sie war jedoch zufrieden überhaupt bei dem Auftritt dabei sein zu können.

„Heyg, sagte Osa mit einem Mal und legte ihr eine Hand auf die nackte Schulter. „Das wird schon. Mach dir mal keinen Kopf."

Saeko lächelte nur etwas, doch sie sah zur Tür als jemand hineinstolperte und auf dem Boden landete.

„Dir auch guten Abend, Yuuhi", sagte Gaichi scherzhaft und warf einen Blick auf die Uhr, die sie an einer kleinen Silberkette um ihr Handgelenk trug. „Du bist ziemlich spät."

„Probe lief ziemlich blöd. Hast du..."

„Schlafzimmer."

„Danke."

Saeko sah zu, wie der Soragumi-Vice ins Schlafzimmer stolperte und kicherte etwas.

„Gut, dass du den Anzug abgeholt hastg, sagte Saeko und Gaichi grinste etwas bösartig, wesshalb der ehemalige Tsukigumi-Star etwas die Augenbraue hob. „Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?"

„Ich hab nicht vor die einzige zu sein, die hier im Partnerlook geht."

„...Du bist ein Biest."
 

Hinter der Bühne war alles schon im vollen Gang. Kiriyan wurde jetzt schon zum bestimmt fünften oder sechsten Mal von A nach B gescheucht. Sei es wegen ihrem Kostüm, ihren Haaren, die Schuhe, die merkwürdigerweise so viel enger schienen als sonst, den Requisiten oder sonst etwas. Sie konnte sich nicht erinnern jemals vor einer Premiere so viel Stress gehabt zu haben.

„ Kiriyan?" Der Tsukigumi-Vice drehte sich um, blinzelte etwas als Masao vor ihr stand. „Du hast glaub ich meine Schuhe."

„Was?" Kiri sah auf ihre Stiefel, zog einen davon aus und sah unter die Sohle, während sie auf einem Fuß balancierte. Unter der Schuhsole war immer direkt am Übergang von Sohle und Absatz eine kleine Nummer, die den Schauspielerinnen verriet, wem welcher Schuh gehörte, denn sie alle waren Maßgeschneidert. Jede Schauspielerin hatte ihre feste Nummer, sodass selbst wenn sie in einer anderen Troupe spielten keine Verwechslung aufkommen konnte.

„Oh tatsächlich."

Schnell entfernte Kiri auch den zweiten, wobei sie dann erst merkte wie eng diese Dinger eigentlich waren. Wie war sie da vorhin nur reingekommen in der Eile?

„Danke", murmelte die Rudolph-Schauspielerin. Sie sah wirklich süß aus in der blauen Uniform, aber sie wirkte etwas niedergeschlagen.

„Ist was, Masao?"

„N-nein. Ich..." Die junge Frau seufzte etwas. „Asako hat mich vorhin angeschrien, dass ich zu spät war. Sie ist echt gruselig als Tod."

„Ich finde sie sieht eher zum knuddeln aus."

„Das hab ich gehört."

Fast wäre Kiriyan auf der Stelle aufgesprungen und hätte geschrieen vor Schreck, aber sie fuhr nur einmal kurz zusammen. Das hatte ihr noch gefehlt. Wie schaffte es Asako eigentlich überall gleichzeitig zu sein? Da dachte man mal, man stände nicht im wachsamen Blickfeld des Top Stars und im nächsten Moment stand sie hinter einem. Sie hatte eindeutig zu viel von Saeko. Nur langsam drehte sie sich um, sah Asako einmal nervös lächelnd an. Sie sah tatsächlich mehr als fantastisch aus. Noch hatte sie die Federn nicht auf dem Rücken, aber das nahm ihr nicht diese fast übermenschliche Schönheit, die sie gerade in diesem Outfit hatte. Die silberfarbenen, langen Locken waren durchzogen von roten Strähnchen, wobei die Haare an einer Seite des Kopfes nach hinten geflochten war. Ihre Maskenbildner überraschten sie immer wieder aufs neue, denn sie könnte schwören, dass es Asako's echten Haare waren. Ihre Haarpracht und das damit verbundene, durch das Make-up unterstützte bleiche Aussehen der Tsukigumi-Darstellerin stand im völligem Kontrast zu dem schwarzen Mantel, dessen aufgesticktes Muster schwarz glänzte und wie kleine Wassertropfen wirkte. Sie sah alles andere als amüsiert aus, aber das war in den letzten Tagen zum Dauerzustand geworden.

