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H@ck - Online War

Prustria, UsUk, GerIta
von

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Once upon a time...

Grelles Licht strahlte in das blasse Gesicht eines noch viel blasseren Jungen, doch seine Augen hatten sich schon nach wenigen Sekunden daran gewöhnt. Sie waren es durch jahrelanges Training gewöhnt. Gewöhnt vor einem gleißend leuchtenden Bildschirm zu verharren und dauerfokussiert auf einen Punkt zu starren. In seinen Augen spiegelten sich Buchstabenketten über Buchstabenketten, fremde Wörter, scheinbar zusammenhangslos. Doch er wusste Bescheid.
 

Flink flogen seine langen Finger über die alte Tastatur auf seinem Schreibtisch. Sie allein waren der Ursprung aller Geräusche in dem Raum, außer einem leisen Atmen und einer verschwindenden Melodie, die aus den Kopfhörern über den Ohren des Jungen ertönte, war nicht das geringste zu hören.

Auf dem Schrank neben einem zerwühlten Bett fing plötzlich ein Wecker an zu klingeln, doch er wurde einfach überhört. Die Silhouette des Jungen bewegte sich nicht fort von seinem Bildschirm, das eifrige Tippen verstummte nicht, es regte sich absolut gar nichts.
 

Bis mit einem Mal die Tür aufgerissen wurde. Erschrocken zog sich Gilbert zusammen und wischte sich die Kopfhörer von den Ohren. „Kannst du nicht mal anklopfen?!“ Sein älterer Bruder Ludwig hatte das Zimmer betreten. Müde, aber zielsicher, ging er auf den Wecker zu und stellte ihn mit einem wuchtigen Schlag still, ehe er sich zu dem Weißhaarigen umdrehte und ihn missbilligend ansah. Die Bierflasche unter dem Schreibtisch schob der Jüngere unauffällig mit dem Fuß weiter in den Schatten hinein. Ludwig ließ ein leises Stöhnen vernehmen. „Was?!“

„Dein Computerscheiß.“

„Lass mich doch mit meinem ‚Computerscheiß‘. Du und dein Schulscheiß.“ Gilbert verdrehte die Augen und wand sich wieder dem gleißenden Bildschirm zu, während sich sein Bruder an den Gardinen des Zimmers zu schaffen machte.

„Mach wenigstens die Gardinen auf.“

„Kein Bock.“

Wieder ein leises Stöhnen und helles Licht, das jedoch zur Abwechslung mal nicht künstlich erzeugt werden musste. Obwohl es noch sehr früh am Tag war, stand die Sonne hoch, es war Frühlingsanfang und die Tage wurden wieder länger und eigentlich, so dachte Ludwig zumindest, müsste es die Leute wieder aus ihren muffigen Zimmern treiben.

„Zieh dir was an, Gilbert, und mach endlich den Computer aus.“

„Ja, Mama.“ Der abfällige Ton klingelte in Ludwigs Ohren wie der Wecker noch kurz zuvor. Ohne weitere Überlegungen durchquerte er das Zimmer und zog den Stecker an der Wand. Ein leises, belustigtes Räuspern war zu vernehmen, als der Blondhaarige seinen Bruder verwundert anstarrte, ehe sich ein Gesicht zu einem wütenden Ausdruck verzog. Das war nicht der Stecker für den Computer gewesen.

„Gilbert!“

„Was?!“

„Mach das Ding aus!“

„Ja, gleich!“

„Nicht ‚gleich‘ sonder jetzt!“

„Jetzt warte doch mal!“

„Ich zieh den Stecker!“

„Ja, hast du doch schon!“

„Ich zieh den richtigen Stecker!“

„Ja, such doch!!“
 

Der Blonde schmiss den Stecker des Staubsaugers auf den Boden und machte das Licht an, was zu lautstarken Protesten seines geblendeten Bruders führte. Unbeirrt dieser Tatsachen, schob er den Weißhaarigen auf seinem Arbeitsstuhl weg vom Tisch mit dem Bildschirm und kroch unterhalb des Schreibtisches, wo er natürlich auch die Bierflasche fand.

„Gilbert?!“

„Was?!“

„Schon wieder Bier?!“

„Ich darf das!“

„Du bist 16!“

„Ja, ich sag doch: Ich DARF das!“

Verzweifelt kam Ludwig wieder unter dem dunklen Holz des Tisches hervor und sah seinen Bruder tadelnd an. In der Hand hielt er mehrere Bierflaschen und einen weitere Stecker. Als er auf den Bildschirm des Computers schaute breitete sich Zufriedenheit auf seinen Gesichtszügen aus und er erhob sich wieder.

„Jetzt zieh dich an.“

„Ich wollte noch speichern!“

„Gilbert!“

„JA?!“

Es war so ein typischer Morgen.
 

Als Ludwig endlich aus dem Zimmer verschwunden war rollte sich Gilbert zurück in sein Bett. Immer musste der Blonde reinkommen und rummeckern, als wenn er seine Mutter wäre! Der Wecker auf dem Schränkchen zeigte 7 Uhr und 43 Minuten an, wenn er sich jetzt beeilte würde er rechtzeitig zur Schule kommen, doch Gilbert dachte lieber an etwas anderes. Gilbert dachte an seinen Account bei Hetalia. Während er im Bett lag und die Augen zusammenkniff, überlegte er sich einen weiteren Schachzug um die Gebiete seines langjährigen Feindes Österreich zu ergattern. Dieser elende Schnösel hatte es gewagt ihn mit seinen spillerigen Truppen einen Denkzettel zu verpassen, die Hälfte von seiner Armee war im Kampf drauf gegangen, und alles nur weil er Ungarn um Hilfe gebeten hatte! Österreich war ein Arschloch. Und deshalb wollte er ihn fertig machen. Fertig, nicht nur im Spiel. Gilbert wollte seinen Computer hacken. Und dafür musste er diese ganze Scheiße erst mal lernen, weshalb er absolut gar keine Zeit für unwichtige Dinge wie Schule hatte.

Rund zehn Minuten verstrichen ehe die Tür wieder aufgerissen wurde und Ludwig mit frisch gewaschenen Sachen zur Tür rein stampfte.

