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Magdalenas Passion

Eine Herbstromanze
von

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1: Begegnung

Die Pubertät hatten wir gut hinter uns gebracht – die unserer beiden Söhne meine ich, die mit neunzehn und dreiundzwanzig nun beide studierten. Endlich war abzusehen, daß sie irgendwann tatsächlich ein eigenes Leben begannen. Sebastian, der Ältere, hatte sich aus Bequemlichkeit noch nicht aus dem Elternhaus gelöst, Florian dagegen hatte von der ersten Gelegenheit, sich der übermächtigen Präsenz des größeren Bruders zu entziehen, Gebrauch gemacht und war verschwunden in die Großstadt. Nachdem er sich bei einem Studienkollegen eingerichtet hatte, besuchte ich ihn für ein verlängertes Wochenende, quartierte mich dafür auch bei meinem Filius ein.
 

Florian sah es gelassen, denn er wohnte nun in einer großen Altbauwohnung, seinen Anteil durfte die Mama bezahlen, weil der Papa gemeint hatte, ein Zimmer in einem Studentenwohnheim hätte es auch getan, denn zu seiner Zeit – man kennt das ja. Schön hell war sie, diese Dachgeschoßwohnung in einem anständigen Vorort, mit Gartennutzung, und was für ein Garten. Wäre ich noch einmal jung, ich hätte hier wohnen wollen, der Gartenpflege enthoben, da die Vermieter, die selbst die beiden unteren Geschosse bewohnten, das als ihre Aufgabe sahen.
 

Und Mama wurde geduldet, sogar herumgezeigt im Freundeskreis, weil sie gelegentlich den einen oder anderen Schein für Lebensmittel und Klamotten springen ließ. Und vielleicht auch, weil Florian empfänglich genug für die Wandlungen in seiner Mama war, die bei diesem Besuch das Gefühl hatte, ein Stück ihrer eigenen Jugend zurückzugewinnen, die Unbeschwertheit genoß, weg von der Hausarbeit und dem Verlag, von belastenden Ansprüchen durch Mann und Kinder und dennoch mit dem guten Gewissen, etwas für den Zusammenhalt der Familie zu tun.
 

Im Gespräch mit Florians Mitbewohner und seinen Freunden fühlte ich mich wieder jung, erfreute mich am Anblick dieser jungen Männer und träumte fast jede der drei Nächte von einem amourösen Abenteuer mit dem einen oder anderen. Doch dann fuhr ich wieder nach Hause, und schon kurz nachdem der Zug sich in Bewegung gesetzt hatte, griff der Alltag in Form der Sorge um die Zuhause angesammelte Arbeit wieder nach mir. Und so angenehm es gewesen war, sich wieder einmal jung zu fühlen, war mir damit doch auch die Erinnerung an meine sexuell so erfüllte erste Zeit mit Bruno wieder in Erinnerung gekommen, die ich nun umso mehr vermißte, dabei hatte ich mich in den Jahren doch irgendwie daran gewöhnt, daß wir eben in jeder Hinsicht ein altes Ehepaar geworden waren. So stürzte ich mich regelrecht in die Arbeit, um den gnadenvollen Zustand des Vergessens schnell wieder zu erreichen, denn ich hatte meinem Mann doch Treue bis in den Tod versprochen, und außerdem war ich ohnehin viel zu alt, als daß sich außer Bruno noch irgend jemand für mich interessierte. Immerhin hatte mein Mann in wenigen Tagen Namenstag und gewöhnlicherweise feierten wir solche Anlässe auch mit Geschlechtsverkehr.
 

Nach meiner Ankunft am frühen Montagnachmittag stellte ich den Koffer nur in das Schlafzimmer und sichtete zunächst die in den vergangenen Tagen aufgelaufene Korrespondenz. Während dessen kam Sebastian mit einem Freund nach Hause – das zumindest war mein Eindruck, denn zwei schlanke Gestalten in Motorradjacken, die Helme unter dem Arm, traten durch die Eingangstür, und von Sebastian hörte ich: "... du kennst dich ja aus."
 

Am Schreibtisch sitzend konnte ich gegen die strahlende Oktobersonne, die den Eingangsbereich durchflutete, nicht viel mehr als Schemen erkennen, also stand ich auf, um wenigstens 'Hallo' zu sagen und auch gleich zu zeigen, daß man eben keine sturmfreie Bude hatte, weil Mama zugegen war. Ich war sehr überrascht, in dem Gast meines Sohnes eine vielleicht zwanzigjährige Frau zu erkennen. Ich musterte die junge Frau hoffentlich unauffällig genug, während sie den Helm und die Lederjacke ablegte und zielstrebig auf dem Besucher-WC verschwand. Sie kannte sich wirklich aus.
 

Drei Tage war ich weg gewesen und Sebastian hatte plötzlich eine Freundin. Nun wurde ich wohl wirklich alt, wenn meine Söhne damit begannen, über eine eigene Familie nachzudenken. "Willst du uns nicht bekanntmachen?" fragte ich meinen Sohn mit gedämpfter Stimme. Sollte seine Freundin doch ruhig annehmen, er wäre wohlerzogen genug, selbst auf diese Idee gekommen zu sein.
 

"Aber du kennst Bea doch", gab mein Ältester vorwurfsvoll zurück.
 