„Dir auch guten Abend..." Kiriyan beäugte ihre Freundin einmal ausgiebig. „Wow. Der Mantel ist echt schön."

„Ich bin nicht hier um mich anstarren zu lassen. Mikrophonprobe. Jetzt. Genug Beleidigung, dass ich mich darum kümmern muss. Und Masao. Wenn du zu spät kommst, dann rechne mit den Konsequenzen und leb damit anstatt rum zu heulen."

„Ja Sena", murmelte die jüngere und lief an Asako vorbei in Richtung Technik. Kiriyan seufzte.

„Musst du sie so hart rannehmen?“

„Sie ist kein Kind mehr. Konzentrier du dich lieber auf deine eigene Rolle. Vermassel es mir nicht.“

Damit zog die Tod-Darstellerin auch schon wieder von dannen und Kiriyan sah ihr, noch immer nur in Socken, nach. Hoffendlich stieg ihr diese Rolle nicht allzusehr zu Kopf. Schon jetzt handelte sie, als hätte sie alles in jeden unter Kontrolle. Alles hatte zu laufen wie sie es wollte, egal wie. Das konnte einfach nicht gut sein.
 

„War das echt nötig?" Yuuhi zupfte an dem weinroten Anzug herum, hatte einen leichten Rotstich auf den Wangen. Gaichi hatte ihr passend zu Saeko's Kleid einen Anzug geholt, sodass sie fast so aussahen als hätten sie einen Päärchenabend. „Kiriyan wird das gar nicht gefallen."

„Kiri ist eingeweiht. Sie fand die Idee lustig", sagte Gaichi nur und lachte, ebenso wie Osa. Yuuhi schnaubte etwas. War ja klar, dass ihre Freundin da mit drin steckte. Ihr war klar, dass Kiriyan nicht bei ihnen sein konnte bis spät nach der Show, denn Asako als Top Star und Kiriyan als deren Vice waren noch an einem Aftershowdinner beteiligt. Eine formell aufgezwungene Zurschaustellung der wichtigsten Leute in Tsukigumi. Yuuhi konnte da ein Lied von singen. Sie waren alle nur immer froh, wenn sie von dort flüchten konnten.

„Das wird sie mir noch büßen."

„Na das hoffe ich doch."

Der Rotton auf Yuuhi's Wangen wurde nur stärker. Sie wusste genau, was Gaichi damit unterschwellig meinte, sprach es aber nicht weiter aus. Saeko stand mit einem Mal bei ihr, hatte sich ihren Arm gepackt und lächelte verführerisch. Der ehemalige Tsukigumi-Star sah wirklich fantastisch aus in dem Kleid.

„Machen wir das beste draus. Und wenn die zwei mal nicht hinsehen, dann hauen wir einfach ab, okay?“

„Hm. Glaubst du wir sollten ihnen nicht wenigstens noch den Autoschlüssel wegnehmen, damit sie einmal durch die Stadt müssen?"

Die beiden Frauen sprachen extra laut und grinsten, als sie Osa's entsetztes Gesicht sahen.

„Das würdet ihr nicht..:"

„Mal sehn. Gehen wir besser. Sonst kommen wir zu spät."
 

Da sie mal ausnahmsweise im Kleid war hatte Saeko Gaichi dazu überreden können dieses Mal Osa ans Steuer zu lassen anstatt selbst zu fahren. Zwar war die ehemalige Senka immer etwas pingelig, wenn es um ihr Auto ging, aber sah es dann doch ein, dass sie in den ungewohnten Stoffstücken und den Absatzschuhen nicht wirklich fahrtüchtig war. Glücklicherweise waren sie genau so losgefahren, dass sie der Rush-Hour gerade so entkamen, sonst hätten sie es wohl nie rechtzeitig zum Theater geschafft. Die Türen waren noch nicht geöffnet, aber es war unhöflich erst kurz vor knapp ein zu trudeln, insbesondere, da sie ein Grüppchen vergleichsweise berühmter Personen waren. Gerade Yuuhi war sehr gefragt nach der Ankündigung, dass sie in ein paar Wochen der nächste Soragumi-Top-Star sein würde. Als sie vor dem Gebäude standen hielten sich die Fans, die sie dann doch notgedrungen erkannten, sehr zurück als sie merkten, dass die Gruppe lieber für sich bleiben würde.

