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Weine nicht

von

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Er hasst es, wenn Mädchen weinen

Er hasste viele Dinge und bei den meisten dieser Dinge fiel es ihm unwahrscheinlich leicht es die Welt wissen zu lassen.

Alle wussten, dass er McGonagall hasste.

Alle wussten, dass er die Farbe rosa hasste.

Alle wussten, dass er Spitznamen hasste.

Aber es gab durchaus auch Dinge, die er hasste, von denen niemand wusste.

Dinge, die, wenn jeder sie wüsste, seinem Image schaden würden.

Wie zum Beispiel, dass er es hasste, wenn andere, insbesondere Mädchen weinten.

Obwohl, wahrscheinlich war “Hass” ein zu starkes Wort für eine solche Situation, aber “nicht mögen” hingegen war viel zu schwach um zu beschreiben, wie unwohl und mies er sich dabei fühlte und in gewisser Weise auch immer ein wenig schuldig.

Er konnte es einfach nicht leiden, die großen leicht salzigen Tropfen zu sehen, die glänzende Spuren auf den Wangen hinterließen und jedem rote dicke und verquollene Augen bescherte.

Wenn er das leise Schluchzen hörte, war es als würde ihm auf einmal Luft zum Atmen fehlen, als wenn die Person nicht weinte, sondern vor ihm stand und mit aller Kraft ihm die Kehle zudrückte, bis er kurz vor dem Ersticken war.
 

So auch gerade.

Dabei hatte er doch nur vorgehabt den Abend mit einem kleinen Spaziergang ausklingen zu lassen. Die Nacht brach schon heran und zumindest theoretisch durfte sich um diese Zeit niemand mehr draußen aufhalten.

Nicht, dass ihn das aufhalten würde.

Wieso auch?

Was war schon gegen eine Runde am See einzuwenden?

Vorallem, nach einem so angenehmen Abend.

Alle hatten sie gelacht und getanzt, der Ball war ein voller Erfolg gewesen und für ein paar Stunden hatte er sogar vergessen können, dass auch Potter und das Wiesel da waren.

Pansy hatte er längst zurück in den Gemeinschaftsraum gebracht und sie mit Blaise zurückgelassen. Natürlich, sie hatte ihm ohne Worte das Versprechen einer aufregenden Nacht gegeben, doch er fand einen letzten Spaziergang ausnahmsweise angenehmer und perfekter als Ende dieses Tages.

Das Wissen, was er kriegen könnte gefiel ihm mehr, als Pansy ihm sonst gefiel und das sollte seiner Mitschülerin reichen.

Wie man merkte, was alles gut, ja, er fühlte sich auch gut.

Sein grüner Umhang war warm genug, der Schnee fiel gerade nicht, sondern hatte die Landschaft nur mit einer Decke aus Unschuld bedeckt.

Doch das dieses Bild heute Nacht gestört werden würde von etwas anderem als seinen eigenen Fußspuren hätte er nicht gedacht.

Noch bevor er auch nur die Silhouette sah, drang das leise Schluchzen an sein Ohr.

Nur auf Grund des bisher so angenehmen Abends drehte er nicht sofort um, sondern haderte stattdessen mit sich das Geräusch einfach zu ignorieren und zu tun, als wenn er es nie gehört hätte.

Doch auf der anderen Seite kam in ihm die Frage auf, wer an einem solchen Abend so herzzerreißend weinen würde.

Und ihm war klar, wenn er gehen würde, dann würde er es nie erfahren, jedoch innerlich die Antwort von sich selbst verlangen.

Schließlich seufzte er leise und schüttelte kurz den Kopf, während er sich innerlich schwor nur einen Blick zu riskieren und danach zurück ins Schloss zu gehen.
 

Tatsächlich brauchte er nicht so lange, wie er dachte, bis er die Ursache des Schluchzens fand.

Sie stand nicht weit entfernt am Rand des Sees, der so ruhig da lag, als wäre er ein Spiegel, einzig geschaffen um ihr zu zeigen, dass sie keinen Grund zum Weinen hatte, oder um den Grund zu vergrößern, wer wusste das schon?

Vielleicht war er in diesem Moment auch nur das Sinnbild ihres Leids und zeigte, wie viele Tränen sie an diesem Abend schon vergossen hatte.

Langsam näherte er sich ihr, entgegen seines eigentlichen Vorhabens.

Das Mondlicht tauchte sie in ein fahles Licht, das sie beinahe leuchten ließ. Noch immer trug sie das Kleid, dass sie auch auf dem Ball angehabt hatte.

