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Fortum

Das dunkle Herz und das Licht
von

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Entschluss zu Grausamkeit

Als Lumen erwachte fühlte sie sich seltsam. So als habe jemand eine schwere Decke über ihre Seele gelegt und ihr fehlte die Kraft, sich von dieser zu befreien. „Was ist nur mit mir?“, fragte sie sich und richtete sich auf. Rieb sich den Kopf. Er schmerzte entsetzlich. So als habe man ihr eine kräftige Ohrfeige gegeben und sie stöhnte auf, als dieser Schmerz immer schlimmer wurde.

Ihr wurde dabei schlecht und die Prinzessin atmete paarmal tief ein und aus und das Schwindelgefühl ließ zu ihrer Erleichterung nach. Dennoch blieb sie einige Minuten im Bett sitzen und wartete, bis sie sich sicher war, dass es ihr auch wirklich besser ging. Erst dann kletterte sie aus dem Bett und nahm erstmal ein Bad. Das warme Wasser tat ihr gut und sie entspannte sich etwas. Sie blieb noch einige Minuten im warmen Wasser sitzen, doch dann steig sie aus der Wanne und streifte sich frische Kleider über. Alled war so wie immer. Wie immer wartete ein schönes Kleid auf sie. Lumens Bewunderung für die Kleider hatte sich jedoch etwas gelegt, als sie an diesem Moment erwacht war. Viel ging ihr durch den Kopf. Am meisten jedoch der Gewissheit, dass sie sich in den Magier verliebt und es nicht wirklich bemerkt hatte. Konnte man das denn?

Sie hatte oft in den Büchern davon gelesen, dass die Liebe einen traf wie ein Blitzschlag. Bei war dies jedoch nicht passiert. Sie hatte nicht wie ein starres Reh dagestanden und nicht denjenigen angesehne, als wäre er ein vom Himmelgestiegener Gott, wie die Maiden in den Geschichten. Und auch nicht der Magier hatte nicht gleich etwas wie Gefühle ihr gegenüber gezeigt. Hatte ihr nicht beteuert, dass er für sie sterben oder bis ans Ende der Welt gehen würde, nur um bei ihr zusein. Nein, bei ihm und ihr war es ganz anders gewesen. Langsam und viel Zeit. Mit jedem Tag, der anbrach und mit jedem Geschenk, das der Magier ihr gemacht hatte. Wie bei einer Blume, die mit jedem Strahl der Sonne und jedem Tropfen Wasser genährt wurde, bis sie gänzlich heranwuchs und in ihrer ganzen Schönheit erblühte. Lumen musset dabei unmerklich lächeln und gab sie für einen kurzen Moment dieser Träumerei hin, doch dann senkte sich ein dunkler Schatten über diese. Wieder quälte sie die Frage und Ungewissheit, ob der Magier genauso für sie empfand. Ob er ebenso sie liebte. Lumen wünschte und erhoffte es sich. Schließlich sprach so einiges dafür. Die Kleider, die Rosen, die außergewöhnlich rochen und die anderen kleinen Geschenke. Jedoch mit der wandelnden Landschaft, hatte er ihr das größte Geschenk gemacht. Es lenkte sie von der trsiten und düsteren Landschaft ab, die sich da hinter ihrem Fenster zeigte. „Er hat soviel ür mich getan und wollte dass ich mich wohlfühle. Und ich weiss nicht, wie ich mich dafür erkenntlich zeigen kann!“, seufzte sie, schloss die Augen und wischte sich dabei über das Gesicht. Dass sie das sagte, obwohl sie nicht wusste, wie er zu ihr stand, verwunderte sie etwas. Aber sie war sich sicher, dass es da etwas geben musste, was ihn dazu gebracht hatte. Kein Mensch, der einen anderen bei sich haben wollte und nicht das alles tat, konnte dies aus reiner Langeweile tun. Geschweige denn nichts dabei zu empfinden. Es musste einfach so sein. Um sich darüber nicht weiter den Kopf zuzermartern, schritt sie zu dem Fenster um zusehen, welche Landschaft ihr sich diesesmal zeigte. Sie hoffte, dass die sich im Winde wiegenden Wiesen oder die sich auftrümenden Wellen sie ablenken würden. Doch als sie hinausblickte, sackte ihr Herz augenblicklich schmerzlich nachunten. Statt grünes wildes Meer oder saftige Wiesen zusehen, sah sie nur eine trostlose Steppe, die sich viele Meilen weit hinzog. Kranke und krüppelige Bäume waren das einzige, was aus dem fruchtlosen Boden ragte und über allem hing ein bleiener dunkler Himmel. Die Illusion war fort und damit alle Hoffung, auf das, was sie sich wünschte. „Nein!“, keuchte sie und legte ihre Hand aufs Glas, als wollte sie nicht wahrhaben, dass dies wirklich war. „Nein!“

Wie vom Donner gerührt stand sie da und starrte hinaus. Wo sie vorher gedacht hatte, dass alles gut werden würde, wurde sie eines Besseren belehrt. Das die sich wandelnde Landschaft einfach so im Nichts aufgelöst hatte, war sicherlich nicht einfach so passiert. Sie konnte sich nicht beim besten Willen vorstellen, dass der Magier keine Kraft mehr hatte, sie aufrecht zuhalten. Er war mächtig. Dass wusste sie. Aber aus welchem Grund hatte er sie dann verschwinden lassen?

Lumen wusste darauf keine Antwort. Die konnte ihr nur der Magier geben. Schon allein bei dem Gedanken, ihn das zufragen, kam ihr ein ungutes Gefühl und sie fürchtete sich davor. Ein Klopfen ließ sie zusammen zucken und sie drehte sich erschrocken herum. „Guten Morgen, Prinzessin. Ich Euch das Frühstück bringe!“, rief Comitas freudig und schob das Wägelchen hinein. Lumen war bemüht gute Miene zum bösen Spiel zumachen und sich nichts anmerken zulassen. Die Verwirrung und der Schmerz über die verschwundene Illusion wollte sie ihrem kleinen treuen Freund nicht aufbürden. „Danke, Comitas!“, sagte sie und blickte wieder hinaus. Es versetzte ihr einen Stich und sie kämpfte mit den Tränen. „Warum Ihr so traurig schauen?“, fragte er und noch bevor Lumen etwas sagen oder tun konnte, was ihn davon abhielt, aus dem Fenster zuschauen, war er auch schon an ihrer Seite und sah hinaus. Als er sah, was auch sie sah, seufzte er. Es war mehr ein niedergeschlagenes Seufzen, als ein entsetztes Keuchen. „Ich es schon sehen!“, sagte er und wandte sich ab. Machte sich daran, das Frühstück aufzudecken. Deutlich war es in seinem Gesicht zusehen, was er dachte und was er vorallem von seinem Herren dachte. Sich fragte, was ihn dazugeritten hatte, dieses Geschenk wieder fortzunehmen. Er wusste doch ganz ganu, dass die Prinzessin sich daran erfreute und ihm war es doch auch wichtig, dass sie sich hier wohlfühlte. Warum also hatte er das getan?

Lumen fragte sich das ebenso. Noch einen kurzen Moment schaute sie aus dem Fenster und wandte sich mit einem weiteren schweren Seufzen von dem Fenster ab. Ließ sich in den Sessel fallen. Als sie auf den kleinen Tisch schaute, sah sie, dass keine Rose dabeilag und auch wenn sie irgendwie damit gerechnet hatte, traf es sie. „Warum? Warum tut er das?“, fragte sie sich und nahm mit zitternen Fingern die Tasse, um daraus zu trinken. Der warme Tee konnte sie kaum beruhigen. Zu aufgewühlt und verletzt war sie, als das sie ruhig Tee trinken konnte. Irgendwann sprach sie Comitas an. „Ihr…darüber wollt sprechen?“, fragte er sie. Lumen schüttelte den Kopf. Mit ihm konnte sie nicht sprechen. Nur mit dem Magier und sie nahm sich vor, ihn nach dem Grund zufragen, warum er die Vision aufgehoben hatte. Und dies duldete keinen Aufschub. Sie trat sie, ohne sich richtig angekleidet zuhaben auf den Flur und schritt mit schnellen Schritten zu den Gemächern des Magiers. Inzwischen kannte sie sich gut genug aus, um sich nicht zuverirren. Mit festentschlossen Schritten ging sie weiter und überlegte sich, was sie dem Magier sagen würde. Überhörte dabei die Rufe Comitas, der sie bat, nicht zu dem Herren zu gehen. Als sie schließlich vor der mächtigen Flügeltür stand, klopfte sie heftig dagegen und rief nach dem Magier. Doch werde hörte sie eine Antwort noch öffnete er ihr. Lumen fragte sich kurz was das sollte, doch dann pochte sie wieder dagegen. Diesesmal heftiger und aufgebrachter. „Tenebrae…Tenebrae macht mir auf. Ich bin es, Prinzessin Lumen!“

Sie wusste, dass es unötig war, dass sie ihren Namen nannte, doch es war ihr einfach so über die Lippen gekommen und sie konnte auch nicht leugnen, dass sie mal zumal ärgerlicher wurde. Machte sich der Magier einen Spass daraus, dass er sie gänzlich ignorierte?