„Zieh das an.“

„Ich will aber lieber schlafen.“ Murrend rollte er sich aus der Decke und nahm die Sachen, die ihm sein Bruder hingeworfen hatte. Der Blonde drehte sich wieder dem Fenstern zu und riss eins auf. „Beeil' dich, Roddy steht vor der Tür und wartet auf dich.“ Die Augen verdrehend zog sich der Rotäugige ein Shirt über und rümpfte die Nase beim Anblick des Motivs. Es war ein Bandshirt, Roddy würde es hassen und ihm gleich erzählen wie wichtig es sei, dass gebildete Leute auch gebildete Musik hörten. Und nicht Metallica oder Amon Amarth. „Hattest du kein anderes Shirt?“

„Hol dir nächstes Mal selber eins.“

„Was ist mit Frühstück?“

„Gilbert, Roderich wartet!“
 

Und schon war Gilbert raus aus der Tür. Hinter ihm hörte man ein lautes Bollern, neben ihm ein leises Puff und so stand er da mit seinem Schulranzen, der neben ihm auf den Boden geworfen worden war und der Tür im Rücken, die Ludwig zugeschlagen hatte. Roderich musterte sein Shirt und wollte grade den Mund aufmachen, als Gilbert ihm die Hand auf den selbigen presste und missbilligend knurrte. „Ein Wort, und du bist tot.“

Der Braunhaarige wischte sich die Hand von den Lippen und rückte seine Brille zurecht. „Ich freue mich auch dich zu sehen, hast du wieder verschlafen?“

„Ich habe GAR nicht geschlafen.“

Gilbert sah zu wie sich die Züge seines Freundes verzogen und sich eine Stirn in Falten legte. Weil er schon von den elend langen Diskussionen mit seinem Bruder genervt war, schmiss er sich seinen Rucksack über die Schulter und ging an Roderich vorbei. Die Flure des Hochhauses waren eng, schlecht beleuchtet und rochen nach den Mülltonnen, die die Menschen vor ihre Wohnungstüren gestellt hatten. Es war ihm ein Wunder, dass sich der Braunhaarige überhaupt noch her traute, um ihn abzuholen. Sonst lebte der Brillenträger im reicheren Viertel der Stadt und musste nicht mit lauter Musik von nebenan ums einschlafen kämpfen. Seine Schritte verfolgten Gilbert die Treppe hinab.

„Ich bin alt genug, um allein zur Schule zu gehen, Roddy.“

„Dennoch tust du es nicht, wenn man dich nicht abholt.“

„Du weist, das ich grade an was wichtigem arbeite!“

„Gilbert...!“

„Jetzt fang' nicht an wie Ludwig und halt die Fresse!“ Wütend war der Weißhaarige herumgewirbelt und starrte in das Gesicht seines Freundes, welcher sich nur wenige Treppenstufen hinter ihm befand. „Könnt ihr nicht mal aufhören ständig an mir herum zu meckern?!“ Doch der Braunhaarige verzog kein Gesicht, sondern sah auf die Uhr und erkannte mit Schrecken, dass sie bereits zu spät waren.

„Besprechen wir nachher, komm!“ Mit diesen Worten packte er die Hand seines Freundes und zog ihn im Eiltempo die Treppenstufen hinab. Dass hierbei einer von Gilberts Bandbuttons von seinem Ranzen fiel, bemerkten die beiden nicht. Gilbert war viel zu konzentriert darauf, dass Roderich ihn behandelte wie ein kleines Kind, und Roderich wollte einfach nur der perfekte, immer pünktliche Schüler bleiben, der er bis zu diesem Zeitpunkt gewesen war. Leider gelang es ihm nicht.
 

In der Schule wurde Gilbert von Francis empfangen und dieser Empfang war mal wieder ein Spektakel der besonderen Art. Der blonde Franzose riss die Arme auseinander und ließ einen Ausruf der übermäßigen Freude verlauten, sobald er den weißhaarigen Schopf des gebürtigen Deutschen sah, welcher sich hinter Roderich versteckt hatte. Fluchend versuchte er das Weite zu suchen, wurde jedoch vom Braunhaarigen gepackt und in Francis Arme geworfen. Roderich hechtete in großen Sprüngen die Treppe zum Schuleingang empor und überließ Gilbert seinem Schicksal. Der wiederum fing an lauthals zu protestieren und wand sich in den Armen seines Freundes auf der Suche nach Freiheit.

„Gott musst du das immer machen?! Wir sind verdammt nochmal keine Weiber!“

„Er mag es einfach, wenn du dich so aufregst, ist doch klar.“, grinste Antonio, der neben dem Franzosen strahlte und an einer Tomate kaute. Francis warf ihm einen vielsagenden Blick zu und beide brachen in Gelächter aus. Der Blonde ließ Gilbert los, worauf dieser sein Shirt wieder über seinen Bauch schob und verächtlich schnaubend seine Haare richtete. „Heute ist ein Scheißtag.“

„Wieso denn, Gilli?“

„Nenn ihn nicht Gilli, das hört sich schwul an.“

Stöhnend seufzte der Weißhaarige auf und knuffte Antonio in den Arm, dann machten sie sich auf den Weg zum Klassenraum.

„Ludwig nervt.“

„Das wussten wir schon vorher, Gilli.“

„Ja, aber heute hat er noch mehr genervt als sonst! Gott er hat mir, MIR, den Computerstecker rausgezogen, ich konnte nicht mal sichern! Alles futsch!“

„Dem großartigen Preußen den Stecker zu ziehen!“, ertönte das Giggeln des Franzosen, wofür er einen strafenden Blick des Weißhaarigen kassierte und einen Belustigten von Antonio. Als sie die Klasse betraten stand vorn schon der Lehrer und schaute das Trio missbilligend an. „Viertelstunde zu spät.“, war das einzige, was er zur Begrüßung hervorbrachte, ehe er sie im Klassenbuch notierte und ihnen zu verstehen gab sich zu setzen. Dass es den Dreien egal war, was ihr Lehrer von ihnen hielt, war in der Klasse allgemein bekannt, weshalb sich auch niemand mehr die Mühe einer Strafpredigt machte.