Als er ihre nackten Arme sah, wurde er sich seines Umhanges wieder bewusst und erneut erfüllte ihn kurzzeitig ein freudiges Gefühl, dass er an ihn gedacht hatte und nun nicht frieren musste.

Als auf einmal ein Wind aufkam, hüllte er sich fester in den dicken Stoff, doch sie hatte nichts, dass sie vor den Angriffen der Natur schützte, so riss der Wind fast schon brutal an der dünnen Seide ihrer Kleidung. Und während er sie weiter betrachtete, fiel ihm noch etwas anderes ins Auge, dass ihn noch mehr traf als die schluchzende, vom Wind gepeinigte Gestalt es so schon tat.

Als er nämlich genauer hinsah, konnte er erkennen, dass dort im Schnee nichts weiter steckte als ihre kleinen, blassen und vorallem bloßen Füße.

Keine Schuhe schützten die nackten Zehen, die im Schnee versunken waren, keine Socken oder Strumpfhose schützten die blasse Haut vor der Kälte, so dass sie schon gerötet waren und er sich sicher war, dass sie die Kälte schon als Schmerz empfinden musste.

Trotzdem bezweifelte er, dass das der Grund für ihre Tränen war.

Wenn dem so wäre, so wären dort, wenige Meter abseits nicht ihre Schuhe, die dort verloren und unbeachtet lagen, als wären sie zugehörig zur Umgebung, genau wie der Baum dort, oder weiter hinten der Steg.

Ohne jeden Zweifel kam ihm der Gedanke, dass sie sicher erfrieren würde, wenn sie noch länger dort stand und ihre einzige Regung das leichte Beben ihrer vom Schluchzen geschüttelten Schultern blieb.

Ihr Blick starr auf das Wasser gerichtet, als wenn sie nicht merkte, wie salzige Tränen ihre Wangen röteten und schließlich von ihrem Kinn hinab auf den Boden tropften.

Wie er sie so betrachtete, rechnete er schon fast damit, das sie nächsten Tränen, die ihre Lider gebar sich in Kristalle aus Eis verwandeln würden.

Kalt zwar, aber schillernd und von unvorstellbarer Schönheit.
 

Erneut schüttelte er den Kopf, wie könnte er auch nicht?

Er begriff es selbst nicht, doch ihr Anblick faszinierte ihn. Dabei sollte sie ihn doch wie sonst auch anwidern, oder zumindest gleichgültig sein.

Aber nein, stattdessen machte er sich Gedanken darum, wie er sie zurück zu dem restlichen Gryffindor Abschaum bringen konnte.

Okay, zumindest das funktionierte normal, die anderen Gryffindors waren nach wie vor Abschaum für ihn, doch wieso kümmerte es ihn überhaupt, ob sie zurück zu den anderen gelangte?

Ganz einfach, es war einfach zu kalt für sie und schon viel zu spät, als das jemand nach ihr suchen würde, sie sollte sich einfach hier nicht herum treiben, im Schnee, bei Nacht.

Nur er hatte keine Ahnung, wie er ihr das Beibringen sollte.
 

Es war nun wirklich nicht so, dass er Probleme damit hatte Mädchen anzusprechen, hallo, er war schließlich Draco Malfoy, der weibliche Anteil der Zaubererwelt lag ihm zu Füßen!

Doch sie, diese kleine schlammblütige Streberin (für einen Moment schien sein gewohntes Gedankenbild wieder zu funktionieren) war heute tatsächlich eine Überraschung gewesen.

Dieser unreine Abschaum von einem Bücherwurm hatte heute den Saal zum Leuchten gebracht und selbst die Veelas aus Frankreich waren neben ihr verwandelt.

Viele, wenn nicht alle Augen waren ihren grazilen und eleganten Bewegungen gefolgt, unfähig zu verstehen, was mit ihr passiert war.

Er hatte natürlich nicht darauf geachtet, wie viele eifersüchtige Blicke ihrer Begleitung gegolten hatten, er war sich nur sicher, er hatte keine solchen von sich gegeben.

Wobei auch er erstaunt gewesen war, das war wahrlich nicht von der Hand zu weisen.

Genauso wenig, wie das ihr die Blicke der anderen absolut egal gewesen waren.

Ohne sich um die anderen zu scheren, hatte sie gelacht, getanzt, gestrahlt und noch mehr getanzt.

Fast wäre sogar er selbst auf die Idee gekommen, sie um einen Tanz zu bitten, viel zu schlecht war seine Partnerin gewesen und gleichzeitig viel zu gewöhnlich.

