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Time Began To Play

HP/LV, DM/HG
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich wünsche euch allen ein wunderbares Osterfest!
Pünktlich zum wichtigsten Fest des Christentums gibt es auch endlich ein neues Kapitel dieser FF!
An dieser Stelle möchte ich wie immer Robino danken, die auch dieses Mal wieder ausgezeichnete Beta-Arbeit geleistet hat! *knuff*
Und auch euch, denjenigen, die diese Fanfiktion lesen, kommentieren oder mich anschreiben, um sich nach ihrem Fortschritt zu erkunden. Ohne euch wäre ich niemals soweit gekommen. Danke.

P.s.: Mexx, deine FF-Optionen werden von Update zu Update besser. Komplett anzeigen

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Taking Sides

Taking Sides
 

Draco wusste nicht, wie lange er auf dem Boden gelegen hatte. Vielleicht eine Minute, vielleicht aber auch mehrere Stunden. Die Zeit entglitt ihm mit jedem Tag mehr. Einzig sein Hunger- und Müdigkeitsgefühl gaben ihm ein Gespür dafür, wie viele Stunden vergangen sein mochten, doch selbst diese waren keine zuverlässigen Faktoren. Er war immer hungrig, er war immer müde und ihm war immer kalt.

Wenigstens hatte er keine Schmerzen mehr.
 

Lily hatte sich um all seine Wunden gekümmert und dafür gesorgt, dass er am Leben blieb. Manchmal war er ihr dankbar dafür, doch es gab Augenblicke, in denen er sie dafür hasste. Was war ein Leben, das in Gefangenschaft geführt wurde? Richtig: langweilig.

Er hatte nichts zu tun. Absolut nichts. Er konnte nur liegen oder durch die Zelle laufen oder die Risse in den Wänden und dem Boden und an der Decke zählen. Oder darauf warten, dass Lily mit einer Mahlzeit zu ihm kam. Wenn er Glück hatte, sprach sie sogar mit ihm.
 

Das war ein weiterer Grund, warum er sie hasste: Da sie die Einzige war, die ihn ab und an besuchte, zwang sie ihn förmlich dazu, sich auf ihr Erscheinen zu freuen. Ausgerechnet auf sie. Harrys Mutter, die Frau, die ihn im Stich gelassen hatte und die nicht einmal ein Lächeln für Draco übrig hatte. Nicht, dass er von ihr angelächelt werden wollte, aber ihre ausdruckslose Miene war auch nicht gerade etwas, das ihn zu Freudensprünge animierte.

Doch sie war ein menschlicher Kontakt und das war besser als nichts.
 

Seufzend verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und starrte weiter hinauf. Er wusste, dass da noch andere Menschen waren. Einige bewachten seine Zelle, andere kamen einfach nur vorbei und schienen ihn zu beobachten. Er fragte sich, ob es Hermione war, die nach ihm sehen kam oder ob sich Weasley oder Longbottom hierher verirrten. Um wen auch immer es sich handeln mochte, Draco empfand stets ein großes Unruhegefühl, wenn sich ihm jemand näherte. Er wusste, dass man ihm zum Tode verurteilt hatte. Ihm stand eine öffentliche Hinrichtung bevor. Es gab keinen Grund zur Hoffnung.
 

Die Tür zu seiner Zelle wurde geöffnet. In der Erwartung, Lily zu sehen, wandte er träge seinen Kopf zur Seite. Als er jedoch sah, wer wirklich zu ihm gekommen war, lachte er. „Bist du hier, um dich an meinem elenden Anblick zu erfreuen? Oder ist bereits der Tag meines Todes gekommen?“
 

Ronald Weasley betrat lächelnd den Raum und ließ die Tür hinter sich zuschnellen. „Nichts von beidem. Ich bin hier, um zu überprüfen, ob meine Leute dich auch mit der dir gebührenden Gastfreundschaft begegnen.“ Er ließ seinen Blick in aller Ruhe durch das Zimmer schweifen. „Wie ich sehe, haben wir dir unsere Luxussuite überlassen. Ich hoffe sehr, dass hier alles zu deiner Zufriedenheit ist?“
 

„Es gibt definitiv nichts zu beklagen“, entgegnete Draco sarkastisch. „Das Essen schmeckt nach Staub und das Bett ist so hart wie der Boden... moment, es ist der Boden! Ich muss sagen, dieser Ort bietet alles, was man von einem Gefängnis erwartet.“
 

Weasleys Lächeln wurde eine Spur breiter. „Das freut mich sehr zu hören. Hermione wäre untröstlich, wenn du nicht ein Mindestmaß an Komfort während deines Aufenthaltes in unserem bescheidenen Zuhause genießen würdest.“
 

Draco setzte sich auf. „Was willst du?“ Innerlich brodelte er. Wie konnte er es wagen, Hermione mit ins Spiel zu bringen? So wie er es wagen konnte, ihn hier unten einzusperren. Ronald hatte die Macht. Über ihn, über sein Leben, über Hermione und über sein ungeborenes Kind. Draco konnte sich nicht erinnern, jemals einen anderen Menschen so sehr gehasst zu haben.
 

„Wie gesagt, ich bin nur hier, um mich über deinen Zustand zu erkunden“, erwiderte der Rothaarige und umkreiste den jungen Malfoy mit langsamen, selbstbewussten Schritten. Um seine Autorität zu unterstreichen, ließ er seinen Zauberstab zwischen seinen Fingern kreisen, genauso wie der Dunkle Lord es in seiner Situation getan hätte. Die Beiden sollten sich zusammentun. Sie würden sicher beste Freunde werden.
 

„Das hast du ja nun gemacht. Wenn du mich entschuldigst, ich würde jetzt gerne damit fortfahren, die Ritzen in der Wand zu zählen.“

Damit legte er sich wieder hin und verschränkte in aller Ruhe die Hände hinter dem Kopf. Ein Fehler. Ein großer Fehler.
 

Der Schmerz kam so überraschend, dass er für den ersten Moment glaubte, ihn sich einzubilden. Im nächsten Moment hörte er auf, einen klaren Gedanken fassen zu wollen, da es nur noch den Schmerz gab. Seine Muskeln schienen sich auszudehnen, seine Adern schienen zum Zerreißen gespannt und ein grauenvoller Schrei schien sein Trommelfeld zerreißen zu wollen.

Erst als der Schmerz wieder verebbte, begann er zu begreifen, dass es sein eigener Schrei gewesen war.
 