Oder war er einfach zufeige und fürchtete sich vor ihr und vor ihrer Wut, sodas er ihr nicht öffnete?

Beides schien nicht recht zu ihm zupassen und so fragte sie sich immer mehr, warum er ihr nicht öffnete. Irgendwann erzitterte die Tür unter ihren Schlägen und das Echo hallte tausendfach durch die langen Korridore. „Tenebrae! Ich weiss, dass Ihr in Euren Gemächern seid. Öffnet mir. Auf der Stelle!“

„Bitte, so Ihr doch bitte aufhören. Der Herr, er…er sich ruhen aus!“, hörte sie nun doch die Bitten ihres kleines Freundes und schaute zu ihm hinunter. In ihren Augen lag noch immer Ärger und sie hatte alle Mühe, diesen zuunterdrücken. „Ausruhen, von was?“, kam es gepresst aus ihr und ihre Fäuste ballten sich. Zitterten. Comitas konnte nur hilflos die Schultern zucken und zur Tür blicken, hinter das Schlafgemach seines Herrn lag. „Ich es selber nicht weiss. Aber Ihr Euch bis heute Abend gedulden müsst!“, meinte er mit deutlichem Nachdruck und Lumen musste einsehen, dass ihr nichts anderes übrig blieb. Doch während dieser langen Zeit würde ihr Ärger nicht schwächer werden. Und Lumen schöpfte aus dieser Kraft.
 

Der Abend kam, für Lumens Geschmack viel zu langsam und als es endlich soweit war, spürte sie, wie ihr Magen zutoben begann. Nervös und dennoch entschlossen nicht zurückzuweichen, machte sie sich fertig für das Abendessen und stand dann vor der Tür zum Speisesaal. Gerade wollte sie die Tür öffnen, als diese aufschwang.

Leise, quietschend und die Dunkelheit, in die sie blickte schien die eines Abgrunds zusein. Wäre sie nicht so wütend auf ihn, hätte sie sich davon einschüchtern lassen. Doch die Finsterniss hatte bei ihr an Macht verloren, Zumindest an diesem Abend und sie schritt langsam und mit hocherhobenen Kinn in den Saal. Der Magier warf ihr einen erstaunten Blick zu. Ließ sich aber nichts anmerken und wies mit der Hand auf den Stuhl. „Bitte setzt Euch!“, bat er sie höflich. Aber Lumen blieb stehen, sah ihn finster an. „Nein!“, sagte sie. „Nicht bevor Ihr mir was erklärt habt!“

„Was soll ich Euch erklären?“, kam es prompt von Tenebrae, der äußerlich unberührt und kühl war, aber innerlich zitterte er. Nie hatte er sie so aufgebracht, so wütend zusehen. „Das wisst Ihr ganz genau. Warum habt Ihr die Illusion vor meinem Fenster verschwinden lassen?“, fragte sie und unterdrückte dabei die Frage, was die fehlende Rose betraf. Es reichte, wenn sie ihn nur auf diese Sache ansprach. Egal was es war, es würde ihr nicht gefallen. Tenebrae lehnte sich zurück, schwieg eine Minute und sein Blick schien ins Leere zugehen. Überlegte, was er ihr sagen konnte, um sie hart zutreffen und zu seiner eigenen Schande fiel ihm nichts ein. War er schon so weich geworden, dass er nicht mal solch eine Lappalie erledigen konnte?

Es musste so sein, denn er zuckte nur mit den Schultern. „Ich sah keinen Grund mehr, diese aufrecht zuhalten!“, erklärte er ruhig. Lumen schnappte nach Luft. Konnte und wollte nicht glauben, was sie da gehört hatte. Er sah keinen Grund mehr?

War er nicht darauf bedacht gewesen, dass sie sich wohlfühlte?

War das etwa kein Grund gewesen?

Was war nur in ihn gefahren, fragte sie sich wieder.

„Keinen Grund? Ihr habt diese Illusion doch heraufbeschworen, um mir eine Freude zumachen. Ist das kein Grund?“, fragte sie ihn und merkte, wie ihr aus Ärger geborener Mut langsam zuschwinden schien. „Ihr habt Euch doch daran erfreut. Lange Zeit genug, wie ich finde!“, bemerkte er und gab sich weiterhin ungerührt. Lumen schluckte und rang nun darum, ihren Mut nicht zuverlieren. „Ich dachte, Ihr wolltet dass ich mich wohlfühle?“, fragte sie und merkte, wie ihre Stimme zu zittern begann. Versuchte dabei immernoch festentschlossen auszusehen, wobei ihr Herz schmerlich in der Brust pochte. „Das will ich auch. Aber ich will auch, dass Ihr es nicht mit Euren Wünschen übertreibt. Dass Ihr seht, dass ich immernoch Herr hier in diesem Schloss bin!“

„Das weiss ich doch!“, kam es fast leise von ihr und sie senkte den Kopf. „Dann seht ein, dass auch meine Großzügigkeit Grenzen hat!“, erwiederte er daraufhin. „Nun setzt Euch!“

Lumen gehorchte. Es war wie er sagte. Er war der Herr und damit stand er über sie. Doch Lumen spürte, wie ihr Magen tobte und ihr Herz malzumal schmerzlicher schlug. Sie hatte gehofft, dass er die Illusion wieder aufleben lassen würde. Dass er nun sich indirekt dafür dagegen entschied, versetzte ihr einen Stich. Der Abend verlief im eisigen Schweigen und selbst ein Narr konnte sehen, dass die neue Kälte des Magiers die Prinzessin bekümmerte. Sie fast schon in ein tiefes Loch stürzte. Immer wenn sie den Magier anschaute und versuchte etwas in seinen Augen, die ihr oft gezeigt hatten, dass etwas in ihnen war, wie Leben, eben dieses wieder sehen. Sah es jedoch nicht. Und wenn, dann war es unter einer dicken Schicht aus Eis verborgen. Eine Schicht, die sie nicht aufbrechen konnte.

Ein schweres Schweigen lag die ganze Zeit über ihnen und die Prinzessin kämpfte bemüht darum, ebenso kühl zusein, wie der Magier, der in allerseelen Ruhe aß. Sie konnte es aber nicht. Umso erleichterter war sie, als der Magier das Mahl beendet hatte und Comitas rief, damit er sie auf ihr Zimmer bringen konnte. Noch bevor sie aber den Speisesaal verließ, drehte sie sich zu ihm herum. Doch Tenebrae saß nur da, und schaute in die Flammen. Wich damit ihrem Blick aus. Und wieder fragte sich Lumen, was in den Magier gefahren war.

Gerne hätte sie ihm eine gute Nacht gewünscht, doch sie ahnte, dass dies dem Magier kalt lassen würde. Wie so vieles.

So verließ sie ohne ein weiteres Wort den Speisesaal und schritt zu ihrem Zimmer.
 

Lumen verspürte nicht den Wunsch aus dem Bett zusteigen. Wenn der angebrochene Tag so wie der gestrige sein würde, wollte sie sich am liebsten in die Decken hüllen und niemals mehr hervorgekommen. Wieder einmal hatte sie es nicht geschafft dem Magier genug die Stirn zubieten, wie sie es wollte. Sondern sich wieder einmal von seinen Worte einschüchtern lassen. Aber wie könnte sie auch anders?

Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Und das machte sie zum einen wütend und auch verzweifelt. Wie kann sie ihn nur erreichen. Es muss doch eine Möglichkeit geben. Lumen grübelte und zerbrach sich ihren Kopf. Doch egal welche Lösung sie auch fand, sie musste nur an seinen kalten Blick denken, um diese wieder zuvergessen und mit jeder Minute und jedesmal wenn sie seine kalten Augen vor sich sah, wurde sie verzweifelter und ratloser. Mit einem resignierten Seufzer, richtete sie sich auf. Schaute aus dem Fenster. Von nun an, würde sie jeden Tag dieses Bild sehen. Ihr Magen verknotete sich bei diesem Gedanken.

Um nicht weiter daran zudenken, versuchte sie sich abzulenken. Ihr erster Gedanke war hoch in den Turm zugehen und auf der Harfe zuspielen. Mittlerweise kannte sie den Weg. Sie war selber erstaunt, wie einfach und gut sie sich hier auskannte. Aber vermutlich lebte sie hier schon lange genug, um es zuwissen.

Als sie vor der Tür stand, zögerte sie einen Moment. Konnte sie wirklich auf der Harfe spielen, ohne den Zorn des Magiers auf sich zuziehen?

Nach dem was gestern geschehen war, behagte es ihr nicht und ihre Vernunft sagte ihr, dass sie lieber umdrehen und von dem Turm hinabsteigen sollte.

Doch dann öffnete sie sie. Zum Teufel mit der Angst, dachte sie. Soll er doch vor Wut platzen.

Entschlossen machten sie den ersten schritt. Blieb jedoch wie erstarrt stehen, als sie sah, dass die Harfe nicht an ihrem angestammten Platz stand. Dort wo war sie war, war nun nur noch ein leerer Platz und Lumen merkte, wie erneut ihr Herz schwer wurde. Dass die Harfe nicht mehr da war, war auch ein Zeichen für die Leere in ihr und sie schluckte. Hatte der Magier die Harfe entfernen lassen, um ihr deutlich zumachen, dass es vorbei war mit seiner sanften Seite. Lumen konnte und wollte es nicht glauben. Und doch sah sie es. Mit einem schweren Seufzen drehte sie sich herum und stieg die Stufen hinunter. Quietschend fiel die Tür hinte rihr ins Schloss und der Laut, mit dem sie zufiel, klang engültig, wie der Tod.

Der Tag verging, zu ihrer Bestürzung schnell und schon bald fand sie sich wieder vor der Tür zum Speisesaal wieder. Am liebsten wäre sie davon gerannt, hätte sich in ihrem Zimmer eingesperrt. Aber dann hätte er erst recht geglaubt, dass sie sich vor ihm fürchtete und diese Genugtuung wollte sie ihm nicht gönnen.

Die Tür schwang auf. Und wieder begrüsste sie die Finterniss. Sie hätte sich eigentlich schon längst daran gewöhnen sollen. Doch die Finsterniss war diesesmal anders, als bisher. Lauernd und gefährlich, als sei sie ein Raubtier, dass sie zerreissen wollte. Dabei war das einzige Raubtier, was sich in diesem Raum befand, der Magier, der ruhig auf seinem Stuhl saß und sie erwartend anschaute. Lumen schluckte, ermahnte sich, ruhig zubleiben. Sagte sich, dass sie ihm nicht zeigen wollte, dass sie sich vor ihm fürchtete. So schritt sie hinein und wollte auf ihrem Stuhl platz nehmen, hätte ihr Blick nicht die Harfe gestreift, die vor dem Kamin stand und von dem blauen Licht der Flammen beschienen wurde. Zuerst war sie froh, sie hier zufinden. Sie hatte schon befürchtet, dass er die Harfe vernichtet hatte. Aber was für einen Grund hätte er gehabt. Die Harfe schien für ihn eine große Bedeutung zuhaben. Doch dann fragte sie sich, warum sie hier stand. Diese Harfe schien hier nicht so richtig zupassen. In diese Dunkelheit. Der Magier bemerkte ihren Blick und ihre Ratlosigkeit. „Wundert Ihr Euch, dass ich die Harfe hierher bringen ließ?“, fragte er dann und Lumen nickte. „Dabei solltet Ihr es Euch eigentlich denken!“

„Ihr wünscht, dass ich Euch auf der Harfe etwas spiele?“, fragte sie prompt und ließ den Blick auf der Harfe. Lumen mag zwar in manchen Dingen naiv sein, aber sie war nicht dumm. Und mochte die Harfe auch hier nicht so recht passen, ahnte sie dennoch, was er von ihr erwartete. „Das ist kein Wunsch!“, sagte er und seine Stimme war kalt wie Eis, sodass es Lumen einen Schlag versetzte. „Sondern ein Befehl!“

Befehl. Dieses Wort hallte tausendfach in ihrem Kopf wieder und wieder, wie ein Echo und zum ersten Mal wurde sie sich bewusst, dass sie mehr als nur Gast war. Sondern auch eine Gefangene, die abhängig von den Launen des Magiers war. Ein schrecklicher Gedanke, ging es ihr durch den Kopf. Dennoch nickte sie nur und ging zur Harfe. Wie eine willenlose Puppe. Setzte sich auf den kleinen Hocker und streckte die Finger nach den Saiten aus. Doch kaum, dass sie sie berührte, zuckte Lumen innerlich zusammen. Ein kurzer aber intensiver Schmerz durchzuckte ihre Finger, wie ein Stromschlag und jagte ihr kalter Schauer über den Rücken. Sie begann zu zittern und fragte sich, was das sollte. Irgendwas musste mit der Harfe passiert sein. Etwas, was nichts Gutes heisen konnte. Lumen sah die Harfe mit einem ängstlichen Blick an und wollte aufstehen. Von dieser Harfe sich entfernen, die nun nicht mehr das war, was sie mal war. Doch da erklang die Stimme des Magiers. „Spielt!“, befahl er und dieses eine Wort reichte aus, dass sie tat, was er wollte. Wie bei einem Bann. Oder viel mehr wie bei einem Fluch. Kaum dass sie saß, spürte sie einen schrecklichen Druck auf ihrem Kopf und ihren Schultern, als würde etwas unsichtbares sie auf dem Hocker festhalten wollen. Und damit nicht genug. Ohne es zuwollen streckte sie erneut die Finger aus und als sie die Saiten berührte, glaubte Lumen, sie würden sie schneiden. Sich tief in die Haut graben und brennende Schnitte hinterlassen. Lumen stiess einen Schmerzenslaut aus. Wollte aufhören, doch die Kraft, die sie festhielt, zwang sie weiter zuspielen. Die Melodie, die sie der Harfe entlockte war nicht die, die sie kannte. Sondern eine, die einem wahrlich Angstschauer über den Rücken laufen lassen konnte. Ihre Töne waren dunkel und düster. Erinnerte an die von Trauergeigen. Und mit jedem Akord wurde es immer schlimmer. Das Brennen in ihren Finger wurde unerträglich und Lumen biss sich auf die Unterlippe. Versuchte die Tränen, die ihr in die Augen traten, wegzudrücken. Sie hatte, obwohl sie diese schlimme Kraft festhielt, immernoch den Willen, den Kopf zudrehen und zum Magier zu blicken. Und auch wenn sie nichts sagen konnte, schrien ihre Augen förmlich warum.

Warum verlangte er von ihr, solch eine schreckliche Musik zuspielen?

Warum tat er das an?

Tenebrae sah sie nur an. Sah, wie sie litt und ihn anflehte aufzuhören. Würde ihre Sicherheit ihm nicht so sehr am Herzen liegen und wäre er grausam, dann hätte er sie davon erlöst. Hätte sie den Schatten zum Fraß vorgeworfen.

