Zum Inhalt der Seite

Blumenmeer

am Ende bleibt nur die Erinnerung
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Neujahrsversprechen

31.Dezember 2010
 

Papier und Stifte waren feinsäuberlich und akkurat auf den großen Couchtisch ausgebreitet. Eli scharwenzelte neugierig um den Tisch herum und stellte sich auf die Hinterpfoten und einen besseren Blick zu haben. Das half ihr allerdings nicht sonderlich voll, denn sie war trotzdem noch zu klein. Sie tapste ein Stück vom Couchtisch weg, nahm ein wenig Anlauf und sprang dann in einem großen Satz auf die Couch, die vor dem Tisch stand.
 

Neugierig, wie das kleine Kätzchen war, sprang sie dann auf den Tisch und rollte mit ihrer einen Pfote die Stifte hin und her, bis einer zu Boden fiel. „Eli bist du etwa auf dem Tisch?“ ertönte Luisas Stimme aus Richtung Küche. Unschuldig guckend sprang Eli vom Tisch und widmete sich wieder dem Stift, mit dem sie nun durch die Wohnstube flitzte.
 

Lulu betrat mit einer dampfenden Tasse Tee, zur Abwechslung mal kein Kaffee, immerhin war es Draußen bitter kalt, den Raum und schloss die Tür hinter sich. Argwöhnisch suchten ihre Augen dem Raum nach Eli ab und als erstes fiel ihr der fehlende Stift auf.
 

Sie hörte leises Mauzen hinter der Couch und folgte dem kläglich klingenden Geräuschen ihres tierischen Mitbewohners. „Was machst du denn da?“ fragte Lulu, die natürlich keine Antwort von ihrem kleinen Stubentiger erwartete. Eli sah zur Couch und dann zu Luisa, unterstrich das Ganze noch mit einem leisen Mauzen. Luisa bückte sich und sah, dass Eli es geschafft hatte, den Kugelschreiber direkt in die Mitte der Couch zu schießen und nun kam sie dort nicht mehr ran.
 

„Mensch du machst aber auch Sachen.“ Luisa fuhr Eli durch das kurze rote Fell. „Aber ich habe dir schon tausend Mal gesagt, dass du nicht auf den Tisch hopsen sollst.“ Eli mauzte und rieb ihre Nasen gegen Lulus Handflächen. „du brauchst dich gar nicht ein schleimen, damit kannst du vielleicht Charlies Herz erweichen, aber meines sicherlich nicht.“ Lulu erhob sich, strich ihren knielangen Rock glatt und setzte sich auf die Couch.
 

Sollte Charlie doch nachher sehen, wie sie an den Stift gelangte, außerdem hatten sie davon noch genug in die vielen Schubladen ihrer beider Schreibtische. „Mensch wann kommt Charlie denn bloß, sie wollte doch schon vor 20 Minuten hier sein?“ Lulu sah auf ihre Uhr, die gerade zehn vor halb 4 anzeigte.
 

Draußen wurde es schon langsam Dunkel und vereinzeln erhellten schon Laternen die Gehwege. Das Handy auf dem Tisch vibrierte und kündigte eine SMS an. „Das wird dein Frauchen sein.“ sagte Luisa zu Eli, die gerade auf dem Teppich unter dem Tisch lag und mit den Kordeln an einer der ecken spielte.
 

„Hallo Schatz, ich wollte dich Fragen, ob wir uns auf halben Weg zum Postamt treffen können, es würde sonst noch etwas länger dauern bis ich es nach Hause schaffen. In Liebe Charlie.“
 

Lulu legte ihren Kopf schief und drehte ihr Handy in der Hand hin und her. Eigentlich hatten sie beide, die Briefe mit den Neujahrsversprechen zusammen fertig machen wollen, aber ewig lang auf Charlie wollte sie auch nicht mehr warten, deshalb beschloss sie die Briefe allein fertig zu machen.
 

„Hallo Charlie, das ist kein Problem, ich versähe die Briefe nur noch mit Adresse und Briefmarken. Ich treff dich dann gegen 16 Uhr beim Postamt. Love, Lulu.“
 

Sie verschickte die kurze SMS, schnappte sich einen der Stifte und schrieb erst die Adresse ihrer Großeltern auf einen der Briefe und dann die Adresse von Charlies Großeltern auf den anderen Brief. Es war das zweite Jahr, dass sie das so machten.
 

