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Fortum

Das dunkle Herz und das Licht
von

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Stille und Frieden!

Seit der Nacht in dem sie den Magier zu sehen glaubte, seine Nähe förmlich gespürt hatte, war Lumens Schlaf nur halbwegs tief, weil sie fürchtete, dass sie ihn womöglich verpassen würde, wenn sie tief und fest eingeschlafen war. Sich aber große Hoffnung zumachen, konnte sie sich aber auch nicht, da sie wusste, dass der Magier auf Biegen und Brechen es tunlichst vermeiden würde, dass sie ihn sah.

Nacht für Nacht lag sie wach in ihrem Bett und schaute aus den Fenstern in die mondbeschienene Nacht hinaus. Mehr als einmal ertappte sie sich dabei, wie sie leise den Namen des Magiers flüsterte und ihn hierherbat. Es wurde zu einem Singsang, wie es Magier taten, wenn sie eine magische Formel vortragen und immerwieder umschloss sie den Anhänger mit den Fingern.

Ihr Vater hatte, nach ihrem gemeinsamen Gespräch immer wieder darauf bestanden, dass sie ihm doch den Anhänger aushädnigen möge und Lumen hatte sich mit ebenso großer Starrsinnigkeit geweigert. Nie legte sie das Schmuckstück ab. Nicht mal wenn die gute Amme kam, um sie zu baden. Bis dahin hatte sie es auch immer geschafft, die Narben, die noch deutlich sichtbar waren, zuvertuschen, in dem sie ihre Haare offen über den Rücken fallen ließ.

Nur an diesem einen Tag war sie unvorsichtig gewesen und hatte ihre Haare hochgebunden. So hatte die Amme natürlich freien Blick auf ihren Rücken und als Lumen aus der Wanne stieg, schlug die Amme entsetzt die Hände vor den Mund und unterdrückte ein entsetztes Keuchen. Dennoch entging der Prinzessin nicht, dass die Amme etwas erschreckt haben musste und erst da wurde sie sich bewusst, dass sie ihre Narben unfreiwillig zeigte. Hastig zog sie das Band aus ihren Haaren und schüttelte es, sodass es hinunterfiel. Doch die Amme hatte es bereits gesehen und auch wenn sie es sich nicht anzumerken versuchte, wusste Lumen, dass sie es ihrem Vater berichten würde. Sie zubitten, es nicht zu tun, würde nichts bringen. Ihr Vater würde der Amme dann des Hauses verweisen, oder schlimmeres, wenn sie dies geheim hielt.

Und so war es auch keine Frage der Zeit, bis ihr Vater von ihr wieder verlangte, mit ihm zu sprechen. Diesesmal jedoch sollten ihre Schwestern ihr den Rücken stärken, was dem König sichtlich nicht gefiel. Fortitudo und Cor selbst war unwohl zumute. Doch Lumen hatte darauf bestanden, dass sie dabei waren. „Ihr habt einiges wiedergutzumachen!“, hatte sie gesagt und damit ihren Schwestern die Sprache verschlagen. Fortitudo hatte geglaubt, dass ihre Ohren ihr einen Streich spielten und wollte zuerst wiedersprechen. Doch Cor kam ihr zuvor und sagte, dass sie ihr helfen würden.

Und als Fortitudo sie ebenso ungläubisch ansah, wie sie zuvor Lumen angesehen hatte, hatte Cor zu ihr gesagt:„ Wir schulden es ihr, für die Lügen, die wir ihr aufgetischt haben!“

Fortitiudo erwiederte daraufhin nichts mehr. Gemeinsam gingen sie zum König.

Als er sie hinausschicken wollte, da er nur mit ihr sprechen wollte, bot ihm Lumen die Stirn. „Ich will, dass sie dabei sind. Und auch etwas dazu was zusagen haben!“, waren ihre Worte, die alle zu einem Luftschnappen veranlassten. Solche Töne kannten sie nicht von der kleinen Lumen. „Etwas dazu sagen? Zu was?“, äußerte sich ihr Vater aufgebracht, doch Lumen blieb ruhig. Was sie eigentlich selber erstaunte. Sie hatte von sich erwartet, dass sie einkicken würde. Doch dass sie nun so ruhig dasaß und sich nicht von der Empörung ihres Vaters einschüchtern ließ, überraschte sie, als es bei den anderen der Fall war. „Damit du auch einmal die Kehrseite siehst und nicht immernur das, was du sehen willst!“

Fortitido und Cor wechselten daraufhin einen erstaunten Blick.

Was war nur in ihre kleine Schwester gefahren?

Fast schon musste Cor ein Grinsen unterdrücken. Während Fortitudo mit sorgenvoller Miene zu ihrem Vater schaute, der deutlich an rötlicher Gesichtsfarbe zunahm. „Was soll ich für eine Kehrseite sehen? Etwa dass der Magier gute Gründe hatte, dich zu tote zu prügeln?“, blaffte er. Daraufhin warfen die beiden Schwestern Lumen einen überraschten Blick zu. Cor fromte mit ihren Lippen stumm das Wort Prügeln. Fortitudo erstarrte. „Er war es nicht!“, sagte Lumen sofort, doch den König interessierte das nicht.

„Dann sicherlich einer seiner Lakeien. Wundern würde es mich nicht, wenn ein treuer Diener dich für dein angebliches Verbrechen bestrafen würde, nur in den Augen dieses Scheusals gut dazustehen!“, grollte der König und Lumen musste sich beherrschen um ihn nicht als ein größeres Ungeheuer zubeschimpfen. „Er…wenn er mir wirklich hätte schaden wollen, dann hätte er mich nicht gerettet!“, versuchte es Lumen auf diesem Wege, aber ihr Vater war taub für solche Worte. „Wer weiss schon, was in dem Kopf dieses kranken Menschen vor sich geht!“

„Der einzige Mensch, der hier krank ist, bist du, Vater!“, zischte sie.

„Lumen, was ist in dich gefahren?“, kam es aus Fortitudo geschockt, doch Lumen achtete nicht darauf. „Alles was du in ihm siehst, ist ein Monster! Dabei bist du das Monster!“, sagte sie wütend und ballte die Fäuste. Sapientia, der über die Worte seiner Jüngsten entsetzt war, wusste zuerst nicht, was er sagen sollte. Ihre Worte und der darin liegendes Hass, kamen einem Hieb mit dem Schwert gleich. Minutenlang herrschte Schweigen und niemand war in der Lage etwas zusagen. Lumen zitterte und ihre Lippen bebten. Endlich hatte sie ausgesprochen, was Tage, nein Wochenlang durch, das Herz so schwer gemacht hatte. Und sie fühlte sich besser. Wie als wäre ihr nun eine schwere Last genommen. König Sapientia hingegen fühlte sich vor vom Donner gerührt und starrte seine Tochter nur entsetzt an. Fragte sich immernoch, was in sie geraten war, dann aber verfinsterte sich sein Gesicht und er stand auf, sodass sie auf gleicher Höhe waren. „Dass du sowas sagst, ist das beste Beispiel dafür, dass der Magier dich verhext hat!“, grollte er und Lumen war kurz davor, die Augen zu rollen und wütend auszuschreien, was sie davon hielt. Doch sie schwieg und trat einen Schritt zurück. Dann drehte sie sich um und stürmte aus dem Salon. Sie war es leid über dieses Thema mit ihm zudiskutieren. Daher zeigte sie ihrem Vater die kalte Schulter und hörte nicht, als er von ihr verlangte, stehen zubleiben und zurück zukommen.
 

Den ganzen Tag hatte Lumen ihr Gemach nicht verlassen. Nicht mal ihre Schwestern ließ sie ein, um mit ihnen zureden und so saß sie in ihrem Lieblingsessel und schaute stumm vor sich hin aus dem Fenster. Bis zum Anbruch des Abends. Nur die liebe alte Amme ließ sie rein, damit sie etwas zuessen bekam. Als es dann Zeit zum Schlafen war, legte sie sich hin und versuchte zuschlafen.

Kaum das ihre Augen zufielen und sie merkte, wie sie in Reich der Träume glitt, hörte sie ein Geräusch und richtete sich schnell auf. Wie zuvor in der letzten Nacht hatte sie etwas gehört, oder vielmehr gespürt , was sie aus dem Schlaf riss und auch diesesmal ließ sie den Blick aufgeregt durch den Raum wandern. Zuerst sah sie nichts, konnte in der Dunkelheit nichts erkennen. Doch dann sah sie eine Bewegung und Minuten später, schälte sich aus der Dunkelheit Tenebrae. Lumens Mund klappte auf, wie zu einem freudigen Ruf, doch dann schloss sie ihn schnell wieder, aus Angst sie könnte sich und ihn verraten. Schlug schnell die Decke zurück und eilte zu ihm. Es waren nur wenige Schritte, aber Lumen kamen sie vor, als würde sie Meilen zurücklegen müssen und als sie dann ihre Arme um seinen Hals legte, drückte sie sich an ihm, als würde sie seine Wärme, seinen Körper brauchen, um leben zumüssen. „Ich habe dich so vermisst. Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen!“, flüsterte sie in seine Brust und strich mit den Händen über seine Schultern und Rücken, um sicher zusein, dass sie das wirklich nicht einbildete. Tenebrae erwiederte ihre Umarmung, lächelte sanft. Dann löste er die Umarmung und schaute ihr mit ebenso großer Freude, dass sie sich wiedersahen, ins Gesicht. Sanft strichen seine Finger über ihre Wange und Lumen schloss dabei die Augen. Ein wohliger Seufzer kam ihr dabei über die Lippen. „Du hast mir auch gefehlt. Es verging kein Tag, an dem ich dich nicht vermisste und an dem ich es bereute, dich weggebracht zuhaben!“, kam es vom Magier und Lumen wusste, dass er die Wahrheit sprach. Warum sollte er sie belügen?

„Dann…dann nehme mich mit dir!“, kam es leise von ihr. Doch so sehr der Magier diesen Wunsch gerne erfüllt hätte, konnte er nur den Kopf schütteln. „Nein. Das geht nicht!“, flüsterte er und es fiel ihm schwer, diese Worte auszusprechen. „Warum nicht?“

Lumens Stimme war schwach vor Enttäuschung und Kummer und der Magier musste an sich halten, um sich nicht doch anders zuentscheiden. Mit sanftem Griff nahm er ihre Hände in seine und beugte sich zu ihr, sodass ihre Stirn an seiner lag. „Weil es nicht sicher bei mir ist!“, flüsterte er. „Ich kann dich nicht mehr schützen!“

„Natürlich kannst du das!“, sagte sie außer sich. „Du hast die Kraft, wieso solltest du es nicht können?“

Sie verstand einfach nicht, wie er so an sich zweifeln konnte. Und vorallem warum er es schon wieder tat. Tenebrae antwortete nicht sofort, da er selber nicht wusste, was er darauf sagen sollte und biss sich daher auf die Unterlippe. Dann aber holte er tief Luft und sprach leise und mit einem Zittern in der Stimme:„ Ich kann es einfach nicht!“

„Das einzige, was ich kann ist…!“, sagte er und kam Lumen zuvor, als sie den Mund öffnete um zuwiedersprechen. „Dich sooft wiederzusehen, wie nur möglich!“
 

Kurz bevor der Morgen anbrach, verabschiedete sich der Magier von der Prinzessin und versprach ihr, in der nächsten Nacht wiederzukommen.

Kaum dass er in sein Schloss zurückgekehrt war, war er vor den großen Spiegel getreten und hatte sein Hemd geöffnet. Es durchfuhr ihn eiskalt, als er sah, wie weit sich schon das Gift der Schatten in ihm ausgebreitet hatte. Einerseits wusste er, wie schnell es ging, dennoch war er entsetzt. Fast seine ganze Brust war pechschwarz. Hatte die Stelle wo sein Herz saß vollkommen bedeckt. Noch spürte er Leben darin, sein Schlagen, doch das machte es nicht besser. An den Seiten der Dunkelheit waren die Ränder ausgefranzt, doch es würde nicht lange dauern, bis auch diese letzten Stellen von Haut von dieser bedeckt wurden. Dann würde es weiter zu seinen Armen hochklettern. Hinauf, über seinem Hals bis zu seinem Gesicht. Und dann wäre es zuspät. Die Finsterniss würde durch seine Augen dringen und ihn verschlingen. Ihn verdauen, bis nichts mehr von ihm blieb.

Tenebrae schluckte. Er konnte sich gut vorstellen, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde, ehe er zu einem Schatten wurde. So wie es aussah, gab er sich noch zwei Tage, ehe es soweit war. Doch bevor es soweit war, wollte er die Zeit nutzen und Lumen wiedersehen. Von ihr Abscheid nehmen. Bis dahin wollte er nicht weiter daran denken. Eiligst knöpfte er sein Hemd wieder zu und wandte sich von dem Spiegel ab.

Er musste an Morgen denken. Morgen würde er sie wiedersehen.
 

Lumen konnte es kaum erwarten, ihren Liebsten wiederzusehen.

Die hartnäckigen Versuche ihres Vaters, sie nochmal zu einem ernsten Wort zubewegen, wies sie schroff zurück. Sie wollte mit diesem Unmenschen, der sich gerne in ein rechtes Licht rückte, nichts zu tun haben. Nur mit ihren Schwestern sprach sie wieder ein Wort, nach dem letzten Aufeinandertreffen mit ihrem Vater.

Etwas was Cor und Fortitudo mit unterschiedlichen Gefühlen aufnahm. Cor war erleichtert, darüber, während Fortitudo immernoch über den Ausbruch ihrer jüngsten Schwester immernoch verunsichert und auch erschrocken war.

Was war nur aus ihrem Nesthäkchen geworden?

„Ich kann immernoch nicht glauben, dass du unseren Vater als ein Monster beschimpfst hast!“, bemerkte sie, während sie Tee tranken. Cor warf ihrer Schwester über den Rand der Tasse einen Blick zu. Lumen senkte den Blick. „Ich habe nur die Wahrheit gesagt!“

„Und was macht dich da so sicher, dass er eines ist?“

„Weil er es mir gesagt hat!“

„Vater?“

„Nein, Tenebrae!“

„Und du glaubst ihm?“, hakte Fortitudo nach und deutlich hörte man die Skepsis darin. „Mehr als unserem Vater!“, sagte Lumen und nahm einen Schluck Tee.