Doch zwei Dinge hatten ihn daran gehindert, zum einen sein eigener Stolz, der ihm deutlich gemacht hatte, dass es sich hier um Miss Know-It-All und gleichzeitig die Prinzessin der Schlammblüter war und es seinen gesellschaftlichen Tod bedeuten würde mit ihr zu tanzen, und zum anderen Viktor Krum, der mit Argusaugen über sie wachte und jeden Versuch im Keim erstickte.

Man hatte ihr nicht zu nahe kommen können, ohne das man misstrauisch gescannt worden war, um dann von Krum nur die kalte Schulter gezeigt zu bekommen.

Niemand hatte zu nahe an sie kommen dürfen, das filigrane Geschöpf, dass auf einmal kein bisschen mehr aussah, wie ein Besen, den Krum sonst ritt.

Wenn Draco so darüber nachdachte, dann musste er sogar zugeben, dass sie ein nettes Paar gewesen waren, niemand anders hätte mehr ihren besonderen Status an diesem Abend hervorheben und sie gleichzeitig schützen können.
 

Aber warum stand sie hier und jetzt, mitten in der eisigen Nacht am Ufer des Sees und weinte so bitterlich?

Was, oder eher wer, hatte sie so unglaublich unglücklich gemacht?
 

Und es fühlte sich für ihn nicht richtig an, sie zu stören, die Situation schien ihm viel zu intim. Er hatte eines im Laufe der Jahre gelernt, Hermine Granger war niemand, den man weinen sah.

Egal, wie sehr er sie geärgert und gereizt hatte, nicht eine einzige Träne hatte sie vergossen, ja, kaum ein Gefühl hatte er ihr abgerungen, außer Geringschätzung und leichte Wut, wie an dem einen Nachmittag, als sie ihn geschlagen hatte. Als er daran dachte und die Erinnerung daran wach rief, war ihm fast, als würde seine Wange erneut vor Schmerz pochen, doch er schüttelte die Vergangenheit ab, und überlegte genauer.

Nach allem was man hörte, kicherte sie kaum und flirtete nie.

Das sie es in seiner Gegenwart nicht tat, war eine Sache, aber er hatte dies und andere Dinge auch schon von anderen gehört, von denen Granger den Stempel „seltsam“ verpasst bekommen hatte.

Man sah sie nie ohne ein Buch und zu etwa drei Viertel der Zeit war ihre Nase darin vergraben, als würde sie sich lieber in eine andere Welt flüchten und sich eine zweite Realität erschaffen.

Ja, sie war definitiv seltsam.
 

Dennoch, irgend jemand sollte sie aus ihrer Starre reißen, immerhin konnte er sie wohl kaum erfrieren lassen.

Auch nicht, wenn ihr innerer Damm endlich mal gebrochen war und die Tränen wie Sturzbäche hinaustraten. Vielleicht war es ja befreiend für sie und tat ihr gut?

Irgendwo in seinem inneren versetzte der Sarkasmus dieses Gedanken ihm selbst einen Stich, als wenn er es genau wissen müsste, dass es ihr nicht gut tat, sondern, dass sie wirklich verletzt war.

Was ihn erneut zu der Frage brachte, was bei Merlins Barte mochte geschehen sein?

Während sie weiter leise weinte und scheinbar noch immer nichts von seiner Anwesenheit ahnte, ließ er erneut den Abend Revue passieren und überlegte, was hätte für sie schief laufen können, so dass der Abend dieses Ende verdiente?

Sein erster Gedanke war, dass er Schuld war. Hatte er sie heute beleidigt?

Nein, heute hatte er es gut sein lassen und dafür den ein oder anderen schiefen Blick von Pansy kassiert, die um Aufmerksamkeit heischend über sie hergezogen war.

Hatte sie Pansys Worte gehört?

Nein, dazu waren sie zu allen Zeiten weit genug weg von ihr gewesen und selbst wenn, der Tag, an dem Pansy es schaffte Granger zu treffen, musste noch erfunden werden, denn die Slytherin Schülerin war einfach zu schlecht gerüstet gegen die intelligenten und schneidenden Antworten von ihr.

Seine Gedanken schlugen nun weitere Kreise. War vielleicht Krum Schuld? Hatte er sich letzten Endes doch nicht als Gentleman und perfekter Begleiter erwiesen, nach dem es den Anschein gemacht hatte?

Hatte er eventuell weiter gehen wollen, als sie bereit gewesen war?

Ja, dass schien ihm ein guter Grund um Nachts, barfuß ihm Schnee zu stehen und zu weinen.

Erneut spürte er den ungewohnten Stich, wenn dem so gewesen wäre, hatte sie sich wehren können?

