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Staring At The Sun 2

Rückfall
von

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The Heart And The Broken

I can't remember the sound

That you found for me

- Virtut The Cat Explaining Her Departure by The Weakerthans
 

Meterhohe, klinisch weiße Wände, der Boden aus hellem, leicht grau gesprenkeltem Marmor. Zurückhaltende Lichtinstallationen illuminierten die Räume. Sakura stand in mitten des größten Raumes und blickte sich um, observierend und insgeheim mehr als nur selbstzufrieden mit dem, was sie erreicht hatte. Dort in der Ecke, vor dem drei Meter zwanzig hohen und zwei Meter breitem Bild Studie zu Nummer 51 unterhielten sich dieser berühmte Politiker, dessen Namen sie schon längst wieder vergessen hatte, und der neue Bezirksstaatsanwalt. Sie bildete sich ein, dass der etwas ältere Mann, auf den sie nur einen kurzen Blick erhascht hatte, weil er gerade in den nächsten Raum geschlendert war, Donald Trump gewesen sein könnte. Zu ihrer Rechten hatte sich Sai angeregt in ein Gespräch mit einem lesbischen Ehepaar, die mittlerweile als Designer schon äußerst erfolgreich waren – Sai hatte sie in Barcelona kennengelernt - vertieft. Insgesamt waren die Räumlichkeiten äußerst gut gefüllt mit Mitgliedern des New Yorker Geldadels. Sakura selbst kannte von diesen Menschen so gut wie niemanden persönlich, auch wenn sie das ein oder andere Gesicht schon mal gesehen hatte – und das nicht etwa beim Bäcker um die Ecke, oder im Wartezimmer des Zahnarztes ihres Vertrauens, sondern aus Zeitungen wie der New York Times oder dem Wall Street Journal. Dass sich diese Menschen trotz ihres bis dato eher minimalen Bekanntheitsgrad eingefunden hatten, war zum Großteil ihrem Lebensabschnittsgefährten – so betitelte ihn ihre Mutter, die fand, dass nur Frauen und Mädchen unter fünfundzwanzig feste Freunde hatten - zu verdanken. Es war erstaunlich, wie Menschen alleine durch den Namen Uchiha angezogen wurden, wie Motten vom Licht. Sein Name stand in diesen exklusiven Kreisen für Luxus, Qualität und Trend. Und der Name Sai war ebenfalls Garant für Besucher – vor allem für reiche Europäer und Asiaten, deren Geld ihnen, trotz Wirtschaftskrisen, noch nicht zu schade war für einen kurzen Trip zu einer Vernissage am anderen Ende der Welt.

Ba-da-bing-ba-da-boom, Mister Worldwide as I step in the room!“, tönte eine tiefe, donnernde Stimme in ihrer Nähe. Bevor sie sich umdrehen konnte, um den Verursacher zu finden, legte sich eine Hand auf ihre Hüfte. Ino beugte sich unauffällig zu ihr, wobei die flachsblonden Haare in ihr Gesicht fielen, und lächelte jovial, dann zog sie plötzlich die schmalen, perfekt gezupften Augenbrauen zusammen. „Stressesser?“, flüsterte sie ihr verschwörerisch zu und lächelte mit einem nachsichtigen Zwinkern ihrer blauen Augen.

„Wie bitte?“ Verärgert schob Sakura Ino zur Seite. „Idiotin.“

Ino zuckte nur mit den Schultern und grinste gut gelaunt; wahrscheinlich war ihr nicht klar, dass ihr Kommentar Sakura dazu brachte, eine harte Diät nach David Kirsch zu planen. Innerlich resümierte sie die zu sich genommenen Mahlzeiten und versuchte die Gesamtkalorienzahl zu schätzen. Sie schüttelte schließlich diesen unschönen Gedanken ab – der Cupcake kurz vor der Eröffnung musste wohl einer halben Pizza gleichgekommen sein…

Nachdenklich überblickte sie den großen Raum. Tatsächlich hatte sie es geschafft. Der bisherige Höhepunkt ihrer beruflichen Karriere: Sie hatte den ersten namhaften Künstler für eine Ausstellung unter ihrer Leitung gewinnen können, und natürlich hatte sie das verdammte Wunder vollbracht einen erstklassigen Standpunkt für ihre Ausstellungsräume zu ergattern – mit ein wenig Unterstützung durch Sais weitverzweigten Beziehungen, die dann tatsächlich auch in ihrer gegenwärtigen Liebesbeziehung gipfelten, die als solche den bisherigen Höhepunkt in ihrem Privatleben darstellte. Insgesamt war sie also an allen Fronten überaus erfolgreich und strafte so all die Personen Lügen, die behauptet hatten, dass man von Kunst nicht mehr Leben konnte und dass Liebe nur eine dümmliche Illusion von verklärten, Endorphinen gesteuerten Individuen war – unbeachtet der Tatsache, dass sie derzeit Teil der letzteren Gruppe war.

Sie winkte Naruto und einen hünenhaften Mann, der zweifelsohne Quelle des fröhlichen Reims war, herbei.

„Oh Mann! Echt klasse hier, Sai hat’s echt drauf!“, sprudelte es augenblicklich aus Naruto hervor, dessen Laune zur Steigerung ihrer sonstigen Tagesform wohl auch jenseits allen Guten war. Dann besann er sich urplötzlich eines besseren und umarmte Sakura herzlich, als wäre sie eine lange verschollene Freundin, die er gerade überraschend an der Straßenecke wieder getroffen hatte. „Danke! Danke! Danke!“, begann er euphorisch, während er sie immer noch heftig an sich presste. „Du bist die beste Freundin, die Sasuke mit meiner Erlaubnis haben darf. Auch wenn ich wegen dir eine Millionen an Sasuke blechen musste! Würde ich immer wieder für einen Goldschatz wie dich machen.“

„Ich freue mich auch, dich zu sehen“, erklärte Sakura aufrichtig fröhlich und erwiderte Narutos Schraubstockgriff etwas zaghafter. Dabei warf sie Ino, die lediglich weiter grinste, einen misstrauischen Blick, der Was für eine Millionen? fragte, zu. Inos Antwort war ein ähnlich ratloser Blick, begleitet von einem minimalen Schulterzucken und einem amüsierten Schmunzeln angesichts der absurden Szenerie vor ihren Augen.

Naruto ließ Sakura schließlich doch los – sie hatte schon kaum mehr damit gerechnet und sich fast damit angefreundet, dass ihr linker Arm taub wurde – und deutete auf den breitschultrigen, muskulösen Mann mit der markant rotgeränderten Carrera-Sonnenbrille neben ihm. „Sakura, das ist Bee“, stellte er seinen riesenhaften Begleiter vor. „Ist wie ich ehemaliger Spieler der New York Giants.“

„Tatsächlich?“, erkundigte sich Ino, die ob der sportlichen Karriere des Typen, hellhörig wurde und diesen ganz offensichtlich mit einem schnellen, abschätzend Blick aus ihren berechnenden blauen Augen für annehmbar erklärte. „Und wie gefällt Ihnen die Ausstellung?“

„Yo Lady, der Schuppen kann was.“ Der Riese ließ zuerst Ino, und dann ihr einen äußerst kräftigen Händedruck angedeihen. „Hab auch schon zwei Bilder, die ich kaufen würde.“ Bee, der einen ruppigen Südstaatenakzent pflegte, zeigte, begleitet von einem Schnipsen seiner monströsen Finger, auf das gegenüberliegende Ende der Galerie. „Echt scharf sind die.“

„Das freut mich zu hören“ Sakura lächelte. „Das hier ist meine Freundin Ino, sie wird Ihnen die Unterlagen für die beiden Bilder geben, damit sie für Sie reserviert werden können.“

Ino, die Sakura zugesichert hatte auszuhelfen, damit Sakura sich ungestört um die Gäste kümmern konnte, lächelte mit einem vielsagenden Zwinkern, bedeutete Bee, der sie ebenfalls eingehend begutachtete, ihr zu folgen. Ino, deren Hand während dem Gehen nach einem der Sektgläser, die von unauffälligem Cateringpersonal auf Tabletts herumgetragen wurden, griff, drehte sich nochmal zu Sakura um. Die Blonde prostete ihr stumm zu und führte dann den Muskelprotz bestimmt durch die Menge.

Sakura lächelte den beiden hinterher. Dann wand sie sich zu Naruto, der sich ebenfalls hemmungslos an dem dargebotenen Sekt gütlich tat. „Wo ist Sasuke?“, fragte sie geradeheraus.

