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Die Abschlussarbeit

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Die Abschlussarbeit

Die Abschlussarbeit
 

Autor: Salix
 

Realus Miraculus seufzte und raufte sich sein rabenschwarzes Haar. Am Anfang war ihm alles so einfach und leicht erschienen, als er die Idee für seine Abschlussarbeit gehabt hatte. Inzwischen fürchtete er, sich komplett in ein möglicherweise sinnloses Unterfangen verrannt zu haben.

Um den Titel Magister artificiosus Magicae zu erhalten, musste er beweisen, dass er des Titels würdig war. Nach langem Überlegen hatte er sich schließlich dazu entschlossen, den Traummöglichkeitenrealisierungszauber zum Thema seiner Abschlussarbeit zu machen. Er wollte möglichst beweisen, dass der Traummöglichkeitenrealisierungszauber kein verstaubter Zauber war, der sowieso nicht funktionierte. Mit anderen Worten, er hatte beschlossen den Zauber erfolgreich anzuwenden.

Seine Lehrmeister waren der Ansicht, die Sache wäre interessant und er könne es ja einmal probieren, weswegen sie ihm erlaubten den Zauber für seine Abschlussarbeit zu verwenden.

Nun, Monate später, war Realus am Verzweifeln. Es hatte eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis er in einem alten Folianten, der in der untersten Ebene der riesigen Bibliothek der Magieruniversität vergammelte, eine Anwendungsanweisung des Zaubers gefunden hatte. Glücklich endlich etwas Brauchbares zu diesem Zauber gefunden zu haben, war Realus mit dem Folianten, nachdem er den Bibliothekar überredet hatte ihm diese halbverschimmelte Kostbarkeit auszuhändigen, in seine Räumlichkeiten gestürmt.

Dort hatte er als aller erstes das Buch auf sein mit Pergamenten, Federkielen und Büchern übersätes Schreibpult gelegt, um dann zunächst einmal Rabenkot von seinen Möbeln zu entfernen.

Als er sich seinen Raben, den er aus einem ihm unbekannten Grund Morpheus getauft hatte, angeschafft hatte, waren Raben der letzte Schrei unter Magierlehrlingen gewesen. Realus hatte sehr schnell gemerkt, dass einen dressierten Raben auf der Schulter zu tragen, einfach nur unangenehm war, weil der Vogel einem die Robe versaute.

Da Realus zu diesem Zeitpunkt zudem mit seinem Studium beschäftig gewesen war, hatte er es nicht einmal geschafft Morpheus soweit zu dressieren, dass dieser auf seiner Schulter saß, wodurch er von diesem Problem verschont geblieben war.

Realus behielt Morpheus nur, weil der Rabe keinerlei Anstalten machte sich einen anderen Wohnort zu suchen und er es nicht übers Herz brachte dem Vogel kein Futter mehr zu geben oder ihn als Versuchstier zu verwenden.

Realus zählte zu den Magierlehrlingen, welche grün im Gesicht wurden, wenn sie getrocknete Molche oder andere tote Viecher für irgendwelche Zaubertränke verwenden sollten. Ein noch lebendes Tier für einen Trank zu töten oder zu verstümmeln, dass brachte Realus erst recht nicht fertig, weswegen er sich sehr früh der Magietheorie zugewandt hatte.

Nachdem er Morpheus’ Dreck beseitig hatte, musste Realus feststellen, dass sich seine Katze Isis auf dem Folianten, welchen er für seine Abschlussarbeit brauchte, zusammengeringelt hatte.

Isis wiederum, war eines Tages in seine Räume spaziert und hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihm von nun an gnädigerweise erlaubte ihr ein warmes Plätzchen zur Verfügung zu stellen, ihr Futter geben zu dürfen und sie, wenn es sie danach gelüstete, zu streicheln. Wegen ihres anspruchsvollen Wesens hatte Realus die zierliche schwarze Katzenschönheit, Isis genannt, wogegen sie keinerlei Einspruch erhoben hatte, auf diesen Namen hören tat sie natürlich auch nicht, wie es sich für eine richtige Katze nun mal geziemte.