„Verdammt“, keuchte er und bemerkte, dass er sich instinktiv zusammengerollt hatte. „Was zum...“
 

„Ein netter Fluch, nicht wahr, Malfoy?“, drang Weasleys selbstzufriedend klingende Stimme an sein Ohr. „Schwarze Magie ist schon etwas faszinierendes. Nichts auf dieser Welt ist in der Lage, solche physische Schmerzen in einem anderen Menschen auszulösen. Und vor allem ist sie so viel sauberer. Ich könnte dich aufschneiden oder vierteilen oder dich mit meinen Füßen niedertrampeln, doch warum die Mühe machen, wenn ich genauso gut nur mit meinem Zauberstab schwingen und dich eine ganz andere Art des Schmerzes lehren kann?“
 

Eine neue Welle des Schmerzes erfasste ihn. Da schien jemand auf den Geschmack gekommen zu sein.

„Warum tust du das?“, fragte er, als er wieder klar denken konnte. „Du hast doch bereits alles, was du willst.“
 

Weasley trat in sein Blickfeld und hockte sich vor ihm hin. Lächelnd streckte er seine freie Hand aus und strich ihm liebevoll über das Haar. „Du glaubst also, ich habe alles, was ich wollte?“, wiederholte er. „Du irrst dich. Erst wenn du und deinesgleichen für immer aus dieser Welt verschwunden seid, werde ich mein Ziel erreicht haben. Du wirst der Anfang sein, Malfoy. Danach werde ich mir Harrys geliebten Dunklen Lord vornehmen. Und sobald er beseitigt ist, wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis wir den Rest eliminieren können.“
 

„Du bist auch wie ich“, zischte Draco und spähte zu ihm hinauf. „Du bist ein verdammter Schwarzmagier. Wenn du uns auslöschen willst...“
 

„Muss ich mich auch auslöschen?“, beendete er seinen Satz grinsend. „Oh, da hast du Recht, aber das wird die Natur so oder so für mich übernehmen. Und bis dahin kann ich mich um den Rest kümmern. Zum Beispiel um deinen kleinen Spross, der in dem Bauch unserer lieben, gemeinsamen Freundin heranwächst.“
 

Grauen erfüllte ihn. Er meinte doch nicht... er wollte doch nicht...

„Oh, keine Sorge, mein Lieber“, sagte Ronald lachend. „Deinem kleinen Nachwuchs wird nichts passieren. Die Zeit hat großes Interesse daran, dass dein Kind zur Welt kommt und am Leben bleibt. Ich verspreche dir, ich werde mich gut darum kümmern.“

Seine Finger vergruben sich mit einem Mal schmerzhaft in seiner Kopfhaut. Draco biss sich auf die Unterlippe, als der Rothaarige sich zu ihm hinunterbeugte, um ihm seine nächsten Worte direkt ins Ohr flüstern zu können: „Ich werde deinen Sohn lehren, deinen Namen zu hassen. Er wird dich verachten, verabscheuen und sich wünschen, dass seine Mutter niemals das Bett mit dir geteilt hätte.“
 

„Es ist doch gar nicht raus, dass ich einen Sohn haben werde“, entgegnete Draco kühl.
 

Er musste einen ruhigen Kopf bewahren. Dieser Psychopath wollte ihn provozieren. Er wollte, dass er etwas Unüberlegtes tat. Zurückschlug. Wahrscheinlich würde es ihn sogar aufgeilen. Nein, er würde ruhig bleiben und seine Wut herunterschlucken. Jetzt war nicht der richtige Augenblick, sich gegen ihn aufzulehnen. Das würde er sich für ein andermal aufheben, wenn er sich in einer weniger erniedrigenden Position befand.
 

„Sohn, Tochter.... das Geschlecht macht letztendlich keinen Unterschied.“ Ohne Vorwarnung rammte er Dracos Kopf auf den kalten Steinboden, während er ihn als Stütze benutzte, um wieder aufzustehen. Dieser verdammte... „Dein Kind gehört mir und Hermione wird sich nach deinem Tod sicherlich auch wieder daran erinnern, wem ihre Loyalität wirklich gelten sollte.“
 

„Weil Frauen es ja auch so furchtbar sexy finden, wenn man den Vater ihrer Kinder umbringt“, murmelte er. Als Antwort traf ihn wieder Ronalds neuer Lieblingsfluch. Der Kerl hatte definitiv keinen Sinn für Humor.
 

„Du hättest dich niemals einmischen dürfen“, verkündete der Weasley, sobald er den Fluch wieder aufgehoben hatte. „Dann hättest du überleben können. Aber nein, du musstest dich ja lieber der Versuchung hingeben und ihr mit unüberlegten Versprechen den Kopf verdrehen. Doch ich verzeihe ihr diesen Ausrutscher. Es war nicht ihre Schuld. Trotzdem bist du zu einem Problem geworden.“
 

Ein Problem.... aus seinem Mund waren diese Worte ein wahres Kompliment. Allerdings fiel ihm absolut keine passende Erwiderung darauf ein, da er sich Mühe geben musste, sich nicht zu übergeben. Was immer das für ein Fluch war, den er auf ihn richtete, er vertrug sich nicht sonderlich gut mit seinem Kreislauf.
 

Ronald hatte inzwischen damit begonnen, ihn wieder mit schweren Schritten zu umkreisen und fuhr damit fort, ihn an seinen Plänen teilhaben zu lassen, die denen des Dunklen Lord ernste Konkurrenz gemacht hätten:„Zu deinem Glück wird es noch ein wenig dauern, bis ich deine Eliminierung einleiten kann. Lebendig nützt du mir zu diesem Zeitpunkt mehr.“
 

Bevor er fragen konnte, was er damit meinte, wurde er abermals von einer Welle des Schmerzes überrollt. Nur, dass sie diesmal nicht aufhörte. Der Schmerz hielt immer weiter an, wurde immer stärker und schien bald alles in ihm zu erfüllen. Er begann zu schreien, als seine Knochen brachen und er hörte erst auf, als ihm seine Stimme versagte. Dafür hörte er nun das lachen. Ein schrilles, freudloses, grauenvolles Lachen. Und dann hörte er gar nichts mehr.
 

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Neville war nicht klar gewesen, wie sehr die Leute bereits auf Ronalds Meinung vertrauten. Egal, wen er ansprach, egal, wem er ins Gewissen reden wollte, alle warfen ihm befremdliche Blicke zu und wiesen ihn darauf hin, dass es ein verdammter Schwarzmagier war, dessen Leben er retten wollte.

Ja, Draco Malfoy war ein Schwarzmagier. Na und? Warum spielte das eine Rolle? Sirius Black war auch Schwarzmagier und trotzdem durfte er im Orden unbeschadet ein und aus gehen. Nevilles Meinung nach war das ein schlechtes Argument dafür, den Tod eines anderen Menschen zu rechtfertigen.
 