Naruto zuckte leicht ertappt zusammen, nahm vorsichtshalber noch einen Schluck vom Sekt und sah dann Sakura mit seinem blendenden Lächeln an; flüchtig erwischte Sakura sich beim Gedanken daran, dass Naruto ein geeigneter Kandidat für eine Zahncremewerbung war. „Er sitzt in deinem Büro.“ Er nahm noch einen Schluck. „Er meinte, du weißt Bescheid“, fügte er entschuldigend hinzu. „Ich – ich suche mal Hinata“, murmelte er ausweichend und flüchtete, in dem er sich waghalsig in den nicht enden wollenden Besucherstrom warf.

Sakura sah dem dauergutgelaunten besten Freund ihres festen Freundes kopfschüttelnd hinterher. Wie waren die beiden in das nur hineingeraten? Die beiden waren sich nicht nur äußerlich das komplette Gegenteil – der eine blond, blauäugig und sanft gebräunt, der andere mit rabenschwarzen Haaren, dunklen Augen und aristokratischem Elfenbeinteint – sondern auch charakterlich wie Tag und Nacht.

Nach allem, das sie wusste, war Naruto die Art Mensch, die Sasuke gemeinhin abwertend als „Mir-scheint-die-Sonne-aus-dem-Hintern-deswegen-bin-ich-für-den-Weltfrieden“-Persönlichkeiten bezeichnete und mit seiner manchmal etwas zu überheblichen Art nur allzu gerne verspottete.

Aber sie könnte ihn ja gleich nochmal danach fragen, aus welchem unerfindlichen Grund ausgerechnet Naruto von allen anderen als sein bester Freund bezeichnet wurde. Vorher allerdings würde sie dem werten Herren die Eier abreißen und ihn zur Rede stellen, warum er sich klammheimlich ins Büro verzog, anstatt neben ihr zu stehen und stolz auf ihre Arbeit und das heutige Event zu sein...

Unauffällig schlüpfte sie durch die Tür zu ihrem Büro. Sie sah Sasuke, der auf ihrem Schreibtischstuhl saß und angestrengt ein halbvolles Nosing Glas in seiner Hand betrachtete, als handele es sich um einen äußerst interessanten Gegenstand. Auf dem Schreibtisch stand vor ihm eine offene Flasche Single-Malt und aufgeklappt Sakuras Laptop, auf dem Bildschirm sah sie die endlosen Diagramme der Aktienkurse, die er in jeder freien Minute verfolgte.

Es war nicht zu bestreiten, dass Sasuke Uchiha der am besten aussehende Mann war, mit dem sie je ausgegangen war. Ebenso außer Frage stand, dass er, was zwischenmenschliche Kontakte im Allgemeinen und rücksichtvolles Verhalten im Speziellen anbelangte, keinerlei nennenswerte Talente besaß. Schlimmer noch, er gab sich noch nicht einmal die geringste Mühe daran etwas zu ändern oder seine Defizite zu verbergen.

Trotzdem hatte er es irgendwie geschafft, dass sie sich verknallt hatte, wie ein kleines Schulmädchen. Irgendwie hatte er sich seinen Platz in ihrem Herzen erschlichen. Und auch wenn er es nicht sagte, sie war sich ziemlich sicher, dass seine Gefühle ihr gegenüber ähnlicher Natur waren.

Sie erinnerte sich an das, was Ino ihr einmal bei einem Martinigläschen zu viel gesagt hatte: „Wenn du mal nicht in seiner Nähe stehst, da hat man fast schon Angst vor ihm. Er hat diesen fiesen, eiskalten Blick drauf und dass er so unverschämt gut aussieht macht die ganze Sache auch nicht besser. Aber wenn er dich anschaut, dann schmilzt seine harte Schale dahin und dann wird sein etwas weniger harte Kern sichtbar.“
 

Sasuke hatte es schon immer gemerkt, wenn er beobachtet wurde. Er bezeichnete das gemeinhin als sein Voyeur-Radar, Naruto nannte es schlicht angeborene Paranoia.

Er schaute von den beängstigend schlechten Aktienkursen auf Sakura, die in dem himbeerfarbenen Etuikleid seine Phantasien mehr als nur beflügelte. Vielleicht würde sie ja die Tür schließen, über den Schreibtisch hasten und ihn auf der Stelle nehmen. Das würde ihn nicht nur von der Krise auf seinen Konten, sondern auch von der gähnend langweiligen Veranstaltung draußen, ablenken. Als jedoch sein Blick endlich ihr Gesicht erreichte, wurde ihm anhand der tiefen Furche zwischen ihren anschuldigend gekräuselten Augenbrauen schlagartig klar, dass sie nichts dergleichen im Sinn hatte. Viel eher sah sie ihn tadelnd wie eine Oberschwester an, und falls sie tatsächlich über den Schreibtisch springen würde, dann nur, um ihm gehörig die Leviten zu lesen.

„Sakura. Ich bin hier gleich fertig.“ Er räusperte sich und nahm prophylaktisch einen Schluck aus seinem Glas. „Nur einen kleinen Augenblick.“

„Kleiner Augenblick? Ich habe dich seit fast vierzig Minuten gesucht und du sitzt hier und starrst diese doofen Graphen an, anstatt mich angemessen zu unterstützen!“ Sie baute sich vor ihm auf, stütze ihre Hände an der Taille ab und starrte ihn aus ihren funkelnden Jadeaugen an. Diese Pose war auch nicht gerade dienlich um seiner Traumwelt zu entkommen – so war sie ja weniger eine Oberschwester als vielmehr eine mit sexuell anziehenden Reizen ausgestattete Oberschullehrerin.

Er seufzte, klappte bedächtig den Laptop zu, schritt um den Schreibtisch herum und drückte ihr einen Kuss auf den ordentlichen Scheitel. „Die Geschäfte pflegen sich nicht von selbst“, murmelte er gegen ihr duftendes Haar.

Sakura zwickte ihn unsanft in den Oberarm, legte aber ihre andere Hand schmeichelnd auf seinen Oberkörper. „Eine Beziehung auch nicht.“

Sasuke schob sie etwas von sich und sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Verstanden.“ Er nahm ihre Hand, klemmte sie sich in seine Armbeuge und zog sie zielsicher nach draußen in die Vorstellungsräume.

„Noch eins!“, Sakura hielt kurz inne und sah zu Sasuke auf, der sich überrascht zu ihr herunter beugte. „Ja?“

„Welche Millionen musste dir Naruto blechen?“, hauchte Sakura und sah ihn durchdringend an.

Sasukes Augenbrauen hüpften abermals gen Haaransatz. „Online-Aktienspiel. Ein kleiner Spaß zwischen Freunden.“

„Ach“, gab sich Sakura augenscheinlich zufrieden, winkte im gleichen Moment Neji Hyuga zu, der mit Langzeitfreundin Tenten am Arm durch die Galerie flanierte, und vertiefte sich schließlich, mit Sasuke im Schlepptau, in ein Gespräch mit Gaara Sabakuno, der sich ein neues Bild für seinen Laden aussuchen wollte.

Schließlich war es Sakura, die Sasuke alleine ließ, als sie mit Gaara los zog, um durch die Räume zu gehen und ihm verschiedene Konzepte vorzuschlagen. Kurz bevor sie den Raum verließ, drehte sie sich zu Sasuke um, der ergeben mit einem Glas Schampus da stand und Stellung hielt, und zwinkerte ihm mit einem Lächeln zu.

„Oh Mann. Hast du das gesehen, wie sie gezwinkert hat? Also, wenn ich nicht Hinata hätte, die nur ein klitzekleines bisschen schärfer ist, dann würde ich auf sie stehen“, erklärte Naruto, der plötzlich neben Sasuke aus dem Boden geschossen war, diesem innbrünstig und sah Sakuras Rückansicht mit einem anerkennenden Nicken nach.

Sasuke neigte leicht den Kopf. „Nett von dir. Und das nächstemal sei still wegen der Millionen. Ich bin mir sicher, dass Frauen nicht darauf stehen, wenn sie der Grund für eine Wette sind.“

Naruto lachte amüsiert. „Du hast ihr nicht ernsthaft gesagt, dass du mir eine Millionen Dollar aus der Tasche gezogen hast! Warum erzählst du denn auch so ein Zeug?“

„Nein. Ich habe gesagt, dass du mir eine Millionen bei einem Onlineaktienspiel übereignen musstest.“ Sasuke nippte an dem Getränk und stellte fest, dass er schon leicht benebelt war. Er wurde immer redseliger. „Aber wie gesagt, das nächstemal Klappe halten, wenn’s um Geld geht.“

„ Du musst gar nichts sagen!“, wendete Naruto beleidigt ein. „Du überhäufst sie ja so und so mit teurem Schnickschnack, dass einem Hören und Sehen vergeht.“

„Ich schenke ihr ab und zu etwas, so wie du es mir geraten hast“, verteidigte sich Sasuke mürrisch, wobei er sich paranoid umschaute, in Sorge Sakura oder ihre redselige, etwas zu penetrante Freundin Ino könnten wieder in Hörweite sein und einen Fetzen des Gesprächs aufschnappen.