Isis von dem Folianten herunter zu heben, war ein Ding der Unmöglichkeit, zumindest dann, wenn man seine Finger behalten wollte. Also war Realus an diesem Tag nicht mehr dazu gekommen irgendetwas für seine Abschlussarbeit zu tun. Und so ging es die nächsten Monate fröhlich weiter.

Eine seiner ersten Handlungen, nachdem er den Folianten ergattert hatte, war es gewesen diesen mit einem Zauber zu trocknen, vom Schimmel zu befreien und den Erhaltungsbann des Buches, der schon längst überfällig war, zu erneuern, bevor auch nur die Möglichkeit bestand, dass Buch durchzublättern, ohne das die Seiten zwischen seinen Fingern zu Staub zerbröselten.

Darauffolgend musste er feststellen, dass der Traummöglichkeitenrealisierungszauber weniger theoretisch war als er gedacht hatte. Vielmehr brauchte er, um seine Beweisführung untermauern zu können, einiges an alchemistischen Apparaturen. Doch, bevor er das erfuhr, hatte er sich geschlagene vier Wochen damit abgemüht die winzige, krakelige, verschlungene und fast verblasste Schrift im Folianten zu entziffern und vorsichtshalber noch dreimal alles zu überprüfen, ob er es auch wirklich richtig entziffert hatte.

Dann war er auf die Suche nach den geforderten alchimistischen Apparaturen gegangen, die er sich eigentlich nicht leisten konnte, aber dennoch gekauft hatte, woraufhin er sich die folgenden drei Wochen mit Haferschleim als einzigem noch bezahlbarem Essen zufrieden geben musste.

Als er endlich den Aufbau der Apparaturen verstanden und erfolgreich hinter sich gebracht hatte, zu seinem Glück ohne etwas zu zerbrechen, fehlte ihm das Geld für die Zutaten des Zaubertrankes, in welchem die Traummöglichkeiten realisiert werden sollten.

Die nächsten sieben Wochen verbrachte er damit, Geld zu verdienen um seinen Lebensunterhalt und die Zauberzutaten bezahlen zu können. Der einzige Job, den er gefunden hatte, war der als Hilfsbibliothekar. Sieben ganze Wochen verbrachte er damit, hinter dem schon recht alten Bibliothekar der Universität herzulaufen und ihm die Bücherstapel hinterher zu tragen oder Bibliothekskarten zu schreiben oder in den Kästen mit den Registerkärtchen nach den Buchsignaturen zu suchen, weil der Bibliothekar nicht mehr so gut lesen konnte. Jeden Abend kehrte er mit Rückenschmerzen in seine Räume zurück, beseitigte Morpheus Hinterlassenschaften, aß eine Kleinigkeit und durchstöberte, in der Bibliothek gefundene Bücher, in denen der Traummöglichkeitenrealisierungszauber erwähnt wurde, meist in einem winzigen Absatz inmitten der drei-vierhundert Seiten dieser Bücher, sofern er überhaupt Erwähnung fand.

Als er schließlich soweit war, dass er glaubte genug Wissenswertes über den Zauber in Erfahrung gebracht zu haben, die alchemistischen Apparaturen richtig aufgebaut zu haben und sogar alle Zutaten beisammen hatte, war seine Lust das Projekt durchzuführen an einem Tiefpunkt angelangt.

Dennoch begann er mit der Durchführung des Zaubers, wobei er sich genau an die, in dem uralten Folianten überlieferten, Anweisungen hielt.

Dies wiederum dauerte weitere Wochen, da er unter anderem bestimmte Schritte nur zu bestimmten Mondphasen durchführen durfte.

