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Kindskopf

von

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Kindskopf

Der durchschnittliche Oberschüler saß an Samstagen mit gleichaltrigen Freunden in Cafés, hing in Spielhallen rum oder nahm an Dates teil, die er im Nachhinein als solche abstreiten würde.

Warum also gerade er, der schärfste Teenagerverstand Japans, an einem Samstagnachmittag in der Kinderecke von Tanakas Haus des Muffins hockte und auf die Premiere des neusten Kamen Yaiba-Films wartete, war ihm ein Rätsel.

Shinichi Kudo alias Conan Edogawa nuckelte zum gefühlten tausendsten Mal frustriert am Strohhalm seines Eistees, während er sich fragte, warum er sich das antat.

„Meinst du nicht auch, Conan?“

Ach ja, deswegen tat er sich das an. Drei Paar Kinderaugen guckten ihn fragend an.

„Wie bitte?“ Heute war einer der Tage, an denen er sich wiederholt in seinen Gedanken verlor und über seine derzeitige und, seien wir ehrlich, schon verflucht lang andauernde Situation nachdachte.

„Ich habe dich gefragt, ob du nicht auch glaubst, dass in dem neuen Film Kamen Yaibas Geheimidentität aufgedeckt wird.“

Auf Mitsuhikos Frage antwortete er nur halbherzig, bevor er erneut begann aus dem Fenster zu starren.

Eine Gruppe Jugendlicher, in seinem Alter – seinem wahren Alter – überquerte gerade lachend den Zebrastreifen und Conan kaute nachdenklich auf seinem Strohhalm herum.

Er sollte da draußen sein, vielleicht nicht gerade bei den Typen, die sahen schließlich nicht besonders helle aus, aber einfach da draußen. Kriminalfälle lösen und dabei ernst genommen werden, sich in die neue Achterbahn im Tropical Island setzen, für die man mindestens so groß sein musste – in Gedanken streckte er die Hand über den Kopf, um die Stelle zu markieren, peinlich – und sogar in Verzweiflung über den Algebrastoff mosern. Bevorzugt mit Ran.

Natürlich war nichts davon im Moment eine Möglichkeit für einen Siebzehnjährigen, der im Körper eines zehn Jahre jüngeren Dreikäsehochs steckte.

Der Strohhalm litt bei dem Gedanken noch ein wenig mehr.

Er musste inkognito bleiben, sich in seine Rolle einfühlen und sich, verflucht noch mal, wie ein Kind verhalten. Dennoch fragte sich der ach so erwachsene Shinichi-Teil in ihm, den er für gewöhnlich gerne unterdrückte, ob all das, was er dafür tat, eigentlich wirklich nötig dafür war.

Klar, er musste mit Kindern „seines Alters“ reden und ab und zu etwas mit ihnen unternehmen. Aber waren Campingtrips, Sportevents, Vergnügungsparkausflüge und Kinoprämieren für Kinderfilme in dieser Masse wirklich nötig?

Er stahl einen kurzen Blick zu Ayumi, Genta und Mitsuhiko, die gerade mit ausladenden Handbewegungen Kamen Yaibas Auftritt im letzten Film nachstellten und kicherte.

Er kicherte.

Oh Mann, er steckte ja so tief drin.

Natürlich sollten Oberschüler nicht so viel, so dermaßen viel, unbeschreibbar viel Zeit mit Kleinkindern rumhängen. Das war einfach nicht normal.

Trotzdem konnte der Schülerdetektiv nicht abstreiten, dass es ihn, von den kleinen Melancholieschüben mal abgesehen, nicht störte. Es machte Spaß.

Und genau das war der Punkt, der ihm zu schaffen machte.

Es sollte ihm keinen Spaß machen. Er sollte auf Kinder aufpassen und ein bisschen auf sie herablächeln. Nicht mit ihnen im Matsch herum rennen, Verstecken spielen oder in Kinositzen freudig auf und ab hüpfen. Und schon gar nicht sollte er jedes Mal rot anlaufen, wenn eine Siebenjährige, namentlich Ayumi, ihm zu verstehen gab, dass sie sich in ihn verguckt hatte.

Irgendwas musste mit ihm nicht stimmen. Und zwar ganz gewaltig.

Vielleicht lag es daran, dass er schon elendslange in diesem Zwergenkörper feststeckte.

Vielleicht lag es auch daran, dass er schon immer ein wenig kindisch war, wenn er nicht gerade Killer auffliegen ließ.

Vielleicht lag es an seiner, dezent formuliert, „unorthodoxen“ Erziehung.

Oder er war einfach ein Spinner.

Letztere Möglichkeit ließ ihn laut aufseufzen und sich wieder den Kindern zuwenden. Genta und Mitsuhiko schienen gerade wieder einmal um Ayumis Aufmerksamkeit zu kämpfen, indem sie sich damit abmühten ein von ihr erfundenes Rätsel zu lösen.

Kinderkram. Er hatte die Frage nur zur Hälfte gehört und wusste schon die Antwort. Allerdings musste er zugeben, dass es für Gründschüler eine ordentliche Leistung war.

Die drei Kleinen waren schon ziemlich intelligent für ihr Alter…

Ayumi zwinkerte ihm zu.

…und ziemlich frühreif.

Die Eiswürfel in seinem Glas hatten sich schon größtenteils verflüssigt und schmeckten nur noch eklig nach der inzwischen vom Strohhalm zerquetschten Zitronenscheibe.

Er seufzte auf. Gut, er war ein Spinner. Hatte er das auch geklärt. Toll.

Bevor er das Ganze ad acta legen konnte, schrillten die Glöckchen über der Eingangstür. Ran und Ai kamen gleichzeitig zu ihrem Tisch. Kaum Platz genommen, wurden sie sofort von den drei Kindern in Anspruch genommen.

Ja, sie freuten sich auch schon auf den Film. Nein, sie wussten nicht, ob Kamen Yaibas Identität gelüftet werden würde. Ja, Popcorn wäre nachher toll.

Und als Shinichi, Conan, der Oberschüler, der sich vor ein paar Sekunden noch selbst in die Irrenanstalt gesteckt hätte, zusah wie die beiden älteren Mädchen, auch wenn nur eines auch danach aussah, mit den Kindern scherzten, und Ayumi ihn von der anderen Seite des Tisches anstrahlte, dachte er für einen Moment:

Vielleicht lag es auch gar nicht an ihm.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Shini-Girl
2011-09-14T12:10:59+00:00 14.09.2011 14:10
hallo
deine geschichte ist süß
mir gefällt sie echt gut
shinichi´s gedankengänge sind nachvollziebar und logisch
glg
deine shini


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