Naruto, der offensichtlich noch ausgelassener als sonst war, kicherte kindisch. „Ich meinte Blumen oder eine Packung Pralinen, nicht haufenweise Burkin Bags und Louboutins. Und ich sage nur eins. Der Mercedes SLR.“ Naruto verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf, als wäre Sasuke ein hoffnungsloser Fall.

Sasuke sah ihn scharf an. „Habe ich ihr nicht geschenkt.“

Der Blonde prustete geräuschvoll. „Aber nur, weil du rausgefunden hast, dass sie überhaupt keinen Führerschein hat. Und dann hast du ihr ein Collier bei Cartier gekauft. Für den gleichen Preis.“

„Sakura weiß nicht, wie viel es gekostet hat“, murmelte Sasuke, der zwar nicht den Anstand besaß zu erröten, aber wenigstens beschämt die Nase abermals in das Sektglas steckte.

„Wenn sie wüsste!“ Naruto nippte seinerseits genussvoll an seinem Getränk.

„Ein paar Riesen“, gab Sasuke schließlich zögerlich klein bei.

„Siehst du.“ Naruto stieß ihn kollegial in die Seite. „Du kannst doch nicht so teure Colliers kaufen.“

„Doch.“ Sasuke setzte das Glas ab und warf seinem Freund einen entnervten Seitenblick zu, der diesen zum Schweigen bringen sollte – eine Methode die in etwa so erfolgreich war, wie Sakura für die Welt der Aktien zu begeistern.

„Du kannst, aber du solltest nicht. Es ist übertrieben.“ Der Blonde stieß ihn noch einmal an.

„Es hat mir gefallen.“ Sasuke strich sich durch das schwarze Haar und verwirrte es noch mehr.

Prusten. „Du kennst dich doch nicht mit Colliers aus.“ Schnauben. „Halsketten mit ein paar überdimensionierten Klunkern dran.“ Lachen. „Da spricht der Experte. Du hast doch nur das teuerste genommen, dass sie da hatten.“

Sasuke gab seufzend auf. „Und? Was teuer ist, kann ja nicht schlecht sein.“
 

Ein Monat und siebzehn Tage waren es, sei dem sie und Sasuke offiziell ein Paar geworden war. Kennen gelernt hatten sie sich vor fast drei Monaten. Sakura starrte den verblassten Rand eines Glases auf dem zerkratzten Holz der Bar an.

„Wo ist denn deine bessere Hälfte?“

Sakura zuckte so heftig zusammen, dass sie sich beinahe auf die Zunge gebissen hätte. „Ino! Hättest du dich nicht irgendwie ankündigen können?“, beschwerte sie sich. Die Blondine lachte nur ihr typisch diabolisches Lachen, während sie ihr zwei Küsschen sehr französisch rechts und links verpasste. „Komm, wir setzen uns lieber dort drüben an einen dieser niedlichen Tische.“ Sie zog Sakura kurzerhand vom Barhocker hoch und dirigierte sie, mit der ihr angewohnten Bestimmtheit in eine der Nischen, in der ein eckiger Tisch und kleine, mit rotem Samt bezogene Sitzbänke standen. Ino ließ sich unverzüglich, einem nassen Sack gleich, auf eine fallen, verzog erleichtert das Gesicht und streckte genüsslich ihre Füße, die sie wohl schon den ganzen Tag lang in 14-Zentimeter-High-Heels gequält hatte, von sich. Dann rutschte sie etwas zur Seite und machte für Sakura Platz, die sich seufzend neben sie auf die Bank sinken ließ. Ino winkte dem Kellner zu und wand sich dann schließlich wieder an Sakura. „So, meine Liebe. Gestern war ein ausgesprochen erfolgreicher Tag. Die Vernissage ist einfach super gelaufen. Sasuke muss absolut stolz auf dich sein. Also, wo ist er? Kommt der Sonnenschein noch nach?“

Sakura warf Ino einen langen Blick zu, verdrehte die Augen und studierte die Karte mit den vielen ausgefallenen Cocktails etwas zu eingehend.

„Sakura? Wo steckt der fiese Alte?“ Ino fixierte sie mit den Eisblauen. „Spuck’s aus!“

„Sasuke ist eine Woche in Italien“, brachte sie Zähne knirschend heraus, weil sie wusste, dass Ino nie im Leben locker lassen würde – in dieser Hinsicht glich sie einem Pitbull, der sich in das appetitliche Bein eines armen Passanten verbissen hatte. „Da ist ein Oldtimer-Autorennen, Mille Miglia Storica, durch die Toskana, an dem er immer teilnimmt. Eines seiner geheimen Hobbys.“

„Ist doch toll! Warum bist du denn nicht mit?“ Ino fuhr sich durch die Haare und warf Sakura einen ungläubigen Blick zu. „Siena, Florenz und Pisa. Wäre doch traumhaft romantisch. Ihr hättet einen Abstecher nach Rom machen können.“

Sakura indessen vergrub ihre Nase wieder in der Karte. Ein Grasshopper? Oder vielleicht einmal das Getränk mit dem vielversprechenden Namen Schneckenschleim. Am ehesten aber ein – „Sakura.“ Ino zog das letzte A Nerv tötend lang und nahm ihr die Karte weg. „Warum bist du nicht mit?“

„Weil ich erst davon erfuhr, als ich das pimpfige Zettelchen fand, auf das er‘s kaum leserlich gekritzelt hatte“, schnaubte Sakura, während ihre unterdrückte Wut langsam wieder hochkochte wie zu heißes Nudelwasser. „Auf einem Zettel!“ Sie schlug verärgert mit der flachen Hand auf den alten Tisch. „Wobei, halt! Es war gar kein Notizzettel! Es war die Hälfte eines abgelaufenen Schecks.“

„Ernsthaft?“ Ino schüttelte den Kopf und sah sie ungläubig an. „Er ist einfach so mir nichts, dir nichts abgehauen?“

„Wenn ich’s dir doch sage. Ich dachte, er verarscht mich, aber dann hab‘ ich ihn angerufen! Und ich habe ihn gefragt, wo er ist, und er sagt einfach nur: Hast du den Zettel nicht gefunden? Gerade in Pisa gelandet.“ Sakura imitierte Sasukes vor Selbstverständlichkeit triefenden Tonfall perfekt und zog dabei die Augenbrauen gekünstelt hoch, wie auch er es tat, wenn er sich über die Unwissenheit anderer echauffierte.

„Erst ist so dekadent, dein Freund“, sagte Ino voller Bewunderung, fügte aber anstandshalber hin zu: „Er ist es eben nicht gewohnt, dass jemand da ist, dem er sagen sollte wo er ist und was er macht. Und für ihn ist ein Flug nach Europa keine große Sache.“

„Meine Güte, selbst er sollte doch wissen, dass ich vorher Bescheid wissen will“, sagte Sakura. „Ich habe mir Sorgen gemacht! Und das war auch nicht das erste Mal. Und außerdem auf einem zerfetzten Scheck!“

„Wirklich? Das hast du mir gar nicht erzählt, dass er sowas schon mal gebracht hat.“ Ino warf ihr einen beleidigten Blick zu. „Komm schon, jetzt musst du aber auch alles erzählen.“

„Gut. Vor zwei Wochen, da hatte ich eine Nachricht von ihm auf meiner Mailbox, dass er übers Wochenende kurzfristig auf einem Segeltörn auf den Bahamas ist. Mit irgendeinem russischen Ölmagnaten und anderen Freunden aus Osteuropa, die er zum Teil noch von der Uni kennt“, erklärte Sakura. Aufgebracht wie sie war, hantierte sie mit dem Kerzenwachs des kleinen Teelichts vor ihr. „Einmal war er unter der Woche in London. Ich kam gerade zu ihm in die Wohnung, da stand er mit seinem Köfferchen da und verabschiedete sich grinsend.“

„Wow. Er ist wirklich ziemlich oft unterwegs.“ Ino seufzte. „Ich dachte er arbeitet nicht?“

„Ja, er ist oft unterwegs, in letzter Zeit. Dabei hat er mir gesagt, er wäre ja angeblich ach so oft in seinem Haus in den Hamptons. Und du musst wissen, dass waren nur die Gelegenheiten, von denen er mir nicht vorher erzählt hat. Er fliegt jeden Dienstagmorgen nach Florida zum Golfen mit potentiellen Geschäftspartnern, und in zwei Wochen ist er in Detroit.“ Sakura verdrehte die Augen, hob in einem Anflug von Frustration und Hilflosigkeit die Hände. „Er arbeitet nicht, er verwaltet sein Vermögen. Er spekuliert mit seinen Aktien. Er investiert in Firmen.“

Sie seufzte und hielt kurz inne, um beim Kellnern einen Green Poison zu bestellen, während Ino einen Cuba Libre orderte. „Geld macht Arbeit. Das ist wohl auch ein anstrengender und stressiger Job“, bemerkte Ino beschwichtigend.

