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Dark Circle

von
Koautor:  Caracola

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51. Kapitel

Paige starrte auf die Straße hinaus, folgte dem Verlauf aber mehr automatisch, während ihre Gedanken zu dem Gespräch zurück wanderten. Nach Ryons Frage war es fast so schnell zu Ende gewesen, wie Paige es sich gewünscht hatte. Der Zirkel traf sich in letzter Zeit alle paar Tage, um den Schutz für die einzelnen Mitglieder zu erneuern und dafür zu sorgen, dass sich Nachrichten schnell genug verbreiteten. Außerdem lag ihre Stärke in ihrer Gemeinschaft. Allein konnte ein Dämon oder auch zwei eine der Hexen leicht einschüchtern oder anders überwältigen. Egal wie stark ihr Wille war, sich gegen den bösen Zirkel zu wehren. Oder wie stark ihre Kräfte.

Paige hatte am eigenen Leib erfahren, wie beängstigend es sein konnte, auf gleich zwei seiner größten Feinde zu stoßen. Dass sie damals feige die Flucht ergriffen hatte, tat ihr jetzt, da sie wusste, dass sie von dieser McAndrews dabei beobachtet worden war, noch mehr Leid, als zuvor.

An einer roten Ampel wagte sie einen Blick zu Ryon hinüber, der aus dem Fenster sah und die ganze Fahrt über genauso wenig gesagt hatte, wie sie selbst.

Paige konnte sich nur zu gut denken, warum das so war. Sie schluckte einen Seufzer hinunter und drückte stattdessen kurz sein Knie, bevor die Ampel auf Grün sprang und sie weiter fahren konnten.

Es musste ihn mitgenommen haben. Die Erwähnung Marlenes. Und dann auch noch im Zusammenhang mit dem Amulett, das er inzwischen von Herzen zu verabscheuen schien. Und in einem Atemzug mit dem Tod anderer Hexen und ihrem eigenen. Selbst Paige war dabei ganz anders geworden, obwohl sie die Frau gar nicht persönlich gekannt hatte.

Sie wollte Ryon einfach nur nach Hause bringen und ihm irgendetwas Gutes tun. Allein Mias Gegenwart sollte ihn ein wenig aufbauen können. Und ein gutes Abendessen...

"Ich weiß, dass es wahrscheinlich doof klingt, aber..."

Sie warf ihm einen warmen Blick zu, bevor sie sich wieder auf's Fahren konzentrierte.

"Jetzt, da das Wohnzimmer Tylers Reich ist... Wir könnten tatsächlich einen Fernseher mit ins Schlafzimmer nehmen und uns heute vor dem Schlafengehen ein paar Cartoons ansehen. Mit Mia."

Als sie es ausgesprochen hatte, fiel ihr erst auf, wie unpassend der Vorschlag wirken musste. Nach dem, was sie gerade erfahren hatten und was noch alles besprochen werden musste.

"Ich meine das nicht so, dass..."

Diesmal klang das tiefe Luftholen wirklich mehr wie ein Seufzen.

"Ich habe nicht vor das von eben zu ignorieren. Wir müssen uns Gedanken darüber machen. Aber... Es kommt mir nur so vor, als könnte auch ein wenig Ablenkung und so etwas wie Batterien aufladen nicht schaden?"

Es war seine Entscheidung. Vielleicht wollte er auch lieber allein sein, barfuß durch den Wald rennen und seine Anspannung an seinen Muskeln auslassen. Sie würde ihn nicht aufhalte.

"Das ist nur das, was mir hilft. Wenn du lieber etwas Anderes tun möchtest..."

Langsam bog sie in den Feldweg ein, den ihr Ryon heute erst gezeigt hatte und der von der anderen Seite zum Haus führte. Es war eindeutig zu gefährlich nach so kurzer Zeit die gewohnte Route zu nehmen. Mal ganz davon abgesehen, dass Paiges Finger drohten am Lenkrad zu zittern, wenn sie nur an das Autowrack im Graben dachte.
 

Obwohl sie das Haus der alten Hexe schon seit einigen Minuten verlassen hatten, worüber Ryon wirklich sehr froh war, hingen seine Gedanken immer noch dort herum und waren bei dem, was gesagt worden war.

Eigentlich sollte er froh darüber sein, dass sie offenbar Verbündete gefunden hatten, aber irgendwie konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass dadurch alles nur noch realer wurde, als es ohnehin schon war und das fühlte sich nicht sehr gut an.

Sie waren mitten im Krieg.

Paiges flüchtige Berührung holte ihn etwas aus seinen finsteren Gedanken zurück, wofür er ihr ein winziges Lächeln schenkte, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder mehr oder weniger auf die Landschaft vor dem Fenster richtete.