Manchmal wünschte er sich innig, Magie wäre das bloße Formulieren seines Willens, woraufhin sich dieser mit einem Fingerschnippen realisierte, anstatt ein komplexes Zusammenspiel aus kompliziert zu brauenden Tränken mit den sonderbarsten und seltensten Komponenten, dem Zeichnen schwieriger Symbole, dem Errechnen der richtigen Mondphasen und dem anschließenden Aussprechen von zungenbrecherischen Zauberformeln.

In dieser Zeit gab es Tage, an denen er nur mit dem Zauber beschäftig war und welche, an denen er nichts anderes tun konnte als Isis davon abzuhalten Morpheus zu jagen. Zwischendurch fertigte er ein Halsband für Isis an, in welches er einen Zauberbann einbaute, der ihr Interesse daran seinen Raben zu jagen unterband.

Auf die Idee mit dem verzauberten Katzenhalsband war er gekommen, nachdem Isis fast in das runde Gefäß umgeschmissen hatte, in dem der Zaubersud des Traummöglichkeitenrealisierungszauber vor sich ihn schwappte, auf der Jagd nach Morpheus. Dabei war eine Rabenfeder in das Gefäß geschwebt und von dem Trank sofort aufgenommen worden, was Realus nicht bemerkt hatte.

Ebenfalls von ihm unbemerkt, waren die Katzenhaare in den Zaubersud gelangt, welche auf Isis Lieblingsplatz, Realus’s Sessel gelegen hatten und hochgeweht worden waren, als er, nach einem besonders geruchsintensiven Schritt des Zaubers, das Fenster zum Lüften geöffnet hatte.

Nun kurz vor der Vollendung des Zaubers sah der Sud in seiner großen gläsernen Schüssel, welche mit verschiedenen Glaskolben verbunden war, wunderschön aus. Er schimmerte in dem Blau, dass sich zeigt kurz bevor der Nachthimmel ganz dunkel wird. Mitten in diesem Blau dümpelte ein helles glitzerndes Etwas, in Form eines Eis, das ständig die Farbe wechselte.

Realus schrieb gerade den Fortschritt seiner Arbeit auf, blickte gedankenverloren auf sein zum Bersten gefülltes Bücherregal und erstarrte für einen Moment.

Kurz bevor Isis den Schädel, irgendeines armen Kerls, dessen Leiche für die Wissenschaften verstümmelt worden war, vom Regal genau in den Zaubersud werfen konnte, erwischte Realus seine Katze, welche ihn laut fauchend kratzte und verhinderte zumindest dieses Unglück.

Realus war kurz davor den Schädel aus dem Fenster zu werfen, nur ging das nicht, weil dieses gruselige Teil ein notwendiger Bestandteil des Sicherheitsbannes um seine Räume war, welcher schon vor seinem Einzug von einem anderen Magier gewirkt worden war, sonst hätte er ihn schon längst irgendwo anständig bestattet, weil ihn beim Anblick des Schädels jedes Mal ein flaues Gefühl im Magen überkam.

Blut tropfte von den Kratzern an seinem Arm in den Sud. Realus stöhnte, nun konnte er seine Abschlussarbeit vergessen. In keinem der Bücher hatte gestanden, dass für diesen Zauber das Blut des Zauberers gebraucht würde und somit schlussfolgerte er, hatte sein Blut den Sud unbrauchbar gemacht.

Die protestierende Katze setzte er auf dem Sessel ab, musterte sein missglücktes Experiment und beschloss sich jetzt wenigstens ein gutes Essen zu gönnen.

Geknickt überlegte er, dass er den Rat Magister Castor Fibers hätte beherzigen sollen, welcher lautete: „Mach es fertig, bevor es dich fertig macht.“ Realus klebte ein Pflaster auf den tiefsten Kratzer, strich seine Robe glatt und verließ den Raum,um sich sein Essen zu besorgen und seine Sorgen mit einem guten Wein herunterzuspülen.