Doch dieser Schritt, diese Qual, die sie durch ihn erlitt, war nötig, um sie dazu zubringen ihn zu hassen. Ihm war es selber schwer gefallen, die Harfe mit einem Fluch zubelegen. Da diese zumal seiner geliebten, verstorbenen Mutter gehört hatte und es ihm zuwider war, diese für so einen grässlichen Zweck zu benutzen. Aber eine andere Möglichkeit war ihm nicht eingefallen und Tenebrae hoffte, dass das dies ausreichen würde. Immerhin liebte Lumen diese Harfe und hatte es immer irgendwie genossen, auf dieser zuspielen.

Jetzt wo die Harfe verflucht war und diese dumpfen und tiefen Töne sang, musste das schon allein für Lumen grauenvoll sein und das sich die Saiten wie scharfe Klingen an ihren weichen Fingern anfühlte. Musste dies noch schlimmer machen. Tenebrea beteten, dass es so war.

Lumens Hände schienen ihr nicht mehr zugehorchen. Nicht mal ein Teil von ihr zu sein. Sie bewegten sich über die Saiten, zupften sie und spielte immer intensiver. Lumen schrie innerlich auf. Ihre Stimme war wie verschwunden. Sie war nicht in der Lage, ihren Schmerz und ihre Angst laut kund zugeben. Es war als habe der dunkle Zauber, der auf der Harfe lag und ihre Finger steuerte, ich auch noch die Stimme geraubt zuhaben. Und ihr blieb nichts andere übrig, als weiterzuspielen. So wie es der Magier verlangt hatte. Fragte sich dabei immer wieder, was er nur mit ihr tat und warum. Ihre Vewirrung und Verzweiflung drehten sich im Kreis, wurden zu einem Strudel, der sich immer tiefer in ihre Selle schraubte und sie beinahe das Bewusstsein kostete. Sie glaubte, alles würde sich drehen und sie keuchte auf. Das Blut verschwand aus ihrem Gesicht und sie wurde leichenblass.

Irgendwann, es kam Lumen wie eine Ewigkeit vor, hörte es auf und sie sank in sich zusammen. Rang nach Luft. Ihre Hände und Finger fühlten sich taub an. Als sei kein Leben mehr in ihnen. Lumen sah sie sich an. Erwartete, dass sie unzähligen Schnitten bluteten. Doch nicht ein Kratzer war zusehen. Der Schmerz jedoch war klar und deutlich und ließ sie weinen.

Ihr ganzer Körper begann zu zittern wie Espenlaub und als sie wieder zum Magier sah, war er aufgestanden. Sah sie mit einem kalten, grausamen Blick an. „Von nun an werdet Ihr jeden Abend diese Musik spielen!“, sagte er und Lumen wäre am liebsten aufgesprungen und hätte laut aufgeschrien. Ihn angefleht dies nicht von ihr zuverlangen. Aber selbst jetzt, wo der Fluch von ihr genommen war, war ihre Stimme nichts weiter als ein heiseres Krächzen, was stossweise und unkontrolliert über ihre Lippen kam.
 

„Warum Ihr das tun? Was Ihr Euch nur dabei denken?“, fragte Comitas außer sich und lief nervös hinundher. Tenebrae saß nur im Sessel und schaute in die blauen Flammen. Er hatte damit gerechnet, dass sein getreuer Diener ihn diese und noch weitere Fragen stellte. Hatte sich auf die passenden Antworten zurecht gelegt, doch egal welche er ihm gab. Sie schien dem kleinen Hauskobold nicht reichen. „Ihr einen großen Fehler machen!“, schnauzte er. „Den einzigen Fehler, den ich gemacht habe war, sie zufordern und ihre Liebe gewonnen zuhaben!“, dachte und hütte sich diese Worte laut auszusprechen. „Misch dich nicht ein, Comitas. Dies ist meine eigene Angelegenheit!“, sagte er laut. Comitas blieb einige Minuten stocksteif stehen und sah seinen Herren mit einer Mischung aus Skepsis und Unglauben an. Eure eigene Angelegenheit, dachte er. Ihr Euch damit ins eigene Verderben stürzen werdet!

„Ich habe diesen Weg gewählt. Also werde ich ihn gehen!“, sagte er um diese Debatte zubeenden. Comitas glaubte, dass er damit seinen Fehler meinte, die Prinzessin zusich geholt zu haben. Dabei dachte Tenebrae jedoch an etwas ganz anderes. Etwas, was sein eigenes Herz verkrampfen ließ. „Geh!“, forderte er ihn auf und nur widerwillig folgte er dem Befehl seines Herrn.
 

*
 

In den darauffolgenden Abenden machte der Magier sein grausames Versprechen wahr. Jeden Abend zwang er Lumen auf der verfluchten Harfe zuspielen und zuleiden. Lumen glaubte, sich in einem schrecklichen Alptraum zufinden. Und jedesmal wurde dieser schlimmer, je schneller und je wilder ihre Finger über die Harfe glitten. Dem Willen des Magiers gehorchten und nicht den ihren. Irgendwann vermochte es Lumen nicht mehr zuertragen. Zu groß waren der Schmerz und die Verzweiflung, die sie umschlingen, wie eine Schlange, die ihr das Leben auspresste. Sie zitterte am ganzen Leib, als würde sie an einem schrecklichen Fieber leiden, während sie immer weiter spielte und die Saiten scharfe Schmerzen durch ihre Finger jagten. Wie kleine Blitze, die die Nerven lähmten und ihre Finger taub werden ließen. „Bitte…!“, flehte sie ihn an. „Hört auf. Nehmt diesen Fluch von mir!“, wimmerte sie. Der Magier sah sie nur an. Keine Regung in seinem Gesicht war zusehen. Als würde es ihn nicht interessieren. Aber dann machte einer mit der Hand eine wegwichende Bewegung und der Druck in ihrem Kopf verschwand. Dankbar keuchte sie auf und wollte vom Stulhl aufstehen. Doch ihre Knie waren zuschwach, als dass sie sie tragen konnte und sank zu Boden.

Schweratment und gegen die Tränen ankämpfend, stützte sie sich mit den Händen ab und zitterte. Wimmerte. Schaute dann flüchtig zu ihm und versuchte etwas wie Reue in seinem Gesicht zusehen. Doch das Gesicht des Magiers war eine ausdrucklose Maske.

Lumen hatte sich mittlerweile von der Hoffnung verabschiedet, dass alles vielleicht doch noch für kurze Zeit war. Dass dies eine seiner Launen war, die bald wieder verschwinden würde.

Dennoch schmerzte es sie.

„Warum quält Ihr mich? Warum seid Ihr nur so grausam?“, fragte sie gepresst, als sie sich beruhgt und von dieser Qual erholt hatte.

„Ich soll grausam sein?“, fragte er vorwurfsvoll und erhob sich von seinem Stuhl. Schritt langsam, wie ein lauernder Wolf, der sich heranpirschte und blieb dann stehen. Lumen blickte, bei seiner Frage hinauf und schauderte, als sich ihre Blicke trafen. Nie hatte solch eine Kälte in seinen Augen gesehen. Und es kostete sie alle Kraft zunicken. Für sie war er grausam. Weil er sie dazuzwang auf dieser grässlichen Harfe zuspielen. Weil er ihr alles genommen hatte, was sie hatte und fragte sich, was noch kommen würde. Lumen antwortete auf diese Frage nicht. Denn egal was sie sagte, es würde nichts bringen. „Was wisst Ihr denn schon? Was wisst Ihr, was grausam ist?“, waren seine harten Worte und ließen sie zu Eis erstarren. Lumens Antwort wäre gewesen, dass sie das, was er tat für grausam hielt. Dass sie einfach nicht verstand, was er sich dabei dachte. Doch sie brachte einfach nicht den Mut auf, diese auszusprechen. „Ich war bisher immer gut zu Euch. Habe Euch mit Geschenken verwöhnt!“, sagte er. „Nun liegt es an Euch!“

Lumen schauderte, als er dies sagte und schaute wieder auf. „Was…was meint Ihr damit?“, fragte sie und mochte sich nicht vorstellen, was er darauf antworten würde. „Dass Ihr Eure Schuld bei mir begleicht!“, kam prompt seine Antwort und Lumen kamen die schlimmsten Vorahnungen in den Sinn. Beinahe wollte sie schon den Kopf schütteln und nein rufen. Hielt sich aber noch im rechten Moment zurück. „Habt Ihr geglaubt, dass ich das alles aus reiner Freundlichkeit tue?“, fragte er und Lumen war kurz davor laut zuschreien. Ja. Sie hatte es wirklich geglaubt. Weil sie daran glauben wollte. Aber nun wurden ihre Hoffnung, ihr Glaube zunichte gemacht. Kraftlos und vorallem verzweifelt, senkte sie den Kopf. Der Magier sah dies als ein Zeichen ihrer Kapitulation. „Dann wäre das geklärt!“, sagte er knapp. Nichts ist geklärt, dachte sie.