Bevor sie Charlie nicht gekannt hatte, hatte sie auch nichts von dem Brauch mancher Familien gewusst, ihre Neujahrsversprechen schriftlich festzuhalten und sie an die Großeltern zu schicken. Lulu hatte den Sinn der Sache noch nicht ganz so richtig verstanden, aber nachdem ihr Großvater diesen Brief so freudig empfangen hatte und sich darüber sehr gefreut hatte, ein wenig mehr am Leben seiner ältesten Enkelin teil zu haben, hatte Luisa beschlossen diesem Brauch treu zu bleiben.
 

Eigentlich hatte Charlotte und sie vorgehabt die Briefe gemeinsam fertig zu machen, aber eigentlich war es auch Schwachsinn, die Adresse drauf schreiben und eine Briefmarke rauf kleben konnte sie auch, ohne große Probleme.
 

Mit dem Briefen in der großen Umhängetasche und dick eingepackt, verließ sie ihre gemeinsame Wohnung und machte sich auf zum nächsten Postamt. Es war Mittler Weile fast dreiviertel 4, sie sollte es aber wohl in 10 Minuten locker zum Postamt schaffen, wären da bloß nicht die allzu glatten Gehwege. Die Stadt Berlin schien sich anscheinend nicht sonderlich genötigt dafür zu sorgen, dass wenigstens die eine Seite der Gehwege geräumt war.
 

Sie hatte auf ihrem kurzen Fußmarsch nicht wenige gesehen die sich fast auf ihren Hosenboden gesetzt hätten und auch einige die tatsächlich Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hatten.
 

Vom weiten schon konnte sie Charlie vor dem Postamt stehen sehen, ihre leuchtend roten Haare fielen ihr selbst noch unter der grünen, von ihrer Großmutter gestrickten, Mütze auf. Lulu sah nach rechts und nach links, überquerte schließlich schnell die Straß und winkte ihrer Freundin glücklich zu. „Das bist du ja endlich.“ Charlie grinste durch ihren dicken Schal hindurch und umarmte Luisa.
 

„Wie wäre es mit einer schöneren Begrüßung, wie „Hallo Schatz, schön dich zu sehen“ Charlie lachte und harkte sich bei Luisa unter. „Du kennst mich doch, ich habe es nicht so mit Förmlichkeiten.“ Da hatte Charlotte wohl recht, für sie waren all diese Höflichkeitsregeln, egal ob sinnig oder eher sinnfrei, ausgemachter Mumpitz und sie benahm sich grundsätzlich so, wie es ihr passte.
 

„Aber einen Begrüßungskuss bekomme ich schon noch oder?“ Charlie grinste, zog ihren Schal herunter und drückte ihre kalten Lippen gehen die ihrer Freundin. „Zufrieden?“ Luisa lächelte. „Ja ein bisschen, aber zu Hause musst du das nochmal richtig machen.“ Beide mussten lachen und so gingen sie, sich an den Händen haltend, den Weg zum Postamt.
 

Das gelbe Schild der deutschen Post war schon von weitem zu sehen und war fast gar nicht zu übersehen. „Und hast du die Briefe dabei?“ fragte Charlie beiläufig, als Lulu gerade mit ihrer Erzählung über die ältere Dame geendet hatte, die sich 4 verschiedene Blumensträuße hatte binden lassen, diese bezahlt hatte aber nur den einen mitgenommen hatte. „Natürlich habe ich die bei, ich heiße ja nicht Charlotte Albert, der man alles hinterher tragen muss.“
 

Luisa grinste frech und erntete dafür einen kleinen Faustschlag in die Magengegend. „Nur wem die Worte ausgehen, der wehrt sich mit Gewalt.“ Charlie steckte ihrer Freundin die Zunge raus, grinste dann aber. „Manchmal bedarf es keiner großen Worte.“ „Ach deshalb hast du auf deine Liste für das neue Jahr geschrieben, dass du nicht mehr so eine große Klappe haben willst?“ „Hey du hast meinen Brief gelesen.“ Charlie schmollte und löste ihre Hand von der ihrer Freundin. Lulu sah sie verdutzt an. „Du hast das wirklich aufgeschrieben? Ich habe mir das gerade bloß ausgedacht.“ Charlie blieb stehen und drehte sich grinsend um. „Ich doch auch, sowas steht nicht auf meiner Liste.“
 

Luisa plusterte die Wangen auf und zog Charlie die Mütze vom Kopf, um durch das rote Haar zu wuseln. „Wir sind beide manchmal echt ganz schön kindisch oder?“ „Meine Dozentin für Didaktik hat mal gesagt, wir sollen auf unser inneres Kind gut auf passen, denn seine Kindheit kann man sich auch nicht mit allem Geld der Welt zurück kaufen.“ Lulu umfasste wieder Charlies Hand und drückte sie leicht. „Deine Dozentin ist eine weise Frau. „Na das will ich auch hoffen, immerhin zahlt mein Vater 250 Euro pro Monat damit ich dort was lerne.“
 