Nun gut, vielleicht waren dies auch alles falsche Ansätze und das eigentliche Problem lag im goldenen Trio selbst.

Aus einiger Entfernung hatte er gesehen, dass ein Streit zwischen den Dreien entbrannt war und später hatte er sich von Blaise in die Einzelheiten einweihen lassen.

Auch dieser Streit war einer der Gründe gewesen, warum seine eigene Laune an dem Abend so gut war, immerhin erlebte man es nicht alle Tage, dass die drei großen Helden sich stritten und das auch noch vor der ganzen Schülerschaft.

Laut Blaise war das Wiesel Schuld gewesen.

Scheinbar hatte es ihm nicht gepasst, dass Krum mit Granger aufgetaucht war.

Wie lächerlich.

Draco war sich sicher, dass das Wiesel selbst nur hätte fragen müssen, aber so wie er den Rothaarigen einschätzte, war ihm erst zu spät aufgefallen, dass der buschige Besenstiel auch ein Mädchen war und sich vielleicht sogar als hübsch mausern konnte. Immerhin war sie eine Hexe.

Es schien so, als hätte Krum einen Fan damit verloren, denn immerhin hatte sich aus der Streber Kröte tatsächlich ein kleiner Schmetterling gemausert und das nicht für das Wiesel.

Wie schade...

Auch wenn er zugeben musste, dass diese sarkastische und teilweise, besonders in Bezug auf das Wiesel, bitterböse Zusammenfassung ihm sehr viel Freude bereitete, brachte sie ihn kein bisschen weiter. Und es brachte sie nicht zurück ins Schloss.

Also würde er wohl oder übel handeln müssen, denn noch immer war hier niemand außer sie beide. Okay, er hatte auch nicht daran geglaubt, dass es sich ändern würde.
 

Unbewusst begradigte er seine Haltung und straffte die Schultern, bevor er sich mit beiden Händen durch das gestylte Haar fuhr und zu seinem eigenen Erstaunen feststellte, dass es wieder angefangen hatte zu schneien. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass wieder große weiche Flocken vom Himmel fielen um die Welt erneut mit einer scheinheiligen Decke aus Frieden und Stille zu bedecken. Auch sein Umhang war schon leicht gefleckt, doch er ignorierte diesen Fakt und begann langsam die restliche Distanz zu ihr zu überwinden.

Die einzigen Geräusche, die ihn dabei begleiteten, waren das leise Schluchzen von ihr und das ebenso leise Knirschen des Schnees unter seinen Schuhen.
 

Auch als er sich nach ihren Schuhen bückte, schien es eine rein unbewusste Handlung zu sein, doch das war es nicht, schnell und elegant hatte er die kleinen Schuhe aufgehoben und ließ sie locker an seiner Hand herab baumeln.

Er hatte sich schon bei Pansys Schuhen gefragt, wie sie darauf hatte tanzen, gehen, ja sogar stehen können, doch ein beiläufiger Blick auf dieses Paar vergrößerte dieses Rätsel für ihn noch weiter.

Trotzdem hielt er sich für den Moment nicht damit auf, sondern näherte sich ihr weiter, immer darauf bedacht leise zu sein und kein unnötiges oder gar lautes Geräusch in die Welt zu setzen.

Er redete sich ein, dass er nur darauf achtete, um sie nicht aufzuschrecken, damit sie nicht die Flucht ergriff, oder direkt zum Angriff über ging und ihn eventuell erneut schlug.

Was er sich jedoch nicht eingestand, war der Fakt, dass er sie noch länger ansehen wollte. Immerhin wusste er genau, dass dies die einzige Gelegenheit war hinter die Fassade der Schlammblutprinzessin zu sehen.

Ihm war klar, dass der Moment zerstört sein würde, sobald sie ihn bemerkte und das wollte er immer weiter hinaus zögern und den Anblick dieses magischen Wesens weiter genießen.

Sie verzauberte ihn und für einen Moment manifestierte sich in ihm der Gedanke, dass er alles tun würde, damit die Tränen versiegten und sie ihn anlachen würde.

Ja, nur ein Lächeln wollte er von ihr geschenkt bekommen.

Ertappt fuhr er zusammen.

Ertappt nicht nur bei seinen ungeheuren Gedanken, sondern vorallem von ihr, denn plötzlich hatte sie sich zu ihm umgedreht.