Innerlich hoffte er, dass sie dieses Argument benutzen, weil ihnen kein anderes mehr einfiel. Er wusste inzwischen, wie er seine Mitmenschen davon überzeugen konnte, dass Dracos Hinrichtung einem Mord gleichkam. Einige – allen voran Molly Weasley – waren der Überzeugung, dass dies gerechtfertigt sei. Draco sei immerhin ein Todesser und habe gewusst, worauf er sich eingelassen hatte. Er habe seine Entscheidung getroffen, seine Seite gewählt und er sei sich sicherlich darüber bewusst gewesen, dass der Tod auf ihn warte, wenn seine Mission, Ronald zu töten, scheiterte.

Als Neville ihr – und allen Anderen – daraufhin erklärt hatte, dass sie nicht viel besser als der Dunkle Lord wären, wenn sie ihren Gefangenen hinrichteten, obwohl dieser für sie keinerlei Gefahr darstellte – Draco war immerhin nicht einmal einer der bekannten Führungskräfte – war sie ganz schnell wieder ruhig geworden.

Bis das Argument Schwarzmagier aufgekommen war.
 

„Jeder, der schwarze Magie inne hat, ist böse“, war das Hauptargument. „Wenn sie ausgelöscht werden, wird die Welt zu einem besseren Ort werden.“

„Auch Menschen mit weißer Magie können böse Dinge tun“, erwiderte er darauf. „Das hat nichts mit der Magie zu tun, sondern mit den Entscheidungen, die wir treffen. Niemand wird böse geboren. Wir werden erst zu etwas bösem geformt.“
 

Doch es wollte ihm keiner zuhören. Er war zu lange ruhig gewesen, hatte sich zu lange aus allem herausgehalten und nun war ihm jede Chance auf eine Führungsposition entglitten. Ohne dass es ihm bewusst gewesen war, hatte Ronald seine Rolle innerhalb des Ordens übernommen und jetzt war es ihm beinahe unmöglich geworden, sie jemals zurückzuhalten. Wie hatte er das nur zulassen können? Warum hatte er sich so gehen lassen? Er war ein Idiot gewesen, doch nun würde er alles ändern. Wobei es schwerer war, als er sich ursprünglich vorgestellt hatte.
 

„Es muss doch hier irgendwo jemanden geben, der nicht so engstirnig und konservativ eingestellt ist“, knurrte er verstimmt, während er am Rande eines Innenhofes von Hogwarts saß und sich sein weiteres Vorgehen überdenkte. Wenn er wenigstens einen Verbündeten hätte. Gut, James war auf seiner Seite und wenn er es richtig verstanden hatte, unterstützten ihn auch Sirius Black, Remus Lupin und Nymphadora Tonks. Dummerweise war das nicht genug. Vermutlich würde es niemals genug sein.

Wenn nur Harry hier wäre. Sein bester Freund wüsste, was zu tun wäre.
 

„Weißt du, wenn du hier einsam vor dich rumsitzt und Trübsal bläst, wirst du niemanden helfen können.“
 

Neville blickte auf. Einer der Weasley-Zwillinge war zu ihm getreten. Es war ihm unmöglich zu sagen, wer von den Beiden vor ihm stand, da er sie noch nie hatte auseinanderhalten können. Misstrauisch sah er sich um, doch der zweite war nirgends zu entdecken. Deshalb wandte er sich wieder diesem Zwilling zu. „Bitte?“
 

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass du meinem Bruder eins auswischen und Draco aus seiner prekären Lage befreien willst“, verkündete er und setzte sich neben ihn. „Ein wirklich edler Gedanke, doch allein mit Worten wirst du nichts ausrichten können. So funktioniert das leider nicht.“
 

„Und was soll ich sonst tun?“, fragte er gereizt. Für die dummen Sprüche dieses Spaßvogels hatte er nun wirklich keine Zeit. „Sie alle mit einen Fluch belegen und sie dazu zwingen, auf mich zu hören?“
 

„Das wäre tatsächlich eine Möglichkeit. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass du die Fähigkeiten für einen so aufwendigen Zauber hättest. Aus diesem Grund hätte ich einen besseren Vorschlag.“ Der Rothaarige legte ihm einen Arm um die Schulter und beugte sich vor, um ihm seine nächsten Worte direkt ins Ohr zu flüstern: „Hilf uns.“
 

„Wobei?“, fragte er, ohne sich zu bewegen.
 

„Dabei, Draco aus seinem Gefängnis rauszuholen.“
 

Sein Herz setzte einen Schlag lang aus, ehe es kräftig weiterzuklopfen begann. Sie wollten ihn befreien? Waren sie wahnsinnig geworden? Was, wenn sie jemand erwischte? Dann würde Ronald sie definitiv gemeinsam mit Draco umbringen lassen. Es war verrückt. Es war wahnsinnig. Und gleichzeitig war es die einzig richtige Entscheidung.
 

Langsam rückte Neville von ihm ab, damit er sich zu ihm umdrehen und ihm in die Augen blicken konnte. „Was soll ich tun?“
 

Der Zwilling sah ihn für einen Moment schweigend an, ehe ein ehrliches Lächeln auf seinem Gesicht erschien. „Schön, dich wiederzuhaben, Neville.“
 

Er packte seinen Oberarm und zog ihn mit sich. Neville stolperte ihm etwas unbeholfen hinterher, während der Zwilling auf ihn einredete: „Am Wichtigsten ist es, Ronald abzulenken und dafür zu sorgen, dass unser Fluchtweg frei ist. Hier sind überall Appariersperren, weshalb wir ihn aus Hogwarts herausbringen müssen. Hermione wird sich um meinen Bruder kümmern. Und wir beide, mein Freund, werden den Anderen den Rücken decken.“

„Den Anderen?“, fragte er verwirrt, während er sich darauf konzentrierte, nicht hinzufallen. Warum hatte er es nur so verdammt eilig?

„Diejenigen, die sich um Malfoy kümmern werden.“ Der Zwilling kam zum Stillstand und bedachte ihn mit einem intensiven Blick. „Merk dir diesen Ort, Neville, hier werden wir uns heute Abend treffen, wenn es an der Zeit sein wird, unseren Plan in die Tat umzusetzen. Wir verlassen uns auf dich, okay?“
 

Und ob sie sich auf ihn verlassen konnten. Endlich hatte er die Chance, das Richtige zu tun. Vielleicht würde danach wieder alles gut werden. Vielleicht würde er dadurch die Möglichkeit haben, auf den Weg zurückzukehren, den das Schicksal für ihn bereitgestellt hatte. Und vielleicht würde er dann endlich seinen besten Freund zurückbekommen.
 

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Harrys Schritte wirkten unnatürlich laut, während er durch die inzwischen nur allzu bekannten Gänge von Toms Haus eilte. Dabei fragte er sich nicht zum ersten Mal, warum er gerade hier landete. Warum sollte Ginevra ihn an diesen Ort bestellen, wo sie den Dunklen Lord doch mehr als alles andere verabscheute? Im Endeffekt gab es dafür nur eine Antwort: Er selbst war es, der bestimmte, wo sie waren. Sah so aus, als würde sein Unterbewusstsein nach wie vor nach jenem Mann suchen.