Gilbert lies sich neben Roderich auf den Platz sinken und strahlte ihn mit einem breiten Grinsen an, als er das verkniffene Gesicht des Brillenträgers bemerkte. Dieser drehte sich jedoch nur eingeschnappt weg und verschränkte die Arme. „Hey nur weil du einmal zu spät gekommen bist, ist dein Image doch nicht gleich im Arsch~!“

„Lass mich in Ruhe!“

„Gilbert! Wir haben dich nicht neben Roderich gesetzt, damit du ihn beim Lernen störst!“, ertönte die laute Stimme des Lehrers und brachte den Weißhaarigen somit zum Schweigen. Roderich starrte die ganze Stunde lang aus dem Fenster und versank in seinen düsteren Gedanken über mögliche Mordversuche dem Rotäugigen gegenüber, während dieser ständig versuchte seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Tausende von Papierkügelchen hatten sich bereits in den braunen Strubbeln verfangen, als sich der Brillenträger am Ende der Stunde herum wandte und seinen Freund düster anstarrte. „Gilbert!“

„Na endlich! Ich will mit dir reden!“

„Gilbert, was?! Siehst du nicht, dass du mich nervst?!“

„Schau mal, Elizabeta hat dich die ganze Stunde lang angeglotzt~!“

Mit diesem kurzen Satz hatte Gilbert es tatsächlich geschafft, dass Roderich einen Moment lang seine Wut vergaß und aus anderen Gründen rot auf den Wangen wurde. Vorsichtig drehte sich sein Freund einem braunhaarigen Mädchen zu, dass zwei Reihen schräg vor ihnen saß und über ihre Schulter lächelte. Ein kleiner Wink ihrerseits ließ Roderich zusammenfahren, ihre Blicke trafen sich und Gilbert prustete los. „Ihr seid so Liebestoll, macht es doch endlich mal öffentlich~!“

Wieder wütend drehte sich der Braunhaarige seinem Freund zu und nuschelte: „Such dir doch endlich mal auch eine Freundin, Gilbert!“

„Ich hab für sowas keine Zeit.“, war die knappe Antwort, welche der Brillenträger empfing. Elizabeta erhob sich von ihrem Platz und schien Anstalten zu machen zu ihnen beiden herüber zu kommen. Da Gilbert auf eine Unterhaltung mit einem potentiellen Paar keine Lust verspürte, stahl er sich davon und ließ sich auf Francis Schoß sinken. Purrend schnurrte ihm der Franzose ins Ohr: „Oh Gilli, was treibt dich denn hierher~?“ und seine Finger schoben sich über den Bauch des Deutschen. Kurzerhand schlug er seine Faust unter das Kinn des Blonden, worauf dieser ihn sofort losließ und mit tränenden Augen zu ihm empor schaute. „Nicht so grob!“

„Du hast es verdient.“

„Verdient?!“

„Ich hab schlechte Laune. Wenn ich mit Roddy reden will ist er genervt, und wenn ich ihn dann mit Elizabeta ablenke, dann kommt die gleich rüber und die fangen an herum zu turteln!“

„Lass die beiden doch, die sind ein süßes Paar.“

„Ja süß.“

„Biste etwa eifersüchtig~?“, flötete es plötzlich von der Seite, auf der Antonio aufgetaucht war.

„Nein, ich hab andere Probleme. Zum Beispiel Ludwig! Die ganze Planung gegen Österreich ist verloren gegangen!“

„Du solltest mal 'ne Pause machen, tut dir nicht gut, sieh dich lieber nach ein paar Mädchen um~“

„Ich sagte doch kei-!“

„Ja ja, keine Zeit“, stimmten die beiden Jungen ein und sahen sich grinsend an. Gilbert erhob sich vom Schoß des Franzosen und wechselte einen Blick zwischen den beiden, ehe er ihnen einen leichten Schlag verpasste und die Arme kreuzte. Antonio ließ sich auf Francis Tisch nieder, wackelte mit den Beinen und rieb sich den schmerzenden Oberarm. Dabei sah er in die Richtung von Roderich und Elizabeta. Grinsend betrachtete er den unbeholfenen Anblick des Braunhaarigen, welcher sich bemühte vor einer Frau angemessen auszudrücken und dabei immer wieder in Stolpern geriet, worauf das Mädchen anfing zu kichern. Gilbert rümpfte die Nase. „Dabei ist Elizabeta so albern.“, murmelnd drehte er sich Francis zu um von ihm eine Antwort zu erlangen, doch dieser zuckt nur die Achseln. „Roderich scheint sie aber zu mögen.“

„Und sie scheint Roddy zu mögen.“, flötete es aus Antonios Richtung.

„Wie schon gesagt, ein süßes Paar.“

Missmutig nickte Gilbert und sah den beiden verstohlen zu. Grade schoben sich Roderichs Finger über den Schreibtisch immer näher an die von Elizabeta heran, als plötzlich der Lehrer für Mathematik eintrat und die Schüler mit einem lauten Türknallen zusammenfahren ließ.

„Guten Morgen, setzt euch auf eure Plätze!“

Ein allgemeines Murren und Knurren war zu hören. Elizabeta schenkte dem Brillenträger einen langen Blick, beugte sich dann vor und flüsterte mit freudigem Gesichtsausdruck ein paar Worte in das Ohr des Braunhaarigen. Dann rutschte sie von der Tischplatte, strich ihren Rock glatt und begab sich zurück auf ihren Platz. Roderich blieb allein zurück und starrte gebannt auf ihren Rücken.

Mit einem leichten Schubs versuchte Gilbert seinen Freund wieder auf den Boden der Tatsachen zu bekommen, doch er bemerkte ihn nicht. Selbst als er mit seinem Stuhl ganz nah an ihn heran rutschte und ihm ins Ohr rülpste, machte der Brillenträger nur eine Handbewegung als wollte er eine lästige Fliege verscheuchen und sah den Weißhaarigen fragend an.