„Hätte nicht gedacht, dass das so einfach ist", sagte Saeko und sah sich einmal in der Masse um. Gaichi hatte sich bei Osa eingehakt, warf ebenfalls einen Blick in die Runde. „Ich bin schon davon ausgegangen, dass wir den Hintereingang verwenden müssen."

„Es ist unhöflich einfach so auf einen zu zu gehen, nur weil man ihn erkennt. Ausserdem wissen selbst die Fans, dass wir unsere Ruhe wollen."

„Na wen haben wir denn da? Hätte nicht gedacht euch hier an zu treffen."

Oh nein bitte nicht. Saeko wiederstand dem Zwang, sich die Handfläche vor die Stirn zu schlagen. Das hatte noch gefehlt, doch der ehemalige Top Star lächelte höflich. Im Augenwinkel sah sie nur, wie Gaichi sich genervt wegdrehte. Und Saeko hatte schon gedacht, dass Gaichi den Yukigumi-Star nicht noch mehr hassen konnte. Sie bewies anderes.

„Guten Abend Chika. Was führt dich her?“

„Das Selbe wie euch nehme ich an. Ich will mir das Stück ansehen. Ich habe gehört Sena sieht fabelhaft aus."

„Ich kenne nur die Poster, aber ja. Es steht ihr sehr gut."

„Apropos. Schönes Kleid. Und obendrein im Partnerlook." Saeko entschied sich die zweite, mehr als deutlich provokant gemeinte Aussage zu ignorieren.

„Danke. Es ist mir aber neu, dass du auch ausserhalb deiner Troupe grün trägst."

Chika trug einen tiefgrünen Anzug, auf dem einige kleine Steine auf dem Kragen aufgestickt waren, ganz eines Top Stars würdig.

„Ich dachte ich putze mich etwas heraus. Und da ich als Vertretung für Yukigumi hier bin dachte ich mir, wieso nicht?“

„Du hattest den Anzug beim Abschlusstanz in Elisabeth an.“

„Du hast das Stück gesehen?“

„Nein. Aber du hast mir den Anzug schon vor Monaten unter die Nase gehalten und mir gesagt, dass er aus dem Stück ist.“

Chika tat für einen Moment, als müsste sie nachdenken, lächelte dann aber wieder.

„Ich hoffe dann, wir sehen uns drinnen. Wo sitzt ihr?“

„Loge."

„Wieso nicht vorne?"

„Von oben hat man einen besseren Blick."

„Na du musst es ja wissen." Sie verbeugte sich in aller Otokoyaku-Manier. „Angenehmen Abend und eine ebenso wundervolle Nacht wünsche ich euch. Saeko, Yuuhi, Haruno..."Kurze Pause als sie Gaichi ansah, die ihr immer noch demonstrativ den Rücken kehrte. „...dir ebenso, Midori."
 

Chika grinste, als sie das Vierergespann wieder verlies und sich auf den Weg nach drinnen machte. Dass die Vier auftauchten hatte sie nicht erwartet, aber sie war gespannt, ob Sena wusste, dass ihr ehemaliger Freundeskreis ihr zusah. Den Krach, den Asako gehabt hatte, war ihr nur über einige Ecken zu Ohren gekommen, aber dem Benehmen der Otokoyaku zu urteilen stimmten die Gerüchte. Sie hatte sich persönlich davon überzeugen wollen wie gut Sena als Tod war, sie vielleicht sogar nach dem Auftritt und dem Galaabend, zu dem sie auch eine Einladung erhalten hatte, mit zu sich nach Hause zu nehmen. Inzwischen hatte sie keine Lust noch länger auf ihren Liebling zu verzichten. Als Top Star hatte sie sich ein paar Karten ganz vorne reservieren lassen, nahm ihren Musumeyaku-Top-Star mit, denn man brauchte ja etwas Publicity, ebenso wie ein paar ihrer engeren Bekannten, von denen sie zwar weiß Gott nicht viele besaß, aber sie wollte ihnen dennoch einen schönen Abend spendieren. Wohl hauptsächlich um ihren neuen Liebling vor zu zeigen.
 