//Natürlich tut es das. Du vermisst ihn.//
 

Seufzend blieb er stehen und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Dabei hörte er... Stille.

Sie war ihm sofort aufgefallen, als er aus seinem eigenen Traum hierher gerissen worden war.

Warum war da Stille? Es durfte keine Stille geben. Da müssten die Töne eines Klaviers sein, eine traurige, herzzerreißende Melodie, von der man sich wünschte, sie möge ewig weitergehen, während man sich gleichzeitig ihr Ende herbeisehnte.

Wo war der einsame Pianist, der einzige Lichtblick in jenen Träumen, die seine Mira über ihn brachte?
 

Als er kurz darauf den Kreuzgang betrat, bekam er seine Antwort. Der junge Musiker und sein wunderschöner Flügel waren verschwunden. An ihre Stelle war Gellert Grindelwalds Grabstein getreten. Wie ein dunkler Schatten ragte er aus dem Erdboden empor und ließ diesen Ort noch düsterer als gewöhnlich wirken. Harry trat an eine der Säulen, die diesen kleinen Friedhof umrahmten und lehnte sich mit der Schulter dagegen. Dabei betrachtete er das Profil des Mannes, der gleich einer Statue vor dem Grab stand. Es war ein älterer Tom als der Pianist, aber ein Jüngerer als der Dunkle Lord. Ein anderer Tom, den er nie kennengelernt hatte. Ob er so ausgesehen hatte, als Gellert Grindelwald gestorben war?
 

„Was hat das hier zu suchen?“, fragte Harry. „Was willst du mir damit sagen, Tom?“

Er erhielt keine Antwort. Natürlich nicht.
 

„Was ist dieser Mann nur für dich gewesen?“, sinnierte er und betrat den kleinen Garten. „Ein Mentor? Eine Vaterfigur? Was hast du in ihm gesehen, dass du ihn in dem bestgesichertsten Teil deines Hauses begraben hast?“

Und warum hatte er aufgehört zu spielen?
 

Ich habe aufgehört zu spielen, als die einzige Person gestorben ist, die mir jemals zugehört hat.

Stimmt. Das hatte er vor zwei Jahren zu ihm gesagt, als er ihm diese Frage gestellt hatte. Damals hatte Harry sich gefragt, wer dieser Mensch gewesen sein mochte, dessen Ende gerade Tom Riddle genug beeinflusst hatte, um ihm die Lust am Klavierspielen zu nehmen. Handelte es sich dabei wirklich um Gellert Grindelwald?
 

„Ich glaube, mir ist nie bewusst gewesen, wie einsam du eigentlich gewesen bist“, sagte Harry leise und stellte sich neben ihn. „Dabei hätte es mir klar sein müssen... nicht viele Menschen betrachten eine Schlange als ihre engste Vertraute. Wobei Nagini eine sehr intelligente Schlange ist, ansonsten würdest du dich sicherlich nicht mit ihr abgeben.“
 

Bereitete ihm diese Erkenntnis Schuldgefühle? Vielleicht.

Er wusste, dass es in gewisser Hinsicht herzlos gewesen war, dem Mann zuerst seine Liebe zu gestehen, ihn dann einzufrieren und ihn daraufhin zu verlassen. Niemand hatte eine solche Behandlung verdient, selbst nicht unter diesen Umständen. Aber in jenem Moment war es ihm wie die einzig richtige Möglichkeit vorgekommen. Die einzige Handlung, die das erzielte Ergebnis hervorbringen würde.

Er hatte Tom zeigen müssen, dass er nicht einfach mit den Leben von Harrys Freunden und Familienmitgliedern spielen durfte. Es ging hier immerhin um Draco. Seinen Bruder, der seit er fünf Jahre alt gewesen war, stets an seiner Seite gestanden hatte (außer in den ersten Jahren in Hogwarts, als kindliche Eifersucht Draco von ihm fortgerissen hatte). Er hätte es sich niemals verzeihen können, wenn er bei Tom geblieben und ihre Beziehung vertieft hätte, während sein Bruder auf seinen Tod wartete.
 

//Aber ist es wirklich notwendig gewesen, ihn zu verlassen?//

Was hätte er sonst tun sollen?

//Kommunikation ist das A und O...//

Kommunikation mit einem Dunklen Lord war dasselbe wie Kommunikation mit einer Wand.

//Du hast ihm nie die Chance gegeben, dir zuzuhören.//

Das stimmte nicht. Er hatte es versucht. Oft.

//Und kaum hattest du das Gefühl, dass es nichts bringt, bist du vor ihm davon gerannt. So wird das nie funktionieren.//

Vielleicht sollte es einfach nicht funktionieren.
 

Im Endeffekt fühlte er sich doch nur von Tom angezogen, weil er selbst ein Tempus Amicus und der Andere ein mächtiger Dunkler Lord war. Alles, was zwischen ihnen existierte, beruhte einzig und allein auf ihrer Magie. Was würde also geschehen, wenn diese Magie verschwinden würde oder wenn Harry niemals ein Tempus Amicus geworden wäre? Wären sie sich dann auch so nahe gekommen oder wären sie sich am Ende egal gewesen?

//Ariana und Albus sagten, dass ihr beide Feinde gewesen wärt, hätte sie nicht damals eingegriffen. Deine Verbindung zu Tom ist ein Werk des Schicksals. Ihr wärt niemals voneinander losgekommen, egal, in welcher Realität du auch gelebt hättest.//
 

Ja, aber sie wären Feinde gewesen. Keine.... was auch immer das eigentlich zwischen ihnen war.

//Du liebst ihn.//

Wenn er das wirklich tat, warum rannte er dann immer von ihm davon?

//Weil du dir nicht sicher bist, ob Tom dich auch liebt.//

In einem war er sich sicher: falls Tom jemanden liebte, dann Harry. Allerdings war es möglich, dass sie verschiedene Auffassungen von dem Wort „Liebe“ hatten.
 

„Weißt du....“, sagte er zu der jüngeren Ausgabe seines Denkproblems, „wir hätten uns in einer anderen Zeit treffen sollen. Ich müsste älter sein... du jünger... und in der Mitte wären wir uns begegnet und hätten gemeinsam großartiges schaffen können.“

//Das könnt ihr immer noch.//

Er drehte sich um und machte sich auf die Suche nach Ginevra.
 

