3. Das BH-Bikini-Paradox
„Oh mein Gott, mach die Tür sofort wieder zu!!!“
Mit diesem wütenden Ausruf wurde ich begrüßt und die Zimmertür wurde mir ins Gesicht geknallt. Bedeppert starrte ich auf das Holz vor mir und wusste nicht mal ansatzweise, was ich denn nun eigentlich falsch gemacht hatte. Aber das war nicht Neues, dass wusste ich bei ihr sowieso nie.
„Äh… was ist denn?!“, fragte ich, um herauszufinden, was es denn jetzt war und weswegen ich mal wieder der Böse war. Wie eigentlich immer.
„Ich habe nichts an, verdammt noch mal!!“, folgte die geschriene, wütende Antwort auf dem Fuße und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie Sarah im Zimmer wie ein Springteufel auf und ab hüpfte. Allerdings machte ihre Antwort für mich überhaupt keinen Sinn.
„Was redest du denn da? Du warst doch überhaupt nicht nackt!“, entgegnete ich immer noch verwirrt. Ich hatte ganz klar gesehen, dass sie etwas getragen hatte.
„Unterwäsche zählt nicht! Bist du denn komplett beschränkt?“, keifte Sarah zurück und ich konnte Schranktüren knallen hören.
Aha, Unterwäsche zählte also nicht, gut zu wissen. Es war ja nicht so, dass wir nicht vor kurzem erst am Strand gewesen wären und dort war sie sicherlich nicht die ganze Zeit in ein Handtuch gewickelt herumstolziert. Ganz im Gegenteil.
„Ich habe dich doch vorhin in deinem Bikini gesehen, was ist das jetzt der Unterschied?“ Die Frage war mir allerdings schon länger im Kopf herum gegeistert, da es anscheinend wirklich enorm wichtig war, was denn nun die bestimmten Körperstellen bedeckte.
Die Tür, vor der ich immer noch stand, wurde schwungvoll aufgerissen und Sarah starrte mich giftig an und stolzierte dann an mir vorbei. „Du bist tatsächlich noch bekloppter als du aussiehst“, zischte sie, „warum bin ich bloß mit dir in den Urlaub gefahren?!“
Das fragte ich mich allerdings auch manchmal. Anfangs fand ich die Idee ja noch ganz gut, aber mittlerweile… „Weil sonst keiner Bock hatte mit dir wegzufahren und ich mich edelmütig geopfert habe.“
Ein Kissen kam in meine Richtung gesegelt und ich fischte es gerade noch so aus der Luft, bevor es mich am Kopf treffen konnte. „Arschloch! Du weißt ganz genau, dass ich mit Laura fahren wollte, sie aber krank geworden ist und Adam und Lena kommen ja bald nach!“
Natürlich wusste ich das ganz genau, aber ich konnte immer nicht anders als unsere Zuckerpuppe zu ärgern. Die Zornesfalte auf der Stirn stand ihr auf irgendeine Art besonders gut. „Jetzt aber mal zurück zum Thema: Warum macht es einen Unterschied, ob du einen Bikini oder einen BH an hast? Das verdeckt doch das Gleiche!“
Sie sah mich mit hoch gezogener Augenbraue an. „Warum diskutierst du denn jetzt mit mir darüber?“
„Ich diskutier gar nicht! Ich habe dir nur eine Frage gestellt und hab gehofft, dass du vielleicht so gütig bist und mir darauf eine Antwort geben könntest.“ Gott, manchmal nervte sie mich wirklich!
Sie blinzelte einmal, dann noch einmal und holte tief Luft. „Also“, begann sie, „BHs und Bikinis sind was ganz anderes.“ Sie stockte. „BHs sehen andere Menschen normalerweise nur in ganz bestimmten Situationen… und für solche Situationen kauft man auch die besonders Guten und die soll halt sonst keiner sehen.“
„Aha.“ Klang nur so semi-einleuchtend, aber es war immerhin irgendeine Antwort. Ich wollte heute mal nicht so sein und gab mich damit zufrieden.
„Hätten wir das jetzt geklärt?“ Bei dem giftigen Blick, mit dem sie mich immer noch bedachte, wollte ich gar nicht widersprechen.
„Ja, ja…“
„Gut, dann komm nächstes Mal nicht mehr ins Zimmer ohne vorher mal zu klopfen!“, sagte sie in einem beeindruckenden Befehlston zu mir und drehte sich um, um das Zimmer zu verlassen. Doch eine Sache musste ich noch sagen und ging schon mal vorher vorsichtshalber vor fliegenden Kissen in Deckung.
„Na ja, wie auch immer, ob BH oder Bikini, ich werde dich ja bald in dieser bestimmten Situation ohne das Eine oder das Andere sehen…“