Kaum war der Yukigumi-Star weg schnaubte Gaichi einmal verächtlich.

„Was macht die bitte hier?", fragte sie und drehte sich wieder zu ihren Freunden um.

„Da bin ich genauso schlau wie du", meinte Osa nur und verschränkte die Arme. „Ich dachte die Yukigumis haben wieder Proben?"

„Nein erst nächste Woche", brummte die Senka. „Trotzdem. Sie hat hier nichts zu suchen."

„Gaichi..." Saeko seufzte einmal schwer. „Komm runter. Egal wieso sie da ist, sie kann schlecht auf die Bühne springen. Geniesen wir doch einfach den Abend." Der ehemalige Tsukigumi-Star lächelte etwas und schnappte sich erneut Yuuhi's Arm. „Gehen wir rein. Es fängt ziemlich an zu ziehen."

Zwar war es für diese Jahreszeit mehr als verdammt warm, aber dennoch war der Wind vergleichsweise frisch und sie fröstelten etwas.
 

Das Stück an sich war atemberaubend. Asako bewies sich ihrer Rolle mehr als würdig und sogar Kiriyan in ihrer verhassten Rolle als Franz machte eine gute Frigur, auch, wenn man ihr deutlich ansah, dass sie sich dort nicht wirklich wohl fühlte. Im Herzen war sie nunmal immer noch Lucheni. Saeko hätte schwören können, dass sie hinter der Bühne Masao das ein oder andere Mal die Kamera abgeluchst hatte und mit dieser hinter dem Vorhang rumlief. Da sie selbst schon in dieser Rolle gewesen war fielen Saeko auch die ganzen Eigenarten auf, die Asako in ihr Stück mit einbaute und von denen sie sich sicher war, dass der Direktor Protest erhoben hatte. Obendrein schlich sich, je weiter das Stück fortschritt, ein merkwürdig beklemmendes Gefühl in ihre Glieder. Asako war schon fast wieder zu überzeugend als Tod, was ihr an einer Stelle besonders auffiel: die Szene, in der der Tod Rudolph zum Suizid 'überredet', der Mayerling Walzer. Masao war in dieser Szene hervorragend. Selbst Saeko, die ja schon einiges mehr an Erfahrung hatte, kaufte ihr die Verzweiflung ab, mit der sie mit den Todesengeln tanzte, doch ihr Blick klebte die ganze Zeit an der Tod-Darstellerin. Dieser Blick und dieses Funkeln in den Augen war ihr unheimlich, ihre Bewegungen und ihr bleiches Aussehen machten es auch nicht besser. Sie war mehr als wunderschön in dieser Rolle, wirkte übernatürlich, so, wie es auch gedacht war, doch sie kannte ihre Freundin inzwischen gut genug um zu wissen, wann sie wirklich glaubte etwas zu sein und wann sie nur so tat. Und speziell in diesem Moment konnte die ehemalige Tsukigumi-Darstellerin sehen, dass Asako mit jeder Faser ihres Herzens glaubte der Tod zu sein. Nur einmal vorher hatte sie etwas ähnliches bei ihr gesehen, doch in dieser Zeit hatte sie keinen Meter von der Dame ihres Herzens weg gestanden, selbst in der übernatürlichen Gestalt des Todes. Saeko biss sich etwas auf die Zunge, rutschte etwas in ihrem Sitz nach unten als sie dabei zusah, wie Asako mit Masao die Bühne hinuntergefahren wurden.
 