Als sie zu sprechen begann, zuckten seine Ohren in tierischer Manier wachsam und er richtete sich etwas in seinem Sitz auf, um ihr zuzuhören.

Cartoons waren nie sein Fall gewesen, aber das galt für Fernsehen im Allgemeinen und er wollte absolut nicht etwas ablehnen, das Paige gefiel, ohne es nicht zumindest vorher ausprobiert zu haben. Ryon verstand sogar sehr gut ihr Bedürfnis, den Abend so banal wie möglich zu gestalten. Weit weg von den düsteren Gedanken und Gefühlen, die ohnehin ihr Herz nie ganz verlassen würden.

„Klingt verlockend.“

Nun war es an Ryon, Paige eine Hand auf ihren Oberschenkel zu legen und sie von der Seite her anzusehen. Er war auf jeden Fall dabei, auch wenn er vor dem Abendessen noch eine Sache für sich erledigen musste. Denn gemütlich vor dem Fernseher liegen war nur dann für ihn drin, wenn er sich auch so fühlte. Im Augenblick war er total angespannt, stand unter Strom und allgemein befand sich sein Körper eher im Kriegszustand als im Kuschelmodus. In diesem Fall half nur eines: Dauerlauf oder Sex.

Letzteres wäre sicherlich nicht verkehrt, weil er bereits bei der alten Hexe das starke Bedürfnis verspürt hatte, Paige nahe zu sein.

Mochte es nun daran liegen, dass er irgendeine Verbindung zu seiner Familie brauchte, um in diesen Augenblicken Ruhe daraus zu gewinnen, oder die Erinnerung daran, was er alles verlieren könnte und bereits verloren hatte. Das war im Grunde egal.

Paige nicht bei sich zu haben, war ein unerträglicher Gedanke und umso dringlicher war das Gefühl, die Bande mit ihr ständig zu erneuern. Selbst wenn es nur eine zarte Berührung war.

Kein Wunder also, dass er sie in der Garage noch einmal zurück hielt, nachdem sie ausgestiegen waren. Den Moment der Ungestörtheit ausnutzend, schlang er seine Arme um sie und küsste sanft seitlich ihren Hals.

„Ich wäre dir auf Ewig verbunden, wenn du für ein Abendessen sorgen könntest, während ich eine Runde ums … Grundstück drehe.“, flüsterte er fast schon sinnlich schnurrend. Eine Runde ums Haus wäre definitiv nicht ausreichend genug gewesen. Außerdem wollte er noch einmal sicher gehen, dass nicht noch weitere fremde Spuren an der Grenze entlang hinzu gekommen waren. Danach würde er auf jeden Fall besser schlafen.
 

Paiges Augen schlossen sich sofort, als sie Ryons Nähe spürte und seinen vertrauten Geruch in der Sicherheit dieser Umgebung riechen konnte. Sie holte genussvoll einmal tief Luft, um Ryons Umarmung und seinen Kuss auf ihren Hals zu genießen. Zufrieden schlang sie ihre Arme um seinen Körper und sah ihm in die goldenen Augen, als er sich wieder von ihrem Hals gelöst hatte.

Mit einem Lächeln legte sie ihre Lippen kurz auf seine, bevor sie sich losmachte. Am liebsten hätte sie weiter gemacht, anstatt ihn draußen in der Kälte herum laufen zu lassen.

"Geht klar. Aber lass' dir nicht zu lange Zeit, ja?"

Mit einem Zwinkern und einem Kniff in seinen Hintern drehte sie ihm den Rücken zu, um ins Haus zu gehen und Ryons Wunsch nachzugehen. Ein Essen würde ihr selbst nicht schlecht tun. Und der Geruch von Kräutertee, der ihr eigentlich in Zusammenhang mit der Hexe die Schleimhäute hatte verätzen müssen, machte ihr eher Lust auf eine Kanne des warmen Getränks. Mit Honig und ein paar Keksen.

Aber schon als sie die Tür zum Flur öffnete, schlug ihr ein Duft entgegen, der besagte, dass es noch ganz andere Köstlichkeiten als schnöde Kekse zum Abendessen geben würde. Wenn sie es richtig einschätzte, roch es angenehm nach Braten und ... vielleicht gebackenes Gemüse?

Die Duftwölkchen zogen sie noch in Jacke und Straßenschuhen zur Küchentür, die sie ein Stück öffnete, um bloß den Kopf in den warmen, hellen Raum zu stecken.

"Fe!"