„Bitte. Ich möchte nicht weiterhin auf dieser Harfe spielen!“, bat sie ihn nachdrücklich und hoffte, diese eine Bitte würde er ihr noch gewähren. Tenebrae sagte erstmal nichts. Schien alles abzuwägen. „Gut. Auf der Harfe braucht Ihr nicht mehr spielen!“, sagte er. Und Lumen wollte schon erleichtert aufatmen, doch sogleich sagte er:„ Aber dafür werdet Ihr nächsten Abend in mein Gemach kommen!“

In Lumen krampfte sich alles zusammen, als sie das hörte. Sie brauchte nicht lange darüber nachzudenken, was er mit dieser Forderung bezweckte. Panisch schüttelte sie den Kopf. „Nein, dass…das könnt Ihr nicht von mir verlangen!“, stiess sie hervor. „Kann ich nicht?“, fragte er und seine Stimme klang lauernd. Er beugte sich über sie, sodass sein Gesicht nahe an ihrem war und seine darauffolgenden Worte waren scheidend wie Stahl. „Ihr habt ja keine Ahnung, was ich noch alles machen kann!“

Ihr wurde in diesem Augenblick übel, als sie das hörte und ihr erster Impuls war, ihn zuschlagen. Bisher hatte er sich zurückgehalten. Hatte ihr versichert, dass er ihr nichts tun würde. Doch nun schien er dieses Verspechen brechen zuwollen.

Warum jetzt, fragte sie sich. Warum tat er das jetzt?

Er hätte es schon die ganze Zeit brechen können.

Warum hatte er also solange gewartet?

Was hatte sie getan?

Lumen verstand es einfach nicht. „Sagt mir, warum Ihr gerade jetzt sowas von mir verlangt!“, fragte sie, weil sie nicht aufgeben und vorallem es nicht wahrhaben wollte. Die ganze Zeit über hatte er sie behandelt, wie einen Gast. Mehr noch. Wie eine Herrin. Und auch wenn sie wusste, dass seine Großzügigkeit einmal einen Preis haben würde, hatte sie nicht geglaubt, dass dieser so hoch und schrecklich sein würde. Dass sie dies nicht wahrhaben wollte, anstatt zuakzeptieren umso mehr. War doch noch etwas wie ein Funken von Widerstand in ihr?

Tenebrae schaute sie nur an, sagte nichts. Ihre Frage war mehr als berechtigt. Dass sie seine Wandlung nicht verstand, war nur verständlich und dass diese sich damit nicht abfinden wollte, ebenso. Sie will allen ernstes an das Gute in mir glauben, dachte er bitter. Wieso nur?

„Ich habe meine Gründe. Ihr habt lange genug von meiner Gastfreundschaft profitiert und es wird Zeit, dass ich nun etwas von Euch zurückbekomme!“, waren seine Worte und wandte sich zum Gehen. Doch bevor er ging, drehte er sich nocheinmal um und sagte, wie als wäre es eine Warnung:„ Kommt nächsten Abend in mein Gemach. Ich erwarte Euch!“

Dann war er verschwunden. Darauf kam Comitas und brachte die Prinzessin auf ihr Zimmer Keiner der beiden sagte ein Wort.

Und kaum das Lumen sich ausgezogen und ins Bett gelegt hatte, konnte sie ihre Tränen nicht zurückhalten.
 

Wieder einmal konfrontierte Comitas seinen Herren mit den Bedenken, die er hatte und auch mit der Wut, die das plötzlich herzlose Handeln des Magiers strafte. Doch Tenebrae überhörte diese, auch wenn es ihm schwerfiel. Er war sich bewusst, dass das ein Fehler war. Dass er alles zerstörte, was zwischen ihnen war. Und was er sich selber erträumt hatte. Doch um sie zuschützen, musste er dies tun. „Ich kann dir nur einmal sagen, dass du dich nicht da einmischen sollst, Comitas. Ich habe meine Gründe und die musst du akzeptieren!“, sagte er. „So wie meine anderen Entscheidungen und Befehle!“

Comitas schnaubte. Es hatte keinen Sinn weiterhin zuversuchen seinen Herren ins Gewissen und ihm diese Idee auszureden. „Mir es nicht leicht fallen. Ich nur hoffen kann, dass Ihr wissen was ihr tut!“, sagte er nachdrücklich und verließ dann seinen Herren. Tenebrae sah ihm nach. Und ob er es wusste. Nur war er sich nicht ganz so sicher, ob er es auch wirklich wissen wollte.
 

Hätte es in ihrer Macht gestanden, so hätte sie den Abend verzögert und zwar solange, bis sie sich etwas hätte einfallen können, um das was kommen würde, zuverhindern. Doch der Abend kam und mit dem Abend die Angst vor dem, was unweigerlich kommen würde. Dies wurde nicht besser, als sie feststellen musste, dass nicht Comitas, sondern einer seiner Brüder, ein miesepetriger Gnom mit einer scharfen Hackennase, vor der Tür stand und ihr ein Nachthemd überreichte. „Der Herr wollen, dass Ihr das tragt!“, knurrte er und Lumen nahm, wenn auch etwas verwirrt das Nachthemd an sich. Sie hatte doch eines. Warum also gab er ein neues. So alt war es auch nicht. Fast schon wollte sie es dem Gnom wieder geben, doch die nächsten Worte von ihm ließen ihn innehalten:„ Er es Euch befehlen!“

Lumen schluckte und nahm es doch an sich. „Ich hier drauße warten werde auf Euch!“, erklärte er und schloss daraufhin die Tür. Lumen zögerte und sah unschlüssig das Nachthemd an. Sollte sie es wirklich wagen und sich weigern das Nachthemd zutragen.

Aber was würde dann passieren?

Lumen fürchtete sich vielzusehr, als genauer darüber nachzudenken und entschloss sich, es zutragen. Was konnte es schon schaden, dachte sie sich und zog sich aus, um in das Nachthemd zuschlüpfen. Doch als sie in den Spiegel schaute, war ihr alles andere als wohl zumute. Während ihr altes Nachthemd ihr bis zu den Knöcheln reichte und ihre Schultern bedeckte, war dieses nur so lang, dass es kurz über ihren Knieen endete und an feinen Schnürren über ihrem Leib hing. Ebenso wurde es von Schnürren über ihrer Brust zusammengehalten. Ein dicker Knoten bildete sich in ihrem Hals.

So sollte sie zum Magier gehen?

Schamesröte stieg in ihr Gesicht, als sie daran denken musste, dass Magier sie so zusehen bekam. Und das sicherlich nicht ohne Grund. Ihr wurde wieder schlecht bei dem Gedanken, was er vorhatte. Würde er wirklich soweit gehen, fragte sie sich und begann zuzittern. Sie kannte die Antwort. Wenn er sie schon dazuzwang auf einer verfluchten Harfe zuspielen, Abend für Abend, dann auch sicherlich zu sowas.