Sakura starrte das sterbende Flämmchen, das langsam im Wachs des Teelichts ertrank, an. „An einem Tag hat er dreißig Millionen Dollar in den Sand gesetzt“, murmelte sie.

„Oh Gott! Und?“

„Er hat die chinesische Siebenmillionendollarvase aus der Ming-Dynastie an die Tür geworfen und wir hatten die ganze Nacht Sex.“
 

Das schlechte Gewissen nagte doch ein wenig an ihm, als er in seinem Hotelzimmer in Siena saß und über den aufgebrachten Anruf, der ihn Dank fünfstündiger Zeitverschiebung kurz vor Mitternacht erreicht hatte, sinnierte. Er hatte sich eingeredet, dass er sich für eine Beziehung nicht ändern würde. Nach außen hin tat er dies natürlich nicht, er würde immer ein gleichgültiger, mitunter schlechtgelaunter Kerl sein. Aber innerlich war irgendwas ins Rollen gekommen. Da waren diese Gewissensbisse, die ihm zeigten, dass es nicht mehr nur um ihn selbst ging. Und das beunruhigte ihn zutiefst. Jahrelang hatte es nur ihn selbst gegeben, niemandem, dem er Rechenschaft schuldig war, niemand, der verlangte zu wissen wo er war. Zwar war Naruto schon damals seine engste Bezugsperson gewesen, aber das war natürlich schon damals nur eine relative Bezeichnung. Außerdem war sein Freund, seitdem dieser nun verlobt war, nicht mehr so oft zu sprechen, vielmehr gab es ihn nur noch im Doppelpack mit seiner etwas zu schüchternen, aber im Allgemeinen doch recht akzeptablen Frau. Dieser Umstand brachte ihn zwar nicht dazu des Nachts in sein an die Brust gedrücktes Kissen zu heulen und in Fötalstellung den guten alten Zeiten nach zu trauern, dafür verursachte diese Umstellung vielmehr eine leichte, mehr und mehr ansteigende Panik in ihm, die seinen Fluchtinstinkt zu aktivieren schien.

Da war diese seltsame sexuelle Beziehung zu Karin gewesen und angesichts von Narutos Glück hatte sich in ihm das Bedürfnis nach einer waschechten, eigenen Beziehung geweckt, so irrational ihm das im Bezug auf sich selbst auch immer noch vorkam. Es war pures Glück – oder Unglück? – gewesen, dass er an jenem schicksalhaften Tag auf Sakura getroffen war. Sie hatte ihm einen Schubs in eine andere Richtung gegeben, und obgleich er die Zeit mit ihr sehr genoss und ebenso viel für sie empfand, sah er sich außerstande seine Gefühle für sie genauer zu definieren – immerhin war er durch den unsanften Schubs immer noch taumelnd...

Hier, weit weg von New York, fühlte er sich befreit von der Frage, die ihm überall aufzulauern schien. Besonders so kurz vor der Trauung Narutos und Hinatas war seine neuerliche Beziehung ein äußerst favorisiertes Gesprächsthema in seinem Bekanntenkreis. Ihm sträubten sich noch immer die Nackenhaare, wenn er daran dachte, was Bee gefragt hatte: „Dann hast du jetzt auch Heiratsmaterial gefunden?“ Bei Gott! Er wäre sicherlich der letzte, der sich durch Schwüre an jemanden zu binden versuchte – davon abgesehen, dass die ganze Institution Ehe ein wirres, sinnfreies, auf hemmungslosen Konsum basierendes archaisches Ritual war. Auch Naruto machte, je näher der große Tag kam, enervierende Anspielungen: „Dann bin ich bei dir auch Trauzeuge!“ und „Meinen Segen hast du, Bruder.“ Natürlich freute Sasuke sich für Naruto. Dass er nicht an Ehe glaubte, hieß ja nicht, dass er generell auch allen anderen Personen den Glauben daran absprach.

Das eigentliche Problem war ja viel eher, dass die meisten eine Ehe mit dem L-Wort gleichsetzten. Also, hatte er derlei geartete Gefühle für Sakura? Naruto und Hinata waren schon relativ lange ein Paar gewesen, bevor sie geheiratet hatten. Hieß das, Gefühle entwickelten sich über die Zeit? Eine leidenschaftliche Beziehung zu Sakura hatte er auf jeden Fall, er mochte sie sehr. Konnte sich daraus so etwas wie – er wollte kaum daran denken – Liebe entwickeln? Andererseits behauptete Naruto felsenfest, er hätte vom Augenblick an, da er Hinata zum ersten Mal gesehen hatte, Liebe empfunden, aber erst später erkannt, dass es tatsächlich Liebe war – war es eventuell schon Liebe?

Problematisch war in diesem Zusammenhang auch, dass er der festen Überzeugung war, dass Liebe vor allem ein angenehmer, wenn auch biochemischer Zustand war. Er war eben einfach zu sehr Kopfmensch, als dass er diese romantische Verklärung ohne wissenschaftlich fundierte Erklärung hinnahm. Und als rationaler Mensch wusste er auch, dass sich biochemische Zustände änderten, und auch aus eigener Erfahrung wusste er, dass sich menschliche Beziehungen grundlegend verändern konnten. Sie entstanden, sie zerbrachen. So wie die Beziehungen zu seinem Bruder Itachi und auch die zu seinen Eltern.

Irgendwann einmal, es kam ihm fast schon vor wie in einem anderen Leben und in gewisser Weise war das sogar eine sehr zutreffende Ansicht, war er der kleine Bruder gewesen, der stolz und eifersüchtig zu gleich auf seinen großen Beschützer war. Der diesem brennend nacheiferte, immer in der Hoffnung auf Anerkennung. Gleich einem Hund, der stupide auf den Hinterbeinen balancierte, nur weil er die verlockende Aussicht auf ein Stück Speck oder ein paar Streicheleinheiten hatte, am Ende jedoch immer nur an der Nase herumgeführt wurde. Und früher war er auch mal das Nesthäkchen gewesen. Während sein Vater ihn im Vergleich zu seinem älteren Bruder immer geschont hatte, hatte seine Mutter ihn stets umsorgt. Er konnte sich an ihr langes, weiches Haar erinnern, als wäre es erst vor einigen Wochen gewesen, dass er sein verheultes Gesicht darin vergraben hatte, weil er seinem großen Bruder mal wieder nicht das Wasser hatte reichen können. Schlagartig wurde ihm bewusst, warum er die langen Wellen von Sakuras Mähne so sehr bewunderte.

Wie auch immer, all das, was er mal für diese Menschen gewesen war, Nervensäge und Nachkomme, und das, was sie für ihn gewesen waren, Vorbild und Beschützer, all das war im Laufe der Zeit verschwunden oder hatte sich umgeformt. Aus dem großen Bruder wurde der Lügner und Verräter, ein Sinnbild für Enttäuschung und Abweisung, und die Eltern waren über die Distanz hin einfach nur noch Fremde gewesen. Und dass sie nun alle drei Staub und Asche, und schließlich Erde waren, konnte an seinen beiden grundverschiedenen Erinnerungen an sie auch nichts mehr ändern. Wie ein Vorher-Nachher-Shooting.

Vielleicht würde sich Sakura schon in einem Jahr von ihm abwenden, oder sogar schon in sechs Monaten oder bereits nächste Woche. So plötzlich, wie sie sich in sein Leben gestohlen hatte, könnte sie auch wieder gehen – würde sie, seinen Erfahrungen nach, wieder gehen. Es war äußerst wichtig, dass er sich diese Wahrscheinlichkeit immer vor Augen hielt. Es gab und würde für ihn niemals eine Garantie für andauernde Beziehungen geben. Und gerade aus diesem Grund würde er nichts an seinem Lebensstil ändern. Für niemanden, auch nicht für Sakura Haruno. Aber er würde ihr eine neue Tasche kaufen und sie ihr umgehend mit der Eilpost nach New York schicken.
 