„Was gibt dir die Sicherheit?“

„Ich habe es gesehen!“

„Wie?“

„In einem Traum!“

„In einem Traum?“, fragte Fortitudo und ihre Skepsis wuchs. „Ja, irgendwie habe ich, während meiner Zeit beim Magier, selbst etwas Magie erhalten. Ich weiss auch nicht, wie ich das beschreiben soll. Aber ich sehe Geschehnisse, die lange zurückliegen!“

Cor und Fortitudo tauschten Blicke. Schienen ihr nicht so recht zuglauben. Lumen glaubte es ehrlich gesagt auch nicht. Es war schließlich das erste Mal, dass sie solch einen Traum hatte und sie zog auch die Möglichkeit in Betracht, dass sie das nur geträumt hatte, weil es sie so sehr mitnahm. Doch das wollte sie ihren Schwestern gegenüber nicht zugeben. „Lumen, ganz ehrlich? Findest du nicht, dass das ziemlich weithergeholt ist?“, fragte Fortitudo und Lumen musste zugeben, dass das stimmte. Was wenn sie sich irrte und der Traum nur die Folge von den dramatischen Geschehnissen war, die sie erlebt hatte.

Schweigend saß sie da und wusste zunächst nicht, was sie sagen sollte. Nach eine Antwort für ihre Schwester und vorallem für sich, suchend, blickte sie in ihre Tasse Tee und kaute auf ihrer Unterlippe. „Ja, ich gebe es zu. Aber…ich vertraue ihm!“, sagte sie nach einer Weile gedehnt und traute sich nicht, den Blick zu heben. „Du vertraust ihm? Und nicht Vater!“

In Lumen klangen diese Worte, wie ein Vorwurf, vermutlich war es auch einer. Doch sie konnte nichtsdestotrotz nur nicken. „Liebst ihn wirklich so sehr?“

Wieder nickte sie. „Bitte versteht das!“

„Es fällt mir schwer, wenn ich ehrlich sein soll!“, murmelte Fortitudo. Cor sagte nichts, sondern sah einfach zu ihrer jüngeren Schwester und dann zur ältesten. „Auch wenn ich gerne Fortitudos Meinung wäre, kann ich dich auch verstehen. Schließlich hatte ich mit ihm auch ein ernstes Gespräch gehabt und ich habe deutlich gesehen, dass er es ernst mit dir meint!“, sagte Cor und legte tröstend die Hand auf Lumens bebende Schulter. „Willst du mir in den Rücken fallen?“, fragte Fortitudo empört. Cor schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, aber ich will auch nicht, dass Lumen lebenslang allein mit ihren Gefühlen zu dem Magier dastand. Wir sollten beide hinter ihr stehen und ihr glauben. Schließlich ist sie unsere kleine Schwester!“, apelierte Cor an sie und Fortitudo verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Man sah ihr deutlich an, dass sie sich nur ungern erweichen ließ. Doch dann nickte sie, begleitet von einem schweren Seufzer.

„Also gut. Wenn ihr wirklich meint, er sei gut, dann glaube ich Euch das. Dennoch sage ich Euch, dass Vater alles daran setzen wird, Lumen an die Leine zu nehmen!“, gab sie zubedenken. Doch das brauchte sie ihnen nicht zusagen, da es Lumen und Cor wussten.

Sie kannten schließlich ihren Vater schon ein Leben lang.

Und wussten, dass er auch hartdurchgreifen konnte.
 

Lumen lag wach im Bett und wartete auf ein Zeichen des Magiers. Ein Rascheln, eine Berührung. Irgendwas, was ihr sagte, dass er hier war. Immer wieder schaute sie zur Uhr und musste feststellen, dass sie das im Rhythmus von fünf Minuten machte. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, ehe sie das Violinenspiel hörte. Wie beim ersten Mal kam es von draußen und sie sprang sogleich aus dem Bett. Öffnete die Türe und eilte aus dem Zimmer. Die Vorfreude ihn wiederzusehen, verlieh ihr Flügel und dabei vergass sie jegliche Vorsicht.

Sie lief in den Garten und spähte in die Dunkelheit der Nacht. Sie brauchte einige Minuten, ehe sie ihn entdeckte. Er stand zwischen den Obstbäumen. Nicht mehr als eine Gestalt in den Schatten der Bäume, die zu ihr hinüber schaute. Fast so wie früher, als er mich das erste Mal sah, dachte sie und lief zu ihm.

Kaum dass sie bei ihm war, umarmte sie ihn und küsste ihn stürmisch. Der Magier war natürlich verblüfft darüber, doch dann lächelte er. Erwiderte ihre Küsse. Als sie sich von ihm löste und sich bewusst wurde, was sie gerade getan hatte, wurde sie rot und senkte den Kopf. „Verzeih, ich…!“

Tenebrae lächelte nur und küsste sie, nicht so stürmisch wie sie ihn, doch es war deutlich, dass er sich ebenso freute, sie zusehen und dass er es kaum erwarten konnte. „Schon gut!“, flüsterte er. „Ich konnte es kaum erwarten, dich wiederzusehen!“, flüsterte sie und legte den Kopf auf seine Brust. „So wie ich, Lumen. So wie ich!“, kam es von ihm und er strich ihr sanft über das Haar. Lumen schloss dabei die Augen. Auch wenn ihr letztes Treffen eine Nacht her war, hatte sie es vermisst.

Die Berührung seiner Hand, die so sanft und weich war. Die ihr niemals wehtun würde.

Seine Hand, die pechschwarz war und Klauen besaß.

Lumen riss dabei die Augen auf und sie machte einen hasigen Schritt zurück. Warum kam ihr gerade jetzt dieser grässliche Alptraum in den Sinn?

Eben noch war sie so glücklich.

Doch wenn er das nicht gewesen wäre, hätte sie womöglich auch vergessen, dass sie sich schreckliche Sorgen um ihn gemacht hatte. Beim ersten Wiedersehen hatte sie es schon versäumt, ihn sich genauer anzusehen. Nun aber griff sie nach seinen Händen, weil sie sich sicher war, dass sie dort die ersten Spuren entdecken würde, die ihr sagten, dass es schlecht um ihn stand. Aber da war nichts. Keine Schatten, keine Klauen. Erleichtert atmete sie aus und ließ seine Hände wieder sinken. „Gott sei danke!“, flüsterte sie. „Stimmt was nicht?“, fragte der Magier verwirrt.

„Nein, nichts nichts. Ich dachte bloss, dass…!“, wollte sie sagen, doch sie brachte es nicht über die Lippen. „Nicht weiter wichtig!“

Tenebrae legte den Kopf schief. Er glaubte ihr das nicht so richtig. Immerhin kannte er sie lange genug. Doch er wollte es nicht aussprechen, da er es bereits wusste. Und er wollte diesen Moment, einer der wenigen, die ihnen noch blieben, nicht damit vergeuden. Darum nahm er sie bei der Hand und führte sie in einen entlegenen Winkel des Gartens. Auf einer Bank setzten sie sich. „Wirst du nun jede Nacht zu mir kommen?“, fragte sie hoffenungsvoll und Tenebrae blickte kurz an ihr vorbei. Schien selber nicht zuwissen, was er sagen sollte, dann aber lächelte er und hob ihre Hand an seine Lippen. „Wenn du es dir wünschst?“

„Natürlich wünsche ich mir das. Wie kannst du denken, dass es anders wäre?“, kam es aus Lumen empört. Wie konnte er denken, dass sie es nicht wollte?

„Mir wäre es viel lieber, wenn du mich wieder zu dir, auf dein Schloss mitnimmst!“

„Das geht nicht!“, sagte Tenebrae entschieden. Er hatte schon geahnt, dass sie wieder daraufbestehen würde, dass er sie mitnahm, dennoch hatte er gedacht, sie würde schon beim ersten Mal ein Einsehen haben. Aber offentlsichtlich war sie in dieser Angelegenheit stur, wie ein Bock.

„Warum nicht?“

„Es geht eben nicht. Es ist viel zu gefährlich!“

„Aber…die Sternenträne…!“, wollte sie sagen, doch kaum das sie auf den Anhänger hinunterschaute, verstummte sie. Es schien noch schwächer geworden zusein. „Nein!“, keuchte sie.

Ihr Blick ging zum Magier, der ebenso auf den Anhänger sah und seine Miene war mehr als niedergeschlagen. Ihre Blicke begegneten sich und jeder wusste, was das zu bedeuten hatte. „Siehst du? Schon bald verlischt das Licht der Sternenträne!“, sagte er bloss und mehr brauchte er auch nicht zusagen. Lumen wusste genau, was er damit meinte. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das darf nicht…!“, wollte sie sagen, doch ihre Stimme verlor sich. Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Tenebrae nahm ihr Gesicht in beide Hände. Schüttelte ebenso den Kopf, doch anders bei ihr lag darin festes und unerschütterliches Wissen. „Es lässt sich nicht ändern. Ich habe dich fortgebracht, weil ich dich vor den Schatten schützen wollte und die Schatten werden nun mich holen, weil ich deswegen, meine Kräfte verliere. Weil du nicht bei mir bist! Es ist ein verdammter Teufelskreis!“, sagte er bitter. Ihm wurde übel bei diesen Worten und er musste gegen den widerlichen Geschmack der Galle ankämpfen, der sich in seinem Mund bildete. Dann lächelte er. Es fiel ihm schwer in so einem Moment zulächeln, doch der Gedanke, der ihm jetzt in den Sinn kam machte seine Bitterkeit wieder wett. „Und das ist gut so!“

„Was ist daran gut?“, fragte sie aufgebracht und erhob sich hastig. Sie konnte nicht fassen, dass er darin etwas Gutes sah. War ihm sein Leben nichts wert?

„Du stirbst oder noch schlimmeres. Und ich will dich nicht verlieren!“, rief sie. „Nicht nachdem ich dich endlich wiedersehe!“

„Lumen!“, sagte er sanft. „Ob jetzt oder wenn ich alt bin. Ich werde sterben. Das ist gewiss. Das einzigwichtige ist, dass wir die Zeit, die uns noch bliebt, nutzen!“, beschwichtigte er sie und umarmte sie. Lumen wiederstrebte es zuerst. Seien Worte klangen in ihren Ohren wie ein freiwilligunterzeichnetes Todesurteil. Als würde er sich zu gern dem Tode ausliefern. Und sie hätte wiedersprochen. Ihm gesagt, dass sie es niemals zulassen würde und dass es sicher noch eine Möglichkeit gab, ihn zu retten. Tenebrae schien das in ihren Augen zu sehen. Er seufzte schwer und knöpfte sein Hemd auf. „Sieh selbst!“, sagte er und Lumen fuhr der Schreck in alle Glieder, als sie den schwarzen Fleck auf seiner Brust sah, der pulsierte.

Lumen presste sich die Hände auf den Mund und schüttelte fassungloslos den Kopf.

So weit war es schon?

Tenebrae hätte ihr diesen Anblick gerne erspart, doch ein besseres Argument war ihm nicht eingefallen. Sie musste sehen und erkennen, dass es keine Rettung mehr von ihm gab.

Und Lumen begriff dies, mit schmerzlichem Gesicht. „Was…was wirst du tun, wenn es soweit ist?“, fragte sie. Ob sie damit den Tod oder die Vollendung zu einem Schatten meinte, wusste er nicht. Vermutlich beides. Tenebrae holte tief Luft. An den nächsten Worten würde er sich verschlucken. „Dann werde ich es selbst beenden!“, sagte er. Seine Stimme war in diesem Moment tonlos und hohl. Als wäre darin kein Leben. Lumen schluckte und senkte den Blick. Sie fragte sich, wielange es noch dauern würde, bis er…

„Dann…dann bleibt uns nicht mehr viel Zeit?“, fragte sie mit zitternder Stimme. Tenebrae nahm ihre Hände in seine. „Ich fürchte nicht. Wir sollten die Zeit, die uns bleibt, nutzen, sogut es geht!“, sagte er und küsste sie auf die Stirn.
 

Als der Magier gegangen und die Prinzessin auf ihr Zimmer zurückgekehrt war, löste sich ein Schatten und huschte von seinem Versteck, einer Säule, zu dem Eingangstor. Schnellen Schrittes eilte er zu der großen Halle. Er musste dem König berichten, was er gesehen hatte.
 

Der schwarze Fleck, der auf Tenebraes Brust prangte blieb ihr in Erinnerung, wie ein schrecklicher Alptraum und ließ sie immer wieder zusammenzucken, sobald sie sich beruhigt hatte. Die darauffolgenden Stunden, die sie miteinander verbrachten, vergingen wie im Flug und Lumens Sorge, war, nachdem sie ihn gesehen hatte, noch größer geworden.

Unruhig lief sie aufundab in ihrem Zimmer und fragte sich immer wieder dasgleiche.

Wielange noch? Wielange würde es noch dauern, bis er starb?

Wieviele Tage blieben ihnen noch?

Wie sehr sie sich wünschte, dass sie den magischen Spiegel nun hätte. Mit ihm könnte sie sehen, wie es um ihn stand. Der Gedanke, dass er womöglich morgen nicht mehr wiederkommen würde, machte sie krank vor Sorge.

Ließ ihr Blut zu Eis gefrieren.

Sie konnte nur hoffen, dass er wiederkam.
 

„Hm, ich verstehe. Die Sache ist sehr ernst. Dieser Teufel schreckt wirklich vor nichts zurück!“, sagte Invidia, der höchste Magier am Hofe des Königs mit ernster Miene, als der König ihn aufgesucht und ihm von dem nächtlichen Treffen zwischen seiner Tochter und dem Magier erzählt hatte.

Es war einem der Diener zuverdanken, dass er davon erfahren hatte. Dieser war gerade auf dem Weg zu den Unterkünften und hatte die beiden in einer verborgenen Ecke entdeckt. Schnell hatte er sich versteckt. Um nichts auf der Welt wollte er von ihnen, besonders nicht von dem Magier, erwischt werden und hatte gewartet, bis er fort war.

Dann war er zu dem König gegangen und hatte ihm von seiner Beobachtung berichtet.

Nun saß der König bei seinem höchsten Magier und wollte von ihm einen Rat.

Invidia überlegte lange und mit düsterer Miene. Und dem König behagte es nicht. Nervös knetete er die Fäuste. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, ehe der Magier etwas sagte.

„Die einzige Möglichkeit um den bösen Bann des Magier zubrechen ist, ihm eine Falle zustellen!“, sagte er ruhig. „Der Diener sagte, dass der Magier wieder kommen würde?“

„Ja, so hatte er es vernommen!“

Wieder überlegte der alte Magier. „Dann rate ich, dass Ihr Euch heute Abend versteckt und die beiden beobachtet. Schreitet noch nicht ein. Sondern beobachtet nur. Und dann berichtet Ihr mir!“

Dies gefiel dem König nicht. Denn er wollte so schnell wie möglich diesem Spuk ein Ende machen. Doch wenn es half, dem Magier eine wirksame Falle zustellen, dann würde er dies tun.
 