Nein, dass darf nicht wahrsein, dachte sie und schüttelte den Kopf. Da ließ ein gereiztes Klopfen sie hochschrecken. Hörte von draußen den Gnom wirsch rufen:„ Ihr fertig seien. Dann kommen!“

„Nein, ich komme nicht!“, wollte sie schon am liebsten schreien. Aber dann erinnerte sie sich an die Kraft des Magiers und das es ein leichtes für ihn war, sie dazu zwingen, die Harfe zuspielen. Er würde sicherlich auch diesesmal davon Gebrauch machen. Da hat es keinen Sinn, sich querzustellen. So versuchte sie sich Mut zumachen und öffnete die Tür. Der Gnom, der mürrisch dreinblickte und etwas vor sich hinmurmelte, brachte sie zu dem Schlafgemach des Herrn und klopfte kurz an. Als der Magier sie hereinbat, öffnete er die Tür und Lumen trat ein. Wie immer herrschte in diesem Raum Dunkelheit. Nur das Kaminfeuer, was brannte, spendete Licht. Doch das reichte aus, um den Magier zusehen, der auf dem Bett saß und sie mit einem Blick ansah, in dem dunkle Begierde lag. Noch hinzu kam, dass er kein Hemd trug. Nur seine schwarze Hose. „Ihr seid spät, Prinzessin!“, sagte er vorwurfsvoll und Lumen biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten wäre ich gar nicht hier, ging es ihr durch den Kopf. Tenebrae besah sich die Prinzessin eingehend. Er musste zugeben, dass dieses Nachthemd an ihr seinen Reiz hatte. Doch als er daran dachte, zuwas es diente, schob er diesen Gedanken zurück. „Kommt näher!“, sagte er und in seinen Worten klang deutlich ein Befehl mit. Lumen unterdrückte ein hecktisches Kopfschütteln. Sie sträubte sich innerlich und wollte dort stehen bleiben, wo sie war. Doch sie fürchtete auch wieder diesen Druck in ihrem Kopf spüren zumüssen, der sie nahe einer Ohnmacht brachte. Aber nichts passierte. Noch nicht.

Lumen schluckte, weil sie sich sehr gut vorstellen konnte, dass er sie mit dem Bann belegen würde, wenn sie nicht horschte. Also folgte sie seinem Befehl, weil sie es nicht darauf ankommen lassen wollte und ging zum Magier. Blieb dann vor ihm stehen. Schaute zu Boden. Ihr ganzer Körper begann zu zittern.

Sie kam sich vor, wie ein Menschenopfer, dass schon bald sein Leben zu Gunsten eines dunklen Gottes aushauchen würde.

Tenebrae spürte ihre Angst und versuchte diese auszukosten. Beugte sich dann vor. Langsam. Strich mit seinen Händen über ihre Arme. Ergriff diese und zog sie näher an sich heran. Umschling ihre Hüfte, sodass sie sich nicht losmachen konnte. Ließ seine Nasenspitze dicht über ihren Bauch gleiten. Zeichnet damit sanfte Linien und Kreise und sog ihren Duft ein und gab ein wohliges Knurren von sich. Wie herrliche sie duftet, dachte er und lächelte heimlich. Lumen hätte am liebsten entsetzt aufgekeucht, als er sie an sich presste. Damit hatte er ihr gezeigt, dass er keine Rücksicht auf sie nehmen würde. Dass er sich das holen würde, was ihm gebührte. Ihr wurde speiübel bei diesem Gedanken und sie legte ihre Hände an seine Schultern, stemmte sich dagegen und sie wollte sich von ihm losreissen. Da schaute der Magier auf und seine Augen funkelten sie gefährlich an. „Habt Ihr vergessen, Prinzessin, dass es nun an Euch ist, mir einen Wunsch zuerfüllen?“, knurrte er. Sofort konnte sie sich nicht rühren, geschweige den einen Laut von sich geben. Wunsch, was ist das für ein Wunsch, wenn Ihr Euch an mich vergehen wollt, schrie es in ihrem Inneren, doch sie wagte es nicht, diese Frage laut auszusprechen. Zu groß war das Entsetzen über das, was der Magier tat. Und er schien noch viel weitergehen zuwollen. Denn als sie ihre Hände von seinen Schultern wieder nahm, er zog sie, mit einem dunklen Lächeln aufs Bett, noch bevor Lumen etwas dagegen tun konnte und legte sich mit der Geschmeidigkeit eines Raubtieres über sie. Sah sie mit vor Verlangenverschleierten Augen an. Lumens Blick war hingegen starr und voller Angst an die Decke gerichtet. Das Zittern nahm immer mehr zu bis sie glaubte, das Bett würde mitzittern und sie kämpfte dagegen an, laut aufzuschreien. Nichs desto trotz das sie sich fürchtete, hatte sie auch etwas wie Trotz in sich. Und dieser sorgte für einen abstrussen Gedanken. Wenn sie jetzt Schwäche zeigte und schrie, so glaubte sie, würde das den Magier noch mehr anstacheln. Sie kannte zwar nicht genug Männer und war immer in dem guten Glauben, dass jeder Mensch etwas wie Moral in sich hatte, aber sie wusste auch irgendwie, dass er auch etwas Verdorbenes in sich hatte. Und dieses Etwas trat nun ans Tageslicht.

Der Magier schien sich daran nicht zustören. Im Gegenteil. Er schien es zu geniessen!

Legte seine Hand auf ihren Innenschenkel. Lumen zuckte sammen, als sie seine kalte Hand auf ihrer Haut spürte. Kurz sah der Magier sie an. Wartete. Schien in ihrem Gesicht nach einer Reaktion zusuchen. Doch da Lumen ihn nicht direkt ansah, sondern zur Decke starrte, sah er dies nicht und ließ dann die Hand hinauf wandern. Immer weiter, bis sie mit den Finger zuerst unter dem Saum ihres Nachthemds verschwanden. Lumen schauderte. Biss sich auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen. Wandte dann den Kopf ab. Sie wollte nicht sehen, wie er weiter mit seiner Hand über ihren Körper strich. Es reichte schon, wenn sie es spürte.

Tenebrae bemerkte, wie die Prinzessin wegschaute und versuchte, seine Berührungen so gut wie es ging zu ignorieren. Auch wenn es ihn irgendwie freute, dass es sie erschreckte, sie anwiderte, ärgerte es ihn dennoch. All die ganze Zeit hatte er ihr das gegeben, was sie sich wünschte. Was ihr Herz erfreuen könnte. Doch jetzt, wo er etwas als Gegenleistung haben wollte, verweigerte sie es ihm. So als stünde es ihm nicht zu. Sowas undankbares, dachte er grollend. Machte sich an den Schnürren zuschaffen, die das Nachthemd zusammenhielten. Er drängte all seine Reue und Zweifel zurück. Was kümmerte es ihn schon, wenn sie sich wehrte und sich vor ihm ekelte. Wenn er dafür bekam, was ihm gehörte.

Langsam zog er an den Schnürren und schob dann erst die eine Seite, dann die andere ihres Nachthemdes beiseite und entblöste dabei ihre nackte Brust, die sich zitternt hob und senkte. Welch ein Anblick, dachte er lüsternt. Die dunkle Begierde, die in jedem Menschen und in jedem Mensch schlummerte, erwachte nun vollends zum Leben und brüllte begierig auf.

Und Tenebrae folgte diesem Brüllen.

Beugte sich nach unten und hauchte ihr einen Kuss auf die Haut, in das Tal zwischen ihren Brüsten. Lumen zuckte dabei noch heftiger zusammen und das Verlangen, aufzuspringen und davon zulaufen, wurde übermächtig. Ihr Körper allerdings schien ganz im Griff des Magiers zusein. Und so konnte sie nicht anders tun, als dazuliegen und es zu zulassen. Sich seinem Willen zuunterwerfen. Lumen wünschte sich an einen anderen Ort. Fort von hier. Schon beinahe begann sie zu weinen, weil sie es hasste, sich so hilflos zufühlen. „Ihr seid wunderschön!“, raunte er gegen ihre Haut und sie spürte jeden seiner heissen Atemzüge. Ein Schauern ging ihr durch den Leib. In ihrem Kopf hörte sie seine Worte immer wieder und auch ihre eigene Stimme. „Lügner!“, schrie sie innerlich und bäumte sich instinktiv unter ihm auf. Wollte es versuchen. Eigentlich hätte diese Worte sie beruhigen sollen. Doch das taten sie nicht. Mit dem was er tat, machte er ihr deutlich, dass er nie etwas Gutes im Sinn mit ihr hatte. Lumen presste die Lippen zusammen, um ein Schluchzen zuunterdrücken.

Sie fragte sich erneut, warum er ihr das antat?