Noch immer riss der Wind mit stoischer Gewalt an ihr. Noch immer liefen dicke Perlen aus salzigen Tränenwasser ihre Wangen herab, um von ihrem schmalen Kinn zu tropfen. Noch immer bebte ihre Unterlippe leicht bei einem unterdrückten Schluchzen. Aber der erschrockene und ihrerseits ertappte Ausdruck in ihren großen Augen war neu. Natürlich kannte er ihre Farbe, dass zimt- oder schokoladenbraun, das intelligent blitzte, wenn sie im Unterricht dran genommen wurde, doch hier in der Dunkelheit der Nacht war es quasi nicht existent und wurde von einer Schwärze verschlungen, die auf dem Grund ihrer Seele zu liegen schien und die ihren Augen nicht den typisch verheulten, sondern vielmehr einen zauberhaften Glanz verliehen.

Viel zu kurz war der Blick hinter ihre Mauer auf ihre verletzliche und weiche Seite, die gar nicht rechthaberisch und besserwisserisch, geschweige denn bissig schien. Viel eher, wie ein normales Mädchen, dass erkannte, dass ihre Traumwelt nicht immer wunderschön war, wie sie es sich erträumt hatte, sondern manchmal mehr einem Alptraum ähneln konnte. Vielleicht war das der Grund, weswegen sie sich einen Panzer zugelegt hatte, wie eine Schildkröte, in dem sie sich verbarrikadieren konnte.
 

Doch sobald sie merkte, dass sie nicht alleine war, sondern er hier war und sie störte, verschloss sie sich wieder. Sofort wirkte ihr Gesicht starr und ihre Züge schienen wie aus Marmor geschlagen.

Jede Verletzlichkeit hatte sich in Luft aufgelöst, oder war zumindest wieder tief im Panzer versteckt. Nur er wusste jetzt, dass es sie gab.

Störrisch und wieder viel mehr, wie das Mädchen, dass seit vier Jahren mit ihm in einen Jahrgang ging, straffte sie ihre Schultern und sah ihm einerseits offen, auf der anderen Seite aber abweisend entgegen.

Ein helles Funkeln erstrahlte in ihren Augen und erinnerte ihn an eine lodernde Flamme, die darauf wartete ihn zu verschlingen als Strafe dafür, sie gestört zu haben, so deutlich stand ihr der Unmut ins Gesicht geschrieben. Der Anblick paralysierte ihn für einen Moment und kurzzeitig vergass er, was er sagen sollte, weswegen er sie überhaupt gestört hatte, ja, wieso er überhaupt hier draußen war. Doch dieser Augenblick währte nur wenige Minuten, dann hatte er sich überwunden. Augenblick legte sich ein gewinnendes und leicht spöttisches Lächeln auf seine blassen Lippen, dass so verdammt typisch für ihn war und soviel über seine Stellung an der Schule aussagte und ihn mehr beschrieb als tausend Worte es vermochten.

„Noch gar nicht im Bett Granger? Es ist nach Mitternacht, müsstest du nicht längst wieder ein Besen sein? Immerhin hast du schon wie Cinderella deine Schuhe verloren.“

Lässig ließ er die beide kleinen Schuhe an einem Finger vor ihrem Gesicht baumeln. Mit einer kleinen Bewegung schwenkte er sie von rechts nach links und zurück, nur die dünnen Riemchen berührten seinen Finger, während der Rest des Schuhes ein Spiel mit dem Wind einging.

Ein Ausdruck von vollkommenem Erstaunen legte sich auf ihre Züge als sie ihren Kopf senkte und auf ihre eigenen Füße sah. Es sah so aus, als würde ihr erst jetzt bewusst werden, dass ihre Schuhe nicht mehr an ihren Füßen waren und das es wirklich kalt war. Sofort konnte man erkennen, wie ein leichtes Zittern sie durchlief. Als Reaktion darauf, oder aber weil er es war, der die Schuhe hielt, griff sie sofort nach ihnen, noch bevor sie ganz aufgehört hatten hin und her zu baumeln. Ihre Wangen hatten sich leicht errötet, sodass er sich sicher war, das zumindest ihr Gesicht nun ein wenig wärmer war, denn er war sich ziemlich sicher, dass ihre Schuhe nicht wirklich etwas bewirken konnten, um sie vor der beißenden Kälte um sie herum zu schützen. Aber zumindest stand sie nicht mehr barfuß im Schnee, denn sie ließ sich nicht nehmen die beiden Schuhe augenblicklich über die bloße Haut zu streifen.
 