Comitas war voller Sorge. Seit Wochen hatte er seinen Herren nicht mehr zu Gesicht bekommen und immer wenn er zu ihm in die Gemächer wollte, um nach ihm zusehen, hatte er ihn fortgeschickt. Doch länger wollte er sich nicht mehr abwimmeln lassen und war nun, trotz des Verbots des Magiers, in das Gemach getreten. Tenebrae saß im Sessel. Die Hände auf die Lehnen gelegt und den Kopf gesenkt. Er sah aus, als ob er schlafen würde. Comitas trat näher an ihn heran. Und wich einen Schritt zurück. Entsetzen packte ihn. An den Rändern seines Gesichts waren deutlich schwarze Franzen zusehen. Seine Hände waren schwarz, wie die Finsterniss. Seine Augen geschlossen. In dem schwachen Schein der Kaminflammen, glich sein Gesicht von einem Geist. Es war ausgemergelt und schien kein Leben mehr zu haben. Comitas spürte, wie sich sein kleines Herz zusammenkrampfte und wagte es nicht, ihn zuberühren. Da öffnete der Magier die Augen. Das Blau seiner Augen war einem dunkleren Ton gewischen. Comitas erschrak, als er es sah. Ermahnte sich aber ruhig zu bleiben. Als der Magier ihn erblickte, verzog sich sein Gesicht etwas. „Ich habe dir befohlen fortzubleiben!“, knurrte er.

„Herr, Ihr…!“, begann er, seine Stimme jedoch brach. Er wollte seinen Herren nicht allein lassen.

„Geh, lass mich allein!“, kam es von dem Magier. Seine Stimme war rau, kaum zuverstehen. Doch die fortschickende Geste, die er mit der Hand machte, war deutlich genug.

Comitas blieb an Ort und Stelle stehen. Blickte zu seinem Herren. Unfähig etwas zutun oder zusagen. „Geh endlich!“, sagte der Magier erneut und seine Worte kamen einem Knurren gleich. Comitas wich einen weiteren Schritt zurück. Auch wenn er deutlich hörte, dass der Magier keine weitere Wiederrede dulden würde und sein Zustand sowieso alles andere als harmlos war, wollte er nicht gehen. Schon zulange hatte er ihn allein gelassen und zugelassen, dass die Schatten sich seiner bemächtigten. „Herr, bitte. Ihr nicht aufgeben dürfen. Ihr dagegen ankämpfen müssen!“, sagte er mit drängender Stimme. „Was würde das schon bringen? Es ist bereits zuspät!“, sagte der Magier und klang, als hätte er bereits jetzt schon verloren. Comitas schüttelte vehement den Kopf. „Nein, Ihr das nicht sagen dürft. Es nicht zuspät ist. Ihr es aufhalten könnt!“

Tenebrae lächelte über die ermutigenden Worte seines Dieners. Das sah Comitas ähnlich. Er wollte nie das wahrhaben, was das Schicksal verlangte und was sich nicht abwenden ließ.

Oft war dies ihm auch gelungen. Mit guten Worten und herzigen Ratschlägen, hatte es der kleine Kerl immer wieder geschafft, dass der Magier den richtigen Weg gewählt hatte. Doch diesesmal würden nicht mal aufbauende Worte helfen und verhindern, dass er sich seinem Schicksal ergab.

„Ich fürchte, diesesmal werden deine Worte nichts bewirken, Comitas. Ich spüre es deutlich, mit jedem Atemzug und jedem Schlag, den mein Herz macht!“, sagte er mit einem schwachen Lächeln. „Ich werde einer von ihnen werden und ich möchte nicht, dass du dann noch hier bist!“

„Ihr mich fortschicken wollt? Aber…!“, kam es entsetzt von Comitas und seine Augen weiteten sich. Wenn er ihn wirklich fortschicken wollte, was würde aus ihm werden. Das Schloss war sein Zuhause und er wusste nicht, wohin er sonst gehen würde. Und außerdem wollte er den Magier, dem er solange diente, wie er denken konnte, nicht verlassen. Schatten hinoderher.

„Comitas!“, sagte der Magier und in seiner Stimme lagen ein Flehen und ein Ton, der keinen weiteren Widerspruch duldete. „Ich will nicht, dass du hier bist, wenn ich zu einem Schatten werde. Denn dann werde ich nicht mehr wissen, wer Freund oder Feind ist. Und bevor ich dir ein Haar krümme, will ich, dass du gehst und mich hier zurücklässt!“

„Denn soviel schulde ich dir!“

„Ihr mir nichts schulden. Ich Euch diene, bis zum Ende!“, sagte Comitas, festentschlossen seinem Herren die Stirn zu bieten. „Comitas!“, brachte Tenebrae mit einem schweren Seufzer über die Lippen und wollte ihn nocheinmal, diesesmal etwas befehlerischer, sagen, er solle gehen, solange er konnte. Doch Comitas fuhr ihm über den Mund. „Nein, ich Euch nicht verlassen werde!“, sagte er und klang dabei genauso unerschütterlich, wie es sein Herr tat. Dann drehte er sich um und ging.

Tenebrae sah ihm nach und wusste nicht, ob er über die Sturheit seines Dieners lachen oder weinen sollte.
 

Den ganzen Tag hatte Lumen am Fenster gesessen und hinausgeschaut. Ihre Schwestern hatten vergebens versucht sie dazu zubewegen, mit ihnen einen Spaziergang in den Garten zu machen, oder eine Kutschenfahrt durch das Dorf zu unternehmen.

Sie wollte in ihrem Zimmer bleiben und die Nacht herbeisehnen. Cor hätte sie am liebsten am kragen ihres Kleides gepackt und sie aus dem Zimmer gezerrt. Da sie aber wusste, dass das nichts bringen würde, ließ sie sie gewähren. Nicht jedoch ohne ihr etwas zuvor wiederzugeben. „Da du die Wahrheit nun weißt, gibt es keinen Grund mehr, ihn dir nicht zugeben!“, sagte sie und noch ehe Lumen nachfragen konnte, was sie meinte, reichte Cor ihr den Ring, den der Magier ihr gegeben hatte. Lumen, die vorher schon niedergeschlagen war, weil sie um das unaufhaltsame Ende des Magiers wusste, war nun außerhalb von Sorge und Verzweiflung. Mit zitternen Fingern nahm sie den Ring.

„Hat er ihn dir gegeben?“, fragte sie. Wobei diese Frage wirklich überflüssig war. Doch was anderes konnte sie dazu nicht sagen. „Ja, an dem Abend, wo er dich zurückbrachte!“

„Warum gibst du ihn mir erst jetzt?“

Cor senkte den Blick und presste die Lippen aufeinander. „Du warst in letzter Zeit zu aufgewühlt, sodass ich fürchtete, du würdest an einem Nervenfieber erkranken!“

Lumen öffnete den Mund. Das war wirklich die Übertreibung des Jahrhunderts. Und Lumen hätte darüber gelacht. Doch ihr war nicht danach. Bis jetzt hatte sie nur die Kette gehabt, die sie an den Magier erinnerte und sie hatte bisher immer gedacht, der Magier würde den Ring behalten wollen. Damit er auch sie nicht vergass. Ihn aber in den Händen zu halten, machte ihr erneut klar, dass es vorbei war und alles in ihr verkrampfte sich. Fest schloss sie den Ring in ihre Hände und kämpfte gegen die Tränen an. „Das alles ist nichts im Vergleich…!“, murmelte sie. Cor legte die Arme um sie. Sie wollte ihre Schwester so nicht alleine lassen. „Es wird alles wieder gut!“, flüsterte sie.

„Nein, das wird es nicht. Das kann es nicht!“, sagte Lumen und sie konnte die Tränen nicht zurück halten.
 

So schmerzlich das Warten und Hoffen war, umso größer war die Erleichterung, als sie am darauffolgenden Abend in den Garten kam und den Magier im Schatten der Bäume stehen sah.

König Sapientia sah aus seinem sicheren Versteck, wie sich die beiden trafen und ihm fuhr es eiskalt den Rücken hinunter. Er war es wahrhaftig. Der Magier.

Zu gerne wäre er aus seinem Versteck gesprungen und hätte sich mit bloßen Händen auf ihn gestürzt. Ihn dafür gestraft, dass er sich erdreistete, sich seinem Kind zu nähern. Nach allem was er ihr angetan hatte. Lumen mochte zwar behaupten, dass er gut war. Aber sicherlich lag sie unter einem unheilvollen Bann, der ihr die Wahrheit verschleierte und sie ihm vollkommen hörig machte. Den Rat seines Magiers nur mit größter Mühe beachtend, sah er zu, wie die beiden sich auf eine Bank setzten und miteinander sprachen. Was sie da redeten konnte er natürlich nicht hören, doch was kümmerte es ihn, was sie sagten. Dass er überhaupt hier war und seiner Tochter einen Floh ins Ohr setzte, reichte ihm aus, um dafür zusorgen, dass seinem Treiben ein Ende gesetzt wird. Noch eine Weile blieb er in seinem Versteck, dann ging er. Soleise, wie er nur konnte und verschwand in einer kleinen Seitenrüt.

Lumen fuhr herum, als sie meinte ein Geräusch gehört zuhaben. Es klang wie das Knacken eines Astes oder das Zuschlagen einer Tür. Aber da war niemand. Dabei hätte sie schwören können, dass sie nicht allein waren. Ihr Herz klopfte wie wild und trieb ihr Blut mit solch einer Kraft durch die Adern, dass sie es in ihren Ohren rauschen hören konnte. Angst machte sich in ihr breit. Konnte es sein, dass man sie beobachtet hatte?

Unruhig sah sie sich um, versuchte etwas zuerkennen. Eine Gestalt oder etwas anderes, was einem Lauscher entlarvt hätte. Als sie keinen entdecken konnte, wurde sie noch nervöser. Der Gedanke, dass man sie belauscht und beobachtet hatte, sorgte für die schlimmsten Ängste, die man sich vorstellen konnte. Gerade weil sie mit dem Magier hier war und sich heimlich mit ihm traf.

Tenebrae sah ihre Angst und legte behutsam seine Finger unter ihr Kinn. Zog es zu sich wieder zurück. „Was hast du?“, fragte er. Lumen schluckte. Blickte nocheinmal kurz über die Schulter. „Ich…ich dachte, ich hätte etwas gehört!“, flüsterte sie mit überschlagener Stimme und begann am ganzen Leib zu zittern. Tenebrae konnte sich denken, was sie gehört hatte und umfasste sanft ihre Schultern. Merkte wie sehr sie bebten und zog sie an sich heran. Legte ihren Kopf an seine Brust. „Was immer es war. Jetzt ist es fort!“, flüsterte er sanft und küsste sie aufs Haar. „Hab keine Angst. Solange ich hier bin, wird dir nichts passieren!“

„Und was ist mit dir?“

Darauf antwortete Tenebrae erstmal nicht sofort, sondern schwieg und Lumen fürchtete, dass er sich jeden Moment in Luft auflöse würde und sie allein zurück ließ. „Du kennst die Antwort!“, sagte er dann und Lumen unterdrückte ein Schluchzen. „Ja, und ich wünschte immernoch, dass ich etwas dagegen tun kann!“

„Das kannst du nicht. Nicht mal die größte Macht könnte daran etwas ändern!“

„Ich weiss!“, sagte sie und blieb eine lange Weile so an ihm gelehnt, dann richtete sie sich auf und sah ihn mit traurigen Augen an. „Warum hast du Cor den Rign zurückgegeben? Dachtest du, ich würde dich damit wirklich vergessen?“, fragte sie und es sollte nicht als Vorwurf klingen, dennoch war sie einwenig darüber enttäuscht, dass der Magier sie für so töricht hielt.

Tenebrae lächelte bei dieser Frage matt. „Nein. Nicht wirklich. Dennoch wollte ich es glauben. Wenn du erstmal aus dem schwarzen Schlaf erwachen würdest, dachte ich, du würdest mich vergessen!“, gestand er beschämt. „Aber wie es scheint, ahbe ich dich unterschätzt. Dich und deine Sturheit!“

Lumen musste dabei etwas lächeln. „Das muss man ja, wenn man mit dir auskommen will!“, konterte sie und kurz mussten sie beide lachen. Dann aber wurde Lumen wieder ernst. „Bitte, nimm ihn trotzdem. Ich möchte, dass du immerhin etwas von mir hast, was dich an mich…an uns erinnert!“, sagte sie und hielt ihm den Ring hin. Sie hatte sich festvorgenommen, dass sie ihn, sobald sie sich mit ihm traf, ihm wiedergeben wollte. Und wenn nötig, würde sie dazu zwingen. Ihr erschien es nicht gerecht, wenn sie etwas von ihm hatte und er nicht von ihr.

Tenebrae blickte lange auf den Ring in ihrer Hand. Selbst in der Dunkelheit schien der Smaragd darin zuleuchten, als würde darin ein Feuer lodern und langsam, mit zitternen Fingern, nahm er ihn an sich. Wie sie es am Mittag getan hatte. „Ich brauche keinen Ring um an dich erinnert zuwerden!“, sagte er. Er wollte ihn ihr schon zurückgeben, doch Lumen schüttelte den Kopf und hielt seine Hand zurück. Drückte sie zurück. „Nimm ihn trotzdem. Bitte. Mir zuliebe!“

Tenebrae sah seiner Liebsten in die Augen, sah deutlich das Flehen darin. Sie wollte auf Biegen und Brechen, dass er den Ring behielt. Auch wenn er nicht wusste, warum. Er würde sie nicht soleicht vergessen, wie sie glaubte. Dennoch wollte er den Wunsch der Prinzessin nicht abschlagen. So steckte er ihn sich an den Finger. „Und ich sage dir, ich brauche diesen Ring nicht, um mich an dich zuerinnern!“, sagte er. „Fang nicht an mit mir zustreiten. Wer weiss wielange wir noch uns sehen können!“, kam es prompt von der Prinzessin und der Magier war erstaunt wie inbrünstig sie darauf beharte.
 

„Es ist der Magier. Der Magier, der einst das Königreich mit seiner dunklen Magie rettete!“, platzte der König bei dem Magier Invidia heraus, kaum dass die Sonne aufgegangen war und war außer sich. Invidia hatte schon damit gerechnet, dass es sich nicht dabei um einen Amatuer handelte. Welcher Magier war schon so mächtig, dass er seine Ausstrahlung verbergen konnte und sich damit unsichtbar machte?

Ihm viel da nur einer ein. Das konnte doch nicht sein!