Nach dem Auftritt standen die Tsukigumi-Darsteller, noch immer in ihren Abschlusskostümen, hinter der Bühne und öffneten eine Flasche Sekt, stießen auf den gelungenen Auftritt an und lachten alle gemeinsam. Sogar Asako, noch immer das schwarz-lilafarbene Federrad auf dem Rücken, hatte sich zu ihnen gesellt, auch wenn sie weniger viel an den Gesprächen teilnahm und gekonnt besonders bei Kiriyan auf Abstand ging. Sie nippte kurz an ihrem Sekt, lächelte etwas zu sich. Ja der Auftritt war mehr als gelungen gewesen, genau wie geplant. Noch immer spürte sie das Kribbeln in ihren Fingern, dass sie so noch nicht kannte. Sie hatte während des Auftritts Natsuki im Publikum sitzen sehen. Spätestens jetzt musste sie zugeben, dass sie der bessere Tod von ihnen war, die bessere Schauspielerin. Das alles gehörte ihr.

„Sena!", rief eine ihr bekannte Stimme und kam zu ihr. Der kleine Sonnenschein lächelte sie an. Es war ihre Elisabeth-Darstellerin, den Namen hatte sie schon wieder vergessen. „Herzlichen Glückwunsch. Das lief alles wirklich gut."

„Dir ebenso", sagte Asako mit süfisanfter Stimme und lächelte. „Ich bin froh, dass du es geschafft hast beim Endtanz nicht zu stolpern."

Die junge Frau lief etwas rot an. Beim Training hatte sie es hier und da geschafft ziemlich böse zu stolpern und das immer wieder.

„Ich hab mich besonders angestrengt."

„Das weis ich doch, mein Engel."

Eine der Produzenten kam zu ihr. Die Frau war mehr als einen Kopf kleiner als Asako selbst, insbesondere, da die Tod-Darstellerin ja Absätze trug. Die Produzentin verbeugte sich etwas und Asako nickte ihr einmal zu.

„Die Direktoren verlangen nach euch. Sie wollen auf den Galaabend."

„Ah wundervoll." Asako gab ihren noch immer dreiviertelvollen Sekt an die nächstbeste Schauspielerin ab. „Ich ziehe mich gleich wieder um. Es ist doch in Ordnung, wenn ich das Kostüm verwende."

„Natürlich, natürlich. Tu was dir beliebt. Es ist ja nicht so, dass wir nicht vier Stück davon hätten."

Asako lächelte nur flach und zog sich zurück um ihre Sachen zu wechseln.
 

„Du siehst aus wie sieben Tage Regenwetter."

Saeko biss die Zähne aufeinander, starrte noch immer ein paar Sekunden auf den Boden, blickte aber schlussendlich doch zu Osa auf.

„Wie könnte ich nicht?"

„Was ist los? Asako war wundervoll und überhaupt finde ich, dass sie das Stück wirklich gut umgesetzt hatten."

„Das schon..."

„Aber?"

Saeko sah zu Gaichi und Yuuhi, die gerade Kiriyan abgeholt hatten und sich mit ihr unterhielten, sie lobten und ein wenig tratschten ehe Kiriyan wieder zu der Aftershowgala musste. Sie wusste nicht, wie lange sie ungehört mit Osa sprechen konnte, desshalb entschied sie sich etwa leiser zu sprechen. Kurzerhand zog sie Osa am Ärmel etwas näher und drehte sich so, dass sie den anderen den Rücken zuwandt.

„Findest du nicht, sie war etwas zu gut?"

„Wie meinen?"

„Ich weis auch nicht. Nur so ein Gefühl..."

„Denkst du etwa, dass sie wirklich glaubt der Tod zu sein?"

„...Sowas in der Art."

„Asako kann ganz gut zwischen Rolle und realem Leben unterscheiden. Wenn die Türen hinter ihr wieder zu gehen, dann wird sie die Rolle auch wieder los lassen."

„Hoffen wirs. Ihr Blick war..." Sie suchte nach dem richtigem Wort. „...bedenkenswert."

„Sie ist halt eine ausserordendlich gute Schauspielerin. Wenn selbst du ihr das abkaufst, dann sollte sie das als Kompliment sehen."

„Wenn du das sagst."

„Ja sage ich. Jetzt komm schon. Ich weis zwar nicht, ob Asako da auftauchen wird, aber zumindest mit Kiriyan können wir ja später auf die Aftershowparty."
 