Nachdem sie nun auch den zweiten Schuh wieder anhatte und dadurch gleich einige wenige Zentimeter gewachsen war, schoss sie sofort zurück, „Ich könnte dich dasselbe fragen, Malfoy.“

Unbewusst wurde sein Lächeln breiter, ja, dass war die kleine Miss Know-It-All, so wie er und alle anderen sie kannten. Zickig und schnippisch, dabei aber immer abwehrbereit. Und beinahe hätte sie ihn damit täuschen können, doch auch wenn er sie eben nicht eine halbe Ewigkeit lang beobachtet hatte in ihrer Schwäche, so waren dort immer noch die feuchten Spuren auf ihrem Gesicht. Spuren, die in ihm den Wunsch auslösten, seine Hand auszustrecken um sie trocken zu wischen, oder aber seine Lippen darauf zu legen, um zu sehen, ob sie salzig schmeckten. Weil sie auf eine Antwort wartete und er sich selbst ablenken wollte von Gedanken, die sich absolut ungewohnt und fremd anfühlten, sprach er einfach weiter.

„Ich weiß was ich tue, und mal ehrlich, wir wissen beide, dass ich nicht ohne Schuhe im Schnee stehen würde.“

Der Punkt ging eindeutig an ihn, dass war wohl auch ihre Meinung, jedenfalls sagten das ihre böse funkelten Augen eindeutig.

„Ich wüsste nicht, seit wann es dich etwas angeht, was ich tue und was nicht.“

In einer unschuldigen und zugleich abwehrenden Bewegung hob er seine Hände und wiegte den Kopf leicht hin und her.

„Hey, schon gut, kein Grund an die Decke zu gehen, Granger.“

Innerlich jedoch konnte er nicht anders als über sie zu lachen. Ihm war noch nie aufgefallen, dass sie eigentlich ganz schön niedlich war, wenn sei wütend auf ihn war, wie jetzt gerade. Doch ihre nächste Reaktion löste Bedauern bei ihm aus. Statt einer weiteren pfiffigen und scharfzüngigen Bemerkung brachte sie nur ein abwertendes Schnaufen von sich, bevor sie sich an ihm vorbei drängte um den Weg zurück zum Schloss zu gehen und ihn einfach stehen zu lassen.

Naja, wieso bedauerte er das eigentlich? Es war doch genau das, was er gewollt hatte, dass sie hier nicht einfror. Also Mission erfüllt, alles gut?

Wieso fühlte er sich dann nicht gut?

Nein, er konnte sie so nicht gehen lassen. Denn wer versicherte ihm, dass sie sich nicht einen anderen Ort suchte und sich erneut verkroch und weiter weinte, sobald er nicht mehr in Sichtweite war?

Dann hätte sie womöglich keine Zuschauer und niemand der sie finden würde, der sich ihrer erbarmen würde.
 

Unbewusst, und ohne das er überhaupt wusste, weswegen er es tat, griff er nach ihrem schmalen Handgelenk und hielt es fest in seiner blassen Hand, um sie aufzuhalten

„Sag mir, wieso hast du geweint, ich lass dich gehen, aber sag es mir. Was bewegt jemanden wie dich, der sich immer unter Kontrolle hat, dazu hier in der Eiseskälte zu stehen und barfuß im Schnee zu weinen?“

Er war sich sicher, dass sie sich losreißen würde, um ihn nun erst Recht stehen zu lassen, doch scheinbar war etwas in seiner Stimme gewesen, dass sie davon abhielt. Stattdessen seufzte sie so leise, dass er kurz darauf sich nicht mehr sicher war, es gehört oder sich eingebildet zu haben.

„Wieso war das so klar? Malfoy, bist du nun auch noch ein Spanner? Und ich dachte, wenigstens hier hätte ich meine Ruhe.“

„Ausnahmsweise war es keine Absicht, es war lediglich ein Zufall.“, erklärte er ihr mit einem Schulternzucken, der es als Zufall verdeutlichen sollte. Scheinbar war das weder die Antwort, die sie erwartet hatte, noch die, die sie hören wollte, denn mit sanfter Gewalt versuchte sie sich nun doch von ihm loszureißen. Allerdings gab er ihr Handgelenk nicht frei, bis sie es endlich einfach und matt aufgab.

Man hörte die ungeweinten Tränen, die sich in ihr aufstauten als sie nun erneut mit ihm sprach.

„Lass mich los Malfoy. Musst du deinen Triumph noch auskosten? Wieso sollte ich mit dir über Dinge reden, die ich vergessen will?“

Als sie sich nun endlich zu ihm umdrehte, war ihre Mauer wieder gefallen, so dünn und zerbrechlich war sie noch gewesen, dass erneut dicke Tränen ihre Wangen hinab rannen. Erneut sah sie so zerbrechlich aus. Und erneut fühlte er einen Stich in seinem Herzen.