Er war davon ausgegangen, dass der Junge, den er einst unterrichtete und wegen seiner Angst, vor einer Verdrängung aus seinem Rang, hinrichten lassen wollte, in den Bergen umgekommen sei. Nun aber wusste er es und es wurde ihm Angst und Bange. Er ahnte und war sich auch ganz sicher, dass der Magier schon bald dahinter kommen würde, wer ihn hatte töten wollen und sich an diesem rächen. Schon allein bei der bloßen Vorstellung, stellten sich seiner weissen Nackenhaare auf. „Dann müssen wir schnell handeln. Sonst ist es zuspät. Wer weiss, was dieser Teufel als nächstes tut!“, sagte er und schlug sein Buch der Magie auf. Blätterte darin, als würde er darin etwas suchen. Ohne zuwissen, was genau. Sicher war nur eins: Er musste einen Bann finden, der den Magier schwächen und es ihm damit so leicht machen würde, ihn aus der Welt zuschaffen. Das Wohl der Prinzessin, lag ihm allerdings wenig am Herzen. Doch das sollte der König nicht wissen.
 

„Und hat er ihn wieder an sich genommen?“, fragte Cor. Lumen nickte. „Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht eher Ruhe geben werde, bis er ihn sich an den Finger steckt!“

Cor musste dabei etwas lächeln. „Ganz schön stur, unsere kleine Schwester!“, bemerkte sie. Fortitudo sagte dazu nichts. Ihr war es immernoch nicht recht, dass ihre jüngste Schwester zu Magier hielt. Auch wenn sie meinte, dass sie es den beiden glaubte. Die Sorge um sie blieb jedoch. „Ich kann nur hoffen, dass du es nicht bereust!“

„Das einzige, was ich bereue, ist, dass ich Vater bisher für einen gütigen und gerechten Mann gehalten habe!“, murrte Lumen finster. „Du hälst immernoch an dieser Geschichte fest?“, es war mehr eine Frage an sich selbst gerichtet, als an sie und Lumen seufzte. „Ich dachte, wir hätten das geklärt?“, fragte Lumen, leid über dieses alte Thema zureden. „Haben wir auch. Aber mir will es einfach nicht in den Kopf. Tut mir leid, wenn ich da engstirnig bin, aber ich kenne Vater genauso lange wie ihr. Und ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen!“

„Fortitudo. Lass es gut sein!“, bot Cor sie. Um zuverhindern, dass die Schwestern sich darüber stritten und womöglich ihre enge Bindung noch mehr darunter litt, als sie es jetzt schon tat. Fortitudo murmelte nur etwas und schaute nach draußen. Es versprach ein sonniger Tag zuwerden. Auch Lumen blickte hinaus und sah den blauen Himmel, der sich über das Reich und die Täler spannte. Keine einzige Wolkte bedeckte das Blau oder die Sonne. Doch trotz dass die warmen Strahlen der Sonnen in das Zimmer fielen, fühlte Lumen, wie sie ein kalter Lufthauch streifte und sie frösteln ließ. Fast als wäre dies ein böses Omen.

Daran wollte sie keinen Gedanken verschwenden.

Sondern nur daran denken, dass der Magier heute Nacht wiederkommen würde.
 

Mit jedem Stundenschlag der Turmuhr, wurde Lumen aufgeregter. Es war heftiger, als bei den letzten Malen und sie fragte sich, woran das liegen konnte. An der Freude, ihn wieder zusehen etwa?

Gut möglich. Denn die nächtlichen Treffen mit ihm hatten etwas Verbotenes und damit etwas Verlockendes, auch wenn sie sich fürchtete, erwischt zuwerden. Nichts konnte die Freude und das aufregende Gfühl seiner Nähe trüben.

Als es endlich soweit war und es weit nach später Stunde war, eilte sie zur Tür und wollte sie öffnen. Doch kaum dass sie hinaustreten konnte, versperrten drei Gestalten ihr den Weg. Zwei davon waren die Wachen der Schlosswache und die dritte, ihr Vater. Lumens Knie wurden schwach und kurz schwankte sie. Fing sich aber wieder und versuchte sich nichts anmerken zulassen. „V-Vater, was…was machst du hier zu so später Stunde?“

„Das gleiche könnte ich dich fragen?“

„Ich…ich will nur etwas frische Luft schnappen gehen!“

„So?“, fragte der König und hob misstraurisch die Brauen. „Oder willst du eher, höchstwahrscheinlich den Magier wiedertreffen. So wie die anderen Nächste zuvor?“

Lumen spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Er wusste davon?

Wie? Und von dem?

Das Geräusch von Holz, das brach oder gegen etwas zufiel kam ihr wieder in den Sinn. Sie hatte sich also nicht gettäuscht. Es war jemand dagewesen und dieser Jemand, war ihr Vater gewesen. Unfähig etwas darauf zu erwidern, sah sie ihren Vater nur an. Versuchte dann etwas über die Lippen zubringen. Ihm davon zu überzeugen, dass das nicht stimmte. Doch der König deutete ihre Sprachlosigkeit und ihr blasses Gesicht als eine Bestätigung seines Verdachts und sein Gesicht verdüsterte sich. „Du wirst ihn nicht sehen. Heute nicht und auch niemals mehr!“, sagte er. Trat auf seine Tochter zu. Lumen wich zurück. In diesem Moment machte er, ihr eigener Vater, ihr Angst. „Was…was hast du vor?“, fragte sie und sie erschrak, als sie hörte, wie sehr ihre Stimme zitterte. Mit diesem Gesicht und solch einer dunklen, bedrohlichen Stimme, hatte sie ihren Vater noch nie erlebt. Was war nur in ihn gefahren?

König Sapientia sagte nichts, sondern blickte hinunter zu dem Anhänger. Und noch ehe Lumen etwas dagegen unternehmen konnte, hob er die Hand und riss ihr mit einem hefigen Ruck die Ketter vom Hals. „Nein!“, kam es schrill aus ihrem Mund und sie fasste sich an den Hals, weil sie nicht glauben konnte, was er da getan hatte. Als sie dann den Anhänger mit samt Ketter in der Faust ihres Vaters sah, schüttelte sie entsetzt den Kopf und wollte danach greifen. War ihr Vater von allen guten Geistern verlassen?

Der König wich ihrer Hand aus und war mit zwei Schritten draußen. „Dafür sorgen, dass er verschwindet und dich niemals mehr mit seiner schwarzen Magier verhext!“, sagte er etwas verspätet und als Lumen ihm nachwollte, ihn bei was auch immer abhalten wollte, warf er ihr die Tür vor der Nase zu und schloss von außen ab. „Nein!“, schrie sie erneut, diesesmal lauter und schlug mit ihren Fäusten gegen das Holz der Tür. Verzweiflung, ohmächtige Wut und Angst stieg in ihr auf. Erfasste sie, wie eine Klaue, die sich immer mehr um sie schloss und sie zu würgen schien. „Mach auf, Vater. Das kannst du nicht machen!“, schrie sie außer sich. „Du weißt ja nicht, was du da tust!“

Doch ihr Vater hörte sie nicht. Er hatte den Wachen den Befehl gegeben, niemanden zu der Prinzessin zulassen und die Tür zubewachen. Allein ging er von dannen. In den Garten, wo schon Invidia auf ihn wartete. Gemeinsam wollten sie den Magier in eine Falle locken.
 

Ungeduldig warteten der König und der Magier darauf, dass Tenebrae sich zeigte. Starr waren ihre Blicke auf die Baumgruppe geheftet, wo der Magier beim letzten Mal erschienen war. Die Wachen, zehn an der Zahl, hatten sich verborgen rund um den Garten postiert und warteten auf das Zeichen.

Lange passierte nichts und der König und sein Magier fürchteten schon, dass sie kein Glück haben würden. Sie kamen sich vor, wie zwei Jäger, die Ausschau, nach der ersehnten Beute hielten. „Wann kommt endlich dieser Teufel?“, knurrte der König ungeduldig.

Und drückte seinen Rücken etwas durch. Er verzog dabei schmerzlich das Gesicht.

Schon letzte Nacht hatte er aus einer unbequemen Körperhaltung beobachten müssen, wie der Magier und seine Tochter sich zu einem Techtelmechtel trafen. Diese hier war genauso schlimm und er spürte, wie sein Rücken gegen diese verkrampfte Haltung protestierte.

Invidia hob beschwichtigend die Hand. „Ganz ruhig, mein König. Es wird sicher nicht mehr lange dauern. Wenn es stimmte, wird er sicher blad auftauchen und dann wird es aus mit ihm sein!“, versprach Invidia ihm und hoffte, dass dies reichen würde, um den König ruhig zu halten.

Die Nacht schien nicht mehr enden zuwollen und der König kämpfte darum, ruhig zu bleiben und sich und die anderen nicht zu verraten.

„Er wird nicht kommen. Sicherlich hat er Wind davon bekommen!“

„Ruhig!“, zischte Invidia und noch ehe der König darauf etwas erwidern konnte, ließ ihn ein Geräusch verstummen. Erst war es leise, doch dann wurde es lauter und der König hielt den Atem an. Schritte!

Jemand war hier und als er zu den Bäumen schaute, sah er eine dunkle Gestalt umherstreifen. Der Magier war gekommen!
 

Langsam, als hätte er alle Zeit der Welt durchschritt er den Garten und bewegte den Kopf hinundher. Als würde er etwas suchen. Oder jemand. Der König konnte sich ein diebisches Grinsen nicht verkneifen. „Sie wirst du nicht hier treffen, du Scheusal!“, dachte er und freute sich darauf, in das überraschte des Magier zublicken, sobald die Falle zu schnappte.

Da blieb die Gestalt stehen und nun verharte der Kopf in der Richtung, in der der König und sein höchster Magier sich verbargen. „Wollt Ihr nicht rauskommen und Euch dem Scheusal zu Angesicht zu Angesicht stellen, so wie es ein guter König tun sollte. Statt sich wie ein Dieb zuverstecken?“, höhnte der Magier und die beiden Männer zuckten zusammen.

Er wusste, dass er ihm auflauerte?

Unsicher tauschte er mit dem Magier einen Blick. Dieser machte ihm ein Zeichen, dass zutun, was der Magier von ihm wollte. Langsam erhob er sich und kam aus seinem Versteck.

Dem König war alles andere als wohl dabei, sich dem Magier zustellen und mehr als einmal blickte er verstohlen zu dem Magier, der sich im Schatten zusammen kauerte.

„Was treibt Euch zu so später Stunde in den Garten?“, fragte der Magier kühl. „Dasgleiche könnte ich Euch auch fragen. Wie könnt Ihr es wagen, hier aufzutauchen und mein Kind weiterhin zu quälen?“, kam es von dem König und er versuchte wütend zuklingen. Doch in der Dunkelheit der Nacht kam ihm der Magier bedrohlich und übermächtig vor. Er konnte nur hoffen, dass Invidia gegen ihn etwas ausrichten konnte.

„Euer Kind quälen? Womit?“, fragte Tenebrae mit gehobenen Brauen. Offenbar war er in den Augen des Königs das Monster. Wie leicht es doch war, die Schuld von sich auf andere zuschieben und sich als Unschuldslamm darzustellen.

Tenebrae verzog kurz das Gesicht, als Abscheu vor dem König hochkam.

Der König war immernoch dergleiche Feigling wie einst. Und ebenso arrogant.

Er würde sich niemals ändern. Tenebrae unterdrückte seine Wut. Zwang sich ruhig zubleiben.

„Damit, dass Ihr sie heimsucht und sie…!“, der König wusste nicht, wie er den Satz beenden sollte, angesichts dieser Gleichgültigkeit des Magiers. Sondern ballte nur die Fäuste und sah den Magier wütend und außer sich an.

„Ich tue gar nichts. Der einzige, der hier schuldig ist, seit Ihr. Ihr habt selbst dafür gesorgt, dass die Prinzessin nun in diesem Zustand ist. Ihr hättet meinen Vorschlag ausschlagen können, statt einzuwilligen. Ihr hättet wissen müssen, dass es soweit kommt!“, sagte der Magier.

„Ihr geht zuweit, Magier!“, rief der König wütend.

„Das einzige, was hier zuweit geht, ist dieses lächerliche Theater!“, sagte Tenebrae, das ganze leidgeworden und wandte sich dem verstecktem Magier zu. „Wann gedenkt Ihr rauszukommen. Oder wollt Ihr Euch ewig verkrieschen, wie ein feiges Schwein!“

Invidia erstarrte. Hatte er ihn etwa ebenso benerkt, wie den König. Für einen Magier war es ein leichtes, einen Sterblichen zusehen, ohne dass er seine Augen benutzte. Aber dass ein Magier einen anderen Magier spüren konnte, war einfach unmöglich. Für gewöhnlich schützte sich ein Magier vor anderen, in dem er seine Anwesenheit hinter einem magischen Schleier verbarg. Dass Tenebrae diesen jedoch durchschauen konnte, bestätigte seine Befürchtung. Er war mächtig und es würde nicht leicht werden, ihn zubeseitigen.

Mit krampfhafter Haltung und sich dazu zwingend, sich seine Furcht nicht anmerken zulassen, verließ nun auch er sein Versteck und schritt gemessenen Schrittes zu ihnen hin. Als Tenebrae seinen alten Lehrmeister sah, verzog verächtlich das Gesicht. Die vielen Jahre waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen und aus dem Mann, der das gleiche Alter hatte, wie nun Tenebrae, war ein alter Greis geworden, in dessen Augen Angst aufflackerte. Tenebrae genoss es den Lehrmeister und Verräter so zusehen. Behielt sich doch ein bissiges Kommentar und wandte sich wieder dem König zu.

„Um Eure Tochter braucht Ihr Euch nicht mehr zusorgen. Heute Nacht, werde ich sie zum letzten Mal besuchen!“, sagte er. Der König verzog daraufhin grimmig das Gesicht. „Ohja, das wird das letzte sein. Das versichere ich Euch!“, sagte er grimmig.

Wie auf ein Zeichen, flammte bläuliches Licht auf und umschloss den Magier. Geheimnissvolle in sich verschlungene Zeichen loderten an den Rändern auf und entfesselten ihre Kräfte. Der Magier zuckte kurz zusammen, als das magische Licht ihn umhüllte und die freigesetzten Kräfte ihn durchfuhren, wie eisige Stromstösse.

Da er fast vollends von den Schatten verschlungen war, war es nur natürlich dass das Licht, welches aus dem magischen Kreis entstieg, ihm zusetzte. Die Schatten, welche sich in ihm eingenistet hatten, schrien auf und ihre Schmerzen durch das Licht waren auch der seine. Krochen in jede Faser seines Körpers und entbranntren in einem kaum auszuhaltenen Brennen. Als würde Feuer durch seine Adern rasen, das alles verschlang. Tenebrae versuchte den Schmerz zu ignorieren und ruhig zu bleiben. Er hatte damit gerechnet, dass Invidia diesen Zauber einsetzten würde.

Denn wie ließ sich Dunkelheit am besten vernichten wenn nicht mit Licht?

Und vermutlich würde dies ihm auch gelingen. Doch soleichtn würde er ihm das nicht machen.