Die Mira wartete mit einer Tasse Tee auf ihn. Als er den Raum betrat, den sie heute beschlagnahmt hatte, bedachte sie ihn mit einem strengen Blick. „Du hast dir viel Zeit gelassen.“

Harry ignorierte sie und setzte sich dafür auf den Stuhl, der am weitesten von ihr entfernt war. Dort angekommen, schlug er die Beine übereinander, um sie daraufhin kühl mit seinen Augen zu fixieren. „Mylady haben mich zu sich gerufen?“

Ungerührt trank sie einen weiteren Schluck Tee. „Es war sehr klug von Luna, dich zu deiner Mutter zu schicken. Sie hat tatsächlich den einzigen Schicksalsfaden gefunden, mit dem Draco Malfoy gerettet werden kann.“
 

„Und dir ist natürlich nicht in den Sinn gekommen, mich darüber in Kenntnis zu setzen, hm?“ Hätte er sich nicht bereits eine äußerst negative Meinung über die Mira gebildet, wäre es spätestens jetzt soweit gewesen.
 

„Warum sollte ich das tun?“, fragte sie. „Es spielt für die Zeit keine Rolle, was mit Draco Malfoy geschieht.“

Harry schnaubte. „Stimmt. Sie war nur daran interessiert, dass er Hermione schwängert.“
 

Ginevra runzelte die Stirn. „Du bist verstimmt.“
 

„Wie kommst du nur darauf?“, murmelte er, aber sie sprach bereits weiter: „Du bist immer verstimmt, wenn du bei mir bist.“
 

„Die wenigsten würden begeistert sein, wenn sie in regelmäßigen Abständen aus ihren Träumen gerissen werden.“
 

„Es ist die einzige Möglichkeit, dich zu erreichen.“
 

„Ich habe nie darum gebeten, erreicht zu werden.“
 

„Ich weiß“, sagte sie so verständnisvoll, dass er den Impuls, sie zu schlagen, unterdrücken musste. „Du hast es dir nicht ausgesucht. Aber ich habe es auch nicht getan. Glaubst du, ich wollte damals sterben? Der Tod ist nicht lustig. Er ist grauenhaft, traumatisierend, oft sogar schmerzhaft. Denkst du nicht, dass ich das lieber vermieden hätte? Trotzdem bin ich gestorben und jetzt bin ich hier, damit wir beide zusammenarbeiten. Ich will dir nur helfen.“

Natürlich wollte sie das. Immerhin würde eine Mira nie und nimmer egoistische Gedanken verfolgen. Er fragte sich, ob Albus es auch so sehr gehasst hatte, auf Ariana zu treffen. Er würde ihn irgendwann darauf ansprechen müssen.
 

„Draco ist mein Bruder“, sagte er leise. „Ich werde ihn nicht sterben lassen.“
 

„Und du bist ein Tempus Amicus“, entgegnete sie. „Das Wohl der Allgemeinheit sollte für dich wichtiger sein, als deine persönlichen Ziele. Aber das spielt jetzt alles keine Rolle mehr. Dracos Schicksal ist besiegelt. Wir sollten uns nun wichtigeren Dingen zuwenden.“
 

„Und was für wichtigere Dinge sollen das sein? Die Weltherrschaft?“
 

„Sowas in der Art.“ Sie nippte kurz an ihrer Tasse. „Sobald deine Mutter Draco aus seiner elenden Lage befreit hat und er wieder in Sicherheit ist, wird dein geliebter Dunkler Lord versuchen, dich wieder für sich zu gewinnen und du wirst schwach werden, weil du dich von deinen Gefühlen blenden lassen wirst. Aber du solltest in diesem Moment nicht vergessen, dass er es war, der deinen Bruder dorthin gebracht hat. Er hat dir gezeigt, wie viel er von deiner Meinung hält. Denkst du, das wird sich jemals ändern?“
 

Er beglückwünschte sich dafür, dass er dazu fähig war, ihr ein Lächlen zu schenken. „Meine Beziehung zu Tom Riddle sollte keine Rolle spielen, liebste Ginny. Denk ja nicht, dass ich so naiv bin, wegen ihm das Wohl der gesamten Menschheit aufs Spiel zu setzen.“
 

Sie musterte ihn, lange und intensiv. Vermutlich versuchte sie herauszufinden, was er damit meinte. Sollte sie sich ruhig den Kopf darüber zerbrechen. Er würde weiterhin dasitzen und vor sich hinlächeln, während er der Stille lauschte, die nicht existieren dürfte.

Bis sie plötzlich von dem Klirren der Teetassen unterbrochen wurde, als der Raum zu beben begann. Blinzelnd blickte er auf, während Ginevra das Gesicht verzog. „Dieses dumme Ding.“

Dieses dumme Ding?
 

Im nächsten Augenblick schlug er in seinem Bett die Augen auf und blickte in Lunas blasses Gesicht. Sah ganz so aus, als hätte sich seine Frage gerade von selbst beantwortet.

„Luna“, begrüßte er sie. „Was...?“
 

„Es geht los“, erwiderte sie leise, aber eindringlich. „Sie holen ihn raus. Ich dachte, du willst es vielleicht wissen.“
 

Sofort war er hellwach. „Erzähl mir alles.“
 

Luna lächelte und glitt neben ihn unter die Decke. Vertrauensvoll schmiegte sie sich an ihn und legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab. Erst als er einen Arm um ihre schmalen Schultern geschlungen hatte, begann sie zu sprechen.
 

Doch obwohl Harry ihr genau zuhörte und ihr seine ganze Aufmerksamkeit schenkte, erzählte sie ihm nicht alles.
 

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Er musste eingeschlafen sein, denn als Draco das nächste Mal die Augen aufschlug, war er allein.

Allein in seinem Gefängnis. Allein mit seinen Schmerzen.

Es war, als hätte er am ganzen Körper Muskelkater. Seine Arme, seine Beine, sein Hals, selbst seine Rippen schmerzten mit jedem einzelnen Atemzug. Was immer Ronald mit ihm getan hatte, er wollte es nie wieder erleben.
 

Er lag auf der Seite, hatte sich schützend zusammengerollt und die Arme um seinen Bauch geschlungen. Er versuchte, sie zu bewegen, gab es jedoch sofort wieder auf. Es war lächerlich. Es war immerhin nicht so, als hätte der Weasley ihm wirklich weh getan. Vermutlich wirkte dieser Zauber einzig über den Geist und hatte ihn all den Schmerz einbilden lassen. Mit seinem Körper war sicherlich alles in Ordnung. Er sollte stärker sein, mehr Selbstdisziplin, mehr Selbstbeherrschung. Stattdessen lag er hier und jammerte in Gedanken herum. Was für ein überaus ehrenvolles Mitglied der Familie Malfoy er doch war.
 

Das schlimmste an der ganzen Situation, war, dass es sich ausgerechnet bei Ronald Weasley um seinen Peiniger gehandelt hatte. Der Dunkle Lord, ein Auror, Dumbledore, ja selbst bei Longbottom hätte er jegliche Art der Folter einfach wegstecken können. Bei Weasley kratzte es allerdings viel zu sehr an seinem Stolz. Er würde es ihm heimzahlen, das schwor er sich. Aber dafür musste er hier erst einmal rauskommen.
 