Er konnte kaum an sich halten und sein Griff um ihr Handgelenk wurde merklich fester.

„War es Krum? Hat er dich angefasst, oder dir anders wehgetan?“

Stumm blickte sie ihn aus ihren großen, vom Weinen verquollenen, Augen an und schüttelte wortlos den Kopf. Sie war nicht fähig etwas zu sagen, und er konnte nicht sagen, ob es daran lag, dass ausgerechnet er es war, der sie das fragte, oder ob die Kälte nun endgültig von ihr Besitz ergriff.

Zumindest gegen einen dieser Zustände konnte er Abhilfe schaffen. Mit einer raschen und gleichzeitig eleganten Bewegung löste er den Verschluss seines Umhanges.

Ja, sie war die Schlammblutprinzessin und er war der Slytherin und Eisprinz, aber gleichzeitig war er auch ein gut erzogener junger Mann und sie fror erbärmlich in ihrem dünnen Seidenkleid. Außerdem war er es schließlich, der sie aufhielt und verhinderte, dass sie Zuflucht im warmen Schloss suchen konnte, da war es das Mindeste, dass er dafür sorgte, dass ihr nicht mehr ganz so kalt war.

Vorsichtig, als wäre sie aus dünnen und wertvollen Porzellan, dass leicht zu zerbrechen war, legte er ihr seinen Umhang um die Schultern und musste unwillkürlich lächeln.

Er war ein gutes Stück größer als sie und der Umhang machte das deutlich und ließ sie kleiner und unschuldiger, fast ein wenig puppenhaft erscheinen.

„Wenn ich es war...“, fing er leise an, doch sie schüttelte erneut ihren Kopf. Diesmal hatte sie jedoch ihre Sprache wiedergefunden.

„Nein... du... warst es nicht...“, sie schluckte und schlug ihre Augen nieder, bevor sie leise schluchzte, „Ich habe mich... mit Ron.. gestritten... Er war... er ist.. so unmöglich...“

Dann waren seine Ideen nach dem Schuldigen doch nicht komplett falsch gewesen, das Wiesel war es also. Dieser dumme Sohn eines Blutsverräters hatte sich einfach nicht unter Kontrolle, aber wie sollte man das auch, wenn einem einfach, der nötige Verstand fehlte, aber dafür schien er wohl eine doppelte Portion Eifersucht abbekommen zu haben.

Na, bei irgendwas musste wohl auch er „Hier“ geschrien haben und das es weder Intelligenz, noch Aussehen war, war mehr als deutlich.

Automatisch und mehr aus Reflex hob er seine Hand, um ihr die frischen Tränen von der Wange zu wischen, doch sie zuckte erschrocken zusammen und versuchte etwas mehr Abstand zwischen sie zu bringen. Vergeblich.

„Was...?“

Erneut lagen ihre großen schokoladigen Augen auf ihn und er konnte eine Mischung aus Überraschung und Skepsis erkennen.

„Du solltest nicht wegen dem weinen“, murmelte er leise, vollkommen gefangen von ihrem Blick. Er sprach langsam weiter, während er sich langsam in ihren Augen verlor, „Er weiß nicht, was er sagt und sicher auch nicht, was er anrichtet oder überhaupt tut. Nimm es dir nicht so zu Herzen...“

Schließlich zuckte er fast hilflos mit den Schultern, „Ich kann keine Mädchen weinen sehen.“

Noch bevor sie die Chance hatte ihm zu antworten, zog er sie sanft in seine Arme. Jetzt war es um ihn geschehen, denn für einige Sekunden verlor er sich tatsächlich in ihren großen Rehaugen.

Anders konnte er sich später auch nicht erklären, was als nächstes geschah.

Behutsam, als würde sie drohen unter seiner Berührung zu zerbrechen, legte er seine Lippen auf ihren süßen, noch immer leicht bebenden Mund.

Sie schmeckte wie Honig und Meer, süß und salzig. Absolut verboten süß.

Doch in diesem Moment war es ihm egal, wer sie war, dass sie für ihn die verbotenste aller Früchte war und noch mehr, ob es ihr erster Kuss war. Auch wenn es hieß, dass der erste Kuss der wichtigste im Leben einer Frau war, dass eine Frau den ersten Kuss nie wieder vergessen würde. Er konzentrierte sich nur auf den Moment, auf ihren unvergleichlichen Geschmack und ihren weichen Körper, der sich ihm erst entziehen wollte, aber erst zögerlich und schließlich zärtlich an ihn schmiegte. An die Berührungen ihrer Lippen, die nun nicht mehr erstarrt waren, sondern langsam den Kuss erwiderten.