Wie Mia sie so schnell hatte entdecken können, war Paige schleierhaft. Aber das Mädchen krabbelte unter Ryons Stuhl am Kopfende des Tisches hervor sofort auf sie zu und wollte hochgehoben werden, was Paige auch herzlich gerne tat.

"Hallo Mia. Na, alles klar bei dir?"

"Fe, klar.", meinte die kleine mit einem breiten Lächeln.

"Na, dann ist's ja gut. Ryon kommt auch gleich. Er ist noch ein bisschen draußen. Herumrennen."

Mia folgte Paiges Erklärung spätestens nach der Erwähnung von Ryons Namen mit größtem Interesse. Das Wort 'Herumrennen' schien es ihr besonders angetan zu haben, weil sie immer noch auf Paiges Lippen sah, während sie versuchte die neue Vokabel irgendwie mit 'Katse' in einen ihrer kurzen Sätze zu packen. Es war seltsam, aber Paige hatte das Gefühl, dass das Mädchen allein in den paar Wochen, die sie hier war, sehr große Fortschritte gemacht hatte. Sie mochte vielleicht nicht so weit sein, wie ein anderes Kind in ihrem Alter, aber an Begeisterung und Bemühen lag das sicher nicht.

"Hallo."

Ai hatte ihre Zeitschrift zur Seite gelegt und sah nun Paige mit einem glitzernden Lächeln an. Es lag so etwas wie Erleichterung darin, auch wenn Paige das regelrecht irritierte. Zumindest für den ersten Moment.

Seit Tyler für ihre Freundin so wichtig geworden war, hatte Paige kaum noch Zeit mit ihr verbracht oder solche Gespräche geführt, wie sie es früher ständig getan hatten. Sie verbrachten einfach keine Zeit mehr zusammen im Bett mit Buttertoast und Früchtetee. Da wäre es einfacher gewesen, auf dem Laufenden zu bleiben. Wenn man daran dachte, was allein in den vergangenen paar Stunden passiert und gesprochen worden war, konnte Paige nachvollziehen, dass Ai sich Sorgen machte, sobald die Freunde das Haus verließen. Immerhin hieß es in Ryons und Paiges Fall meistens, dass sie sich der im Dunkeln drohend lauernden Gefahr aus freien Stücken bloß noch weiter näherten.

"Habt ihr Fortschritte gemacht?", war die unverblümte Frage, die Paige gestellt wurde, während sie versuchte, Mia auf ihrem Schoß zu halten und gleichzeitig aus ihrer Jacke zu kommen.

"Kann man so sagen. Aber als großen Erfolg können wir es erst Übermorgen werten. Dann treffen wir uns mit ein paar Leuten, die uns vermutlich unterstützen können. Verbündete, könnte man sagen."

Etwas, das Ais Miene aufhellte und daher auch Paige ein Lächeln entlockte. Wenn man es recht bedachte, hörte es sich doch wirklich positiv an. Verbündete. Vielleicht keine Armee. Aber ein paar Hexen, um ihnen den Rücken zu stärken. Das war sehr viel besser als Nichts!
 

Eine Sekunde länger und er wäre über Paige hergefallen. Er hätte sie gepackt, sie auf die immer noch warme Motorhaube des Wagens gelegt und ihr die Klamotten mit gezielten Bewegungen vom Leib gefetzt, während er sich an sie gedrückt und leidenschaftlich und fast schon animalisch geküsst hätte. Ein kurzes Vorspiel mit anschließendem Ausdauertest für die Handbremse des Wagens.

Paige ließ von ihm ab, kniff ihm in den Hintern und verschwand dann mit einem Zwinkern im Haus. Sie hatte offenbar keine Ahnung, warum er sie nicht von sich aus auf die Lippen geküsst hatte.

Beherrschung war schon wirklich eine Sache für sich. Selbst jahrelanges Üben konnte mit der richtigen Motivation einfach in einer Sekunde auf die andere hinweg gewischt werden.

Ryon atmete tief ein und aus, während er sich sein Hemd aufknöpfte und es anschließend samt seiner restlichen Kleidung auszog. Kaum, dass er die Tür nach draußen geöffnet und die kühlende Abendluft ihn eingehüllt hatte, lief er auf allen Vieren los.

Absichtlich schlich er noch einmal an der Küche vorbei, nur um zu sehen, ob Paige auch gut dort angekommen war.

Sie zusammen mit Mia zu erblicken, ließ seinen Brustkorb anschwellen und ihn lautstark schnurren, ehe er mit einem für einen Tiger zufriedenen Gesichtsausdruck im Dunklen verschwand und sich auf den Weg machte, um seine ganzen angestauten Energien in gute Bahnen zu lenken.
 