Angst, vor dem was er bereit war zu tun und Verwirrung lähmten sie wie ein Gift. Sorgten dafür, dass sie sich nun nicht mehr gänzlich rühren konnte. Nichtmal Luft zuholen wagte sie. Sie blieb einfach nur liegen. Ließ es über sich ergehen. Doch ihr Körper konnte nicht ganz verbergen, wie es in ihr aussah. Eine Träne rann ihr über die Wange. Stumm. Ohne dass man es bemerken konnte. Tenebrae tat es jedoch. Er hielt inne, als er fühlte, wie ihr Körper zu beben begann und schaute auf sie nieder. Sah die Spur der einen Träne und mit einem Male musste er erkennen, dass er zuweit gegangen war. Erkannte was er gerade tun wollte. Und Ekel und Wut über sich selber erfasste ihn. Mit einer ruckartigen Bewegung, drehte er sich um. Wandte ihr den Rücken zu.

Für heute Abend war es genug.

„Geht, Prinzessin!“, sagte er. Seine Stimme war brüchtig und war die eines alten Mannes. Lumen, sichtlich erstaunt aber auch froh darüber, dass der Magier von ihr abließ, richtete sich auf. „Was?“, kam es ihr über die Lippen und dieses Wor war aus reiner Verwrriung geboren. „Ich sagte, dass Ihr gehen sollt!“, fauchte er und Lumen schluckte. Eiligst flochte sie dann die Schnürre ihres Nachthemdes zusammen und lief zur Tür. Noch bevor sie aus dem Zimmer war, sah sie zum letzten Mal zum Magier. Dann ging sie. Erleichtert dass es vorbei war.
 

Als die Prinzessin draußen war, begann sich der Magier zufragen, was er sich nur gedacht hatte. Er hatte vorgehabt sie dazu zubringen, ihn zuhassen. Er hatte gehofft, dass wenn er sie dazu zwang, mit ihm diese Nacht zuverbringen, würden ihre Gefühle, die er deutlich in ihren Augen sah, verschwinden. Sodass nur eine Gefühl da war, mit dem er vermutlich besser leben konnte. Hass!

Doch als er gesehen hatte, wie sie begann zu weinen und ihn angesehen hatte, hatte er feststellen müssen, dass er zuweit gegangen war. Was hatte er sich nur dabei gedacht?

Er hätte es besser wissen müssen.

Ein leises Rascheln holte ihn aus seinen Grübeleien und bevor er nachschauen konnte, wer da war, spürte er eine zierliche Hand über seinen nackten Rücken gleiten und hörte eine Stimme, dicht an seinem Ohr:„ Wollt Ihr nicht mit mir vorlieb nehmen?“

Tenebraes Gesicht verfinsterte sich, als er sie erkannte. Fallacia?

Sie war wirklich die Letzte, die er bei sich haben wollte. Von berühren lassen, ganz zuschweigen. Steif und mit düsterer Miene saß er da und biss sich auf die Unterlippe, bis er Blut schmeckte. „Ich bin sicherlich viel fügsamer, als die Prinzessin!“, säußelte sie und glitt mit der Hand vom Rücken, über seine Seite und hinauf zu seiner Brust. Strich lockend darüber. Bei einem anderen Mann hätte die Berührung wahre Lust entfacht, so wie sie darüber strich und versuchte ihren Herrn zu umgarnen. Doch Tenebrae ließ das kalt.

Es widerte ihn sogar an und machte ihn wütend, dass sie sich die Frechheit nahm, ihn zu berühren und ihn zu etweas zubringen, was niemals passieren würde. Der Magier holte tief Luft, ballte die Hände zu Fäusten bis die Knöchel weiss wurden. Versuchte die Berührungen seiner Dienerin nicht zubeachten. Doch als sie es wagte, ihm einen Kuss auf den Hals zuhauchen, konnte er nicht mehr an sich halten. Mit einem Wutschrei, drehte er sich um, entriss sich ihrer Umarmung und rammte ihr gleichzeitig seine Faust ins Gesicht der Schönen. Fallacia stiess einen schrillen Schmerzensschrei aus und fiel vom Bett. Hielt sich ihr Gesicht und blickte ihren Meister ungläubig an. Versuchte sich sogleich bei ihm zu entschuldigen. Doch Tenebrae wollte davon nichts hören. „ Mach das du wegkommst, oder…!“, drohte Tenebrae und ließ eine dunkle Welle hinter sich auftürmen. Fallacia verstand und eilte, gebückt, das Schlafgemach.
 

Den ganzen Tag über machte sich Lumen ihre Gedanken, über das was gestern Nacht beinahe geschehen war. Sie war im ersten Moment erleichtert gewesen, dass er sich von ihr zurück zog. Hatte sich aber dann doch gefragt, was das alles sollte.

Erst holte er sie zu sich ins Bett. Wollte sie sich nehmen. Sie hatte es deutlich in seinen Augen gesehen. Und danh hatte er sie weggeschickt.

Auch wenn sie froh, dass er sich am Ende doch noch zurückgehalten hattem, begriff sie es nicht. Sie hatte es ihm irgendwie zugtreut. In den letzten Tagen hatte er ihr deutlich die kalte Schulter gezeigt und Dinge von ihr verlangt, an die er zu anfang bestimmt nicht hatte.

Aber was hätte er davon?

All sein ganzes Streben hatte er doch darauf ausgelegt, dass sie sich wohlfühlte. Das ergab doch keinen Sinn.

Ach was zerbrach sie sich den Kopf. Egal wie sehr sie darüber auch nachdachte, versuchte eine Lösung darauf zufinden, es würde nichts bringen. Es gab so viele widersprüchliche Dinge, die nicht zusammen passen wollten. Nachdenklich und bekümmert stand sie am Fenster und spielte dabei geistesabwesend mit dem Ring an ihrem Finger. „Was soll ich nur tun?“, fragte sie sich dann nach einer Weile und schaute zum Ring hinunter. Trotz des dämmrigen Lichtes, schimmerte der grüne Smaragd in der Fassung. Fast so als wollte er ihr mit ihr sprechen. „Sag mir bitte, was ich tun soll!“, bat sie ihn und schaute weiterhin auf ihn hinunter. „Sprich mit ihm!“, flüsterte plötzlich eine Stimme und sie zuckte zusammen. Entgeistert schaute Lumen den Ring an ihrem Finger an, hob die Hand und legte dann den Kopf schief, sodass der Ring an ihrem Ohr war. Hatte sie sich jetzt was eingebildet, oder hatte sie wirklich eine Stimme gehört?

„Was…?“, flüsterte sie und hoffte so, dass der Ring nochmal antworten konnte. „Sprich mit ihm!“, wiederholte der Ring und sie machte einen Schritt zurück.

Nein, das hatte sie sich nicht eingebildet. Der Ring hatte gesprochen!

Aber wie war das möglich?

Und was sie noch mehr verwirrte war, dass sie mit ihm reden sollte. Würde er ihr denn zuhören?

„Du wirst es nie erfahren, wenn du es nichts wagst!“, ertönte die Stimme, die bisher immer die Entscheidungen getroffen hatten, die aus ihrem Herzen kamen. Warum also sollte sie auch diesesmal nicht auf sie hören. Weil sie sich fürchtete erneut abgewiesen zuwerden, gab sie sich selber darauf die Antwort. Aber vielleicht würde es diesesmal anders sein, machte sie sich die Hoffnung. Es gab nur einen Weg das heraus zufinden.