Am nächsten Tag hatte Sakura die Verärgerung über Sasuke immer noch nicht losgelassen. Ebenso am darauf folgenden Morgen beschäftigte sie die Abwesenheit Sasukes, auch wenn sie versucht hatte sich abzulenken: Bewaffnet mit einer extragroßen Portion Pancakes hatte sie sich auf ihr Bett gelegt und beobachtete die Zeiger der leise tickenden Uhr über ihrem Schminktischchen. Inos Beschwichtigungsversuche hatten sie nur mäßig beruhigen können. Langsam wurde Sakura bewusst, dass sie aus der Phase, in der sie ihre Beziehung durch die rosarote Brille betrachtet hatte, draußen war. Ziemlich schmerzlich wurde ihr bewusst, wie groß die Unterschiede zwischen ihr und Sasuke waren. So sehr sie auch verstand, was Ino ihr zu erklären versuchte, nämlich dass Sasuke durch Gewohnheit so handelte, wie er nun mal handelte, und nicht, weil er etwa versuchte sie vor den Kopf zu stoßen oder gar zu verletzen. Es mochte ja tatsächlich sein, dass in seiner Welt ein Flug nach Europa in etwa so bedeutsam war, wie der Gang zum Bäcker um die Sonntagsbrötchen zu kaufen, aber warum nur konnte er sich nicht auch einmal in ihre Lage hineinversetzen?

Sie kam zwar nicht aus vollkommen einfachen Verhältnissen und sie hatte schon mit Menschen in seiner Preisklasse zu tun gehabt, aber diese Beziehung war dennoch ein Sprung ins eiskalte Wasser für sie. Anfänglich war sie beeindruckt gewesen. Von den Autos, den vielen teuren Geschenken und dem ganzen luxuriösen Lebensstil. Doch nun war sie überwältigt, wie eine Flutwelle hatten sie diese ganzen neuen Eindrücke mitgerissen und sie dümpelte nun auf dieser Tide von Reichtum und Einfluss herum, ohne Rettungsring, weil er nicht einmal bemerkte, dass sie drohte unter zu gehen. Und das nur, weil er viel zu sehr damit beschäftigt war, sein Leben so weiter zu führen wie er es gewohnt war. Es war ihm nicht bewusst, dass er ihr Leben von Grund auf veränderte.

Sie fragte sich, ob sie käuflich war. Denn nichts anderes war das, was er tat, wenn er sie überhäufte mit Geschenken als Entschuldigung für eine kleine Meinungsverschiedenheit oder sein abermaliges Verschwinden… Das Läuten ihrer Haustürklingel ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken. Sie hastete an die Gegensprechanlage.

„Sakura Haruno? Eilzustellung für Sie.“

Als der Postbote ihr schließlich das Paket überreichte, wurde ihre düstere Ahnung bestätigt. Auf dem Paket, das die Ausmaße eines kleinen Reisekoffers hatte, prangte ein italienischer Poststempel.

Sie legte den Karton schließlich auf ihr Bett, trat einen Schritt zurück und betrachtete es, als würde jeden Moment eine giftige Schlange daraus hervor kriechen, um ihr in den Knöchel zu beißen. Was war es jetzt schon wieder? Ein neues Kleid? Schuhe? Der Gedanke, Sasuke jetzt anzurufen und ihm zu sagen, was sie von all seinen Aufmerksamkeiten hielt, drängte sich immer mehr auf. Aber sie war sich sicher, dass er wenig bis kein Verständnis für sie aufbringen würde. Schlicht und ergreifend war in seinem Bewusstsein kein Platz für die Belange einer Frau, die eigentlich nichts anderes wollte, als eine zärtliche Umarmung, einen leidenschaftlichen Kuss und mitunter drei kleinen Worten.

Sie griff nach ihrem Handy und wählte Inos Nummer. Noch bevor diese, als sie abnahm, etwas sagen konnte, sprudelte es aus Sakura hervor: „Ich wusste es! Verdammt, ich hab’s geahnt!“

„Sakura, du bist’s!“, bemerkte Ino ironisch. „Was hat er dir denn gekauft?“

„Keine Ahnung, ich hab das Paket nicht geöffnet. Und ich werd’s auch nicht öffnen. Ich hab wirklich die Schnauze voll! Was soll das denn? Ich bin keine Prostituierte, die Bezahlung verlangt. Und immer, wenn ich versuche, ihn anzusprechen, blockt er ab und hat ganz plötzlich was Dringendes mit seinem Geld zu erledigen.“ Sakura knabberte gedankenverloren an ihren Fingernägeln, die mittlerweile nur noch aus blutverkrusteten Nagelbetten bestanden.

„Wenn er nicht so einen verdammt heiße Sau wäre, würde ich dir ja dazu raten sofort Schluss zu machen“, äußerte sich Ino, „Aber –!“ „Genau, jeder hätte schon längst die Notbremse gezogen! Ich fühle mich ja selbst so schlecht dabei. Was soll ich denn machen, ich habe schon so viel von diesem teuren Zeug angenommen, dass ich selbst nicht mehr weiß, ob ich mich nicht schon fast freiwillig verkauft habe.“

„Sakura, ich bitte dich, du kannst dir doch keine Vorwürfe machen. Du solltest wirklich mit ihm telefonieren und sagen, dass du diese Geschenke nicht willst. Er muss doch verstehen, dass du damit nicht zu recht kommst.“

„Aber –!“ Sakura setze dazu an, Ino zu erklären, dass es sich dabei um einen aussichtslosen Kampf handelte, aber Ino war schneller: „Nichts da, meine Liebe, wenn unser Sonnenkönig dass nicht versteht, dann ist er nichts für dich. Es kann doch wohl nicht zu viel verlangt sein, dass er kapiert, dass solche Geschenke keinen echten Liebesbeweis ersetzen können.“

„Ich will überhaupt keinen Liebesbeweis“, murmelte Sakura, der im selben Moment klar war, dass das eine glatte Lüge war. Auch Ino wusste das und quittierte das mit einem glockenhellen Lachen. „Sakura. Wir Frauen wollen immer nur die drei Worte hören. Du rufst ihn jetzt an und forderst von ihm, dass er Stellung bezieht. Ihr seid ja nicht mehr achtzehnjährige Highschoolschüler, sondern Erwachsene, die sich eventuell eine gemeinsame Zukunft vorstellen! Ich muss jetzt weiter arbeiten, also ruf ihn sofort an und berichte mir!“ Ino schien tatsächlich so sehr beschäftigt zu sein, dass sie umgehend, als die letzten Worte gesprochen waren, auflegte.

Mit dem endgültigen Tuten des Geräuschs, das ertönte, wenn die Verbindung unterbrochen wurde, im Ohr, stellte sich Sakura der Herausforderung. Zum Glück hatte sie Ino, die sie immer wieder über die Kante stieß.

Zögerlich begann sie Sasukes Nummer zu wählen. Was auch immer sie gleich sagen würde, hoffentlich war Sasuke überzeugend genug. Es war tatsächlich so, dass sie keinerlei Bedürfnis hatte ihre Zeit – denn immerhin war sie schon Mittdreißigerin – mit einer spielerischen Liebschaft zu verschwenden.

„Ja?“, ertönte Sasukes Stimme schließlich.

„Ich bin’s!“, brachte sie heraus, immer noch dabei ihre folgenden Worte zu recht zu legen.

„Weswegen der Anruf?“, fragte er, wie je her mit der Herzlichkeit einer öffentlichen Toilette – kalt und unpersönlich. Es hätte sie eigentlich niemals verwundern dürfen, dass er selbst ihr gegenüber diesen geschäftlichen Tenor anschlug. „Ein Paket von dir ist angekommen.“

„Hm?“

„Ich hab’s nicht geöffnet.“ Sie räusperte sich.

„So?“ Sie meinte, im Hintergrund einen laufenden Fernseher zu hören.

Sakura. Jetzt oder nie!, feuerte sie sich selbst an. „Ich will es nicht öffnen.“

Ein kleines Zögern seitens Sasuke. „Warum?“

„Weil… hör zu. Ich habe ein seltsames Gefühl bei der ganzen Sache mit den vielen teuren Geschenken.“

„Definiere seltsam“, forderte Sasuke sie scharf auf.

Diesmal würde er sie nicht verunsichern können. „Es ist, als würdest du mich kaufen wollen und das möchte ich nicht, oder nein, ich hasse es.“

„Nett“, kommentierte Sasuke nach einem kurzen Schweigen.