Gesättigt, jedoch trotzdem nicht besonders glücklich, kehrte er einige Stunden später zurück. Ohne einen Blick auf den Sud zu werfen, setzte er sich an sein Schreibpult, suchte seine Notizen zusammen und begann eine neue Beschreibung seiner Abschlussarbeit. Er würde eben einen anderen Ansatz nehmen müssen, oder besser nun erklären, warum dieser Zauber nicht funktionieren konnte, dann hätte er das Thema zumindest nicht völlig verfehlt.

Gähnend kritzelte Realus seinen Text, irgendwann legte er den Kopf nur ganz kurz auf dem Tisch ab und die Feder entglitt seinen Fingern, sein anderer Arm stieß das Tintenfass um, wodurch ein großer Fleck auf dem Geschrieben entstand. Doch das fiel ihm gar nicht weiter auf, da er tief und fest schlief.

Hinter dem schlafenden Realus begann das Ei den blauen Sud aufzusaugen und immer strahlender zu leuchten. Mit einem melodischen Klingeln, welches den völlig erschöpften Realus nicht zu wecken vermochte, zersprang es zu guter Letzt.

Ein kleines Geschöpf, etwas größer als Isis streckte sich,in mitten der glitzernden Eierschalen. Eine rosa Zunge leckte über den Handrücken einer winzigen Hand, die den Rand der Glasschale umklammerte. Schwarze Katzenohren zuckten unruhig. Ein Katzenschwanz lag elegant um Katzenhinterbeine. Die Rabenflügel auf dem Rücken des Geschöpfes raschelten. Es fuhr sich mit den krallenbewehrten Händen durch das Gesichtchen, blickte sich aus großen goldenen Augen, mit geschlitzten Pupillen um und entdeckte Realus.

Es öffnete seinen Mund, wobei weiße Reißzähne aufblitzten.

„Paaapaaaaa, iiiiiich haaabeeeee Huuunnngaaaaaaaaaa!“, teilte die kleine Sphinx, laut und durchdringend, der Welt und Realus im Speziellen mit.
 


 

Authors note:

Irgendwie kreiste der Satz „Mach es fertig, bevor es dich fertig macht.“ in meinem Kopf herum und da ich gerade mit dem Abschluss meines Studiums beschäftigt bin, lag die Idee zu dieser Geschichte nahe. Ich wünsche mir allerdings, besser mit meiner Abschlussarbeit voranzukommen als Realus. Ich hoffe das Lesen hat trotz der vielen langen, verschlungenen Sätze Spaß gemacht. Der Stil stellte sich irgendwie von alleine ein. Und ja, ich habe gerade ein Faible für Sphingen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  nufan2039
2011-11-29T08:49:29+00:00 29.11.2011 09:49
Wirklich schon wieder ein gute Geschichte! ^^

Freut mich, dass du nochmal mitgemacht hast! Mir gefällt dein Stil und auch dieses Genre ist gut...

Mir gefällt die Storyline gut und ich mag die Tiere, sind 2 meiner 3 Lieblingstiere! XD Zufälle gibt es...
Von:  Ran34
2011-09-27T18:05:23+00:00 27.09.2011 20:05
Die kleine Geschichte hat mich wirklich sehr an dich erinnert (mit deinem grünen Spitzhut ;P)^^
Wirklich sehr, sehr schön geschrieben und ich liebe diese Geschichte *.*
Sie ist kurz, aber wunderschön, so etwas würde ich meinen Kindern zum EInschlafen vorlesen :3

lg~

Von: Futuhiro
2011-09-19T17:42:35+00:00 19.09.2011 19:42
Phihihiiiiiiihi, wie süß!!!
Kannst du mir bitte diesen Folianten leihen? Den Zauber will ich auch mal probieren! Also zwei Katzen und ne Rabenfeder hab ich auch hier, beste Voraussetzunge. ^^
Die Story ist total niedlich. Viel Glück damit beim Wettbewerb.
Und wie ich sehe, hat es der <Magister artif. Magicae> dir auch angetan ^^


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