Kaum das Beide, dass Postamt erreicht hatten und sie ihre Briefe abgegeben hatten, standen die beiden jungen Frau auch schon wieder vor dem großen Gebäude. „Glaubst du, die Briefe kommen noch rechtzeitig zum Weihnachten an?““Charlie, heute ist der 6.Dezember, Nikolaus, die Post braucht zwar bei dem Schnee länger als sonst aber mit Sicherheit keine 18 Tage.“ Luisa knuffte ihre Freundin in die Seite und stupste dann ihre Nase gegen die von Charlie. „Da hast du wohl recht, was würde ich bloß ohne dich machen?“
 

Lulu setzte gerade zum Reden an, als Charlie ihr den Zeigefinger auf die Lippen legte. „Ich weiß schon. Weißt du was? Ich lade dich zur Feier des Tages, weil heute ja Nikolaus ist, auf ein Stück Schwarzwälderkirschtorte bei Starbucks ein ok?“Luisas Augen fingen an zu strahlen und sie umarmte ihre Freundin fröhlich. „Ja also die Idee finde ich richtig toll.“ Die Leute auf der Straße sahen beiden teilweise etwas irritiert an, aber das interessierte weder Lulu und schon gar nicht Charlotte. „Dann sind wir uns ja einig, ich muss bloß nochmal kurz darüber und eine neue Zeitung kaufen , wartest du hier auf mich?“ Luisa nickte lächelnd und lehnte sich gegen einer der gelben Briefkästen. „
 

Ja klar aber beeil dich, ich will ganz schnell zu Starbucks. Ich gebe dir 3 Minuten.“ „Was nur drei Minuten, wie soll ich das denn…“ „Die Zeit läuft schon.“ Antwortete Luisa lachend und tippte auf ihre Uhr. Charlie nahm ihre Beine in die Hand und überquerte nach kurzem links und rechts gucken die Straße. Lulu liebte diese kleine Spielchen untereinander, sie waren zu meist recht amüsant, es war aber noch nie einer dabei zu Schaden gekommen.
 

Elias und Emily hielten sich manchmal schon für ein bisschen verrückt, aber das ganze Leben war schon ernst genug, warum sollte man da nicht mal etwas Spaß haben. Lulu sah auf die Uhr, noch eine Minute höchstens, aber Charlie kam auch gerade aus dem Zeitungsladen auf der anderen Seite der Straße. „Wie lange habe ich noch?“ rief sie lachend rüber zu Lulu. „Höchstens noch 30 Sekunden.“
 

Charlie atmete tief durch und rannte dann, ohne auf die Autos zu achten über die Hauptstraße. Von rechts kam ein schwarzer Golf, es war nur noch einen lautes Hupen zu hören, quietschende Reifen und der dumpfe Aufschlag eines Körpers…
 

Der weiße Brief lag geöffnet neben Lulu auf dem Bett und Eli hatte sich den Briefumschlag zum Spielen gekrallt. Luisas Großvater hatte seiner Enkelin, wie schon letztes Jahr, den Brief mit ihren Neujahrsversprechen wieder zurück geschickt. Momentan lag der Brief zerknüllt neben ihrem Bett auf dem Boden und letzte Tränenspuren waren noch immer auf ihren geröteten Wangen zu sehen.
 

Sie hatten den Brief abgeschickt an dem Tag, an dem Charlie diesen gehabt hatte, 2 Tage bevor sie letztlich an ihren Verletzungen gestorben war. Es kam Luisa wie eine Ewigkeit vor und dennoch, als wäre es erst gestern geschehen. Seit diesem verhängnisvollen 6.Dezember, dem Nikolaustag, war eine ganze Menge geschehen.
 

Ein geliebter Mensch war gestorben, gewaltsam aus dem Leben gerissen, dafür war ein anderer, einst so wichtiger Mensch wieder in das Leben getreten und zu sehr viel Verwirrung geführt. Neujahrsversprechen hatten an Bedeutung verloren, waren nicht mehr erfüllbar oder es war einfach keine Kraft mehr da.
 