Wie gerne hätte er sie länger an sich gedrückt, ihren Geruch in sich aufgenommen und ihre weichen Lippen weiter auf seinen gespürt, doch er durfte nicht.

Sie kamen aus verschiedenen Welten, waren zu unterschiedlich. Aber vielleicht, vielleicht würde er sich irgendwann das Recht verdienen sie erneut zu küssen und wenn es so ein nächstes Mal geben würde, würde er sie nicht wieder gehen lassen, sondern bei sich behalten und dafür sorgen, dass sie nie wieder weinen musste.

Genauso sanft, oder vielleicht noch ein wenig sanfter, wie er sie in seine Arme gezogen hatte, löste er sich nun wieder von ihr und schob sie leicht von sich. Ein letztes Mal hob er seine Hand und ließ seine langen Finger über ihre geröteten Wangen gleiten.

„Bitte, weine nicht mehr.“

Langsam und zaghaft nickte sie und er sprach weiter.

„Versprich es.“

Erneut ein eindeutig zaghaftes Nicken, dann lächelte sie und er kam nicht umhin sie mit einem Engel zu vergleichen, denn mit einem Mal leuchtete ihr ganzes Gesicht auf. Er schien es geschafft zu haben ihre Tränen zu trocknen.

Mit einem Lächeln, so versonnen, wie gleichzeitig ungewohnt für ihn sah er ihr nach, wie sie sich nun endgültig aus diesem Moment fern der Realität löste und mit sicheren und eiligen Schritten von ihm entfernte und zurück zu Schloss lief.

Wieso er das getan hatte?

Er wusste es nicht.

Aber er wusste, dass das Stechen in seinem Inneren nachgelassen hatte und er sich leichter und besser als zuvor fühlte.

Doch noch etwas anderes wusste er, diese Nacht war etwas besonderes.

Mit einem leisen Seufzen sah er hinaus auf den See und merkte gar nicht, dass auch sein Gesicht heller strahlte als es sonst der Fall war.

__
 

Jahre später, der Krieg war beendet, der Sieg wurde gefeiert, weinte sie erneut.

Ihr Gesicht war vergraben in den Stoff eines warmen Umhanges.

Erneut war sie am See, erneut spürte sie den kalten Boden unter ihren bloßen Füßen.

Sie wollte alleine sein.

Allein mit ihrer Trauer und dem Verlust all der Menschen, die ihr etwas bedeutet hatten.

Alleine, wenn sie das Versprechen brach, dass sie vor Jahren gegeben hatte.

Sie hörte nicht, wie die Schritte sich näherten.

So merkte sie erst, dass er da war, als seine langen Finger ihr nasses Gesicht sanft berührten und die Tränen wegwischten.

Dann wurde sie in seine Arme gezogen und er murmelte leise, „Weine nicht.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Einzelfall
2013-04-10T22:01:12+00:00 11.04.2013 00:01
hey
also. wie soll ich sagen?
das ist die beste story zwischen den.beiden
die.ivj bis jez gelesen habe :o
du hast alles so perfejt beschrieben
(das kann nicjt jeder!)
Wirklich super arbeit
glg Iduna
Von:  RaraLu
2011-08-06T10:28:32+00:00 06.08.2011 12:28
Deine Geschichte ist wirklich unglaublich süß :)
Mir gefällt die Idee super gut und ich habe sogar eine Idee zu einem anderen Ende. Wenn du erlaubst, schreibe ich eine FF und bediene mich ein wenig deiner Idee.


Es grüßt

ArtemisDelia
Von:  Phoenix_
2011-05-31T18:24:01+00:00 31.05.2011 20:24
Guten Abend

*snief* Was für ein wunderschöner OS *snief*
Es war einfach nur wundervoll geschrieben und mit sehr viel Liebe, besonders die paradoxen Gedanken von Draco hast du sehr gut rübergebracht und gleichzeitig auch sein Sehnen nach Hermine. Das war einfach nur superschön.
Dein Schreibstil lässt sich auch sehr flüssig lesen und die Idee war mal super originell.
Vielen Dank, dass du am Wettbewerb mitmachst ;) Der OS hat mir gerade den Abend total versüßt ^-^

glg
Fire

P.S: Wenn du den OS extra für den WB geschrieben hast, würdest du das kurz anmerken? Das gibt nämlich extra + bei mir, da ich das Engagment dafür belohnen will ;)
Von:  chelba
2011-05-29T17:05:02+00:00 29.05.2011 19:05
wirklich eine süße geschichte :)


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