Gilbert drehte sich zu Antonio und Francis herum, um den beiden eine Grimasse zu schneiden, doch die grinsten nur breit und formten mit den Lippen das Wort ‚Eifersucht‘. Verächtlich schnaufend drehte sich Gilbert wieder weg und reflektierte die Situation. Es nervte ihn, wenn Roderich morgens vor seiner Tür stand und ihm Standpauken über sein Verhalten und seine Kleidung lieferte. Andererseits mochte er es gar nicht, wenn der Brillenträger ihn wegen eines anderen ignorierte. Unzufrieden kaute er auf einem Bleistift herum und kritzelte ein paar Brüche auf das karierte Papier vor seiner Nase. Der Lehrer sprach über Vektoren und Matrizen, Roderich seufzte verliebt und Francis und Antonio warfen einem Kerl namens Romano Anspitzerreste in die Haare, worauf dieser einen Terz veranstaltete und rausgeschmissen wurde. Plötzlich platzte Alfred aus der Parallelklasse herein und schrie Arthurs Namen. Dieser erwachte aus seinem Schlaf und sah den Amerikaner verwirrt an, drehte sich dann weg und wollte weiterschlafen. Der Lehrer sah den Brillenträger irritiert an und verwies ihn mit einem lauten Brüllen, was dazu führte, dass niemand den Grund für Alfreds erscheinen jemals erfahren würde. Gilbert verdrehte die Augen und hielt sich die Ohren zu. Verdammt, er musste hier sitzen und sich den alltäglichen Schwachsinn anhören, obwohl er die Zeit viel besser mit einem Anschlag auf Österreich hätte nutzen können!
 

Die Schulzeit verging nur schleppend und als es endlich zur zweiten Pause läutete erhob sich der Weißhaarige schwerfällig von seinem Stuhl und stützte die Hände auf sein Pult. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, bückte er sich, um in seinem Rucksack zu wühlen, wobei ihm auffiel, dass einer seiner Buttons abhanden gekommen war. Verärgert zog er eine Packung Kaugummizigaretten hervor und steckte sich eine in den Mundwinkel. Sofort ging ein leises Raunen durch die Klasse. Triumphierend wand sich der Rotäugige von seinen Mitschülern ab und stolzierte mit der falschen Zigarette auf den Schulhof. Gott, er war das coolste, was die Welt je gesehen hatte.

Draußen tobten die Fünftklässler und schlugen sich Stöcker aus dem naheliegenden Wald um die Ohren. Antonio tauchte neben Gilbert auf, nur ein paar Sekunden später schlangen sich die Arme des Franzosen um den Körper des Spaniers. Beide sahen ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und fischten ihm den gefälschten Glühstängel aus dem Mundwinkel.

„Du bist so ein Angeber.“

„Die ist nicht mal echt, Gilli!“

Grinsend holte sich der Angesprochene sein Hab und Gut zurück und stemmte die Hände in die Hüften. „Aber sie wirkt!“

Kopfschüttelnd kommentierten die beiden Freunde Gilberts Kaugummizigarette mit einem leisen Seufzen, ehe sich die drei Jugendlichen eine Bank zum sitzen suchten. An ihnen liefen Arthur und Alfred vorbei. Der Junge mit der Bomberjacke hatte einen Hamburger in der Hand und einen im Mund. Den in seiner Rechten hielt er dauerhaft dem kleineren Engländer hin, welcher sich jedoch mit schnellen Schritten immer weiter von ihm entfernte. Alfred, mit seinen langen Beinen, hechtete dem Blonden hinterher und versuchte dessen Aufmerksamkeit zu erregen, indem er ihm das eingepackte Essen an den Kopf warf. Darauf fuhr der Kleinere herum und lies eine Kaskade von Schimpfwörtern los, worauf Alfred ein breites Grinsen hervorbrachte und ihm mit großen Augen die Haare strubbelte. Gilbert wand den Blick von dem bizarren Schauspiel ab und suchte, während Francis und Antonio sich bei dem Anblick von Alfred und Arthur noch kringelig lachten, nach Roderich. Seine Augen fanden ihn in einer Ecke des Schulhofes, wo er zusammen mit Elizabeta auf den Schaukeln saß und anscheinend eine anregende Unterhaltung führte.

Plötzlich traf ihn irgendwas hart am Kopf und Gilbert fuhr herum. Ludwig stand über ihn gebeugt und seine blauen, mürrischen Augen bohrten sich durch den Schädel des Rotäugigen. Antonio und Francis waren verstummt und sahen den Älteren fragend an. Gilbert räusperte sich.

„Jaaaa?“

„Lass deinen Kram nicht überall liegen.“

Mit diesen Worten drückte ihm sein Bruder den verlorenen Button in die Hand. Die Nadel war gekrümmt und das Bild sah aus, als wäre es einige Meter über den Asphalt geschabt worden.

„Feliciano ist rein getreten als er mich abholen wollte.“

Hinter dem Blonden tauchte das braune Haar des eben genannten Italieners auf. Seine Augen waren rotgeweint und er klammerte sich halt suchend an Gilberts älteren Bruder. Antonio und Francis wechselten einen belustigten Blick, Der Weißhaarige verdrehte die Augen und Ludwig gab ihm noch einen Klaps auf den Hinterkopf. Danach drehte er sich wieder dem Italiener zu und reichte ihm einen Arm, um ihn beim Gehen zu stützen. Wieso macht der so einen Terz?!, dachte Gilbert und schloss die Finger um den ramponierten Button. Als er wieder zurück zu den Schaukeln blickte, sah er wie Roderich und Elizabeta aneinander klebten. Ein Würggeräusch platzte über die Lippen des Rotäugigen und er biss auf den Kaugummistummel. „Ich geh pissen.“ Mit den Worten erhob er sich von der Bank und ließ den Spanier mit dem Franzosen allein. Sein Weg führte ihn abermals an Alfred und Arthur vorbei.
 

„Lass mich in Ruhe, Alfred!“

„Aber ich muss etwas wichtiges mit dir besprechen! Ich hab einen Plan!“

„Was für einen Plan, Alfred?! Du spinnst doch!“

„Ich werde ein Flugzeug bauen, und dann fliege ich damit über dein Haus!“

„Und wieso erzählst du mir sowas?! Nimm das ekelige Ding da weg!“

Während Alfred wild gestikulierte, hatte er ausversehen seinem Gegenüber den halb gegessenen Hamburger ins Gesicht gedrückt. Der Amerikaner zog den Arm zurück und verschlang das restliche Essen mit einem Bissen. Arthur sah dem ganzen skeptisch zu und fasste sich selbst an den Hals, als der Brillenträger schluckte. Wie konnte man nur so viel den Rachen herunter pressen?! Dann, sich über die Lippen leckend, fuhr Alfred mit seinen Erzählungen fort.