Er hechelte angestrengt, selbst als er sich in seine menschliche Form zurück verwandelte. Jeder seiner Muskeln war warm, geschmeidig und zitterte vor wohliger Anstrengung, während er sich seine Kleidung schnappte und sich rasch wieder anzog.

Schon als er erneut an der Küche vorbei geschlichen war, dieses Mal näher, um auf das bereits fertige Essen spähen zu können, hatte sein Magen voller Vorfreude geknurrt, doch statt sofort in die Küche zu gehen, machte er noch einen Abstecher ins verbotene Territorium von Tyler, um den Plasmafernseher aus dem Wohnzimmer zu holen, der zum Glück nichts abgekommen hatte.

Das Teil war mit seiner Größe nicht nur unhandlich sondern auch merklich schwerer, als man ihm zutrauen würde, aber es war trotzdem kein Problem, ihn in Paiges Zimmer zu verfrachten und dort auf einer Kommode ab zu stellen.

Ryon richtete noch die Programme neu ein, damit es nach dem Essen sofort los gehen konnte. Danach ging er erst einmal frische und leichte Klamotten für sich holen und in seinem Zimmer duschen.

Eine bequeme Trainingshose in rot und dazu ein schwarzes Shirt – er erwärmte sich langsam für diese Kleidungsstücke – und dem Essen stand nun nichts mehr im Wege.
 

Leise, wie auf Samtpfoten schob er seine große Hand in die viel zu klein wirkende Plastiktüte, schaffte es aber, sich mehrere Gummibärchen zu schnappen, ohne ein zu lautes Knistern zu verursachen.

Ohne von dem Fernseher wegzusehen, zerteilte er ein grünes Gummibärchen in der Mitte und schob es Mia vorsichtig in den bereits weit geöffneten Mund, die sich sehr über seine Fütterungstechnik zu freuen schien, während ihre Augen ebenfalls auf der Mattscheibe hängen geblieben waren. Sie kicherte immer wieder leise. Ob nun wegen des Cartoons oder etwas anderem, das konnte er nicht sagen.

Zu Beginn ihres Kinoabends hatte er es noch gewagt, Fragen bezüglich des laufenden Cartoons zu stellen und seine beiden Ladys waren netterweise bereit gewesen, sie ihm auch geduldig zu beantworten.

Jetzt wusste er zumindest, dass der komische Vogel ‚Roadrunner‘ hieß und auch wenn er immer noch nicht schnallte, weshalb der dürre Coyote hinter dem Gefieder her war, so war es doch immer wieder lustig, wie er selbst in seine eigenen Fallen ging. Schade, dass das nicht auch im wirklichen Leben so ablief. Da gewann leider nicht immer nur das Gute.

Mit einem leisen Schnurren, um den Fernseher nicht zu übertönen, legte Ryon seinen Kopf auf Paiges Schulter, während sein Arm, den er um sie geschlungen hatte, immer wieder unbewusst ihre Seite auf und ab streichelte.

Mia hatten sie zwischen ihre beiden Körper verfrachtet, so dass sie eher auf ihnen beiden lag und da Ryon bei seiner Größe noch genügend Ablagefläche zu bieten hatte, lagen auch diverse Tüten voll Süßigkeiten auf ihm herum, um für jeden Geschmack etwas hergeben zu können.

Nach einer Weile schloss Ryon die Augen.

Nicht etwa aus Müdigkeit, sondern weil er sein eigenes Glück nicht fassen konnte. Es war so banal und dennoch, hier zusammen mit den beiden wichtigsten Menschen in einem Bett zu liegen, sie so dich bei sich zu haben, dass er jeden Augenblick etwas von ihnen berührte, das war einfach … unglaublich.

So etwas hatte er noch nie erleben können. Umso mehr hoffte er, dass das keine einmalige Gelegenheit blieb.

Erst als Mia wieder an seiner Hand zupfte, um weiter wie ein kleiner Vogel gefüttert zu werden, bekam er wieder etwas von den Cartoons mit, die er für einen langen Moment vollkommen ausgeblendet hatte.

Er seufzte zufrieden und schob seinem kleinen Sonnenschein ein durchsichtiges Gummibärchen in den Mund und musste unwillkürlich kichern, als sie ihm neckisch und sanft in den Finger biss und dann fragend zu ihm hoch sah. Als müsse sie erst abschätzen, wie er darauf reagierte. Ein kurzer Blick auf sein lächelndes Gesicht und sie fing ebenfalls zu kichern an.

Wie wahnsinnig gut das tat, ließ sich auf keiner Skala der Welt messen.
 