Tenebrae lächelte und konzentierte sich. „Alle Achtung, dass Ihr solch einen schweren Zauber noch in Eurem hohen Alter vollbringen könnt!“, sagte er und natürlich war jedes Wort voller ätzender Verachtung. Jeder Lehrling konnte die Lux Signum heraufbeschwören, wenn er auch nur ein bisschen Talent im kleinen Finger hatte. Selbst er hatte diesen Zauber auswirken können. Dass er ihn mit diesem mickrigen Zauber versuchte zu schwächen war typisch für ihn. Trotzdem schmerzte es. Mochte der Zauber noch so einfach sein.

Licht war das einzigste Mittel gegen Schatten.

„Ich mag zwar alt sein. Für dich reicht es aber allemal!“, kam es von Invidia inbrünstig und er verstärkte den Zauber. Tenebrae verzog schmerzhaft das Gesicht, als die Lichtzeichen an Kraft gewannen und diese auf ihn zurückwarfen. Das Feuer in ihm brannte dadurch nun umso stärker und zerrte an ihm. Tenebrae begann am ganzen Leib zu zittern, als würden schreckliche Fieberanfälle ihn schütteln. Seine Knie gaben nach und er spürte, wie er schwächer wurde. Unter größter Kraftanstrengung versuchte er sich gegen diese Macht zustemmen. Wollte nicht kampflos aufgeben und sich von diesem miesen Feigling bezwingen lassen. Doch der Schmerz war viel zustark, als das er dagegen halten konnte. Für einen kurzen Moment schwankte er und fühlte, wie das Licht ihn immermehr schwächte. Ihm jegliche Kraft und jeden Willen nahm, sich zuwehren.

Aber dann, als er glaubte, das Bewusstsein zuverlieren, erfasste ihn in eine dunkle, kalte Welle. Noch kälter als die erste, als das Licht ihn durchzuckte und vertrieb den Schmerz. Schien ihn für eine kurze Weile, von dem Schmerz, der ihn peingte, zu befreien und neue Kraft zu geben. Tenebrae horchte in sich hinein. Versuchte herauszufinden, woher diese neue Kraft kam. Dabei war es so leicht die Antwort darauf zu finden. Jeder Mensch trägt das Uralte in sich. Den Drang zum Überleben. Und das mit verbundene Dunkle Wesen, welches in jedem menschlichem Herzen hauste. Den Menschen dazu trieb, Dinge zutun, die er unter normalen Umständen niemals tun würde.

Tenebrae hatte es bisher immer unterdrückt. Doch nun musste er es gewähren lassen. Wenn er schon starb, dann wollte er sein Ende lange genug hinauszögern, damit auch der Alte dabei an Kraft und vielleicht auch sein Leben verlor. Kein Magier konnte solange solch einen Zauber aufrecht halten, wenn der Gegner einen nicht minder schwachen Zauber dagegen ansetzte.

Mit der ihm noch vorhandenen Magie, sprach er leise eine Gegenformel und die Zeichen begannen zu flackern. Veloren dabei an Helligkeit und damit auch an Kraft. Aber nicht genug, sodass Tenebrae diesen Zauber brechen konnte. Tenebrae zwang sich also über seine Grenzen hinaus zugehen und konzentierte sich noch stärker, sodass ihm Schweissperlen auf der Stirn standen. Das dunkle Wesen schrie. Dunkel und wütend. Zuerst dachte er, das dunkle Wesen duldete keine Überschreitung der ihm auferlegten Grenzen, da es sie beide auch töten könnte. Doch dann erkannte er dieses Schreien. Nein, das war kein Schreien. Es war ein Rufen!

Tenebrae öffnete die Augen, da er sie in seiner Konzentration geschlossen hatte, sah aus dem Augenwinkel, wie etwas auf ihn zukroch. Langsam, schleichend, wie Schlangen, die sich an ihre Beute heranpirschten und als Tenebrae genauer hinsah, erkannte es, dass es sich hierbei um Schatten handelten. Das dunkle Wesen in ihm und das ein Teil von ihm war, hatte die Schatten gerufen.

Tenebrae war erleichtert. Aber nur zum Teil. Denn er fürchtete, dass er damit umso mehr zu einem von ihnen wurde. Daran durfte er aber nicht denken. Nicht jetzt. Zuerst musste er diesen Verräter und den Mörder seiner Eltern dafür bluten lassen und das allein verlieh ihm noch mehr Kraft, als er jetzt schon hatte. Was für eine wirkungsvolle und nützliche Waffe der Hass doch sein konnte, dachte er und lächelte finster.

Die Schatten krochen weiter, glichen nun nicht nur Schlangen, sondern auch anderen Tieren und auch dämonischen Gestalten, die sich gegen den Schild aus Licht pressten und ihn mehr zu schwächen versuchten, als er es jetzt schon war. Sie warfen, schlugen und kratzten dagegen. Ein wütendes Fauchen und Brüllen drang aus tausend Kehlen und ließ die Anderen erschauern.

Invidia umso mehr, denn er erkannte nun, dass es ein Fehler gewesen war, den Magier herauszufordern.

Invidia sah, dass der magische Kreis der Lux Signum schwächer wurde und hob die Hände. Beschwor die darin liegende Kraft erneut herauf, doch wo beim ersten Mal ein sofortiges Leuchten zuerkennen war, flackterte der helle Lichtschein unregelmässig. Es schien als würden beide Kräfte der Magier miteinander um die Oberhand kämpften.

Während Invidia versuchte, dem jungen Magier Contra zugeben und den magischen Kreis wieder hellaufleuchten zulassen, lachte das dunkle Ich in Tenebrae über diesen Versuch. Es wusste genau, dass es nur eine Frage der Zeit war, ehe die Kräfte des Alten erlahmten und er den Tod ereilen würde. Diese Gewissheit, über seinen nahenden Sieg und das er endlich Rache an denjenigen ausüben konnte, gaben dem Magier neue Kraft und ließen den alten Magier ächzen. Sein Körper, gezeichnet durch die vielen Jahre, begann sich zu krümen und zubeugen und seine Hände, die vorher voller Kraft hocherhoben waren, verkrümmten sich zu Klauen. Seine Erscheinung war die eines sterbenden Mannes, der in den letzten Minuten seines Lebens noch einmal versuchte den Tod zuüberwinden.

Doch mit der Kraft des Magiers, die voller Entschlossenheit war, konnte er es nicht aufnehmen und das erkannte er nun.
 

Lumen wusste nicht, wielange sie schon gegen die Tür schlug, die ihr Vater verschlossen hatte. Ihre Hände schmerzten und waren an den Seiten aufgeschürft. Blut klebte an dem dunklen Holz und ihre Fassungslosigkeit schlug erst in Wut und dann in Verzweiflung um. Heiße Tränen rannen ihr über die Wangen und sie sank in die Knie. Erstickt flehte sie die Wachen an, die Türe zu öffnen und sie rauszulassen. Doch von Draußen war nichst weiter zu hören, als Schweigen. Lumen war am Rande der Verzweiflung. Sie lehnte sich an die Tür und schluchzte.

Es verging eine lange, lange Zeit und Lumen hatte keine Hoffnung. Dann aber hörte sie Stimmen auf der anderen Seite der Türe und ihr Herz setzte einen Schlag aus.

Waren das ihre Schwestern?

„Was tut Ihr hier?“, fragte Fortitudo und die Wachen sagten ihr:„ Wir sollen die Tür der Prinzessin bewachen!“, kam es prompt von den Wachen und Lumen schöpfte neue Hoffnung. „Schwestern helft mir. Vater hat mich hier eingesperrt!“, schrie sie und schlug erneut gegen die Tür. „Worauf wartet Ihr? Öffnet diese Tür!“, blaffte Fortitudo die Männer herrisch an und kurz herrschte Schweigen. „Wir haben den ausdrücklichen Befehl, niemanden die Türe zu öffnen!“, kam es wieder und Lumen verfluchte die Sturheit dieser Männer. Auch Fortitudo schien darüber nicht gerade begeistert zusein. „Ich bin nicht irgendwer. Sondern die Tochter Eures Herrschers und ich befehle Euch als diese: Macht die Tür auf!“

Das hatte Wirkung, denn keine Minute später, hörte Lumen, wie der Schlüssel eingesteckt wurde und das Schloss aufsprang. Lumen wartete erst gar nicht, bis man ihr öffnete, sondern warf sich mit aller Macht gegen diese und die Wachen wichen in letzter Minute zurück, um nicht von der schweren Eichentür getroffen zuwerden. Lumen sah ihre Schwestern gehetzt an. „Wo ist er?“, fragte sie atemlos und ihre Schwestern verstanden nicht. Sie wussten nichts von dem, was ihr Vater im Begriff war zutun. Sie waren erst durch das Schlagen und Schreien ihrer Schwester darauf aufmerksam geworden und waren zu ihrem Zimmer gegangen. Hatten die Wachen gesehen, die vor der Tür postiert waren und hatten sich gefragt, was das sollte. Als sie hörten, dass Lumen außer sich war und hinaus wollten, hatte Fortitudo nicht gezögert. Nun sah sie sie besorgt an. „Lumen, was ist los?“, fragte sie. Lumen sah sich erneut unruhig um. Wo war nur ihr Vater hingegangen und, was noch wichtiger war, was hatte er vor?

„Ich…ich kann es nicht erklären. Nicht jetzt. Bitte, sag mir wo Vater ist!“, bat sie sie inständig, doch so gern Fortitudo ihr geholfen hätte, sie konnte nicht sagen, wo ihr Vater sich aufhielt. Aber vielleicht wussten es die Wachen.

„Ihr da! Wo ist mein Vater jetzt. Raus damit?“, fragte sie die Männer barsch und kurz tauschten die beiden unsichere Blicke. Ihren König waren sie zur Treue verpflichtet, aber an Strenge und Hartnäckig stand die älteste der Schwestern ihrem Vater in sich nichts nach.

„Im Garten. Euer Vater befindet sich im Garten. Doch was er da will, können wir Euch nichts sagen!“

Lumen fuhr der Schrecken durch alle Glieder. Der Garten!

Aber natürlich, schoss es ihr durch den Kopf und Panik stieg in ihr hoch. Oh bitte nicht!

Sofort drehte sie sich auf dem bsatz um und rannte. Richtung Garten. Und während sie wie vom Teufel gehetzt durch den Gang lief, betete sie, dass sie nicht zuspät kam.
 

Mit schmerzverzerrtem Gesicht, drehte er sich zum König herum und schrie mit krächzender Stimme: „Worauf wartet Ihr, zerstört es. Sonst verlieren wir alle!“

Der König, der dem Kampf mit weitgeöffnetem Mund zugesehen hatte, verstand erst nicht, doch dann wurde er sich des Anhängers in seinen Händen bewusst und er schleuderte diesen zu Boden. Der Anhänger zerbarste in tausend kleine Teile und das Licht der Sternenträne schoss aus den Splittern heraus und verglühte, als diese aufstiegen.

Als dies passierte, schrie Tenebrae auf und sein Schutz und zugleich sein Angriff fielen in sich zusammen.

Seine Kraft und die Schatten, die sich gegen das Licht gestellt hatten, alles war ausgelöscht. Mit der Zerstörung der Sternenträne, war das letzte bisschen seiner Kraft verloren und Invidia nutzte dies, um den Kreis der Lichtzeichen wieder zuverstärken. Tenebrae wurde davon regelrecht zu Boden gedrückt. Tenebrae schrie auf. Das Licht, was er vorhin so gut zurückgehalten hatte, nahm an Kraft zu und es war, als würden tausend glühende Dolche ihn druchbohren. Ihn innerlich verbrannten.

Er glaubte, sie würden ihn in Stücke reissen. Tenebrae schrie aus vollster Kehle und mit ihm das dunkle Ich in ihm. Es wand sich und versuchte das Licht wieder zurückzudrängen. Doch seine Kräfte waren aufgebraucht und so war er dem Licht und der Kraft des Magiers hilflos ausgeliefert. Invidia schrie triumphierend auf. „Endlich habe ich dich!“, schrie er und verstärkte die Kraft, auch wenn er selbst an seine Grenzen geraten war. Doch um den Magier, seinen verhassten und auch gefürchteten Nebenbuhler, loszuwerden, war ihm jedes Mittel recht. Mit eiskalter Genugtuung sah er, wie Tenebrae immer schwächer wurde und sich kaum noch wehren konnte. Nicht mehr lange und es wäre aus mit ihm. Dass die Finsterniss schon den größten Teil von seinem Körper und seiner Seele besetzt hatte, machte das ganze noch umso einfacher. Auch wenn es zu Anfang schwer gewesen war, weil er, von allen dunklen Kreaturen, das mächtigste war, hatte Invidia befürchtet, dass er es niemals schaffen würde. Nun aber hatte sich das Blatt, zu seinen Gunsten gewendet und er genoss diesen Moment, in dem Tenebrae geschwächt am Boden lag.

Fast schon hätte er seiner Hochstimmung hingegeben, doch dann erinnerte er sich daran, dass der König neben ihm stand und das ganze nur befohlen hatte, um seine Tochter zuschützen. „Worauf wartet Ihr? Bringt es zuende!“, herrschte der König ihn in diesem Moment an und der Magier nickte. So gern er sich dieser Freude hingegeben hätte, wollte er den König nicht verstimmen. Wer weiss, was er mit ihm anstellen würde, wenn er seinen Befehlen nicht gehorchte.

So sprach Invidia die letzte Formel, die nötig war, um Tenebrae endgültig unschädlich zu machen. In diesem Moment kam Lumen in den Garten und sah, was vor sich ging. Sie schrie auf, als sie sah, wie Tenebrae am Boden lag und sich vor Schmerzen wand. „Nein, was tut Ihr da?“, schrie sie und stürmte nach vorne. Die Wachen, die am Eingang des Gartens standen, fingen sie ab und hielten sie zurück. Lumen warf sich gegen sie und versuchte, sich an ihnen vorbei zuschieben. „Hört auf. Ihr bringt ihn ja um!“

König Sapientia hatte bemerkt, dass seine Tochter in den Garten gekommen war und würde die Wachen hart bestrafen, sobald das ganze vorbei war. Hecktisch trieb er den Magier an, es zuende zubringen. Bevor es zu einem Unglück kam.

Invidia murmelte die letzte Strophe nocheinmal und das Licht wurde heller und heller.