Diese junge Frau war die kleine Beatrix von nebenan? Aber Beatrix war doch blond gewesen, und diese Frau hatte dunkle Haare. Als Beatrix noch sehr klein gewesen war, ein süßes, blondgelocktes Baby, hatte ich sie oft gehütet, weil ihre Mutter früh wieder arbeiten gegangen war. Dann entwickelte Beatrix sich zu einer dürren, frechen Rotzgöre, die sich mit Sebastian und Florian um Eis, Bälle und einen Platz auf der Schaukel prügelte. Obwohl sie nur drei Monate jünger war als Sebastian, war Beatrix erst ein Jahr nach Sebastian eingeschult worden, und als sie schließlich auf das Gymnasium kam, war der Kontakt der Kinder zueinander abgerissen. Weder ich noch Beatrix' Mutter hatten das Bedürfnis gehabt, dem entgegen zu steuern, weil es so auch viel weniger lautstarke und zum Teil sogar blutige Konflikte zwischen den dreien gab. "Wie kommt es, daß du... ihr...", wollte ich also etwas überrascht wissen. Immerhin wuchs sich ja nicht jede halbvergessene Sandkastenfreundschaft später zur Ehe aus.
 

"Sie besucht gerade für eine Woche ihre Eltern, und weil sie auch Moped fährt, haben wir einen kleinen Ausflug gemacht. Naja, und ihre Eltern sind grad' nicht zuhaus', sie hatte den Schlüssel vergessen, wie das so ist...", er grinste und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, daß es doch mehr gewesen war als nur ein Motorradausflug um der alten Zeiten willen. Nunja, die beiden waren jung und Sebastian hätte es schlechter treffen können.
 

"So, da bin ich wieder", sagte Beatrix und schloß sich erst auf dem Flur den Schlitz der Lederhose, bedachte Sebastian dabei mit einem regelrecht provozierenden Lächeln. Wollten sie miteinander ins Bett oder sich wieder einmal gegenseitig die Schädel einschlagen? Da Beatrix jetzt nicht mehr im Gegenlicht stand, sondern von der Sonne beleuchtet wurde, konnte man die Narbe neben ihrer linken Schläfe sehen, die sie Sebastian verdankte. Ich hatte die Kleine damals in die Klinik gebracht und ihr während des Verarztens das Händchen gehalten. "Wenn ich mal groß bin, heirate ich dich", hatte mir der damals sechsjährige Wildfang versprochen, obwohl sie auch in dem Alter schon durchaus verstand, daß es Männer waren, die Frauen heirateten und ich zu allem Überfluß doch auch schon einen Mann hatte. Aber damals wollte sie eben ein Junge sein und bei den wilden Tobereien mit meinen Söhnen war es ja auch viel praktischer, wenn sie ebenfalls Hosen trug und die Haare kurz.
 

Wie sie jetzt dastand, die kurzgeschnittenen, fast schwarzen Haare wild verstrubbelt um den Kopf, das lose um ihren schlanken Oberkörper hängende Sweatshirt, sah sie noch immer sehr jungenhaft aus. Und den herausfordernden Blick, den hatte sie auch noch.
 

"Hallo, Beatrix", sagte ich also. "Schön dich mal wieder zu sehen." Es war nur eine Floskel, aber plötzlich ging mir auf, daß sie wirklich ein sehr erfreulicher Anblick war. Nunja, wenn Sebastian und sie sich nähergekommen waren, würde ich sie ja noch häufiger sehen.
 

Draußen kam ein Auto zum Stehen. Sebastian lief zur Eingangstür und sah durch das Fenster hinaus. "Deine Eltern sind da, Bea", sagte er dann.
 

"Alles klar, Basti", antwortete Beatrix, sah dann noch mal zu mir. "Grüßen sie ihren Mann von mir", dann griff sie sich ihre Jacke und ihren Helm und lief mit Sebastian hinaus.
 

Hätte ich sie vielleicht ebenfalls siezen müssen? Immerhin war sie auch dreiundzwanzig und ich hatte sie einige Jahre nicht mehr gesehen. Ich schaute durch die offenstehende Eingangstür zu, wie Beatrix ihre Eltern begrüßte, sich mit einigen Worten bei Sebastian verabschiedete und dann im Nachbarhaus verschwand. Und Sebastian kam gemächlich zurückgeschlendert, zog die Haustür ins Schloß. "Ich hab' sie für heute abend auf ein paar Bier eingeladen", erklärte er. "Ich hoffe, das ist ok."
 

"Das ist aber eine merkwürdige Umschreibung für ein Treffen mit deiner Freundin", gab ich zu bedenken.
 

"Aber Bea ist doch nicht meine Freundin, sondern mein Kumpel. Die steht doch auf Mädchen", kam es da vorwurfsvoll von meinem Sohn.
 

Die glückliche Jugend! Na, dann waren wenigstens keine Forderung nach Alimenten zu befürchten. "Wollt ihr dann, was weiß ich, Platten hö..."
 

"CD's", unterbrach mich Sebastian, "oder Videos, oder wir daddeln ein bißchen, genauso wie wenn Ferdi hier ist. Und wir bleiben in meinem Zimmer und stören nicht Papas geheiligten Feierabend, versprochen."
 

Also rückte Mama noch einen Zwanziger für Bier und Knabberkram heraus.
 


 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Say_Say
2011-07-10T10:42:34+00:00 10.07.2011 12:42
Super geschrieben, gut gemacht, hat mich auch sehr neugiereig gemacht und werde weiterlesen, freue mich auf die nächsten Kapitel

LG


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