Mit einem Kuss auf seinen Kopf, wandte Paige sich kurz Ryon zu, dessen Aufmerksamkeit aber keine Sekunde später wieder von Mia gefordert wurde. Die beiden waren einfach zu süß, um wahr zu sein. Vor allem das überraschende, gemeinsame Kichern, ließ Paiges Herz regelrecht stolpern, bevor es freudig und laut weiter schlug.

Sie selbst ließ den Gummibärchenvorrat unangetastet und nahm sich stattdessen ein Schokocrossy, um es sich in den Mund zu schieben. Es knurpste so auffällig, als sie die Süßigkeit zerkaute, dass Mia mit großen Augen zu ihr hochsah. Bei dem irritierten und dann schon fast strafenden Blick, weil sie es wagte, so einen Krach zu machen, musste Paige lachen.

„Entschuldige, Sonnenschein. Aber es ist eine DVD. Ich kann zurück spulen, wenn du möchtest.“

Mit einem Arm schob sie die wieder lächelnde Mia ein Stück auf ihren eigenen Bauch, damit sie selbst noch näher an Ryon heran rücken konnte. Dabei lag sie bereits jetzt schon in seinem Arm und spielte unter der Decke mit ihren Zehen immer wieder mit seinen. Es war einfach noch nicht genug. Wäre es möglich und gleichzeitig nicht vollkommen unnötig gewesen, sie hätte ihn am liebsten genauso auf sich gezogen, wie sie es mit der kleinen Mia getan hatte.

Der flimmernde Fernseher in dem sonst bis auf eine gedimmte Stehlampe dunklen Zimmer, ihr Riesenvorrat an Süßigkeiten auf Ryons Bauch und sie alle gemeinsam unter der Decke... Paige hätte heulen können, vor Glück. Genau so hatte sie sich das immer in ihren kühnsten Träumen vorgestellt. Wenn sie es denn gewagt hatte, sich eine derartige Szene im Zusammenhang mit ihrer eigenen Zukunft überhaupt vorzustellen. Es war einfach so irrwitzig perfekt, dass es ihr fast Angst machte. Mehr Angst davor, dass das Luftschloss jeden Moment platzen könnte, als dass es möglich war, an zu viel Wohlbefinden zu Grunde zu gehen.

Mit immer noch klopfendem Herzen streichelte sie Mia über den warmen Bauch, was das Mädchen dazu brachte noch einmal zu kichern und sich mit ihrer kleinen Hand an Paiges Fingern fest zu halten, bevor sie noch vor Lachen von ihrem Bauch kullerte. Was weder Paige noch Ryon jemals zugelassen hätten.

Er hatte sich bereits ein Stückchen nach vorn gelehnt. So weit, dass Paige sich gar nicht anstrengen musste, um ihm einen Kuss auf den Mundwinkel zu geben.

Sie versank in seinen goldenen Augen, als er sie aus dem Augenwinkel heraus ansah.

Der Satz prickelte ihr auf der Zungenspitze. Nicht nur deshalb, weil sie seine Haut noch immer auf ihren Lippen schmecken konnte. Auch nicht, weil sie diese wunderbare Dreisamkeit mit Mia vollkommen aus ihrem emotionalen Schneckenhaus zerrte ... sondern weil er es wissen sollte.

Vielleicht mochte es zu früh sein und in ihrer gemeinsamen Situation auch nicht richtig. Aber Paige hatte das Gefühl, platzen zu müssen, wenn sie nicht mit dem heraus rückte, was ihr vor wenigen Momenten mit einer Deutlichkeit klar geworden war, die sie von den Füßen gerissen hätte, wenn sie nicht schon gelegen wäre.

Mit gesenkten Lidern schmiegte Paige ihren Nasenrücken und dann ihre Wange an die von Ryon. Ihre Lippen waren ganz nah an seinem Ohr...

„Katse!“

Beide zuckten auf Mias Schrei hin zusammen und Paige hatte das Gefühl, ihr bereits überfordertes Herz müsse auf der Stelle aus ihrem Brustkorb springen. Sie sah Mia und dann Ryon an, bloß um ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf das Mädchen zu richten. Die Kleine deutete mit einem Finger auf die Packung mit Gummibärchen und sah Ryon mit einem so auffordernden Blick an, dass Paige erneut in Lachen ausbrach.

„Na, da hast du ihr aber was beigebracht.“

Sie konnte Mia nicht böse sein. Und wenn Paige es recht bedachte... Sie hatte noch viel Zeit, um es ihm zu sagen.
 