Tenebrae schrie erneut und es zerriss Lumen das Herz. Glaubte denselben Schmerz zu spüren, der ihn peinigte. Und erneut, diesesmal heftiger versuchte sie die Blockade, die die Wachen bildeten, zu überwinden. „Hört endlich auf damit!“

Als Tenebrae die Stimme seiner Geliebten hörte, meinte er, im Moment des nahenden Todes, sein Verstand würde ihm einen Sreich spielen. Doch als er aufschaute und sie, durch das Licht sah, wie verzweifelt und fassunglos und sie flehen hörte, sie sollen aufhören, erkannte er, dass sie es wirklich war und lächelte schwach. Auch wenn er sich gewünscht hatte, dass ihr solch ein Anblick erspart blieb, war er dennoch froh, sie ein letztes Mal zusehen. Denn os würde sie auch sehen, was für ein skrupelloser Mann er war. Doch das alles hatte keine Bedeutung mehr. Nur das er sie nocheinmal sehen durfte. Er streckte die Hand aus, wie zu einem letzten Abscheidsgruß. Da konnte es Lumen nicht mehr ertragen. Trotz der starken Gegenwehr der Wachen, schaffte sie es, sich an ihnen vorbeizudrängen und rannte halsüberkopf los. Beachtete dabei nicht, wie ihr Vater nach ihr schrie und auch nicht auf den Magier, der kurz seine Salven an fremdklingenden Wörtern kurz unterbrach und damit ein Loch in die Lichtsäule riss, sodass sie hineinlaufen konnte. Für sie zählte nur Tenebrae. Sie wollte und musste zu ihm. Wie als wollte sie ihn vor einem Hagelsturm schützen, warf sie sich auf ihn und umarmte ihn.

Invidia, der eben vor lauter Verwunderung seine Sprüche unterbrochen hatte, schaute unsicher zum König. Wollte wissen, ob er weitermachen sollte, auch wenn die Prinzessin sich in den magischen Lichtkreis begeben hatte. Der König schien sich erstmal nicht sicher zu sein, dann aber schüttelte er den Kopf. Sehr zum Bedauern des Magiers. Auch wenn dieses unvernünftige junge Ding, in den Kreis getreten war. Der Lichtzauber würde ihr nicht schaden. Ihr nur ein wenig Übelkeit bereiten. Doch der König wollte das Leben seiner Tochter nicht aufs Spiel setzten. Und so musste der Magier den Bann aufheben. Aber er machte sich deswegen keine Sorgen. Denn Tenebrae war zu geschwächt, als dass er auch nur einen Zauber gegenihn wirken lassen konnte.

So ließ er den Lichtkreis verschwinden und blickte zu den Bogenschützen, die auf den Mauern Stellung bezogen hatten. Sie würden den Rest erledigen.

Ein einziges Zeichen würde reichen und tausend Pfeilen würden auf ihn niedergehen und durchbohren. Vorrausgesetzt der König würde seine Tochter von dem Magier wegschaffen. Lumen kauerte neben dem besinnungslosen Magier. Ihr Oberkörper bedeckte den seinen, schützte ihn so vor den drohenden Pfeilen. Sehr zum Ärger und Sorge ihres Vaters.

„Lumen, geh von ihm weg!“, rief der König und gab seinen Männern zugleich den Befehl, sie von dem erschöpften Magier wegzuzerren. Doch kaum dass sie sie ergreifen und wegzerren wollten, schrie Lumen auf und klammerte sich noch mehr an ihm. „Ich werde nicht zulassen, dass Ihr ihm was tut!“, schrie sie außer sich und der König schnappte nach Luft.

War zu erschüttert über ihre Naivität als dass er noch etwas sagen konnte. Invidia knirschte mit den Zähnen. Wenn sie dieses dumme Ding nicht von ihm wegbekamen, würde er sich wieder erholen und das ganze würde wieder von vorne anfangen. Invidia war sich nicht sicher, ob er einen weiteren Lichtkreis heraufbeschwören konnte. Schon jetzt hatte es an seiner Kraft gezerrt. Ein weiteres Mal würde er nicht überstehen.

„Schafft endlich Eure Tochter von ihm weg!“, blaffte Invidia ihn an. Der König überhörte dies fliesentlich und diesesmal ging er selbst, um seine Tochter von dem Magier wegzubekommen. Doch kaum dass er sie an den Schultern ergriff, schrie sie ihn an und stiess ihn von sich. König Sapientia keuchte entsetzt auf, als er sah, wie wütend ihr Blick war.

„Lumen, bist du von Sinnen?“, fragte er. „Dasgleiche könnte ich Euch fragen, Vater!“, spie sie und es versetzte dem König einen Stich, als er hörte, wie seine Tochter mit ihm sprach.

Lumen aber war es gleich. Für sie zählte nur der Magier. Sie rollte ihn vorsichtig auf den Rücken und beugte sich über ihn. Strich sanft mit den Fingern über seine Wange. „Tenebrae!“, flüsterte sie. „Bitte. Öffne deine Augen. Wach auf. Du darfst nicht tot sein!“

„Worauf wartet Ihr? Schiesst endlich!“, schrie der Magier, dem das ganze zu bunt wurde und die Wachen spannten schon die Sehnen. „Nein, nicht solange meine Tochter bei ihm ist!“, rief der König. Und dann passierte es. Mit einem wilden Schrei war der Magier plötzlich aus seiner Ohnmacht erwacht und hatte Lumen gepackt. Wie Schraubstöcke legten sich seine Hände um ihren Hals und drückten zu. Lumens Augen weiteten sich. Sie wollte schreien, doch es kam nur ein Gurgeln aus ihrer zugedrückten Kehle. Sie begriff nicht, was das zubedeuten hatte. Warum würgte der Magier sie? Was war nur in ihn geraten?

Doch ein Blick in sein Gesicht, reichte aus, um zu erkennen, was dahinter steckte. Tenebraes Gesicht war, bis auf auf einen Streifen über seinem rechten Auge, von der Finsterniss verschlungen worden. Während das eine rechte Auge noch seine normale Farbe hatte, war das andere schwarz vor Dunkelheit und eine Leere war aus diesem zusehen, sodass es Lumen eiskalt bei diesem Anblick wurde. Mordlust und der Wunsch nach Rache hatten sein Gesicht, das ihr einst so vertraut gewesen war, in eine schrecklich verzerrte Grimasse verwandelt.

Nicht einmal lockerte er seinen Griff um ihren Hals. Aber er drückte auch nicht weiter zu. Sondern zog sie an sich und griff ihr mit der anderen Hand ins Haar, sodass ihr Kopf nachhinten gerissen wurde. Ihr Hals lag frei und ungeschützt da. Die Finger seiner anderen Hand immernoch um diesen gelegt. „Befehlt Euren Wachen, sie sollen die Pfeile senken, sonst breche ich ihr das Genick!“, krächzte der Magier und Lumen lief es kalt den Rücken runter. Seine Stimme klang, als würden tausend Eissapfen zerbrechen. Sie begann in seiner Umklammerung zuzittern. „Tenebrae…bitte!“, flehte sie mit erstickter Stimme. Doch der Magier reagierte auf ihr Flehen nicht. Hatte für ihre Worte nur ein Knurren übrig.

König Sapientia ballte verzweifelt die Fäuste. Wo er sich vorher sicher gewesen war, dass er und Invidia den dunklen Magier nun endlich loswerden würden, befürchtete er nun, dass sie es sein werden, die unterlagen. Solange der Magier Lumen als Geisel hatte, würden sie nicht zum Gegenangriff ausholen können.

„König Sapientia!“, rief der Magier und seine Stimme war dem Knurren eines Tieres ähnlich. Wie um seine Drohnung noch zuverstärken, machte er mit ihren Kopf einen kraftvollen Ruck nach links. Lumen schrie. „Nein, bitte nicht. Ich tue, was Ihr wollt!“, rief der König panisch und wandte sich an die Wachen auf der Mauer. „Legt die Waffen nieder. Sofort!“

Invidida war dem König einen fassungslosen Blick zu. Wieso ging er auf die Forderung dieses Teufels ein, statt darauf zuvertrauen, dass sein Magier einen anderen Weg zur Lösung des Problems finden würde. Die Wachen gehorchten und senkten die angespannten Bögen. Tenebrae, oder das was sein Gesicht hatte, lächelte kalt. Dachte aber nicht daran die Prinzessin loszulassen.

„So ist es brav!“, knurrte er. „Lasst jetzt mein Kind los!“, schrie der König außer sich und machte einen Schritt nachvorne. Doch kaum dass er das getan hatte, folgte ein weiter heftiger Ruck an Lumens Kopf und diesesmal meinte er das Knirschen von Knochen zu hören. Lumen stiess einen erstickten Schmerzenslaut von sich. „Nein!“

„Noch einen Schritt und…!“, sagte der Magier nur und der König blieb stehen, wo er war. „Was wollt Ihr noch. Ich habe getan, was Ihr verlangt habt?“

„Was ich will? Ganz einfach: Rache!“, sagte der Magier und grinste wieder unheilvoll. „Rache für das, was Ihr und Euer Magier mit angetan habt!“

„Was soll ich uch angetan haben? Wovon sprecht Ihr?“, fragte der König verwirrt.

Da wurde das Grinsen zu einer zornigen Grimasse und die Augen des Magiers glimmten in einem kalten Licht auf. „Habt Ihr das etwa vergessen oder stellt Ihr Euch dumm, um Euch als frommes Lamm darzustellen?“, fuhr er ihn wütend an. „Ihr wart es, der mir Mutter und Vater nahm. Aus Angst, ich könnte einst Euer Feind sein!“

Für einen langen Moment war immernoch Verwirrung in dem Gesicht des Königs zusehen. Doch als er über die Worte des Magiers nachdachte, begriff er und sein Gesicht wurde kalkweiss. „Ihr…ihr seid das?“, stammelte er und kurz sah er den Jungen vor sich, den er vor vielen Jahren an seinem Hofe gesehen hatte und der in die Lehre seines Magiers gegangen war. Damals als er seine Eltern verbrennen ließ, hatte er gedacht, der Junge wäre bei seiner Flucht ums Leben gekommen. Ihn nun aber als erwachsenen Mann zusehen und noch dazu als einen mächtigen Magier, ließ ihn vor Angst erstarren.

Es ergab alles nun einen Sinn. Warum war er ihm nicht gleich bekannt vorgekommen?

Und vorallem wusste Invidia davon?

„Invidia? Wusstet Ihr, wer das ist?“, schrie er ihn an und deutete auf Tenebrae. Invidia schluckte. Zusagen, dass er es tat, würde ihm sicher den Kopf kosten. Aber anlügen traute er sich auch nicht. „Nun ich…ich hatte so eine Ahnung!“, sagte er und versuchte sich nichts anmerken zulassen. „Ihr hattet eine Ahnung? Und hieltet es nicht für nötig es mir zusagen?“, fuhr er ihn an und Invidia schrumpfte in sich zusammen. „Stattdessen lasst Ihr zu, dass ich meine Tochter an diesen Teufel verliere!“

„Ihr habt ebenso Schuld daran!“, rief Tenebrae wütend. Es reichte ihm. Der König war wirklich ein Feigling. Ebenso wie Invidia. Womöglich ein noch größerer. Seine Augen hefteten sich an den blassen Magier, der krampfhaft nach einem passenden Zauber suchte. Hilflos rang er die Hände und seine Lippen bewegten sich unablässig. Ob er den richtigen Spruch sagte oder nach Hilfe flehte, konnte Tenebrae nicht sagen. Es war ihm auch egal.

„Egal was ihr das vorhabt, Invidia. Es wird Euch nichts nützen!“, rief er und in seiner Stimme war deutlich zuhören, dass er Recht behalten würde. Invidia sah sich dadurch in die Enge getrieben. Er musste etwas unternehmen, sonst würde sein einstiger Schüler ihm doch noch den Tod bringen.

Mit dem Mut der Verzweiflung rief er eine Formel und ein silbriger Nebel erschien. Umgab seine Hände, wuchs heran, bis er die Größe einer Wolke hatte. Dann schickte er diese zum Magier auf dass sie ihneinhüllen und ersticken solle. Doch der Magier hatte dafür nur ein müdes, hähmisches Lächeln übrig. Er nahm eine Hand von der Prinzessin. Mit der anderen hielt er sie dennoch gut fest und murmelte einige Worte. Die Wolke blieb mitten in der Bewegung stehen, kurz bevor sie ihn erreichte und verharte für einige Minuten. Dann färbte sich das Silber in ein tiefes Schwarz und die Wolke schwebte nun auf Indivia zu. Die Augen des alten Magiers wurden groß und hecktisch versuchte er einen Gegenzauber heraufzubeschören. Die Wolke jedoch glitt unaufhaltsam auf ihn zu und hüllte ihn ein. Invidia schrie und versuchte sich aus der Wolke zubefreien. Aber diese verdichtete sich noch mehr und schon bald war nichts mehr von ihm zusehen. Nur seine Schreie hörte man.

Diese verklangen aber nach und nach. Wurden schwächer.

Bis nichts mehr von ihm zuhören war.

Es vergingen noch einige Minuten, ehe sich die Wolke lichtete und den Magier wieder freigab. Doch was war mit ihm passiert?

Wo vorher noch ein Mensch aus Fleisch und Blut dagestanden hatte, war nun eine Statue an seine Stelle getreten. Der Körper in einer hilflosen Haltung erstarrt. Die Hände zu einer abwehrenden Geste erhoben. Deutlich konnte man den Schrecken und die Verzweiflung in seinem zu steingewordenen Gesicht sehen. Sie waren tief in sein ohnehin schon faltiges Gesicht eingebrannt und ließen es dadurch noch älter wirken.

Jedem Anwesenden wurde es eiskalt, bei diesem Anblick. Der Magier Tenebrae hatte deutlich gezeigt, zuwas er in der Lage war und nun würde nicht mal der mächtige Indivia dem König zur Seite stehen können. Wie gebannt blickte der König zu seinem einstigen ersten Magier und Angst packte ihn.