Sehr viel später auf der Gala hatte Chika ihre meiste Zeit damit verbracht irgendwie an den umschwärmten Top Star in dem Tod-Kostüm heran zu kommen, was sich aber als durchaus komplizierter herausstellte als es zunächst klingen mochte. Asako hatte ein Talent dafür ihr gezielt aus dem Weg zu gehen und selbst wenn Sena mal etwas Luft hatte belagerten sie die Reporter und Fotografen. Nicht, dass sie sich nicht gerne zur Schau stellte, wobei die Aufmerksamkeit der Reporter merklich auf dem Tsukigumi-Star lag, aber sie wurde schon nach kurzer Zeit ziemlich ungeduldig. Immerhin wollte sie Sena endlich mal in diesem wundervollen Kostüm etwas näher kommen. Es hatte den typischen Otokoyaku-Schnitt. Ein hoch angesetzter Hosenbund um die Beine länger wirken zu lassen, etwas breiter geschnittene Schultern um die Körperform etwas zu kaschieren, Absatzstiefel um größer zu sein. Dennoch hatte es etwas einzigartiges. Trotz des wuchtigen Schnittes wirkte Sena ziemlich fragil, fast zerbrechlich, und doch stand sie da wie ein Fels, hatte eine ungeheure Ausstrahlung. Irgendwann hatte sie einen der Reporter dazu überredet, dass sie zusammen ein Bild machten, zwei der letzten Tod-Darstellerinnen gemeinsam sozusagen. Komischerweise stimmte Sena sofort zu und nachdem die zwei Schauspielerinnen gefühlte 20 Minuten im Blitzlichtgewitter verbracht hatten nahm die Tod-Darstellerin sie zur Seite, hatte dieses freche, verschmitzte Lächeln auf den Lippen.
 

Kiriyan, die sich noch immer mehr gegen ihren Willen als freiwillig, noch immer in der Gala stand, in ihrem weißen Anzug, den sie als Franz hatte wohlgemerkt, stand etwas fertig mit den Nerven etwas abseits an einem der Stehtische. Sie musste nur warten, bis Asako ging, denn das war quasi das Zeichen, dass es auch für die anderen Schauspieler in Ordnung war zu gehen. Dem Top Star folgten meist alle anderen und dann konnten sie für gewöhnlich auf die richtige Aftershowparty gehen anstelle dieses merkwürdigen Humbugs. Meist beeilten sich die Top Stars die Gala so schnell wie möglich zu verlassen, aber Asako schien sich besonders viel Zeit zu lassen. Wahrscheinlich nur um die anwesenden Schauspielerinnen weiter zu quälen. Apropos, wo war ihr Top Star eigentlich? Kiriyan begann sich in der großen Halle um zu sehen, aber aufgrund der großen Masse an Personen, die meisten Reporter und hohe Tiere, war es schwer eine bestimmte Person aus zu machen. Dann aber sollte man Asako aufgrund ihres Outfits ziemlich leicht finden können. Ihr Blick blieb an der silbernen Lockenpracht hängen, die etwas abseits der Menschenmasse zu sehen war. Die Vice ging auf die Zehenspitzen um zu sehen, was Asako da hinten trieb, denn sie hatte den ganzen Abend lieber in Beisein der Medien verbracht anstatt sich zurück zu ziehen. Da war noch jemand bei ihr.

„Ist das nicht Mizu Natsuki?", fragte Mirio, die sich zu ihr gesellt hatte. Sie war in ihrer Abschlussuniform, aber man sah ihr an, dass sie noch immer für Lucheni geschminkt war.

„Was?" Kiri sah verwirrt zu ihr. „Wo?"

„Na da hinten bei Sena. Oder vertu ich mich da nur?"

Nochmals sah die Franz-Darstellerin zu Asako. Diese hatte sich inzwischen an eine Säule gelehnt, sah die Person, die nahe bei ihr stand, mit einem für sie eher ungewöhnlichem Lächeln an. Asako war bekannt dafür, dass ihr Lächeln immer sehr fröhlich und ungezwungen aussah, aber das, was sie auf die Entfernung erblicken konnte war eher fahl und kalt. Vielleicht gerade desshalb so sexy, denn zu der Rolle passte es. Wenn sie es nicht besser wüsste, dann hätte sie fast gesagt, dass Asako flirtete. Sie sah dabei zu, wie sich die schlanken Finger mit den elegant lakierten Nägeln über den Kragen von Natsuki's Anzugjacke stahlen, hier und da einige der Steine abtasteten.