So als hätte das Schicksal seine Gedanken vernommen, öffnete sich in diesem Augenblick erneut die Tür. In der Erwartung, der rothaarige Psychopath würde zurückkommen, spannte er sich an, doch es war nur Lily. Er konnte sich nicht erinnern, sich jemals so sehr über den Anblick eines anderen Menschens gefreut zu haben.

„Hey“, begrüßte er sie mit rauer Stimme. „Ich hoffe, du hast irgendeinen guten Trank dabei. Ich fühl mich...“ Er verstummte, als einer der Weasley-Zwillinge hinter ihr seine Zelle betrat. Was zum...?
 

„Oh Merlin“, hauchte Lily und sank neben ihn auf die Knie. „Was ist passiert, Draco?“
 

„Also, so wie ich das sehe, hatte mein Bruder wieder einen seiner zerstörerischen Anfälle“, kommentierte der Zwilling. „Es ist definitiv an der Zeit, dass wir ihn hier rausholen.“
 

Dracos Augen weiteten sich. „Ihr wollt....?“
 

Doch Lily bedeutete ihm zu schweigen und holte eine kleine Phiole hervor. „Vielsafttrank“, erklärte sie auf seinen fragenden Blick hin. „Wir werden dich für eine Stunde in George Weasley verwandeln. Niemand wird es ungewöhnlich finden, uns drei zusammen zu sehen und es wird die sicherste Methode sein, dich hier rauszubringen.“
 

„Aber was ist mit den Wachen?“ Er wusste, dass es welche gab. Er hatte sie manchmal miteinander reden gehört, wenn es Zeit für die Ablösung wurde. Seiner Meinung nach war diese Sicherheitsmaßnahme übertrieben gewesen. Als ob er in der Lage gewesen wäre, ohne Zaubstab und im Alleingang aus Hogwarts rauszukommen. Das hätte vielleicht sein Bruder geschafft, aber nicht er.

Einerseits brachte ihm diese Überschätzung seiner Person eine gewisse Genugtuung, andererseits war sie einfach nur albern. Wobei seine Wachen nicht sonderlich intelligent gewesen sein konnten, denn: „Ein kleiner Schockzauber kann Wunder bewirken, Malfoy“, erklärte Fred zwinkernd. „Und bis zur nächsten Ablösung ist noch mehr als genug Zeit. Mach dir also keine Sorgen, wir haben alles im Griff.“
 

Das musste sich erst noch herausstellen. Trotzdem schaffte er es nun, sich mit Lilys Hilfe etwas aufzurichten und den Trank zu schlucken, der seine Fahrkarte nach draußen sein würde. Es war seltsam, seinem Körper dabei zuzusehen, wie er sich an manchen Stellen dehnte und an anderen zusammenzog. Er wurde größer, aber schlacksiger und plötzlich fiel ihm rotes Haar ins Gesicht. Igitt. Er wusste, warum er sein eigenes stets kurz schneiden ließ.

Sobald die Verwandlung beendet war, blickte er auf und wusste sofort, dass etwas vollkommen schief gelaufen sein musste.
 

„Was...?“, setzte er an, verstummte jedoch, als er die Stimme erkannte, die da aus seinem eigenen Mund kam. Oh nein.

Oh doch.
 

„Ich dachte, du hättest mir ein Haar deines Bruders gegeben!“, fuhr Lily Fred an, der Draco mit einer Mischung aus Entsetzen und Schadenfreude betrachtete.
 

„Nun, wie du sehen kannst, habe ich das“, erwiderte er, ging aber sofort in Deckung, als Lily zu einem Schlag ausholte. „Schon gut, schon gut. Ich dachte wirklich, dass es Georges Haar wäre, ehrlich. Woher hätte ich denn wissen können, dass das eine, rote Haar, das sich auf seinem Umhang befindet, ausgerechnet Ron gehören sollte?“
 

Es war also wirklich wahr. Der Vielsafttrank hatte ihn zu Ronald Weasley werden lassen.

Im ersten Moment hatte er das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Im zweiten erkannte er die Ironie des Schicksals: Der Körper seines Erzfeindes würde es sein, der ihn ohne größeres Aufsehen aus seiner Gefangenschaft heraustragen würde. Falls der Rothaarige jemals davon erfahren sollte – und Draco würde dafür sorgen, dass er davon erfuhr – würde er sich grün und blau ärgern. Perfekt.

Grinsend legte er eine Hand auf Lilys Arm, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Gehen wir dann los?“
 

Sie halfen ihm auf die Beine. Da er immer noch unter den Nachwirkungen von Ronalds Flüchen litt, schwankte er und zwar so stark, dass Lily beschloss, ihn auf einer Trage herausschweben zu lassen. Absolut nicht unauffällig, aber: „So musst du einfach nur den Ohnmächtigen spielen und kommst nicht in die Verlegenheit, Ron etwas Undronaldhaftes sagen zu lassen.“ Langsam begann er zu begreifen, warum Harry so an den Zwillingen hing. Ihr Humor konnte wirklich amüsant sein, wenn sie auf deiner Seite waren.
 

Auf den Weg aus den Kerkern blieben sie unbehelligt. Erst, als sie das Treppenhaus erreichten, trafen sie wieder auf Menschen. Draco konnte ihre aufgeregten Stimmen und näherkommenden Schritte hören, doch Lily hatte bereits eine Geschichte parat: „Der Gefangene hat Ronald angegriffen. Er muss irgendwo hier herumlaufen. Los, sucht ihn. Wir bringen ihn solange in den Krankenflügel.“

Sofort zerstreuten sich alle und sie konnten weiter.
 

Es war spielend einfach und deshalb hätte ihm klar sein müssen, dass es nicht lange gut gehen konnte. Sie bogen gerade in den Gang ein, in dem laut Lily ihr Ziel lag, als sie alle zum Stillstand kamen. Er verstand es nicht, bis Ronalds Stimme die angespannte Stille durchbrach: „Wirklich interessant, dass ihr gerade dabei seid, mich in den Krankenflügel zu bringen, wo ich mich doch bester Gesundheit erfreue.“
 

Draco setzte sich auf. Vor ihnen erstreckte sich ein Kooridor, dem er während seiner Schulzeit höchstens wegen der einäugigen Hexe einen zweiten Blick gewidmet hätte, die für alle Zeit als Statue an diesen Ort verweilen sollte. Davor hatte sich momentan Weasley aufgebaut, mit Longbottom zu seiner linken und – für einen Moment setzte sein Herzschlag aus – Hermione zu seiner rechten.

Sie wirkte blass, doch ihre Augen leuchteten entschlossen, als sie auf die seinen trafen. Sie war auf seiner Seite, das spürte er. Aber sie sollte nicht hier sein. Nicht bei ihm. Besonders nicht jetzt, wo er genau wusste, wozu dieses Monster fähig war.
 