Jetzt wo Invidia nichts weiter war als eine schmückende Statue für den Garten würde Tenebrae nichts und niemanden mehr aufhalten. Kurz blickte er zu den Wachen, die immernoch oben auf der Mauer postiert waren und kurz spielte er mit dem Gedanken, ihnen mit einem knappen Nicken den Befehl zugeben, ihn zutöten. Doch wie als wenn er seine Gedanken gelesen hatte, unterbrach der Magier ihn. „Versucht es nicht mal, Sapientia!“, knurrte er und ließ Lumen schmerzlich aufschreien. Mit einer Mischung aus Sorge und Hass auf den Magier schüttelte den Kopf und ballte die Fäuste. „Was woll Ihr noch? Ihr habt doch bekommen, was Ihr wolltet!“

„Nicht ganz!“, sagte Tenebrae leise und sein Lächeln war alles andere als zufrieden. Dem König lief es eiskalt den Rücken runter. Er konnte sich denken, was er damit meinte. Dofort fiel er auf die Knie und hob flehend die Hände. „Bitte, verschont mein Leben. Ich weiss, ich habe einen Fehler begannen, doch so grausam könnt Ihr doch nicht sein und mich dafür mit dem Tode strafen!“, flehte er und war ein einziges Häuflein Elend. Tenebrae verzog angewidert das Gesicht. Wie tief kann ein König nur so sinken, dass er um sein Leben fleht, statt sich ihm entgegen zustellen und sein Leben zuverteidigen. „Ich soll Euch verschonen? Habt Ihr meine Eltern verschont? Nein! Im Gegenteil: Es machte Euch Freude sie sterben zusehen!“, sagte erkalt. Hob dabei nicht einmal die Stimme, sondern klang so als würde er über eine Banalität reden. Doch Lumen konnte deutlich hören, wie sehr er ihren Vater dafür hasste und wie seh r es ihn danach gelüstete, ihn dafür bluten zulassen. Wäre sie an seiner Stelle, wäre sie ebenso weit gegangen und würde sich nicht davon abhalten lassen. Dennoch fürchtete sie um das Leben ihres Vaters. Er mochte ein Mörder sein, aber er war auch ihr Vater. Sie wollte ihn nicht sterben sehen. In dem Glauben, wobei es auch gut Naivität sein konnte, versuchte sie den Magier anzusehen und zu ihm durchzudringen. „Tenebrae, bitte. Ich bitte dich!“, brachte sie aus ihrer geschundenen Kehle hervor. „Er hat etwas Schlimmes getan. Ich weiss. Aber bitte, töte ihn nicht. Bitte, mir zuliebe!“

Tenebrae schnaubte. „Etwas Schlimmes? Er hat getötet, weil er fürchtete, seine Macht zuverlieren. Er ließ meine Eltern hinrichten, weil sie mich schützen wollten. Sag mir, ist das gerecht?“, fragte er. Lockerte etwas seinen Griff, gestattete ihr so, etwas frische Luft in ihre ausgedörrten Lungen zu holen. Lumen sagte daraufhin erst nichts. Wie könnte sie auch?

Deutlich hatte sie den Hass in seinen Augen gesehen und dieser war auch berechtigt gewesen. Kein Mensch verdiente es, seine Familie durch solch eine hinterhältige Tat oder aus einem feigen Grund zuverlieren. Trotzdem. Sie wollte ihren Vater nicht verlieren.

„Nein, ist es nicht!“, hörte sie sich selber sagen.

Das reichte dem Magier. Mit diesen einigen Worten hatte sie eingeräumt, dass der König seine Strafe verdient hatte.

Er nahm erneut die Hand von ihr und streckte sie dem König entgegen. Kaum dass er dies getan hatte, murmelte er einige Worte und die Schatten kamen erneut. Krochen auf den König zu und griffen nach ihm. Der König schrie auf und versuchte, sich die Schatten vom Leib zuhalten. Doch kaum dass er nach ihnen schlug und sie zerfaserten, bildeten sie sich neu und packten ihn an den Handgelenken und an den Beinen.
 

Einer der Soldaten nutzte es, dass der Magier abgelenkt war und spannte seinen Bogen. Nahm seinen ungeschützten Rücken ins Visier. Ein gezielter Schuss zwischen die Schulterblätter und aus war es dann mit ihm.

Doch kaum dass er den Pfeil abschoss, warf sich der Magier herum und streckte die Hand aus. Der Pfeil blieb mitten in der Bewegung stehen, als hätte er ihn eine unsichtbare Wand gebohrt. Die Wache schnappte nach Luft. Tenebrae lächelte kalt, machte dann eine drehende Handbewegung. Der Pfeil drehte sich und flog zurück. Direkt zur Wache und bohrte sich in dessen Brust. Ein kurzer Schmerzensschrei drang aus seiner Kehle, ehe er tot von der Mauer fiel.

Die anderen Wachen wichen zurück. „Versucht das nicht nochmal!“, rief der Magier und wandte sich wieder an den König. Dieser windete sich immernoch im Griff der Schatten. Sein Gesicht war angstverzerrt. Aber da war noch etwas. Zuerst dachte Lumen, es sei die Angst, die sein Gesicht älter wirken ließ. Doch dann, als sie genauer hinsah, bemerkte sie, dass sich die Falten in seinem Gesicht immer tiefer gruben und sein Haar mal zu mal grauer wurde.

Er altert, ging es ihr durch den Kopf und blickte zum Magier, der es sichtlich genoss, den König im Griff der Schatten zappeln zu lassen.

Während dessen wurde der freie Fleck seines Gesichts mehr und mehr von der Finsterniss eingenommen. Nicht mehr lange und er…

Sie schauderte. Und sah wieder zu ihrem Vater. Mittlerweile war er genauso alt wie es der Magier gewesen war. Wielange würde es noch dauern, bis sein Herz aufhörte zuschlagen. Lumen schloss die Augen und versuchte die Schreie ihres Vaters auszublenden. Doch sie hallten in ihren Ohren wieder und ließen ihr Herz stillstehen.

Und auch wenn sie wusste, dass der Magier in seinem Verlangen nach Rache nicht auf sie hören würde, wollte sie ihn dennoch darum bitten, es nicht zutun. „Tenebrae…ich…bitte…!“, wimmerte sie. „Sei still!“, zischte der Magier, schlang nun den Arm um ihren Hals und drückte zu. Lumen war zwar froh, dass er nicht länger ihren Hals drückte, doch das änderte nichts daran, dass sie um das Leben ihres Vaters fürchtete. Verzweifelt, nicht wissend, was sie dagegen tun konnte, blickte sie zum Magier. Sah das Grinsen, welches die Fänge eines Wolfes zeigte und es lief ihr kalt den Rücken runter.

Kaum noch etwas von seiner Haut war zusehen. Die Dunkelheit hatte ihn gänzlich verschlungen. „Nein!“, kam es ihr über die Lippen. Er musste sie gehört haben, denn er sah zu ihr hinunter und das Grinsen wurde breiter. „Seht gut hin, Prinzessin. So ergeht es jedem, der es sich mit mir verdirbt!“, sagte er leise und Lumen wurde es kalt, bei seinen Worten.

Sie erinnerte sich daran, wie er sie in den Kerker gesperrt hatte, weil sie ihr Wort gebrochen hatte. Er war außer sich gewesen und hatte sie nicht einmal nur angehört. Die Wut hatte seinen Geist vernebelt und nun war es genauso. Nur schien es diesesmal noch schlimmer zusein und Lumen fürchtete, dass kein Flehen oder Betteln ihn dazu bringen würden, Gnade zuzeigen. Dennoch musste sie es versuchen. Sie wollte ihren Vater nicht sterben lassen.

Nicht so!

„Bitte, Tenebrae…hör auf damit!“, flehte sie in seinem hartem Griff, doch Tenebrae reagierte nicht, sondern war ganz und gar darauf fixiert, dem König sämtliche Lebenskraft zurauben. Deutlich war in seinem Gesicht zusehen, was für eine Freude es ihn machte. Ihr wurde eiskalt und sie sah wieder zu ihrem Vater, der immer schwächer wurde.

Sie konnte es nicht ertragen. Mit dem Mut der Verzweiflung riss sie sich aus seinem Griff. Trat vor ihn. Verzweifelt und auch entschlossen, dem Ganzen ein Ende zumachen, ergriff sie sie ihm am Kragen, als wollte sie ihn wachrütteln. „Tenebrae, komm zu dir!“, rief sie aufgebracht. Tenebrae knurrte und stiess sie von sich. Lumen schrie auf, als sie auf den Boden aufschlug. Blieb einige Minuten liegen, dann aber stand sie auf. Ging auf ihn zu und ergriff seinen ausgestreckten Arm. Wollte ihn senken, oder zumindest dafür sorgen, dass er sie ansah. Aber kaum dass sie seinen Arm berührte, schrie er wütend auf und holte aus. Mit brutaler Kraft trat er sie mit der Hand im Gesicht und warf sie wieder zu Boden. Lumen glaubte, ihr Kopf würde von den Schultern fliegen, als er sie schlug und war zugleich entsetzt darüber, dass er die Hand gegen sie erhoben hatte. Ihre Wange schmerzte und sie kämpfte dagegen an, dass Bewusstsein zu verlieren.
 

Tenebrae schrie auf, als er sah, wie das Ding, welches seinen Platz angenommen hatte, Lumen schlug. Zu Anfang war er einverstanden gewesen, dass es ihn beherrschte. Denn so war es ihm möglich neue Kraft zubekommen und sich an seine Peiniger zurächen. Als er nun den König mit einem dunklen Zauber die Lebenskraft nahm und bemerkte, wie Lumen um Gnade für ihn flehte, waren diese Rufe erst nur schwache Echos. Doch kaum, dass sie sich aus seiner Umklammerung befreit hatte und ihn angesehen hatte und er die Angst in ihren Augen gesehen hatte, war er sich nicht mehr so sicher un es nagten Sorgen an ihm.

Was wenn er zuweit gegangen war und niemals mehr zurückkommen würde?

Nie mehr zu sich finden würde?

Aus weiter Entfernung hörte er ihre Rufe. Ihr Flehen, dass er wieder zu sich kommen solle. Zuerst hatte er sie nur von sich gestossen und dabei den Ekel und die Wut des dunklen Wesens gespürt, die es gegenüber der Prinzessin spürte. Er konnte sich gut vorstellen, dass das dunkle Wesen noch weiter gehen und sie nicht einfach wegschieben würde, wenn sie ihm wieder zunahe kam.

Und genau das tat sie. Diesesmal berührte sie ihn am Arm und das dunkle Wesen hatte genug davon. Genug von ihr.

Das Böse in ihm jubelte, als die Prinzessin zu Boden ging und ihn entsetzt ansah. Erfreute sich daran, dass sie Schmerzen hatte.

Tenebrae hingegen war fassungslos.

Der Gedanke, dass sie ihn nun für das Monster hielt, für das ihn alle hielten, war unerträglich.

Sie war die einzige, die ihn nicht so sehen sollte. „Was tust du da?“, rief Tenebrae entsetzt und auch wütend. „Das geht zuweit!“

„Sie ist selbst Schuld, wenn sie glaubt, dass sie uns in die Quere kommen kann!“, knurrte das Dunkle in ihm und es lief den Magier kalt den Rücken runter. Uns?

Tenebrae fragte sich wirklich, ob das Dunkle wirklich sich und ihn meinte, oder nicht doch sich. Der Magier hatte das Gefühl keine Macht mehr über seinen Körper und der Magier zuhaben. Alles wonach er griff, war nicht verhanden. Nicht mal seinen Arm konnte er senken, um den König aus dem Bann zuentlassen. Kaum, dass er es versuchte, schrie das Dunkle und er spürte einen entsetzlichen Schmerz. „Wage es nicht, von deinem Entschluss zurückzuweichen!“, zischte es. „Du hast mich freigelassen. Freiweillig. Du wirst mich nicht einsperren!“

Die letzten Worte troffen von grausamer Siegessicherheit und Tenebrae erstarrte. Und er brauchte auch nich lange zu überlegen. Er wusste, dass er gegen das Dunkle nicht ankommen konnte. Dafür hatte er dem Dunklen viel zuviel Macht gegeben. Allein würde er das nicht schaffen. Vielleicht würde Lumen…

Sein Blick ging zu ihr. Und er sah wie sie vor ihm zurück wich.
 

Lumen glaubte einen anderen vor sich zu haben. Ihre Wange schmerzte immernoch und sie zitterte wie unter einem schlimmen Fieber. Gebannt, als würde um sie herum nichts existieren, blickte sie zu ihm hoch. Sah sein grausames Lächeln, das wahnsinnige Glänzen in seinen Augen. Das konnte umöglich der Magier sein, in den sie sich verliebt hatte. Nichts an diesem Mann erinnerte sie an ihn.

Eine Ewigkeit blickte sie zu ihm hoch und die Zeit schien stillzustehen.

Ihr Vater war zwar gerettet, weil sie ihn davon abgehalten hatte, weiterzumachen.

Doch was nun?

Würde er sie als nächstes töten wollen?

Lumen hoffte, dass dies nicht eintreffen würde. Doch sie brauchte nur in sein Gesicht zusehen, um zuerkennen, dass er nicht mal vor ihr Halt machen würde.
 

„Es reicht, hör sofort auf!“, schrie Tenebrae, als er die Gedanken des dunklen Wesens las. Es würde ihr wehtun, wenn er nicht endlich etwas dagegen unternahm. „Nein. Solange mussten wir warten, dass dieser Moment gekommen ist und wir werden jetzt nicht aufhören, nur weil diese Prinzessin glaubt, sie könnte dich um den Finger wickeln!“

Tenebrae wurde schlecht, als er diese Worte hörte. Immernoch sprache das Dunkle von sich und ihn. Dabei war es nur das Dunkle, was endgültige Rache wollte und dabei vor niemanden zurück schreckte.

„Ich will, dass du mich loslässt und wieder dahin zurück gehst, wo du herkommst!“, forderte er. Auch wenn er wusste, dass das Dunkle nur darüber lachen würde. Und das tat es auch. „Du willst mich wieder einsperren?“, höhnte es. „Sei nicht albern. Wer, glaubst du, hält dich am leben? Wer gab dir die Kraft, dich an den Mördern deiner Eltern zu rächen? War das nicht ich? Du kennst die Antwort und dass du mich nicht mehr einsperren kannst, in meinen Käfig!“, zischte das Dunkle und Tenebrae wusste nur zugut, dass es Recht hatte.

Was hatte er nur getan?

Warum hatte er sich darauf eingelassen, obwohl er wusste, dass das ein schlimmer Fehler war?

Sich deswegen jetzt aber schwere Vorwürfe zumachen, würde nichts mehr bringen.

Er konnte nur eines: Sich seinem Schicksal fügen. Sie aber retten.

„Mit mir kannst du machen, was du willst. Aber lasse sie leben!“, sagte er. Das Dunkle lachte und Tenebrae wusste, dass es niemals daran denken würde, seine Bitte zuerfüllen. „Sie leben lassen?“, fragte es hähmisch. „Warum sollte ich sie leben lassen? Schließlich hattest du sie zum Mittel für deine Rache gemacht. Sie steckt genauso tief drin, wie ihr Vater!“

„Nein, lass sie gehen. Sie ist keine Bedrohnung!“

„Doch ist sie. Sie hat mich schon lange genug zurückgehalten. Ich lasse mich nicht länger von diesem dummen Kind aufhalten!“

Tenebrae wurde es eiskalt, als er die Drohung des Dunklen hörte und er schrie auf. „Nein, dafür habe ich dir nicht Tür und Tor geöffnet!“

Das Dunkle lachte und sein Lachen schnitt wie tausend Scherben in seine Seele. Zerriss sie, sodass er unerträgliche Schmerzen erlitt.
 