„Ich glaub das ist sie tatsächlich."

„Was macht sie hier?"

„Keine Ahnung."

Dann sah sie aber auch schon, wie Asako sich von der Säule abstieß, mit gezielten, fast schwebenden Schritten in Richtung Ausgang ging und einen kurzen Schulterblick zu Natsuki warf, die ihr wie ein läufiger Hund folgte. Dabei ernteten die zwei noch ein paar Bilder, aber die anderen Schauspieler fassten es als Startschuss auf auch endlich nach und nach die Gala zu verlassen, Kiriyan wohl allen vorran. Der Gedanke, dass sie endlich wieder zu ihren Freunden konnte erleichterte sie dann doch ungemein. Doch zuerst würde sie einen Abstecher ins Takarazuka-Dorm machen um diese verhasste Uniform los zu werden. Wen sie daran dachte, dass sie sich am nächsten Abend wieder hineinzwängen musste wurde ihr schlecht.
 

Es war viel zu leicht gewesen Natsuki zum Gehen zu überreden, obendrein hatte sie sich als Fahrer bereiterklärt. Praktisch, wenn man bedachte, dass Asako keine Ahnung hatte wo die Yukigumi-Darstellerin wohnte, doch war es nahe genug am Dorm, dass sie sich den Weg gut einprägen konnte. In diesem Moment wusste sie auch, wieso Kimu immer diesen Umweg zu ihr gefahren war.

„Tritt ein", sagte Mizu, hielt dem Tsukigumi-Star die Tür auf und Asako trat ein, sah sich einmal ausgiebig um. Ohne die Schuhe aus zu ziehen betrat sie das Wohnzimmer, sah dort eine Ledercouch mit passendem Sessel, einen Glastisch und eine Vitrine, in der eine nicht unbedenkliche Menge an wertvollen Weinen und Weinbränden stand, ebenso wie diverser anderer Alkohol von dessen Namen sie noch nie etwas gehört hatte. „Willst du die Schuhe nicht ausziehen?"

„Stört es dich etwa? Ich finde sie gehören zu diesem Outfit."

„Schon..."

„Ich nehme an das Schlafzimmer ist auf der anderen Seite?"

Mizu lächelte daraufhin nur verschmitzt, drehte sich im Türrahmen um und winkte sie einmal mit sich mit. Als Natsuki ausser Sichtweite war und Asako auf den Weg zum Türrahmen, griff sie einmal unter den Mantel in ihre Innentasche, in der sich vorher die Attrape für Rudolph's Tod befunden hatte. Jetzt kam dieses Ding endlich mal zum Einsatz. Sie hatte lange auf diese Nacht hingeplant, mehrere Monate sogar, auch wenn es zu Beginn nur eine dumme Idee gewesen war, ein willkürliches Hirngespinst, dennoch war es in ihrem Kopf geblieben und hatte sich weiter ausgeformt. Doch sie nahm die Hand wieder heraus als sie im Gang zu Natsuki sties und ihr in den fast ebenso großen Raum folgte, in dem ein fast königliches Bett stand, in tiefschwarzem Satin bezogen. So dann war sie also nicht die Einzige, die diese Art Bettwäsche mochte.

„Gefällt es dir?"

„Interessiert dich doch sowieso nicht."

Die Nixe grinste breiter, trat an Asako heran und schob die Hände über ihre Schultern. Da der Tod noch die Absätze trug war sie dann doch ein Stück größer als Natsuki.

„Auch wieder wahr."
 