„Du hast gesagt, dass ich es nicht schaffen werde! Aber ich habe einen Plan und damit werde ich es dir zeigen!“

„Ich habe niemals irgendetwas gesagt! Lass mich endlich in Ruhe!“

Doch der Blonde war nicht mehr zu stoppen. Selbst als Arthur sich abwand und in Richtung Jungenklo hechtete, spurtete Alfred hinterher und textete sein Opfer über verschiedene Tragflächen und Karosserien zu. Gilbert zuckte zusammen als das seltsame Paar plötzlich in der Tür auftauchte und verfehlte fast das Pissoir. Arthur stampfte in eine der Kabinen und schloss ab, während Alfred davorstand und weiterreden wollte.

„Alfred! Lass mich in Ruhe!“

„Aber nur noch eine Sache…!“

„NEIN!“

Der Weißhaarige fasste sich an die Stirn, machte seine Hose zu, wusch sich die Hände und verließ eiligst das Klo. Widerlich. Wer folgte einem Kerl schon bis auf die Toilette?! Noch während er über die zwei nachdachte, läuteten die Glocken zum Stundenbeginn. Gilbert sah missmutig auf die Uhr, pellte seine Kaugummizigarette und schob sich den Stängel in den Mund. Es schmeckte süß, hatte aber keine besondere Geschmacksrichtung. Wenn er doch nur hätte zuhause bleiben können!
 

Die Schule endete erst, als die Sonne schon über den Zenit getreten war. Überall liefen Schüler nebeneinander her, ein Rauschen von Wörtern hallte über den Schulhof, hier und da ertönten Fahrradklingeln oder Motorengeheul. Busse fuhren vor und öffneten ihre Türen um die Schüler heim zu bringen. Gilbert wartete wie immer bei den Fahrradständern auf Roderich. Antonio fuhr mit Francis auf dem Gepäckträger an ihm vorbei und winkte ihm zu, ehe die beiden um eine Ecke verschwanden. Sie wohnten auf der anderen Seite der Stadt, dort wo die Mehrfamilienhäuser nicht ganz so abgerissen und die Parks nicht voller Heroinspritzen waren. Seufzend sah der Weißhaarige auf seine Uhr und bemerkte, dass sich sein braunhaariger Freund ganz schön viel Zeit ließ.

Die Minuten vergingen. Alfred und Arthur waren die letzten, die ihre Fahrräder von den Ständern lösten. Noch immer machte der Engländer ein Gesicht, als hätte er eine Magenverstimmung, dennoch schob er sein Fahrrad gelassen neben dem des Amerikaners her und hörte geduldig dessen Geschwätz zu. Die Augenbrauen hebend, sah Gilbert den beiden hinterher und fragte sich, wieso sie immer aufeinander hockten, obwohl sie sich nur ankeiften, als ihm plötzlich jemand auf die Schulter tippte. Roderichs lila Augen blinzelten ihn durch zwei dünne Gläser fragend an. „Wollen wir dann auch los?“

Schnaufend schwang Gilbert seinen Rucksack über die Schulter und wandte sich zum Gehen um. „Von mir aus hätten wir schon längst weg sein können!“, zischte er und wartete darauf, dass der Braunhaarige ihm folgte. Ein leises Seufzen ertönte aus dessen Richtung und irgendwas fummelte an seinem Nacken herum.

„Was machst du da?!“

„Dein Schild hängt raus.“

„Willst du mir nicht lieber erklären wieso du solange brauchst?“

„Gilbert!“

Der Weißhaarige wischte sich die Finger seines Freundes aus dem Nacken und sah ihn missmutig an. Roderich schob sich die Brille zurecht und seufzte ein weiteres Mal.

„Heute Morgen hast du dich noch beschwert, dass ich dich abhole, und jetzt beschwerst du dich, dass ich zu spät komme. Manchmal versteh ich dich echt nicht.“

Mit den Schultern zuckend, blieb der Angesprochene dem Brillenträger eine Antwort schuldig und stapfte trotzig weiter. Die Sonne hatte den Asphalt aufgewärmt, ihre Strahlen waren von dem dunklen Material absorbiert worden. Gilbert schlüpfte aus seinen Schuhen, zog sich die Socken aus und setzte seinen Weg barfuß fort. Nach einem kurzen Moment bemerkte er, dass Roderich ebenfalls inne hielt, dann hörte er die schnellen Schritte des Braunhaarigen und wenige Augenblicke später ging er wieder neben ihm, die Schuhe und Socken in den Händen. Sie sagten nichts, sondern gingen schweigend nebeneinander her. Ihre nackten Füße hinterließen ein platschendes Geräusch auf dem Untergrund, was Roderich dazu brachte die Nase zu rümpfen. Eigentlich war das nicht seine Art. Eigentlich würde er niemals barfuß zusammen mit Gilbert über den Fußweg gehen, allein schon deshalb, weil die Hunde gerne mal hier ihr Geschäft verrichteten. Das Murren und Rauschen und Klingeln und Heulen, das vor Kurzem noch auf dem Schulhof geherrscht hatte war verstummt und zurück blieb nichts außer ein leises Brummen, wenn ein Auto ihren Weg kreuzte. Gilbert lies die Arme hin und her schwanken, die Schnürsenkel seiner Schuhe streiften Roderichs Arme, worauf dieser sein Gesicht dem Rotäugigen zuwandte.