Er wollte sich auf ihn stürzen und ihn in der Luft zerreißen. Wollte ihn für alles büßen lassen, was er ihnen angetan hatte und ihn vor Augen führen, dass sein selbsternanntes Lebensziel zum scheitern verurteilt war, dass er niemals dazu in der Lage wäre, alle Schwarzmagier auszulöschen und dass sie es sein würden, die triumphierten.

Nie zuvor war er dem Dunklen Lord so loyal gewesen wie in diesem Augenblick. Wenn er hier rauswar, würde er für ihn und seine Ideale kämpfen und zwar nicht mehr nur, weil man es von ihm verlangte. Nein, es war zu seinem eigenen Wunsch geworden. Und Malfoys waren daran gewöhnt, dass ihre Wünsche erfüllt wurden.
 

Im Moment musste er sich jedoch mit seinen finsteren Mordplänen zufrieden geben, da der Rothaarige vortrat und mit einem zweifellos langen Monolog begann: „Ich habe immer gewusst, dass man euch nicht trauen kann“, verkündete er. „Ihr habt schon immer viel zu viel Zeit mit Slytherins und anderem Pack verbracht. Doch von dir“, fügte er an Lily gewandt hinzu, „hatte ich mehr erwartet. Ich bin...“
 

Sie erfuhren niemals, was er war, denn ohne Vorwarnung schlug Longbottom ihm mit nichts geringerem als dem Helm einer alten Rüstung gegen den Hinterkopf. Ronalds Augen drehten sich nach oben und schon sackte er in sich zusammen, wie eine Marionette, bei der alle Fäden durchgeschnitten waren.

Für mehrere Sekunden herrschte Stille, dann fragte Hermione: „Wo hast du den Helm plötzlich hergenommen?“
 

„Ich hatte ihn die ganze Zeit bei mir“, erwiderte der Auserwählte schulterzuckend. „Zufälligerweise habe ich nämlich aufgepasst, als Professor Flitwick uns beigebracht hat, wie man Gegenstände unsichtbar macht.“
 

„Du hast ihn...“, begann Fred ungläubig, ehe er zu lachen begann. „Merlin, das ist genial! Daran werde ich ihn bis an sein Lebensende erinnern.“
 

„Bitte nicht“, sagte Longbottom leicht verlegen. „Ich hoffe ehrlich gesagt, dass er das alles vergisst, damit seine Erinnerungen mit eurer Geschichte übereinstimmen. Ich möchte nicht die wenigen Verbündeten verlieren, die ich bekommen kann.“
 

„Verbündete?“, fragten Lily und Draco wie aus einem Mund, während Fred nickte. „In dem Fall werden wir uns wohl am besten um den kleinen Tunichtgut kümmern müssen. Schafft ihr den Rest alleine?“
 

„Ja, natürlich“, sagte Lily blinzelnd.
 

„Perfekt. Komm, Neville. Und wo hast du eigentlich George gelassen?“

Die beiden Männer beschworen eine weitere Liege herauf und legten Ronald darauf ab. Bevor sie allerdings verschwanden, wandte Longbottom sich noch einmal Draco zu. „Damit eines klar ist, wir sind immer noch keine Freunde. Sollten wir uns auf einem Schlachtfeld begegnen und du auf der Seite der Todesser stehen, werde ich es selbst sein, der dich in den Tod schickt. Verstanden?“
 

Er lächelte. „Glaub mir, ich hätte nichts anderes erwartet.“
 

Er würde sich nicht bei ihm bedanken. Er musste es nicht, denn der Mann gab ihm bereits eine andere Möglichkeit, sich erkenntlich zu zeigen: „Sag Harry, dass er aufhören kann zu warten.“
 

„Was war das denn?“, fragte Lily verwirrt, als die drei um die nächste Ecke gebogen waren.
 

„Neville hat endlich beschlossen, dass es an der Zeit ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen“, erklärte Hermione. Sie stand nach wie vor neben der einäugigen Hexe und hatte nun ihren Zauberstab herausgeholt, mit dem sie diese antippte. Draco staunte nicht schlecht, als sich eine Öffnung auftat. Er hätte überall mit einem Geheimgang gerechnet, aber nicht hier. „Ich glaube, es gibt langsam wieder Hoffnung.“
 

„Hoffnung?“, wiederholte Draco und stand vorsichtig auf. Seine Beine waren immer noch wackelig, trotzdem schlug er Lilys Hand beiseite, als diese ihn stützen wollte. Sollte ihn der Teufel holen, wenn er Hilfe dabei brauchte, um zur Mutter seines ungeborenen Kindes zu gelangen. „Von welcher Hoffnung sprichst du?“
 

„Von der Hoffnung, dass sich alles noch zum Guten wenden kann natürlich“, erwiderte sie und sah ihn an. Er bekam nur geradeso mit, wie Lily sich leise entschuldigte und als erstes im Inneren der einäugigen Hexe verschwand.

Es war Monate her, seitdem sie das letzte Mal alleine gewesen waren, geschweige denn, sich so nah gegenübergestanden hatten. Er wollte sie an sich ziehen, sie küssen, sie festhalten und nie wieder loslassen. Er wollte seine Hände über ihren gewölbten Bauch gleiten lassen, um danach sein Ohr dagegen zu pressen um den Bewegungen seines Kindes zu lauschen. Er wollte ein Leben an ihrer Seite und er wusste, dass sie dasselbe wollte.
 

Trotzdem wandte sie den Blick ab und sagte: „Du musst gehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis hier jemand vorbeikommt.“
 

„Komm mit mir.“
 

Sie schloss die Augen. „Ich kann nicht.“
 

„Aber...“
 

„Nein, Draco. Ich kann nicht.“ Sie sah ihn wieder an. „Ich liebe dich. Ich tue es wirklich, aber uns beiden gehört der Frieden, nicht der Krieg. Dein Platz ist bei deiner Familie und meiner ist hier.“
 

„Aber...“
 

„Es ist meine Entscheidung. Also bitte, geh!“
 

Er wollte ihr widersprechen und sie anflehen, Vernunft anzunehmen. Das konnte doch unmöglich ihr Ernst sein. Wie konnte sie hierbleiben wollen, bei diesem Mistkerl, der ihr zweifellos ebenso weh tat, wie er ihm weh getan hatte? Wie konnte sie sich und ihrem Kind dieser Gefahr aussetzen?