„Und mehr hast du dazu nicht zu sagen?“, fragte Sakura schließlich, als er sich nicht weiter äußerte.

„Der Standpunkt ist unmissverständlich“, schnaubte er.

„Ich will aber verdammt nochmal auch wissen, was du dazu zu sagen hast!“, fauchte sie schließlich aufgebracht in den Hörer.

„Nichts, wie du meinem Schweigen hättest entnehmen können“, murrte er kurz angebunden. Sie merkte, dass sie so langsam an einem wunden Punkt kratze.

„Ach ja? Nichts? So viel bin ich dir also wert!“ Noch bevor sie ihre unbedachten Worte bereuen konnte, explodierte Sasuke förmlich: „Darum geht es also! Jedesmal das Gleiche. Heulerei und immer nur Gefühle!“

„Nur Gefühle? Nur Gefühle? Das ist doch nicht dein Ernst, um was geht’s denn sonst in einer Beziehung? Um deinen nicht onanierbaren Restdruck? Ich bin nicht deine Karin Reloaded!“

„Wie lange hast du diesen Spruch geübt?“ Sasuke lachte höhnisch. „Man kann es einfach nicht recht machen.“

„Bitte?“ Sakura starrte ihr Handy ungläubig an. „Ich mein ’s ernst. Hier geht’s nicht nur darum, dass ich eventuell beleidigt bin, dass du einfach mal so abgehauen bist, sondern darum, dass ich insgesamt nicht zufrieden bin.“

„Unzufrieden.“ Sasuke stöhnte auf. „Hör zu. Ich bin nicht im Lande und muss in dreißig Minuten los um mein Auto fit zu machen, habe also beim besten Willen keinen Nerv für deine aus Langeweile geborenen Belanglosigkeiten. Ich kann meinen Aufenthalt hier abkürzen und bin dann übermorgen wieder in New York. Mach’s dir also bequem, schmeiß das Paket meinetwegen in den Müll oder spende es. Ich muss jetzt los.“ Abermals ertönte das nervenaufreibende Tuten aus dem Hörer.

Vor Wut schneeweiß und am ganzen Körper bebend, stand Sakura wie ein begossener Pudel in ihrer Wohnung. Dieser Mann brachte sie zur Weißglut. Belanglosigkeiten? Langeweile? Hatte er auch nur ein Wort gehört, dass sie gesagt hatte? Und tatsächlich hatte sie recht behalten, mit keiner Faser seines Körpers hatte er sich auch nur eine Sekunde lang bemüht, zu verstehen, was sie empfand. Stattdessen war er einmal genüsslich quer über ihre Gefühle getrampelt.

Weil er es sich leisten konnte, weil sie so verliebt war. War das etwa schon alles?
 

Tatsächlich kam Sasuke früher nach Hause. Es klingelte an der Tür und dann war er wieder da. Fast so, als hätte er den heftigen Streit vergessen, packte er ihr Gesicht und küsste sie. Und ohne, dass sie sich wehren konnte – und sie hatte es sich fest vorgenommen – schmolz sie dahin wie Schweizerschokolade über dem Wasserbad.

„Ich hab‘ was für dich“, murmelte er schließlich, schob sie etwas zur Seite und kramte in seiner Anzugjacke.

Sakura starrte ihn aus großen Augen an. Der Mann schien wirklich nichts zu verstehen, oder zu mindestens ein großes Talent im Ausblenden von essentiellen Gesprächsteilen zu haben.

Er zog seine Hand wieder hervor und hielt ihr die geschlossene Faust hin.

„Was?“ Sie beäugte ihn kritisch, ihr Herz pochte heftig, drohte beinahe zu Zerspringen.

Seine Hand öffnete sich. Die schwielige Handfläche war leer. Stattdessen griff er nach einer ihrer vorwitzigen Haarsträhnen und strich sie zur Seite. „Nichts als Geschenk.“ Ein jungenhaftes Grinsen huschte über sein Gesicht. „Du siehst wirklich heiß aus, wenn du sauer bist.“

Obwohl sie wütend war, weil er ihren Streit so schnell abtat, musste auch sie lächeln. Er hatte ja recht, vielleicht war ein Großteil ihrer Wut nur aufgrund der Distanz entstanden.

„Ich habe dich vermisst“, sagte sie schließlich und umarmte ihn. „Du bist ein Dickkopf, aber ich…“, sie schluckte das aufkommende Bedürfnis „Ich liebe dich“ zu sagen hinunter. Warum sollte sie diesen friedlichen Moment auch kaputt machen. Nein, sagte sie zu sich selbst, vielleicht würde es ja der letzte Streit dieser Art sein. Und ein ich liebe dich, dass nicht erwidert wurde, war einfach ein zu grober Schlag in ihre Magengrube. Wie Ino immer zu sagen pflegte, eine Frau, die als erste diese Worte äußerte, ohne dass der Kerl sie ad hoc erwiderte, kämpfte auf verlorenem Posten. Und so sehr sie auch hoffte und sich einbildete, Sasukes Gefühle wären ebenso stark wie die ihren, wollte sie es nicht drauf ankommen lassen. „… ich finde, dass du mich demnächst mitnehmen musst, wenn du wieder verreist.“

„Einverstanden.“
 

„Sasuke!“ Naruto nahm ihn überschwänglich in die Arme. „Du bist gestört.“ Der Blonde drehte sich um und sah die Pluton mit offenem Mund an. Die stahlgraue Yacht lag in stiller Ruhe in der Bucht und warf einen großen Schatten auf die Meeresoberfläche, die sich sanft im Mondlicht kräuselte. „Von hier aus sind es sieben Tage nach Bonds Cay. Dort könnt ihr es euch schön gemütlich machen und in einem Monat wieder mit meinem Jet von Nassau aus zurück fliegen“, erklärte Sasuke den Plan für die Frischvermählten. Während Naruto nun Hinata packte und halb zerquetschte, die anderen Gäste anerkennend applaudierten und der engagierte Fotograf Bilder von der Yacht und dem Pärchen machte, trat Sakura, die sich vorher etwas im Hintergrund gehalten hatte, an seine Seite. Instinktiv wanderte seine Hand sofort suchend zu ihrer, doch als er sie berührte, zog sie sie weg, schüttelte den Kopf und deutete dann in Richtung des Strandstegs. Ihr seltsamer Blick gab ihr Rätsel auf – was leider nicht besonders ungewöhnlich war, denn trotz ihrer schon andauernden Beziehung hatte er es nicht geschafft, sich ganz an ihre Eigenarten zu gewöhnen und ihre beeindruckende Bandbreite an Gesichtsausdrücken zu erschließen.

Etwa dreißig Meter von den anderen Hochzeitsgästen entfernt, blieb Sakura stehen, die Arme verschränkt – ob wegen der kühlen Meeresbrise oder weil sie wütend auf ihn war, oder wegen beidem, würde Sasuke bald herausfinden. Er räusperte sich und sah sie dabei mit seinem erwartungsvollsten Blick an.

Sakura blickte von ihm zur Yacht, dann wieder zu ihm, nochmal zurück und hin und her, bis sie schließlich den Kopf schüttelte und seufzte. „Eine Yacht.“ Sie starrte ihn aus ihren Augen an, die, sonst in einem leichten Jadegrün, nun im Schein der Strandfackeln in einem tiefen Malachit glitzerten. „Ich wusste nicht, dass du eine Yacht hast.“ Inhaltlich war es zwar eine Feststellung, aber ihre Tonlage verriet ihm, dass es sich um einen Vorwurf handelte. Er erwiderte ihren Blick. „Ich habe die Pluton seit drei Jahren.“ Er nahm ihre Hand besänftigend in seine. „Wenn du willst, können wir auch mal mit ihr durch die Karibik fahren“, versuchte er sie zu besänftigen.