Sein Herz klopfte immer schneller, während er Paiges Nasenrücken und Wange an seinem Gesicht spürte, wie sie sich an ihn schmiegte, nachdem sie ihm einen Kuss auf den Mundwinkel gegeben und ihn mit ihren dunklen Augen angesehen hatte. Irgendetwas lag in der Luft, so deutlich, dass alles an ihm Kribbelte und der Cartoon in weite Ferne rückte, doch gerade, als er ganz in diesem Gefühl abtauchen wollte, riss Mia ihn wieder zurück in die Realität.

Eigentlich hätte er böse sein müssen, aber er war es nicht. Denn sie war ebenfalls einer der Gründe dafür, weshalb er sich im Augenblick so behaglich fühlte, als würde er in einem wunderbaren Traum leben.

„Vielleicht bringe ich ihr mal das Apportieren bei, wenn sie schon so gelehrig ist.“, scherzte er leise, ehe er Mia noch ein Gummibärchen in den Mund schob und ihr dann durch die blonden Locken wuschelte.

Er würde ihr niemals so einen Blödsinn beibringen, noch dazu, wo sie anscheinend sehr intelligent war und viel Besseres aus ihrem Leben machen konnte. Schon jetzt hatten ihre Fähigkeiten gewaltig zugenommen, was vielleicht daran lag, dass sie hier volle Aufmerksamkeit bekam und nicht wie im Waisenhaus in einer Masse aus Kindern unterging.

Der Gedanke, sie dorthin wieder zurück zu bringen, begann mehr und mehr unwirkliche Ausmaße anzunehmen. Er könnte sich genauso gut das Herz heraus schneiden und fort geben. Aber zum Glück musste er sich im Augenblick keine Gedanken darüber machen. Sie war hier und das würde sich auch noch lange nicht ändern.

Zur Sicherheit schob er Mia noch ein Gummibärchen in den Mund, um etwas Zeit zu gewinnen, ehe er seine Zehen mit denen von Paige verhakte und seinen Kopf zu ihr herum drehte.

Erst schmiegte er sich an ihrer Wange, wie sie es zuvor noch getan hatte. Darauf folgte ein sachtes Streifen seiner Lippen über ihre Haut, ehe er ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund hauchte, den er aber nicht abbrach, sondern langsam intensiver gestaltete, während seine Augen Paige keine Sekunde lang frei gaben.

Sofort schaltete sein Herz in den nächsten Gang und er spürte, wie prickelndes Adrenalin seine Bauchraumgegend durchflutete.

Sanft neckend nahm er Paiges Unterlippe zwischen seine Zähne und leckte mit seiner Zungenspitze darüber, ehe er sie wieder frei gab und lautlos lächelte. Mia hatte voller Konzentration schon wieder in seinen Finger gebissen, anstatt das Gummibärchen zu bearbeiten.

Doch kaum, dass sie sich der Verwechslung bewusst wurde und sich nun tatsächlich mit dem Fruchtgummi beschäftigte, erlosch Ryons Lächeln wieder und wurde zu etwas anderem. Einem sanft drängendem Hunger, der nichts mit Süßigkeiten zu tun hatte und wohl niemals ganz versiegen würde, egal wie satt er war.

Seine Gedanken in der Garage fielen ihm in diesem Augenblick wieder ein und brachten ihn dazu, seinen Blick zu senken, während sein Mund Paiges Kinn entlang strich und sanft mit ihrer köstlich schmeckenden Haut spielte.

Es reizte ihn nahezu, ihr seine Gedanken mitzuteilen, aber andererseits, konnte man die Hungerattacke von vorhin nicht mit diesem Gefühl von jetzt vergleichen.

Ryon war entspannt, er war gelassen, locker und eher in Stimmung für ausgiebiges Räkeln und umgarnen, spielerisches anpirschen, um den Appetit anzugregen und dann wieder genussvolles Zurückziehen, um die Erwartung zu steigern. Was auch nicht verkehrt war, denn Mia machte noch nicht den Eindruck, als würde sie Müde werden, aber das würde schon noch kommen. Zumindest was ihr Verlangen nach Gummibärchen anging, ließ es schon nach und sie war auch weit nicht mehr so hibbelig, wie noch am Anfang der DVD.
 

Wenn er dachte, sie könne in dem kurzen Blick nicht lesen, wonach ihm der Sinn stand, dann hatte sich Ryon aber gehörig geschnitten. Er hätte genauso gut drei hell blinkende Buchstaben auf der Stirn tragen können. Denn obwohl er recht schnell die Augen senkte, konnte sie das Flackern seiner goldenen Augen unter den Wimpern sehen.

Vielleicht lag die Deutlichkeit, mit der Paige das wahrnahm aber auch daran, dass er bei ihr nicht auf taube Ohren stieß. Der Kuss hatte es in Paiges Innerem gehörig Knistern lassen.