„Du hast mich heute ignoriert.“

„Und deshalb bist du jetzt so zickig?“

„Ich bin nicht zickig!“ Die Augen des Weißhaarigen funkelten wütend auf. „Ich kann‘s nur nicht haben wenn ich ignoriert werde!“

„Der große Gilbert hat also ein Problem damit, wenn er nicht im Mittelpunkt steht?“

„Natürlich! Wer will denn nicht im Mittelpunkt stehen? Außerdem bin ich so toll, dass ich der Mittelpunkt der Welt sein müsste!“

„Jetzt übertreib mal nicht…“

„Ich übertreibe nicht!“

Ein leises Lächeln breitete sich über die Züge des Braunhaarigen und er nickte. „Ja, ja.“ Dann erhob er den Blick und schaute auf die Wolken im Himmel. Weil er nicht mehr auf den Gehweg achtete, fing er an leicht zu schwanken und stieß gegen Gilbert. Dieser murmelte irgendwas davon, wie besoffen er doch sei, worauf Roderich nur lachte und von dem Weißhaarigen wieder weggedrückt wurde.

„Weist du, Elizabeta ist echt… unglaublich hübsch. Findest du nicht?“

„Ja, ja. Ganz süß.“

„Findest du, dass wir zusammenpassen würden?“

„Wieso fragst du mich sowas blödes?“

„Na, ich muss doch wissen was du davon hältst.“, räusperte sich der Brillenträger und schob seine Brille zurecht. Mittlerweile waren sie vor dem Hochhaus, in dem Gilbert wohnte, angekommen. Auf der Straße stand schon der Roller von Ludwig, das Licht im dritten Stock war angeschaltet und man sah zwei Gestalten hinter den Gardienen stehen.

„Ihr seid ein hübsches Paar.“

„Wir… Wir sind kein Paar! Ich wollte nur fragen, ob… ob wir ein schönes Paar WÄREN!“

Die Gestalten hinter den Gardienen lehnten sich aneinander, Gilbert verzog das Gesicht und kräuselte die Nase. Manchmal war sein Bruder echt seltsam. Vor allem dann, wenn er dachte, dass niemand ihn beobachtete. Dann drehte er sich wieder Roderich zu und rollte mit den Augen.

„Genau, und der nächste Papst wird ein Schwarzer.“

„Gilbert!“

„Jaahaa. Ich muss jetzt hoch, mach‘s gut.“ Noch während sich der Rotäugige entfernte, rief ihm sein Freund hinterher, dass er nicht so viel vor dem Computer hocken sollte. Als Antwort hob er nur seine Hand zum Gruß, dann schlüpfte er in seine Socken und stampfte die kalten Stufen des Treppenhauses empor. Bevor er die Wohnung aufschloss klingelte er. Drinnen ertönte ein Poltern, dann ein Schnaufen und ein leises Fluchen. Wieder schnitt Gilbert eine Grimasse, stellte seine Schuhe in den Flur, schmiss seinen Rucksack daneben und linste in die Küche, wo sein Bruder Ludwig in irgendeinem Topf herumrührte, während der Italiener auf dem Tisch saß und sein T-Shirt zurück in die Hose stopfte. Als er den Weißhaarigen bemerkte, lächelte er etwas schief, aber dennoch gutmütig, und murmelte ein leises ‚Hallo‘. Ohne die Begrüßung zu erwidern, ließ er den Besuch in der Küche zurück und verbarrikadierte sich auf seinem Zimmer.
 

Als er den Computer endlich wieder zum Laufen gebracht hatte, denn Ludwig hatte den Stecker versteckt und seinen Biervorrat im Waschbecken entleert (oder selbst ausgetrunken, man weiß es nicht), erschien als erstes ein dicker Briefumschlag auf dem Bildschirm, auf welchem die Flagge des Österreichers abgedruckt war.

Mürrisch überflog Gilbert die Flames und Anschuldigungen, über die Warnung vor einem Verstoß aus dem Spiel lachte er kurz und nahm danach die Kriegserklärung mit einem breiten Schmunzeln zur Kenntnis. Schön, sollte dieser Depp einen Krieg haben, er würde ihn eh nicht gewinnen und sich zum Schluss vor der geballten Macht Preußens in den Dreck werfen! Während der Rotäugige seine virtuellen Truppen koordinierte, öffnete er nebenbei einen Dialog und schrieb weiter an seinem Hack-Programm. Schon nach kurzer Zeit sprang abermals ein Fenster mit einem Briefumschlag auf und lenkte den Weißhaarigen von seiner Arbeit ab. Es war eine Einladung zu einem geschlossenen Treffen für alle Hetalia-Fans. Genervt klickte Gilbert die Nachricht weg und vertiefte sich wieder in sein Programm. Solche Treffen waren nichts für ihn. Möglicherweise müsste er sich dann dem Österreicher gegenüberstellen und auf dessen Provokationen hatte er nun wirklich keine Lust.
 

Während Gilbert in seinem Zimmer saß und nur ab und zu vom Bildschirm aufschaute, um die Uhrzeit mit der auf dem Desktop zu vergleichen, hatte Ludwig in der Küche das Essen gekocht und saß Veneziano gegenüber. Der Braunhaarige sah traurig auf den Teller, welcher mit Sauerkraut, Knödeln und Wurst gefüllt war, dann blickte er auf und sah dem Deutschen ins Gesicht.

„Keine Pasta?“

„Tut mir leid, wir haben keine Nudeln hier.“

„Veeeeh…“, machte der Italiener und stach mit der Gabel in das Essen vor ihm. „Nicht so schlimm.“

Bedächtig horchte Ludwig in die Richtung von Gilberts Zimmer und seufzte. Als er zum Essen gerufen hatte, war keine Antwort gekommen, und das wiederrum bedeutete, dass sein kleiner Bruder mal wieder vor dem Bildschirm hockte und sich für die Welt außerhalb von Hetalia nicht mehr interessierte. Wahrscheinlich würde er ihm heute Abend einen Teller neben den Computer stellen, damit er nicht noch mehr abnahm. Veneziano streckte seine Hand über den Tisch aus und drückte die des Blonden sanft, als er dessen besorgtes Gesicht bemerkte. Ludwigs Aufmerksamkeit wechselte sofort zu dem Braunhaarigen, ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen und er schob die Hand seines Freundes von seiner eigenen. „Dein Essen wird kalt.“ Der Italiener nickte und machte sich wieder daran das spillerige Sauerkraut auf seine Gabel zu wuchten.