„Und was ist mit Bonds Cay?“ Sakura zog ihre Hand zurück und verschränkte die Arme abermals vor der Brust. Es war irgendwie beunruhigend, wie ruhig ihre Stimme blieb. Das war ihm neu, denn in der Regel war sie, wenn sie auf ihn sauer war, immer sehr aufgebracht und mitunter nervtötend laut. „Bonds Cay habe ich vor elf Jahren gekauft.“ Sasuke sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Sie wich seinem Blick aus. „Ich… also in der Regel wundert es den Menschen nicht, wenn andere Personen, mit denen sie in einer Beziehung stehen, Dinge haben, die ihnen noch fremd sind. Ich bin mir sicher, Ino zum Beispiel hat das ein oder andere Kleid das ich nicht kenne. Diese Dinge, dass sind verschiedene triviale Alltagsgegenstände. Nun ist es so, dass die Sachlage bei etwas weniger alltäglichen Dingen auch etwas davon abweicht. Würde Ino eine Privatinsel besitzen, dann hätte sie mir davon erzählt.“ Sakura sah ihn immer noch nicht an. Irgendwann hätte sie gesagt: Sakura, jetzt wo wir schon einige Monate eine Beziehung haben –“ „Bist du dir sicher, dass es noch um Inos nichtvorhandene Privatinsel geht? Wenn es so wäre, alle Achtung, ich hätte nicht gedacht, dass du mir ausgerechnet mit deiner besten Freundin fremdgehst“, fiel Sasuke ihr ironisch ins Wort. Sakura quittierte seine Bemerkung damit, dass sie ihn nun mit leicht zusammen gekniffenen Augen fixierte. „Dann sag du es mir doch, wäre es wirklich so schwer gewesen, wenn du mich liebst, mal zu sagen: Ach, schau mal, das hier sind meine Socken, dort drüben steht mein Fernseher, das ist mein Lieblingskaktus, ich arbeite nicht, das sind meine Milliarden, hier sind meine Prachtautos, im Hafen liegt meine Yacht und in der Karibik meine Privatinsel.“ Sie schnaubte geräuschvoll und blickt ihn an. Sasuke legte den Kopf schief. „Ja und?“ Sie verdrehte die Augen und schnaubte abermals. „Was?“, fragte er fordernd und sah sie forschend an. Ihre Reaktion veränderte sich nicht, immer noch sah sie ihn schweigend an. Irgendwann einmal hatte ihm irgendjemand mal erzählt, dass es wirklich sehr viel schlimmer war, wenn Frauen einen nicht mehr laut anschrien…

Sasuke packte sie etwas unsanft an den Oberarmen. „Was willst du mir damit sagen. Was, verdammt? Brauchst du eine verdammte Inventarliste aller meiner weltlichen Besitztümer?“ Seine Stimme vibrierte vor Ungeduld, die ihm zu Weilen zu eigen war, und auch vor langsam aufkochender Wut. Im Normalfall war Sakura sehr wohl in der Lage gewesen genau zu betiteln, was sie gerade an ihm störte.

„Ich… du…“ Sie starrte auf den Boden, bevor sie ihn plötzlich mit ihren grünen Augen fixierte, nur um dann zu der Yacht und den Gästen und dem Hochzeitspaar zu schauen. „Ich muss jetzt gehen“, stellte sie in einem seltsamen, finalen Tonfall fest. Ruckartig entwand sie sich seinem Schraubstockgriff, schritt durch den Sand, bis sie am Fuß der Treppe des Stegs stand und sich zu ihm umdrehte. „Ich habe es wirklich versucht, aber es funktioniert nicht. Es tut mir leid“, sagte sie mit fast erstickter Stimme, die vom Rauschen der Wellen fast übertönt wurde. Sasuke blickte ihr verwirrt hinterher, als sie hastig die Treppen und schließlich den Steg zurück zum Haus entlang stolperte.

Er hatte ja schon einiges erlebt, aber dass sie ihn einfach eiskalt stehen ließ, war ebenfalls neu. „Sakura!“ Sasuke befand, dass es eigentlich nicht seine Aufgabe war, ihr hinterher zu eilen. „Bleib stehen!“, rief er herrisch aus und folgte ihr dann doch mit langen Schritten, etwas peinlich berührte bemerkte er, dass sein Ausruf nun die Aufmerksamkeit einiger Gäste geweckt hatte; einige der Köpfe hatten sich nun zu ihm gedreht und konnten nun beobachten, wie er, zwei Stufen auf einmal nehmend, mit wehender Sakkojacke Sakura hinterher hastete. „Sakura!“, brüllte er schließlich, nur noch zehn Meter hinter ihr.

Sie blieb kurz stehen, ebenso er. Ein ziemlich heftiger Windstoß fegte ihr durch das lange Haar und zupfte auch am Saum ihres hellblauen Seidenkleides – der Duft von Salz und Algen kletterte in seine Nasenhöhlen. Langsam schüttelte sie den Kopf, während sie ihn mit ihren Augen aufspießte. „Nein. Ich bleibe nicht stehen, Sasuke.“
 

Es war drei Uhr nachts, die Feier war immer noch nicht zu Ende; von Weitem hörte er Naruto mit Bee auf der Terrasse des Anwesens schrecklich schief singen. Sakura hatte er nirgendwo finden können, ganz offensichtlich war sie zurück in die Stadt gefahren. Erschöpft warf er einen Blick auf seine Armbanduhr von Panerai. Seit ihrer filmreifen Auseinandersetzung am Strand waren fast fünf Stunden vergangen. Außerdem war ihm beim Rekapitulieren der Geschehnisse aufgefallen, dass er vor lauter Vorwürfen etwas ganz außer Acht gelassen hatte. Wenn du mich liebst. Es schauderte ihn leicht. Aber es war ihr vielleicht einfach nur unbewusst rausgerutscht – im Normalfall ritt Sakura gerne auf den Sachen herum, die ihr an ihm nicht passten. Wäre es ihr ausgerechnet auf diesen Teil des Satzes angekommen, dann hätte sie ihn das auch lautstark hören lassen.

Es war möglich, dass sie nun nicht mehr wütend war – oder was auch immer es war, was sie zum Gehen bewegte hatte – und eventuell wartete sie gerade auf ihn. Seufzend – ja, auch er war fähig mal den ersten Schritt zu tun! – nahm er sein Handy aus der Innentasche des Anzugs und rief in seiner Wohnung an. Das Freizeichen ertönte, doch niemand hob ab, auch beim zweiten und dritten Mal wurde der Hörer nicht abgehoben. Es war aber durchaus möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass sie bereits schlief.

Er rief seinen Piloten an, der, wie alle anderen Servicekräfte, irgendwo im zweiten Gästehaus auf weitere Anweisungen gewartet hatte. Der Mann erklärte, dass der Helikopter bereits in fünfzehn Minuten zum Abflug bereit wäre, und so befand er sich dreißig Minuten später auf dem Rückflug. Ein Blick auf das Display seines Handys verriet ihm, dass Sakura ihn nicht zurückgerufen hatte.

Weitere dreißig Minuten später saß er in seinem Bentley. Er würde sich nicht explizit für alles entschuldigen. Es gab nichts, was er tatsächlich falsch gemacht hatte. Warum hatte sie sich so aufgeführt? Musste er ihr denn jetzt alle Dinge aufzählen, die er besaß? Sie wusste doch, dass er wohlhabend war, warum überraschte es sie dann, dass er sein Geld auch für Gewisse Dinge ausgab? Im Grunde genommen ging es sie nichts an, was er mit seinem Geld machte. Er könnte sich genauso gut eine Tonne Kaviar liefern lassen und darin baden, es hatte objektiv betrachtet absolut nichts mit ihr zu tun. Warum also war sie dann so aufgeregt gewesen? Sie benahm sich seitdem er aus Italien zurückgekommen war oft anders. Sie war schnippisch und immer leicht gereizt. Und sie schlief öfter in ihrem eigenen Appartement oder weigerte sich am Wochenende zu ihm in die Hamptons zu fliegen, so dass er gezwungen war andauernd in New York zu sein – er hatte das Gefühl, dass seine Lunge ihm das und die heimlichen Zigarren übel nahm.

Schließlich stand er in seinem Aufzug. Er starrte sich im Spiegel an. Vielleicht sollte er sich doch entschuldigen. Er konnte es ihr so wie so nicht recht machen, daher würde eine Diskussion zu nichts führen und ihm nur ein unnötiges Ärgernis sein. Das war ein guter Plan, immer den Weg des geringsten Widerstands gehen. Er würde sich also zuerst relativ beiläufig entschuldigen, sie anschließend ins Bett zerren, sie die ganze Nacht beschäftigen und am nächsten Morgen würde er mit ihr, die wie ein Wunder all den Krach vollkommen vergessen hatte, einen Urlaub auf Bonds Cay planen. Aber natürlich würden sie erst in einem Monat, wenn Naruto und Hinata nicht mehr dort waren, dorthin können. Vielleicht sollte er sie zu einem Überraschungstrip in die Toskana, zu seiner Villa an der Amalfiküste, entführen? Doch das war wahrscheinlich keine gute Idee, denn ihm fiel brühwarm ein, dass Sakura davon auch nichts wusste.