Wäre Mia nicht gewesen, hätte sie den Tanz nur zu gerne feuriger gestaltet. Sie hatte sowieso das Gefühl, seine Haut, seine Zunge und vielerlei Farben seines Körpers schon viel zu lange nicht mehr geschmeckt zu haben!

Aber vor Kinderaugen war etwas Anstand geboten.

Mit einem leicht hinterhältigen Funkeln in ihren Augen, beschloss Paige, dass 'etwas' ein dehnbarer Begriff war. Sie würde nichts tun, was Mias unschuldigen Geist verderben könnte, aber ein wenig Necken war sicher drin. Außerdem hatte Ryon angefangen.

Ihre freie Hand, die bis jetzt nur ab und zu damit beschäftigt gewesen war, etwas von dem Süßkram zu erhaschen, wanderte unter die Decke und auf Ryons Bauch. Zwar musste sich Paige dafür etwas verrenken, aber das konnte sie nicht davon abhalten, sein Shirt ein Stück nach oben zu ziehen und mit ihren Fingern über seine nackte Haut zu streicheln. Langsam fuhr sie die Konturen seiner Muskeln nach, die sich unter ihrer Berührung leicht festigten und zusammen zogen. Konnte es sein, dass Ryon ein wenig kitzelig war?

Mit einem vielsagenden Lächeln sah sie Ryon fest in die Augen, während ihr Zeigefinger den Rand seiner Hose entlang streifte. Kurz und nur ein einziges Mal tauchte sie unter den Stoff, bevor sie die Hand wieder hervor zog und sie auf die Decke legte.

Die Show des Roadrunner war gerade zu Ende und Bugs Bunny kam ins Bild, was Mia mit einem missbilligenden Geplapper quittierte.

„Wie du vielleicht merkst, steht der Hase nicht gerade sonderlich weit oben auf der Beliebtheitsskala. Ich glaube, er quatscht Mia zu viel.“

Mit Schwung griff Paige das kleine Mädchen unter den Armen und hob sie hoch, um ihre Beine unter ihr hervor und aus dem Bett zu schwingen.

„Und, wen sollen wir als nächstes ansehen?“

Mit wenigen Schritten ging sie um das Bett herum, bückte sich zu dem Stapel DVDs und zog zwei heraus, die sie Mia und Ryon dann zur Entscheidung hoch hielt.

„Micky Maus oder Pink Panther?“
 

Er war zwar darauf vorbereitet, dass gleich irgendetwas passieren würde, weil er das Funkeln in Paiges Augen nicht missverstehen konnte, dennoch zuckte er unmerklich zusammen, als ihre Hand sich unter die Decke und seinem Shirt schlich, um mit streichelnden Bewegungen seinen Bauch zu berühren.

Mit prickelnder Anspannung sah er ihr so unbekümmert wie möglich in die Augen, um die Szenerie oberhalb der Bettdecke so gelassen wie möglich zu halten, während er das kurze Abtauchen von Paiges Hand in seiner Hose alles andere als gelassen sah.

Ein kurzes Zittern seiner Atmung, war alles, was er sich anmerken ließ, ehe Paige auch schon richtig feststellte, dass Mia kein Fan von Bugs Bunny war. Er ebenso wenig. Das bemerkte er schon auf den ersten Blick.

Während Paige also aus dem Bett kletterte, um ihnen eine neue Wahl an Cartoons vorzustellen, setzte Ryon Mia auf seinen Schoß und richtete sich auf, nachdem er eine Tüte nach der anderen von sich herunter sortiert hatte.

Kurz wechselte er mit Mia fragende Blicke, bis sie sich einstimmig für Pink Panther entschieden. Welche Maus konnte schon interessanter als eine Raubkatze sein? Da war die Wahl nicht allzu schwer.

Die DVD war schnell eingelegt und schon kam das wahre Objekt seiner geheimen Interessen wieder zu ihnen ins Bett geklettert.

Es war schon seltsam, wie nahtlos sie sich wieder ineinander kuschelten, als hätten sie das schon tausendmal geübt. Paige in seinem Arm, er teilweise an sie gelehnt und mitten drin die kleine Mia, die leicht zur Titelmusik von Pink Panther auf und ab wippte, ehe sie gespannt der angenehmen Erzählstimme zuhörte.

Ryon bekam nicht einmal das erste Wort davon mit, stattdessen richtete er seine volle Aufmerksamkeit wieder auf Paige und dieser hinreisenden geschwungenen Unterlippe, die regelrecht dazu einlud, sich an ihr zu laben.