„Ich dachte immer, Roderich würde einen guten Einfluss auf Gilbert ausüben, aber irgendwie ist er trotzdem ziemlich abgedriftet.“

„Vheee…“, seufzte Veneziano nur und sah seinen Gegenüber traurig an, worauf dieser den Kopf schüttelte und murmelte: „Vergiss es.“ Zusammen beendeten sie schweigend ihr Essen und wuschen die Teller in der Spüle sauber. Danach nahm Ludwig den Kleineren an die Hand und drückte sich kurz. Zusammen verschwanden sie im Zimmer des Blonden und schalteten das Licht aus.

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Gilbert bemerkte erst, dass er eingeschlafen war, als er aufwachte und der Computer leise in der Dunkelheit vor sich her brummte. In seiner Hosentasche vibrierte das alte Handy. Der Bildschirm war rot gefärbt, ein Zeichen dafür, dass seine Truppen im Spiel verloren hatten. Wütend haute er die Faust auf die Tischplatte, rieb sich die trockenen Augen und zog dann das nervende Mobiltelefon aus der Tasche. Roderich.

„WAS?!“

„… Musst du so schreien?“

„Du… rufst grade in einem unpassenden Moment an!“ Während er sprach klemmte er das Telefon zwischen Kopf und Schulter. Flink scrollte er über den Bildschirm und untersuchte die Schadensberichte. „Fuck…“

„Was hast du denn?“

„Ich bin eingeschlafen und meine ganzen Truppen wurden vernichtet.“

„Das kommt davon, wenn du keinen ordentlichen Schlafrhythmus einhältst.“

„Ja ja.“ Mit einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass es bereits mitten in der Nacht war, um genau zu sein ging es grade auf vier Uhr zu. Stöhnend drehte er sich vom Bildschirm weg und ließ den Computer herunterfahren. „Wieso rufst du so spät in der Nacht an?“ Eine kleine Pause entstand, ehe der Braunhaarige antwortete.

„Ich wollte wissen, ob du auch schläfst.“

„Ja ich hab geschlafen, und du hast mich aufgeweckt. Zufrieden? Kann ich jetzt weiter pennen?“

„Ich komm Morgen vorbei um dich abzuholen, okay?“

Verwundert sah Gilbert das Telefon an und hob eine Augenbraue. Seit wann meldete sich Roderich an, bevor er vor seiner Tür aufkreuzte? Und wieso rief er mitten in der Nacht an? Dann auch noch auf dem Handy, was er sonst für viel zu teuer erachtete? Genervt seufzte er in den Hörer und nickte.

„Bist du noch da?“

„Ja. Ja, du kannst mich abholen, meinetwegen.“

„Gut, dann bis morgen.“

Ein Tuten ertönte aus dem Hörer und Gilbert drückte es weg. Danach richtete er sich auf und reckte sich, um das steife Gefühl aus seinem Nacken zu verscheuchen. Mit trägen Schritten machte er sich auf den Weg in die Küche, entdeckte den Teller, den Ludwig ihm zurück gestellt hatte, und schlang das kalte Essen herunter. Danach öffnete er die Tür zu dem Zimmer seines Bruders. Ein leises Schnarchen drang zu ihm heraus und das Licht, dass durch den Spalt in der Tür geworfen wurde, traf auf zwei Haarbüschel, die zusammen unter einer Decke steckten. Ludwig dachte immer noch, er hätte es nicht bemerkt, aber vor dem Rotäugigen konnte man nichts geheim halten. Schon als sie klein gewesen waren, hatte der Blonde sich immer gerne Kleider angezogen. Ihre Mutter hatte damals gesagt, dass jeder Junge so eine Phase durchlief, doch nachdem sie sie verlassen hatte, hatte Ludwig sich in die Rolle der Mutter gedrängt gefühlt.

Mit einem Stirnrunzeln verschloss Gilbert wieder die Tür und dachte an seinen Vater, der seit einem halben Jahr im Ausland arbeitete und ihnen jeden Monat einen Geldcheck sandte. Seitdem er fort war, hatte Ludwig stets den kleinen Italiener mit nach Hause gebracht und die Tage, an denen der Braunhaarige nicht auftauchte, waren selten geworden. Es war auch die Zeit gewesen, in der das Verhältnis zwischen Ludwig und Gilbert zerbröselt war.

Nun waren es nur noch eineinhalb Stunden bis er wieder aus dem Bett kriechen müsste. Nachdem sich Gilbert in die Decke eingerollt hatte, haute er auf den Wecker um dessen Beleuchtungsfunktion zu aktivieren. Auf dem Display stand: Samstag, danach kam ein Datum. Gilbert rieb sich die Augen und glotzte auf das Anzeigeschild, welches wieder dunkel geworden war und haute ein weiteres Mal oben auf den Wecker. Samstag.

Noch einmal kroch der Weißhaarige aus dem Bett, zog das Handy hervor und rief Roderich an.

„Jaa…?“, tönte die nunmehr müde Stimme des Brillenträgers aus dem Telefon, wurde aber zugleich mit dem aufgebrachten Zischen Gilberts abgeschnitten.

„Heute ist Samstag, wieso willst du mich abholen?!“

Ein leises Stöhnen war zu vernehmen, ehe der Angesprochene antwortete: „Gilbert… Die Aufnahmeprüfung, weißt du denn nicht mehr?“

Entsetzt schrie der Rotäugige auf. Das war keine Zalandowerbung, das war der bittere Ernst der Realität, und die konnte man leider nicht einfach so zurückschicken. Den Rest der Nacht verbrachte Gilbert damit die Lernzettel, welche er vor Wochen halbherzig geschrieben hatte, in kleine Spicker umzuwandeln und sich die wichtigsten Begriffe der letzten drei Semester einzuprägen. Wie um Himmelswillen hatte er das nur vergessen können?! Nicht mal Antonio oder Francis hatten ihm Bescheid gesagt, doch das mochte eher daran liegen, dass die beiden die Absicht verfolgten, sich an einer anderen Schule zu bewerben, dessen Aufnahmeprüfung deshalb auch an einem anderen Tag stattfand.
 

Als Roderich am nächsten Morgen vor der Tür stand empfing ihn das Antlitz einer Leiche. Die Haare seines Freundes waren ungewaschen, tiefe Augenringe ließen ihn alt aussehen und mit einer Hand voll Zetteln stand er in der Tür und musterte ihn, als habe er ihn nie zuvor im Leben gesehen.