Die Aufzugstür öffnete sich mit einem leisen Surren und er stieg aus. Sie war nicht im Wohnzimmer, nicht im Esszimmer, nicht in der Küche und auch nicht im Bad. Und sie war auch nicht im Schlafzimmer. Sakura war überhaupt nicht in seiner Wohnung, stellte Sasuke mit einem dumpfen Gefühl in der Magengegend fest. Er setzte sich an den Tresen in der Küche und starrte auf die Uhr und gähnte. Halb fünf. Es hatte wenig Sinn jetzt zu ihr zu fahren. Sie würde wahrscheinlich tief und fest schlafen und nur fuchsteufelswild sein, wenn er sie aus ihrem Schlaf riss. Etwas enttäuscht, dass er die Nacht nicht mit Sakura verbringen konnte, ließ er sich auch dazu herab den Schlaf der Gerechten zu schlafen.

Als am nächsten Morgen Ino auftauchte und ihm kurz und bündig erklärte, begleitet von einem sehr mitleidigen Blick aus den blauen Augen, was Sakura mit „Ich bleibe nicht stehen“ wirklich gemeint hatte, war er soweit, dass er die Ansicht vertrat, Alkohol vor zwölf sei zwar nicht gesellschaftsfähig, aber durchaus angebracht.

Das seltsam feminin anmutende Bedürfnis Naruto von seiner Trennung in Kenntnis zusetzen wurde nur dadurch unterdrückt, dass er den beiden Frischvermählten die Überfahrt in der Pluton nicht vermiesen wollte. Beide würden ein furchtbar schlechtes Gewissen über ihr eigenes Glück empfinden und sofort zurückkommen – er erwischte sich dabei, dass er diese Vorstellung äußerst erquickend fand, immerhin hieß es ja „geteiltes Leid ist halbes Leid“. Andererseits gefiel ihm die Vorstellung nicht, explizit zu erklären, wie es denn zu der plötzlichen Trennung gekommen war. Naruto würde fragen: „Und, wie ist es passiert?“ und er würde antworten: „Ich hab‘ es gar nicht mitbekommen.“ Das würde ihm einen mehr als nur mitleidigen Blick garantieren. Was äußerst erbärmlich sein würde und ihm in seiner jetzigen Situation den Rest gäbe.

Er entschied sich, dass er sich Zeit lassen würde, Naruto davon in Kenntnis zu setzen, dass „Die Frau die zu meinem allerbesten Freund so perfekt passt“ sich von besagtem Individuum wieder getrennt hatte – klammheimlich, oder auf jeden Fall für ihn unbemerkt; Frauen sollten sich einfach per Gesetz eindeutiger Ausdrücken müssen. In der Zwischenzeit würde er sich literweise Spirituosen zu Gemüte führen, so könnte er Naruto wenigstens sagen, dass er eine Portion für ihn mitgetrunken hatte.

Plötzlich klingelte das Telefon. Sasuke erwischte sich beim Gedanken daran, das es sich um Sakura handelte, die sich meldete um sich zu entschuldigen und ihn wieder haben wollte. Natürlich begrüßte er beides sehr, aber er könnte ihr vorher einen kleinen Streich, quasi einen Denkzettel verpassen. Er räusperte sich, während er sich schon einige passende Sätze zu recht legte, nahm den Hörer ab und meldete sich mit einem mürrischen Schnauben, „Hn.“.

„Sasuke?“, tönte Naruto. „Gott sei Dank, ich hab’s gerade erfahren.“ Sein Freund redete beeindruckend schell. „Ich sag’s dir, ich komm sofort zurück! Ich fahr auf der Stelle zurück! Oh Mann, damit hätte niemand gerechnet!“

Scheiße. „Was bitte?“, fragte er nach, in der leichten Hoffnung Naruto würde auf etwas anderes Anspielen.

„Ich hätte niemals gedacht, dass sie sich von dir trennt, Kumpel.“ Narutos Stimme war leicht weinerlich und unerträglich mitleidig.

„Woher?“, schnaubte Sasuke nur.

„Bee!“

„Bee?“ Er schüttelte entgeistert den Kopf. Meine Güte, gab es etwa einen allseits bekannten Liveticker oder twitterte jemand minutiös über seinen Beziehungsstatus? Hashtag sasukefail?

„Ja, er hat sich vorhin mit Ino zum Brunch getroffen, die hat’s ihm erzählt und er mir gerade vor einer Minute!“

„Hn.“

Naruto seufzte auf. „Sag, wie geht’s dir? Hast du schon deinen Spirituosenvorrat geleert?“

Ein seltsames Gefühl der Resignation übermannte ihn. „Ich habe mit dem Gedanken gespielt, das Problem mit Alkohol zu lösen“, gab er zu, während er realisierte, dass er bereits einen Tumbler mit goldfarbenen Glenmorangie füllte.

„Das ich nicht lache. Du hast den Gedanken vergewaltigt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (20)
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Von:  MissBlackBloodSakura
2020-01-01T19:20:25+00:00 01.01.2020 20:20
Schreibst du noch weiter??🥰
Ich liebe diese Geschichte🥰
Von:  tito-chan
2016-05-14T10:52:57+00:00 14.05.2016 12:52
Hoffentlich schreibst Du bald weiter ❤️ Sehr toller Schreibstil! Bin durch Zufall auf die Fortsetzung gestoßen.
Lg
Von:  Silberwoelfin
2016-01-05T21:54:57+00:00 05.01.2016 22:54
Neues Jahr, neues Glück
Ein neuer versuch die Story zu reanimieren :)
Würde mich riesig freuen wenn es weiter geht!
Von:  jadi
2015-03-05T19:22:48+00:00 05.03.2015 20:22
Oh Gott, ich hab deine Geschichte gefunden und war sofort begeistert!
Schreibst du sie noch weiter? Ich wäre sehr erfreut, etwas anderes wäre auch eine Verschwendung!
Liebe Grüße, Jade.
Von:  IamCandy
2014-11-12T23:05:20+00:00 13.11.2014 00:05
ohhh komm schon, tu uns den gefallen und hau in die tasten D:
ich hab selten einen so tollen schreibstil unter die augen bekommen, man hat einen bomben lesefluss und überhaupt ist die ff mal richtig bombe :o
mach bitte, bitte weiter .____.

Von:  Silberwoelfin
2014-07-30T19:37:59+00:00 30.07.2014 21:37
Hey
Hab gerade deine Fanfic entdeckt und bin begeistert.
Richtig toller schreibstil.
Wäre super wenn du wieder weiter schreiben würdest :)
Von:  Niua-chan
2013-01-15T16:47:55+00:00 15.01.2013 17:47
so ich hab jetzt den ersten teil gelesen der Hunger auf den zweiten gemacht hat, auf den ich mich auch sofort gestürtzt habe^^
ich kann Sakura verstehen das sie die Nase voll hat aber Sasuke tut mir auch ein wenig leid
bin voll gespannt wie es weiter geht
ich schreib ab jetzt auchfür jedes Kapitel ein Kommi^^
niua
Von:  Pretty_Crazy
2012-08-07T15:15:05+00:00 07.08.2012 17:15
Blöd gelaufen.
Sowas hätte ich auch mit zeitlicher Begrenzung mit gemacht. Irgendwann wäre es gut gewesen und dann hätte ich auch die Notbremse gezogen.
Wir frauen sind zwar schwer zu verstehen, aber man muss sich ja nun auch ein bisschen Mühe geben und sie verstehen wollen.
Bei Sasuke wäre der Satz: Frauen muss man nicht verstehen, man muss sie nur lieben, wohl am besten geeignet. Er hat Sakura gekauft, um es böse auszudrücken und irgendwie gibt sich der werte Herr auch keine Mühe. Da kann das nicht funktionieren.

Mich würde aber mal interressieren was mit seinen Aktien los ist. Verliert er etwas sein ganzes Geld? Benimmt er sich deswegen seit einiger zeit so eigenartig?
Dann kommt er wieder in den Normalbügerstatus. Ohne Luxus und ohne Geld, sollte er ja wohl schnell bemerken, was ihm eigentlich fehlt. Na ja, wohl Wunschdenken meinerseits :P

LG
Rosetta
Von:  SswEetiieE
2012-06-10T14:58:30+00:00 10.06.2012 16:58
ich liebe liebe liebe es =D Ich bekomme einfach nicht genug von deiner FF! Dein Schreibstil ist einfach großartig! Schreib bitte schnell weiter =)
lg Jenny
Von:  Sakuramausi1993
2012-06-02T23:05:28+00:00 03.06.2012 01:05
super kapitel :) weiter so! bin gespannt was das nächste mal auf uns wartet :)

LG


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