Während er sie keinen Moment aus den Augen ließ und dabei mit einem gewissen Lächeln immer wieder zu ihren Lippen hinab wanderte, tastete sich seine Hand wieder nach der Gummibärchentüte und legte seine angefüllte Hand dann so vor Mia, damit sie sich selbst bedienen konnte, sofern sie es wollte.

Seine andere hingegen, wanderte nun Paiges Beispiel von vorhin folgend unter die Decke, ihre Seite entlang, zu dem dünnen Stoff, der ihren Oberschenkel bedeckte, über den er streichelte.

„Fühlt sich gut an.“, flüsterte er ihr so leise zu, dass nur sie es hören konnte, genauso wie das anschließende Schnurren, das voll und ganz von seiner männlichen und zugleich menschlichen Seite herkam.
 

Nicht beim bekannten und mitreißenden Titellied von Pink Panther zu summen, war bereits eine große Aufgabe. Vor allem, da Mia sogar im Takt in die kleinen Händchen klatschte, um sich dann fasziniert über den farbigen Kater nach vorn zu beugen.

Aber was als Nächstes kam, forderte noch mehr von Paiges Selbstbeherrschung. Ryons Arm um ihren Rücken und seine streichelnden Finger auf ihrem Oberschenkel waren noch nicht einmal annähernd so aufstachelnd, wie seine geflüsterten Worte und sein Schnurren. Es zeigte ihr nur umso mehr, dass das hier nur ein kleines Spielchen war, das sich ausweiten würde, sobald der lauschige DVD-Abend zu dritt beendet war.

Außerdem war es eine unausgesprochene Herausforderung.

Ryon zeigte ihr, dass der Tiger auf sie wartete. Darauf, dass sie ihn ein bisschen lockte, mit ihm spielte und dem Mann dabei Spaß und Freude bereitete. Was sie nur allzu gerne tun würde. Aber erst, wenn das Schlafzimmer Kleinkind freie Zone war.

Ihre Lippen streiften nur leicht seine Wange, während sie sich noch mehr an ihn kuschelte.

„Das finde ich auch.“

Was genau sie damit meinte, konnte er sich selbst zusammen reimen. Denn sie meinte tatsächlich beides. Das Zusammen sein, das ihr so viel Freude machte und ihr Innerstes vor Glück vibrieren ließ. Genauso wie Ryons Fingerspitzen und sein viel sagender Blick, den sie nur zu gern erwiderte.
 

Noch eine halbe Stunde Pink Panther hatte sie durchgehalten, bis Mia zuerst von einem und dann von einer ganzen Reihe von Gähnen geschüttelt wurde. Ihre Augen waren bereits ganz rot und sie lehnte sich schon leicht auf die Seite gedreht gegen Ryons Oberkörper. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie auf seinem Bauch einfach einschlief. Und ihre Müdigkeit und der fast schon verzweifelte Kampf dagegen griffen um sich.

Paige fühlte sich bei dem Anblick selbst schon völlig matt und erschöpft. Auf das rosa Raubtier im Fernseher konnte sie sich kaum noch konzentrieren.

Sanft schlang sie einen Arm um das kleine Mädchen, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und sah sie mit warmen Augen an.

„Was meinst du, Mia? Sollen wir 'Gute Nacht' sagen? Sollen wir dich ins Bett bringen?“

Statt einer Antwort streckte das Mädchen nur ihre Ärmchen nach Paige aus und drückte sich mit einem weiteren Gähnen in deren Arme.

„Das ist Antwort genug, hm? Ich bring sie ins Bett.“

Ganz dicht an Mias Ohr flüsterte sie der Kleinen etwas zu. Gespannt wartete sie ab, wie das Mädchen reagieren würde und konnte ein breites Lächeln nicht unterdrücken, als Mia sich noch einmal von ihr löste, mit müden Augen Ryon ansah und ihm einen extrem nassen Kuss auf die Wange gab.

„Katse, Nacht.“, erklang es noch ganz leise, bevor Paige sich mit Mia erhob und sie in ihr Kinderzimmer brachte.

Dort zog sie den bereits fast eingeschlafen Sonnenschein um, legte Mia ins Bett und sang ihr noch ein kurzes Lied vor, bevor sie ihr noch einen Kuss gab, das Babyfon einschaltete und das Empfänger-Lamm mit sich ins Schlafzimmer zu Ryon zurück nahm.

Der saß scheinbar immer noch so im Bett, wie sie ihn dort zurück gelassen hatten. Allerdings war der Fernseher inzwischen ausgeschaltet und die unglaubliche Menge an angebrochenen Tüten voller Süßigkeiten lag in einem mehr oder weniger ordentlichen Stapel auf dem Fußboden neben dem Bett.



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