Aber sie hatte ihre Entscheidung getroffen und sie war schon immer ein Sturkopf gewesen. Aus diesem Grund streckte er seine Hand aus und verhakte ihre Finger ineinander. „Ich liebe dich auch“, sagte er leise und augenblicklich wurde ihre Miene weicher. „Euch beide. Vergiss das niemals.“
 

Damit löste er sich wieder von ihr und kletterte ebenfalls ins Innere der einäugigen Hexe. Er war frei. Er war entkommen. Nichtsdestotrotz hatte er das Wichtigste hinter sich zurückgelassen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ab dem nächsten Kapitel wird es dann wieder mehr um Harry, seine Beziehung zu mehreren Personen (vorrangig seine beiden Mütter, Felice und - natürlich - der Dunkle Lord) und den weiteren Fortlauf der Schicksalsspiele gehen.
Und da das nächste Kapitel schon zur Hälfte beendet ist, bin ich recht zuversichtlich, dass es in Zukunft vielleicht wieder schneller Updates geben wird. Hoffen wir, dass ich mich nicht irre.
Liebe Grüße, eure Ria Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  mathi
2013-04-02T17:38:19+00:00 02.04.2013 19:38
Puhh
ein Glück, Draco ist fürs erste frei. Ich hoffe dass Rron Hermine nicht allzu sehr in Mitleidenschaft ziehen wird, schließlich trägt sie ein Kind unter ihrem herzen.
Dennoch bin ich ziemlich gespannt, wie es jetzt beziehungstechnisch weitergehen wird.
mathi
Antwort von:  Riafya
07.04.2013 13:27
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar. :)
Und keine Sorge, Ronald wird Hermione in Frieden lassen. Er wird dem Kind nämlich nichts antun, das heißt, solange sie schwanger ist, müssen wir uns keinerlei Sorgen um sie machen.
Liebe Grüße, Ria
Von:  sweet_tod
2013-04-02T17:18:45+00:00 02.04.2013 19:18
Nett bin schon sehr gespannt wie es weiter geht!
Ich freu mich bei dem ff jedesmal aufs neue wenns ein neues cap gibt! Das ist wie eine buchreihe die man weiter lesen will aber erst auf die nächste Ausgabe warten muss!

Gruß sweet
Antwort von:  Riafya
07.04.2013 13:26
Hey, vielen Dank für deinen lieben Kommentar. <3
Es freut mich, dass dir meine FF weiterhin so gut gefällt.
Liebe Grüße, Ria
Von:  mimaja56
2013-04-02T09:42:17+00:00 02.04.2013 11:42

Vielen Dank für das schöne Osterei.
Leider hab ich es erst heute geschafft zu lesen.

Draco ist also wieder frei - dem Himmel sei Dank.
Neville ist "erwacht" und hat ein paar Stützen an seiner Seite, toll, denn die wird er auch brauchen.

Und so schwer ich es auch finde, aber Hermine hat für den momentanen Zeitpunkt die richtige Entscheidung getroffen.

Harry wiederum hängt irgendwie immer noch in seiner Gefühlsachterbahn herum, doch evtl. wird sich das durch die gerade geschehenen Veränderungen endlich ändern.

dir noch eine schöne Zeit nach Ostern

und bis bald
mimaja
Antwort von:  Riafya
02.04.2013 15:23
Vielen Dank für deinen schönen Kommentar! *knuff*

Es erleichtert mich zu lesen, dass du der Meinung bist, dass Hermione die richtige Entscheidung getroffen hat, denn bis jetzt bist du die Einzige (außer mir), die so denkt. Sie könnte momentan einfach nicht an Dracos Seite stehen.

Harry und seine Gefühlachterbahn, langsam wird sie ein Merkmal dieser FF, was?
Ich denke aber, dass es irgendwie gerechtfertigt ist, auch wenn sogar ich langsam darauf hoffe, dass er endlich eine Entscheidung trifft. *seufz*

Ich wünsche dir auch noch eine schöne Zeit nach Ostern.
Liebe Grüße, Ria
Von:  -Koto-
2013-04-01T23:30:08+00:00 02.04.2013 01:30
es geht weiter wie schön ^........^ ja und Ron mag ich abzolut nicht leiden -.- echt ein fießer Kerl *Kopf schüttel*
Antwort von:  Riafya
02.04.2013 15:18
Hey, danke für deinen lieben Kommi. <3
Ich glaube, mit deiner Abneigung zu Ronald stehst du nicht alleine dar. Tatsächlich bin ich davon überzeugt, dass ich die Einzige bin, die etwas an ihm abgewinnen kann und das auch nur, weil es mehr Spaß macht ihn zu schreiben, als gesund sein kann...
Liebe Grüße, Ria
Von:  Amy-Lee
2013-04-01T21:49:45+00:00 01.04.2013 23:49
Hi, schön wieder von dir zu hören.
Habe ich schon erwähnt das ich Ron hasse? Wenn nicht dann sag ich es jetzt Ich hasse ihn wie die Pest.
Er, der auf der "Weißen" Seite steht benutz Schwarzemagie um eine Schwarzmagie zu foltern, mal ganz ehrlich,
Er ist keine deut besser als Voldemort, ich hoffe das Ron irgendwann mal, den Komfort einer Zelle im Anwesen
vom Lord geniessen kann und auch das Harmonie ihn mal ein klebt.
Dieser Irre will das Kind von auf sein verderben.
Die Zwillinge wollen Draco da raus holen mit Neville´s hilfe, wurde auch mal Zeit das Er was tut,
diese Schlafmütze, dadurch das Er sich die ganze Zeit nicht darum gekümmert hat,
obwohl Er der Auserwählte ist konnte sich Ron nach oben Arbeiten und so Leute um sich scharren,
die eigentlich hinter Ihn stehen sollten, aber nein Er hat es schleifen lassen, kein wunder also,
das ihn keiner Ernst nimmt.
Das was Neville gesagt hat ist aber wahr, wenn sie die Hinrichtung durchziehen,
sind sie nicht besser als der dunkle Lord sondern würden sich auf den selben Niveau begeben,
obwohl ist Ron das nicht schon?
Also das Harry verstimmt ist, wenn Er bei Ginny ist wundert mich nicht.
Gut das Draco entkommen konnte, Ron wird sich schwarz Ärgern und mit sicherheit jetzt noch schlimmer werden,
Ich hoffe mal das Harmonie irgendwann zum Vater ihres Kindes kann und dieser sich von Pancy trennt.
Bis zum nächsten mal.
Bye
Antwort von:  Riafya
02.04.2013 15:17
Hey, danke für deinen Kommentar. Ich freue mich sehr darüber. :)
Ob du es schon einmal erwähnt hast, dass du Ron hasst, kann ich dir gar nicht mal sagen. Aber es ist gut möglich, dass haben nämlich bereits sehr viele getan.
Neville ist tatsächlich bis jetzt sehr nachlässig gewesen, was die Erfüllung seiner Pflichten als Auserwählten anbelangt. Ich bin aber optimistisch, dass er von nun an etwas mehr Charakterstärke zeigen wird. Es muss immerhin einen Grund geben, warum das Schicksal ihn für diese Aufgabe vorgesehen hat.
Liebe Grüße, Ria


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