„W-Wieso hast du mir nicht schon früher Bescheid gesagt?!“

„Ich dachte sowas wichtiges vergisst man nicht!“

„Ich hatte aber andere Sachen zutun!“

„Du hast doch nur vor dem Computer gehockt.“

Seinen Freund ignorierend hob Gilbert die Hände und strich sich die fettigen Strähnen aus dem Gesicht. Dabei entblößte er zwei miefende Schweißflecken unter seinen Armen, welche Roderich dazu brachten angeekelt das Gesicht zu verziehen. Mit einem gestressten Seufzer zog er den Weißhaarigen zurück in die Wohnung und schob ihn ins Bad.

„Wasch dich gefälligst!“

„Aber wir haben keine Zeit!“

„Wenn wir rennen sind wir immer noch pünktlich, und nun wasch dich!“

Ergeben zog sich Gilbert das Shirt über den Kopf und warf es abfällig auf den Boden, wo es von Roderich wieder aufgesammelt und in den Wäschekorb geschmissen wurde. Der Braunhaarige lehnte in der Tür während sich der andere schnell über dem Waschbecken Haare und Oberkörper wusch. Nebenan ging die Tür zu Ludwigs Zimmer auf und ein zerzauster Italiener begab sich auf den Flur hinaus. Erst blickte er Roderich fragend an, dann zog er das Hemd, was allem Anschein nach Ludwig gehörte, ein bisschen weiter über seine Knie und lächelte die beiden mit gerötetem Gesicht an.

„Guten Morgen.“

„Guten Morgen, Veneziano. Gut geschlafen?“, fragte Roderich mit einem höflichen Nicken, was den Kleineren in seiner peinlichen Situation etwas beruhigte. Er nickte zurück und fummelte mit seinen Händen am Saum des Hemdes. Als Gilbert sich zu ihnen herumdrehte, grade hatte er mit einem Handtuch seine Haare trocken gerubbelt, und die nackten Beine des Italieners betrachtete, fragte er sich, ob dieser überhaupt eine Boxershorts darunter trug und wollte grade einen sarkastischen Kommentar loslassen, als Roderich ihm ein neues Shirt überstülpte und ihn an die bevorstehende Prüfung erinnerte. Mit einem verächtlichen Blick musterte er Veneziano, dann verschwand er zusammen mit dem Brillenträger aus der Wohnung und rannte in Richtung Schule.

„Wäre ein ‚Danke‘ nicht mal angebracht?!“, schnaufte Roderich als sie völlig erledigt vor den Toren der Schule ankamen und nach dem Zimmer für die Prüfungen auf dem schwarzen Brett suchten.

„Nein… Du… hättest mich vorher warnen sollen…!“

„Bin ich deine Sekretärin?!“

„Na-Natürlich..! Jetzt komm!“
 

In der Prüfung dann musste Gilbert schon nach einer halben Stunde abgeben. Man hatte seinen Spickzettel gefunden und verwies ihm vom Prüfungsraum. Als er seine Sachen wütend in seine Tasche stopfte und die ganzen Blätter zerknickte, auf denen er hatte schreiben wollen, sah er über die Schulter zu Roderich, welcher emsig auf sein Blatt kritzelte. Frustriert starrte er wieder auf seine Spickzettel und riss sie mitten durch. „Alles deine schuld!“ Was er nicht sehen konnte, war das traurige Gesicht des Braunhaarigen, denn dieser wusste, was die verpatzte Prüfung für sie bedeuten würde. Als Gilbert den Raum verlies, seine Spickzettel lagen in Stücken über den halben Raum verteilt, hob Roderich das Gesicht und starrte auf den Rücken seines Freundes. Seine Gedanken drehten sich nicht mehr um die Prüfungsaufgaben, sondern um die Frage, was er jetzt tun sollte. An diesem Tag wusste er noch nicht, dass Gilberts Rücken bald das letzte sein würde, was er von ihm sehen sollte. Doch diese traurigen Gedanken erreichten ihn erst Tage später, als ihm Gilbert erklärte, dass sie sich jetzt nicht mehr so oft sehen konnten. Die Schule, auf die er nun gehen würde, lag nicht innerhalb der Stadt, weshalb er den Bus nehmen würde, um zu ihr zugelangen. Zum Abschied drückten sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben. Roderich fand, dass es ein komisches Gefühl war einen Freund wie Gilbert so zu verabschieden. Dann drehte sich der Weißhaarige in Richtung des Hochhauses und stieg die Treppenstufen zum Eingang hinauf. Er drehte sich nicht um, und Roderich fragte sich, ob er immer noch sauer auf ihn war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Jiho_
2011-08-13T18:52:26+00:00 13.08.2011 20:52
Uii Cool.
Du hast die Geschichte ja auch auf mexx. ;D
Hab sie zwar auf ff.de gelesen, aber ich finde sie immer wieder cool. *____*

Liebe Grüße,
Kira-Fukutaicho
oder von ff.de Cookie- Crash ^^
Von:  Masi-chan
2011-07-30T21:13:01+00:00 30.07.2011 23:13
Richtig geile Story!
Ich kann es gar nicht erwarten weiter zu lesen!

Die Idee mit Hetalia als Online-Game ist richtig toll!
Und das Bad-Touch-Trio ist dabei! *jay* \(^0^)/

gglg Masi >^~^<
Von:  -Seth-
2011-07-26T11:15:28+00:00 26.07.2011 13:15
Soo, Hey. ^^

Schöner Prolog :)
Gilberts Pc-Sucht und die vermasselte Prüfung passen zu ihm wie Faust aufs Auge :D
Btw, tolle Idee mit "Hetalia Online" und auch sehr gute Umsetzung ^-^

Eigentlich ist Ludi ja Gilberts jüngerer Bruder, aber für die FF passt's andersrum echt besser. Gilli (xD. Ich mag den Spitznamen) ist einfach kein Typ, der ein großer Bruder ist.

Ich werde auf jeden Fall weiterlesen~
Aber jetzt muss ich erstmal weg^^~

Dekri~


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