Asako schien ihren kleinen Hinweis zu verstehen, schob die Hände auf ihre Hüfte und beugte sich zu ihr hinunter. Der Kuss ihres Lieblings war selten so süß, auch wenn sie das Make-up noch auf den Lippen fühlte. Es war ihr aber recht egal, denn sie bekam ja endlich, was sie schon so lange haben wollte. Bestimmt schob Sena sie Richtung Bett, was Chika ausnahmsweise mal zu lies. Lange würde sie sich nicht dominieren lassen, so viel stand fest. Das lies ihr Stolz einfach nicht zu. Kurz darauf spürte sie schon die weiche Matratze und die seidige Bettwäsche im Rücken, denn ihre Jacke hatte sie schon ausgezogen und das dünne, weiße Hemd hielt nicht wirklich viel auf sich. Asako's Hand schob sich ihre Hüfte hinauf, wobei die andere sich von ihrem Körper gelöst hatte, wahrscheinlich um ihre Jacke endlich aus zu ziehen. Chika war viel zu vertieft in das Zungenspiel um wirklich zu registrieren, was die andere da über ihr tat. Sie spürte aber, dass sich die Hände der anderen kurz darauf über die Unterseite ihrer Arme schoben, wobei der Yukigumi-Star automatisch die Arme über den Kopf legte um der anderen etwas mehr Freiheit zu gönnen. Als es mit einem Mal über ihr klickte stockte sie. Auch Sena löste sich von ihr und sah nur mit einem Blick an, der einem das Blut in den Adern gefrieren lies. Sie versuchte die Arme hinunter zu nehmen, sties aber auf Widerstand und sah nach oben.
 

„Dachtest du ernsthaft, dass ich mit dir schlafe? Nochmal?", fragte Asako spöttisch und hockte sich über der anderen auf die Knie, sah herablassend auf sie hinunter. Stumm sah sie dabei zu, wie Chika kurz verwirrt an ihren Händen und damit an den Handschellen rüttelte, mit denen sie die andere am Bettgestell festgemacht hatte.

„Mach mich gefälligst los."

Asako lächelte nur kalt, wobei dieses genauso schnell wieder verschwand.

„Wieso sollte ich?"

„Was soll das? Was bringt dir das?"

„Hast du geglaubt, dass ich es dir einfach durchgehen lasse, dass du mein Leben kaputt gemacht hast?"

Chika schluckte nur etwas, sah mit einer Mischung aus Wut und Angst zu ihr hinauf.

„Was..."

„Wegen dir habe ich alles verloren, meine süße Nixe. Meine Freunde, meinen Stand, meinen Einfluss... Und alles weil du mir aus deinen egoistischen Gründen damals das Stück gestohlen hast. Damit auch meine Freundin."

„Ich habe gar nichts..."

Sie machte bekanntschaft mit der linken Rückhand des Todes, wobei jene sich wieder über sie beugte.

„Weist du, was ich dir im Gegenzug nehmen werde? Deinen Stolz, Chika, das was dir am meisten bedeutet. Und du wirst es mögen."

Sena's Rechte mit dem Ring am Zeigefinger strich über ihren Hals und das Schlüsselbein hinunter, öffneten dort einen nach dem anderen die Hemdknöpfe. Noch immer saß der Schock über den plötzlichen Schlag ihr in den Knochen und verhinderten, dass sie weiter widersprach. Nur die Angst vor der Person, die sich über sie beugte, war präsent.

„Du hast keine Ahnung, was es heißt, der Tod zu sein", hauchte sie lächelnd gegen Chika's gerötete und noch immer schmerzende Wange, platzierte einen sanften Kuss darauf. Anschliesend packte sie den Kiefer der anderen mit der beringten Hand und zwang Chika sie an zu sehen.

„Asako bitte...“

„Bitte? Bitte was? Hat man auf mich gehört, als ich gebettelt habe? Hast du mir irgendeine Beachtung geschenkt, als ich zu dir kam und dich angefleht habe Saeko endlich in Ruhe zu lassen?“ Der Tod lachte einmal auf, warf dabei den Kopf in den Nacken. „Oh Chika. Du bist eine so herzlose Person. Osa sagte zu mir, dass ich dir ähnlich wäre. Soll ich dir aber etwas verraten? Ich kann noch sehr viel herzloser sein als du. In dem Moment, in dem du mich durch deine Tür gelassen hast, hast du deinen Untergang besiegelt, meine Nixe.“ Chika fühlte, wie sie bleich wurde und einmal hart schluckte.

„Du bist doch wahnsinnig...“, kam er nur atemlos von ihr.

„Ich sagte dir, ich mache dir diese Nacht unvergesslich...“



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