Toby saß neben seiner Schwester auf dem Bett und starrte aus dem Fenster. Es war wieder neuer Schnee gefallen, bald schon, würde sein Vater ihn wieder zum Schnee schieben abkommandieren. „Und was willst du nun machen?“ Luisa sah ihren Bruder aus großen, traurigen Augen an. „Was soll ich da schon machen, diese Vorsätze sind ein Witz.“ Er strich ihr über das wirre Haar. „Du weißt das ich nicht das meinte. Was ist mit dem Brief von Gina, der heute im Briefkasten gesteckt hat?“
 

Lulu seufzte und vergrub ihr Gesicht im Kissen. Bisher hatte sie noch Niemanden von dem Kuss mit Gina erzählt. Nach unendlichen Stunden des Nachdenkens war sie nicht wirklich schlauer, sie wusste nur zwei Dinge ganz genau. Ihr Herz würde für immer Charlie gehören und SIE hatte Ginas geküsst und nicht Gina sie.
 

Wie sich das allerdings vertragen sollte, wusste Luisa einfach nicht, aber vielleicht war es wirklich ratsam einfach mal mit ihrem Bruder darüber zu reden. „Ich kann ihn nicht lesen, ich will nicht wissen, was sie mir zu sagen hat.“ Toby runzelte die Stirn und rückte näher an seine große Schwester heran. „Was ist denn zwischen euch vorgefallen. Ich hatte den Eindruck ihr würdet euch richtig gut verstehen und sie täte dir auch gut?“
 

Luisa drehte ihren Kopf auf die Seite, sodass sie ihren Bruder ansehen konnte. „Das ist ja das Problem, wir verstehen uns viel zu gut und tut mir viel zu gut.“ Sie schloss tief durchatmend die Augen und öffnete sie dann wieder. „Also habe ich mir das Heilig Abend nicht eingebildet, als ich in dein Zimmer geplatzt bin?“ Luisa hätte gern gesagt, dass da nichts war, dass es alles nur Einbildung war, aber warum schmerzte ihr Herz dann so sehr und warum vermisste sie Gina so sehr. Warum zum Teufel tat es wegen Gina und Charlie gleichermaßen weh?
 

„Ich fürchte nicht.“ Ihre Stimme zitterte und dann liefen wieder Tränen über Lulus Gesicht. „Warum habe ich bloß diese Gefühle für Gina, ich will sie nicht haben, sie sollen doch bitte weg gehen.“ Toby zog seine Schwester in seine Arme und streichelte über ihren Rücken. „Vielleicht erhältst du deine Antwort, wenn du den Brief liest.“ „Das kann ich einfach nicht, was wenn da etwas steht das ich nicht hören will, wenn sie mir erklärt wie sehr sie mich liebt oder sowas? Ich kann jetzt nicht mit sowas um gehen. Ich möchte Gina nicht als Freundin verlieren aber im Moment kann ich ihr nicht mehr als das geben.“
 

„Also könntest du dir vorstellen mit Gina…?“ „Was? Nein, ich meine es ist noch keinen Monat her, dass Charlie beerdigt wurde und ich denke schon über sowas nach. Was bin ich bloß für eine Freundin?“ „In allererster Linie, bist du ein Mensch mit einem gebrochenen Herzen, der Jemand gefunden hat, der diese Wunden zu heilen weiß. Du hast es dir nicht ausgesucht und deshalb ist es nicht deine Schuld. Liebe ist nicht an Regeln gebunden und vielleicht waren diese Gefühle schon früher da und du hast sie bloß nicht bemerkt?“
 

„Das macht es trotzdem nicht besser, ich habe das Gefühl ich würde Charlie einfach gegen Jemand anderen austauschen.“ „Du weißt, dass es nicht so ist, ich auch und Charlie sicher auch. Und nun öffne den Brief und guck was Gina dir zusagen hat.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SonnenscheinMie
2011-08-26T16:07:10+00:00 26.08.2011 18:07
Oh je, was für ein Abschnitt in der Vergangenheit, das ist ja fürchterlich…. so ist es also passiert, warum musste Charlie auch nur einfach über die Straße rennen, das ist so blöd von ihr gewesen… :((( das ist so traurig… -.- sie ist schuld, und nicht Lulu…

<< Es kam Luisa wie eine Ewigkeit vor und dennoch, als wäre es erst gestern geschehen. >>

solche Sätze mag ich. *lächel*

<< Neujahrsversprechen hatten an Bedeutung verloren, waren nicht mehr erfüllbar oder es war einfach keine Kraft mehr da. >>

;__; das ist so traurig…

<< „In allererster Linie, bist du ein Mensch mit einem gebrochenen Herzen, der Jemand gefunden hat, der diese Wunden zu heilen weiß.“ >>

das ist schön für sie, es ist schön einen solchen Menschen zu finden. da hat ihr Bruder vollkommen Recht. *kopfnick*

Wieder ein sehr schöner Teil, wenn auch wieder sehr traurig und ich bin wirklich neugierig wie es weitergeht.

Alles Liebe, Mie~



Zurück