Lumen sah, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Irgednwas ging in ihm vor. Immer wieder ging sein Blick zu und sie sah darin Angst, Hass und Verweiflung. Das Blau seines einen Auges flackerte. Wurde mal schwarz, dann mal wider Blau. Sein ganzer Körper zitterte. Unkontrolliert bewegten sich seine Hände. Verkrampften sich zu Klauen, die alles und jeden töten würden. Erschlafften dann und machte flehende Gesten. Lumen verdstand nicht, was das dzu bedeuten hatte. Aber sie hatte das Gefühl, dass es etwas mit dem Fluch der Schatten zutun hatte, der sich über den Magier gelegt hatte. Mit zitternen Knien und wohlwissend, dass sie damit womöglich einen weiteren Fehler machen und damit ihr Leben verwirken würde, stand sie auf und wankte auf ihn zu. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und flüsterte seinen Namen.
 

Tenebrae hörte es und flehte sie an, trotz dem Wissen, dass sie ihn nicht hören würde:„ Lumen, bleib weg von mir. Komm nicht näher. Er wird dich töten!“

Und wie als wenn das Schicksal seine Befürchtung wahrmachen wollte, brüllte das Dunkle in ihm auf. Machte deutlich, dass es genug von dem sinnlosen Mühen und Jammern der Prinzessin hatte und übernahm erneut die Kontrolle über den Körper des Magiers. Mit einem Fauchen streckte er den Arm und ehe Lumen einen Schritt zur Seite machen konnte, befanden sich schon die Finger des Magiers, die dem Willen des Dunklen gehorchten, um ihren Hals und begann sie zu würgen.

„Nein, hör auf damit!“, schrie der magier außer sich. „Niemals. Ich habe genug von ihr. Sie soll endlich verschwinden!“, keifte das Dunkle und verstärkte den Girff um den Hals der Prinzessin. Vergebens versuchte der Magier die Gewalt über seinen Körper wiederzuerlangen. Doch kaum dass er das Gefühl hatte, einigermassen wieder die Kontrolle zurück zugewinnen, nur ein Stück davon, wurde er von dem Dunklen zurückgestossen und immer weiter in einen Teil verdrängt seines Geistes verdrängt dem aus er nichts tun konnte. Nur mit ansehen, wie das Dunkle mit seinem Gesicht, Lumen immer mehr würgte bis sie kaum noch Farbe im Gesicht hatte.
 

Vor Lumens geschlossenen Augen explodierten Sterne und ihr Puls hämmerte in den Schläfen. Ein schreckliches Schwindelgefühl ergriff sie und ließ sie immer schwächer werden. Ihre Beine gaben bereits unter ihr nach und sie hing schlaff im Griff des Magiers.

König Sapientia, der sich nur mässig von dem Fluch des Magiers erholte, rief mit heiserer Stimme zu den Wachen hinauf. „Worauf wartet Ihr, schiesst endlich!“

Cor und Fortitudo hatten die ganze zugesehen und sich bisher zurück gehalten. Doch nun mischte sich die mittlerste ein. „Vater, nicht. Er wird sie genauso töten, wie den ersten. Riskiere nicht noch mehr Leben!“, flüsterte sie.

„Und Lumen? Was ist mit ihr?“, fragte Fortitudo. „Siehst du nicht, dass der Magier sie würgt!“

„Und siehst du nicht, dass etwas mit ihm nicht stimmt!“, sagte Cor und deutete auf den Magier, der Lumen immernoch im Griff hatte. Fortitudo verstand nicht, was ihre Schwester damit meinte. Sie sah nichts Auffälliges. Nur das der Magier ihre Schwester zutode würgte. Und das reichte aus, um den Wachen zu befehlen, zuschiessen. Doch kaum, dass sie einen Ton sagen konnte, ergriff Cor ihren Arm. „Bitte, Schwester!“, bat sie sie.

Fortitudo fiel es sichtlich schwer, auf die Bitte ihrer Schwester zu hören. Gerne hätte sie sich selber auf den Magier gestürzt, ihn von ihrer Schwester losgerissen.

Doch etwas hielt sie zurück. Sie blickte wieder zu Lumen, die in dem Griff des Magiers hing und kaum noch am Leben war. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie warf ihrer anderen Schwester einen skeptischen Blick zu. Sie fragte sich, woher Cor die gute Hoffnung nahm?

Ob sie nicht doch zu gutgläubig war?

Was wenn ihr Zögern Lumens Leben kostete?

Fortitudo warf ihrer Schwester einen vielsagenden Blick zu. Doch Cor sah immernoch zu den beiden. Zum Magier und zu Lumen. Fortitudo verstand nicht, warum ihre Schwester nicht einschreiten wollte. Sie fürchtete, dass, wenn sie nichts unternahm, ihre kleine Schwester sterben würde. Sie packte Cors Arm, drückte ihn bestimmt. „Lass uns ihr helfen!“

Noch bevor Cor etwas sagen konnte, hörten sie einen Schrei, der sie zusammenzucken und das schlimmste befürchten ließ. Der Schrie schien aus tausend anderen zu bestehen und hallte lange nach. Brach sich an den Mauern und verdumpfte in einem Echo, das schauerlich klang. Die beiden Schwestern und auch die Männer auf den Mauern blieben wie zur Salzsäule erstarrt stehen und blickten zu Lumen und zum Magier. Die Zeit stand für einen kurzen Moment still, dann aber sahen sie, wie der Magier Lumen losließ und dann zusammenbrach.
 

Lumen hatte das Bewusstsein verloren und hatte gespürt, wie ihr Geist sich bereits von ihrem Körper zu lösen begann. Dann aber hörte sie den Schrei und der Griff um ihren Hals war fort. Ihre Knie hatten keine Kraft sie aufrecht zuhalten. Schwach wie sie war sank sie in die Knie. Schwer nach Luft ringend, hielt sie sich den Hals und sie meinte tiefe Furschen in ihrer Haut zu fühlen.

Minuten vergingen ehe sich ihre ausgedörrten Lungen wieder mit genügend Luft gefüllt und erholt hatten. Sie blinzelte. Verscheuchte die explodierenden Sterne und die Dunkelheit, die sie umhüllt hatte. Dann bemerkte sie den Magier, der neben ihr lag.

Sein Gesicht war schmerzverzerrt, aber nicht mehr von Dunkelheit bedeckt.

Sie war erleichtert, dass das Böse ihn womöglich endlich losgelassen hatte.

Aber dann sah sie den Dolch, der bis zum Heft in seinem Bauch steckte.

Blut schoss stossweise aus der Wunde und rann zäh zu Boden. Färbe den Stoff seiner Kleider dunkelrot und das Gras unter ihm. Nicht ein einziges Mal hob sich seine Brust. Seine Augen waren geschlossen und waren wie Marmor. Kalt und leblos. So als sei er tot.

Lumens Gedanken überschlugen sich. Alles war wie weggeblasen. Der Schrecken, der sie ergriffen hatte, als der Magier erst ihren Vater und dann sie angriff, war fort.

Sie konnte an nichts denken. Nichts sagen. Nur fühlen. Schmerz und Entsetzen darüber, was der Magier getan hatte. Langsam, als würde es sie quälen, streckte sie die Hände aus und berührte sein Gesicht. Seine Wange, die eiskalt war und der eines Toten gehörte. Nein!

Sie schüttelte den Kopf. Wollte nicht wahrhaben, dass sich ihr Geliebter selbst die Klinge in den Leib gestossen hatte und dass es vermutlich zuspät war.

Stattdessen sagte sie sich, dass es nicht zuspät war. Dass er gerettet werden konnte, wenn sie nur endlich aus dieser Ohnmacht erwachte. Und plötzlich riss sie etwas aus dieser lähmenden Angst, die sich an fühlte, wie ein kaltes Leichentuch und gab ihr ihre Stimme wieder. „Helft ihm!“, schrie sie laut und die Menschen vor und hinter ihr fuhren hoch, als seien sie mit Gewalt aus einem tiefen Schlaf geweckt worden. „Steht nicht da, wie angewachsen! Sondern helft ihm!“
 

Tenebrae hatte es nicht mehr ertragen können, es sich mit anzusehen. Das Dunkle würgte mit seinen Händen, die nicht mehr seinem Willen gehorchten, den Hals der Prinzessin und ließen sie immer schwächer werden. Er schrie wie unter Qualen und schlug gegen die dunkle Mauer, hinter der er gefangen war. Das Dunkle jedoch verhöhnte seine Versuche und strafte ihn, in dem er sie noch mehr würgte und ihr jedes bisschen Leben Stück für Stück rauspresste. Irgendwann war es genug und neben der Hilflosigkeit und der Verzweiflung flammte in ihm etwas auf, was er nie für möglich gehalten hätte. Hass!

Aber nicht diegleiche Art von Hass, die er dem König und seinem ehemailigen Meister entgegenbrachte. Sondern Hass auf sich und auf seine Schwäche. Hass auf das Dunkle, welches nun an seine Stelle getreten war und sich an ihr vergriff. Tenebrae kam dies absurd vor, doch angesichts der Lage und der geeringen Chancen, die ihm noch blieben, war dieser Hass, das einzige, was ihm noch einen Nutzen geben konnte. So konzentierte er sich auf seinen Hass und schaffte es, die Mauer um ihn herum einzureissen. Erst einige Steinbrocken, dann soweit, bis sie Löcher bekam und er die Möglichkeit hatte, durch diese mit seinen Gedanken hindurch zuschlüpfen. Tastete nach etwas, was er benutzen konnte. Und hatte das Gefühl als würde die freie Hand, die nicht von dem Dunklen benutzt wurde, unter seine Kontrolle kommen. Erst zaghaft, als wollte er sich sicher sein, begann er die Finger zu krümmen. Schloss die Hand zu einer Faust, um sie dann wieder zuöffnen. Auf. Zu. Auf. Zu.

Ein Kribbeln, wanderte von der Hand hoch zu seiner Schulter. So als wäre die Hand vorher eingeschalfen und nun zu neuem Leben erwachen. Tenebrae musste ein Jubeln unterdrücken, um das Dunkle über seine Absicht aufmerksam zu machen. Es galt vorsichtig zu sein. Sie waren zuzweit in einem Körper gefangen und wenn er nicht aufpasste, würde das Dunkle merken, was er vorhatte und ihn zurück hinter die Mauer sperren. Oder ihn gänzlich verschlingen. Quälend lange dauerte es, indem er seine Kontrolle über die Hand ausbaute, ehe er sich sicher war, dass sie ohne Probleme seinem Willen gehorchen würde. Dann kam der nächste, weitaus schwierigste Teil. Er hatte keine Waffen dabei. Zumindest keine greifbare. Wenn es ihm gelänge, mit Magie einen Dolch in seine freie Hand zu materialisieren, dann…

Tenebrae zwang sich ruhig zu bleiben. Nur keine Eile. Ganz ruhig, ermahnte er sich und versuchte nun auch einen Teil seiner Magie zurück zugewinnen. Suchte in der Dunkelheit nach einer Spur seiner Kraft. Er konnte nicht sagen, wie genau sich seine Magie darstellte. Dennoch würde es sich von der Finsterniss unterscheiden. Da war er sich sicher. Wo er schon dachte, dass die Zurückgewinnung der Kontrolle über seine eine Hand schwer sein würde, so musste er erkennen, dass die Suche nach seiner Magie noch viel schwerer war. Ewig lange suchte er nach ihr. Und egal wohin er seine übriggeblieben Sinne ausstreckte, fand er nichts als Finsterniss und Leere. Tenebrae wollte schon aufgeben. Doch dann meinte er etwas zusüren. Schwach zwar nur, aber deutlich genug, um ihm neue Hoffnung zu geben. Er streckte seine Sinne aus. Immer weiter und weiter, bis er es fand. Ein Lichtschimmer. Flackernd und unruhig zitternt, wie eine kleine Flamme.

Tenebrae atmete erleichtert aus, folgte dem Pfad, den seine Sinne geschlagen hatten und zu diesem Schimmer führen würden. Als er ihn fand, umschloss er ihn mit seinem Geist. Es war wenig, aber besser als nichts und Tenebrae würde alles nehmen, was er kriegen konnte. Vorsichtig nahm er die Flamme mit seinem Geist auf. Hätte er Hände gehabt, hätte sie in diese geschlossen. Dann vereinte er sich mit der magischen Flamme. Nahm sie in sich auf, bis er spürte, wie sie ihn von innen erwärmte und spürte, wie ihn etwas von der alten Kraft erfüllte. Dann konzentierte er sich wieder und beschwor die Magier hervor. Achtete dabei auf seine Hand und wartete auf das Gefühl von kaltem Stahl auf der Haut. Erst war da nur ein kalter Luftzug zuspüren. Flüchtig, nicht mehr als ein Hauch. Dann aber fühlte er etwas Schweres darin. Seine Finger bewegten sich, fühlten den Gegenstand nach.

Die Klinge, die glatt und geschliffen war.

Der Griff, gut Hand zuhaben.

Ein Dolch!

Jetzt oder nie, ging es dem Magier durch den Kopf und sein Arm schnellt nach oben. Die Hand schloss sich blitzschnell um den Griff und die Klinge bohrte sich mit tödlicher Sicherheit in den Bauch des Magiers. Das Dunkle, welches zuspät erkannte, was eben passiert war, schrie auf und Tenebrae ebenso. Eine entsetzliche Hitze in seiner Wunde machte sich bemerkbar. Brannte wie Feuer. Das Schreien des Dunklen wurde gellender, schmerzlicher. Tenebrae konnte spüren, wie es sich windete und die Hitze zuersticken versuchte. Dagegen ankämpfte.

Doch das Feuer, welches von der Klinge ausging, war nicht so einfach zuersticken. Es brannte weiter. Mit jedem Versuch, der das Dunkle unternahm. Frass sich durch den Körper, der noch unter der Kontrolle von diesem stand. Und mit jeder Minute, in der die Hitze weiter brannte, konnte Tenebrae spüren, wie das Dunkle immer schwächer wurde. Seinen Wiederstand verlor.

Wie sie es zerfrasen, als sei es ein Stück Stoff. Tenebrae, der zuvor noch schrie, als die Klinge sich in ihn bohrte, empfand keinen Schmerz mehr, sondern Befreiung. Während das Feuer das Dunkle vernichtete. Ein Tosen, das nur von Flammen kommen konnte, raubte ihm die Sinne. Das Schreien des Dunklen, das immer leiser wurde, bis es ganz verstummte. Ebenso das Tosen und Fauchen der Flammen.

Bis nichts mehr zu hören. Nur Stille und mit der Stille kam der Frieden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Pamuya_
2015-11-08T20:07:58+00:00 08.11.2015 21:07
Traurig, ergreifend und spannend. Mehr sage ich dazu nicht.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
08.11.2015 21:13
danke schön...^^
Von:  Hidan_1975
2015-09-21T23:14:17+00:00 22.09.2015 01:14
NEI-HEIN nicht auch noch mein Lieblingsmagier :'( Tenebrae.

Top Kapi und jede Menge Spannung




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