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Sonntag Abend

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Sonntag Abend

Seine Finger sind stark gekrümmt, wirken verkrampft. Er beißt sich auf die Lippe, kippelt, rauft sich die Haare. Sitzt dann wieder still und starrt ins Leere.

„Was willst du?“, fragt sie. „Reden“, sagt er. „Es ist alles gesagt“, antwortet sie. Schweigen. Wieder kippeln. Er schaut zu ihr. Ihr Blick ist gesenkt. Wieder verkrampfen sich die Finger und arbeiten miteinander, als würde er in seinen Händen etwas zermahlen.

„Warum ist alles gesagt? Woher weißt du das?“, stammelt er. Seine Stimme klingt brüchig, abgehakt und er muss sich stark räuspern. Er schaut sie direkt an, doch sie schaut noch immer auf dem Boden, als wenn sie es nicht ertragen könnte, ihn anzuschauen. Als wenn ihr Gewissen und ihre Entscheidung ihr verbieten würden, seinen Blick zu erwidern. Er greift nach ihren Händen und sie zuckt unweigerlich zusammen.

„Nicht!“, sagt sie kurz und knapp. Er zieht sich zurück. Seine lange hagere Gestalt wirkt gekrümmt, gedrückt, fast zerstückelt. Sein Kopf dröhnt. Er fasst sich an die Schläfen. ‚Atmen, ich muss atmen‘ denkt er und tastet unweigerlich nach seinem Hals, zerrt an seinem Pullover, so als würde ihm dieser zu eng sein. Er schaut auf seine Hände, die schmalen langen Finger und streicht über die Fingerkuppen, mit der er ihre Hand berührt hat. Legt die Hände in den Schoss und atmet hörbar in tiefen klaren Zügen durch. Einmal. Zweimal. Dreimal.

Sie schaut immer noch zu Boden, dann auf die Uhr und dann zur Tür. Wieder der Blick zur Uhr.

„Ich muss noch Hausaufgaben machen“, sagt sie. „Können wir nicht ein andermal sprechen?“ Ihre Stimme klingt belegt und genervt, ihre Worte sind gepresst, schnell gesagt, so wie eine beiläufige Information. Er schaut sie aus großen Augen an. Er sieht ihre langen braunen Haare, die ihr Gesicht, wie einen Schleier bedecken. Nur ihr Mund, zartrosa, und ihre vollen Wimpern schimmern hindurch.

„Ich gehe besser“, sagt er, steht abrupt auf und macht einen Schritt zur Tür. Wieder atmet er hörbar aus und ein. Einmal. Zweimal. Dreimal. Sie bleibt reaktionslos sitzen. Er öffnet die Tür, geht die Treppe hinunter durch die schwere Tür, auf die Straße hinaus, in den kalt nebligen Abend hinein. Es hat zu nieseln begonnen, die Wolken hängen tief, drücken, schieben, senken sich über den Abend. Er läuft los. Erst kleine Schritte, dann immer größere. Seine Augen brennen, sein Herz schmerzt, sein Kopf droht zu zerspringen.

‚Atmen‘ denkt er ‚immer atmen‘. Er läuft und verschwindet in der Dunkelheit der Straße …

… Sie sitzt in ihrem Zimmer, schaut aus dem Fenster. Regentropfen laufen an der Scheibe herunter, bahnen sich ihren Weg zum Fenstersims. Alles leise, Ruhe, Stille, nur das Ticken des Weckers ist hörbar. Plötzlich schrillt laut eine Sirene auf und noch einmal … wieder Stille … Blaulicht ist zu sehen … eine Sirene … der Regen ist stärker und fließt nun stetig am Fenster herab. Sie steht auf, schaut nach draußen, sucht etwas mit den Augen.

‚Was habe ich nur getan?‘ …
 

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offenes Ende



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