Wenige Minuten später stand sie vor der Tür und klopfte an. Während sie wartete, dass er sie hereinbitten würde, überlegte sie sich, wie sie am besten anfangen sollte. Es würde nicht leicht werden, dass wusste sie. Aber sie musste es versuchen. Als dann die Tür aufschwang trat sie ein und sah den Magier, der vor dem Kamin stand. Sein Gesicht lag im Dunkeln, während das Licht des Feuers seinen Körperumriss scharf von der üblichen Dunkelheit um ihn herum abhob. Lumen fühlte nun wieder die gewohnte Nervösität von ihr Besitz ergreifen und ihre Knie begannen zu zittern. Ihr Verstand sagte augenbklicklich, dass sie lieber davon laufen sollte. Aber ihr Herz sagte, dass sie es niemals erfahren würde, wenn sie nicht den Versuch machte und über ihren Schatten sprang. „Ich…ich muss mit Euch sprechen!“, sagte sie und trat ein. Verschte dabei selbstsicher zuwirken, wenn es nur nicht so dunkel wäre und er sie anschaute, als hätte sie ihn bei etwas gestört. Lumen verfluchte diese Finsterniss und wünschte sich eine Kerze dabei zu haben, um immerhin etwas Licht zu haben. „Über was denn?“, fragte der Magier und legte den Kopf schief. Lumen biss sich kurz auf die Lippe, dann holte sie tief Luft, während sie auf ihn zuging und dann dicht vor ihm stehen blieb. „Über das, was gestern vorgefallen ist!“, erklärte sie knapp und der Magier drehte sich abrupt um. Zeigte ihr damit deutlich die kalte Schulter. „Was gestern war, ist längst vergangen. Nicht mehr wichtig!“, sagte er ungerührt und versuchte es selber zu glauben. Doch es belastete ihn genaso, wie es der Prinzessin zu denken gab und er wäre am liebsten im Boden versunken. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie sich daraüber Gedanken machte. Und auch wenn der Magier irgendwie dankbar war, dass sie ihn damit konfrontiterte, hätte er diesen Moment am liebsten noch etwas weiterhinaus gezögert, bis er sich was überlegt hatte, wie es weiter ging. Nun aber stand die Prinzessin hinter ihm und wollte wissen, was nun Sache war. Und das war ihr gutes Recht.

Lumen schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht vergangen und unwichtig. Sondern ein Grund um endlich zuerfahren, was er wirklich wollte. So ergriff sie seinen Arm. „Nein, das ist es nicht. Sagt mir, was Ihr Euch dabei gedacht habt. Was Euch dazu getrieben hat und warum Ihr es beendet habt?“, verlangte sie zuwissen. Es spurdelte einfach so aus ihr heraus. Ihr Herz hatte nun die Oberhand gewonnen und die Vernunft niedergerungen. Zuerst war sie selber über ihre Worte erstaunt, aber auch erleichtert, dass sie endlich ausgesprochen hatte. Der Magier rührte sich nicht, hatte ihren Worten gelauscht und musste den Drang unterdrücken, sich um zudrehen und ihr alles zu beichten. Aber ihre Hand abschütteln konnte er auch nicht. In dieser Geste lag soviel Flehen und Hilflosigkeit, dass er es nicht fertigbrachte. Schon zusehr hatte sie sein Herz erobert. „Seid froh, dass ich es beendet habe. Ich habe ja gesehen, dass Ihr es nicht wolltet. Euer Gesicht und Eure Tränen waren mehr als deutlich!“, sagte er und seine Stimme begann zu zittern. Lumen biss sich auf die Unterlippe. „Da habt Ihr Recht. Ich habe mich gefrüchtet und wäre am liebsten vor Euch weggelaufen. Aber dann…!“, wollte sie sagen, da drehte sich der Magier um und sah sie mit einem fragenden Blick an. „Aber?“

„Aber dann habe ich…gespürt, dass Ihr…das ihr das nicht selber wolltet!“, kam es aus ihr, auch wenn sie selber nicht wusste, wie sie auf so einen Schwachsinn kam. Doch Lumen wollte nicht weiter darüber nachdenken. Tenebrae hob die Brauen. „Wie kommt Ihr denn darauf?“, war seine Frage, womit er bestätigte, dass ihre Worte dumm gewählt waren. Lumen schaute ihn nur flüchtig an, dann schaute sie wieder zu Boden und suchte nach einer Möglichkeit sich aus dieser Sackgasse rauszureden. „Ich…Ihr hättet weitermachen können. Hättet mich ausgelacht und mich mit Gewalt nehmen können, so wie Ihr es vermutlich auch vorgehabt hatte. Habt Ihr aber nicht. Ihr hättet mich für meine Hoffnung, dass Ihr mir nichts tun würdet, bestrafen können, wenn Ihr wirklich so grausam gewesen wärt. Das habt Ihr aber auch nicht!“, sagte sie und mit jedem Satz, den sie aussprach wuchs in ihr neuer Mut und hob dabei den Blick, bis sie ihn ansah. „Und außerdem, habt Ihr mir versprochen, dass Ihr mir niemals was tun würdet. Dass Ihr mich fortgeschickt habt, beweist, dass Ihr nie im Sinn hattet, mich Euch zu unterwerfen!“

Dann folgte eine lange Pause und Lumen holte tief Luft, um ihren Gedanken zuvollenden. „Ihr habt immer Euer Wort gehalten. Habt mir nie etwas angetan. Warum solltet Ihr das also jetzt ändern?“, fragte sie. „Das passt nicht zu Euch!“

Tenebrae sah sie für einige Minuten an und musste innerlich staunen über ihren plötzlichen Mut und ihren Scharfsinn. Sie hatte Recht. Er hatte es nie im Sinn gehabt. Zumindest nicht so weit zugehen. Ihr nur ein wenig Angst machen. Nun aber erkannte er, dass er sie unterschätzt hatte. Wo er zu anfang dachte, dass sie ein Kind sei, welches naiv und ängstlich war, stand nun eine Frau, die es besser wusste, Die in ihn hineinsehen konnte, wenn sie es nur wirklich wollte. Und das machte ihm etwas Angst. War er so vorhersehbar geworden?

„Woher wollt Ihr das wissen. Ich könnte Euch auch etwas vormachen!“, erwiderte er, gespannt auf ihre Antwort. Er hegte die leise Hoffnung, dass sie nun einknicken und vor sich hinstammeln würde. Doch nichts dergleichen passierte. Lumens Augen nahmen einen seltsamen ernsten und wissenden Blick an. „Das stimmt. Das könntet Ihr. Aber das würdet Ihr nie tun. Ich…ich vertraue darauf. Ich vertraue Euch!“

„Und was wenn Euch Euer Vertrauen den Kopf kosten könnte?“, fragte er und beugte sich dabei zu ihr hinunter. Ihm war bewusst, dass er das unvermeintliche herausforderte und auch wenn er es nicht wollte, konnte er nicht anders. Er wollte es wissen.

Lumen wiederstand dabei einen Schritt zurück zumachen. Blieb stehen. Wenn sie jetzt kleinbeigab, würde sie nicht nochmal den Mut finden und ihm die Stirn bieten können. „Selbst wenn es mich den Kopf kostet. Ich fürchte den Tod nicht. Nicht mehr!“

„Ihr wärt also bereit jeden Preis zuzahlen?“

Als der Magier das sagte, holte sie erstmal tief Luft. War sie wirklich bereit dazu?

Doch ihr Herz kannte bereits die Antwort. Und zu dieser stand sie.

„Ja. Ja, das wäre ich. Mir wäre alles gleich. Wenn ich nur…wenn ich nur bei Euch sein darf!“

Die Augen des Magiers wurden groß. Wäre er nicht selber erstaunt über ihre Worte, hätte er darüber gelächelt. Hätte ihre, so dachte er, aus reiner Verzweiflung, ausgeprochenen Worte verhöhnt. Doch als er ihr in die Augen sah, wusste er, dass sie es ernst meinte. Ein Zittern ging durch ihn durch und er war es nun, der schwankte und kaum den Mut aufbrachte, die nächste Frage zustellen. „Warum nehmt Ihr ein solch großes Wagnis auf Euch?“

„Weil ich…weil ich Euch liebe!“, brachte sie hervor, wobei sie erst gezögert hatte. Aber wenn sie es jetzt nicht aussprach, würde sie das niemals aussprechen.

Lumen sah, wie sich die Augen des Magiers noch mehr weiteten und er den Mund öffnete, um etwas zusagen. Nein, schrie sie innerlich, weil sie fürchtete, dass er ihr Geständnniss nicht hören wollte. Noch bevor eine Silbe über seine Lippen kam, machte sie eine Satz nachvorne, schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte ihm ihre Lippen auf die seinen. „Ich liebe Euch!“, brachte sie noch hervor, ehe sie ihn küsste.

In den Magier begann ein Sturm von unterschiedlichen Gefühlen zutoben, als er diese Worte aus dem Munde der Prinzessin hörte. Weil ich Euch liebe!

Tauendfach hallte diese eine Satz durch seinen Kopf. Freude, Erleichterung, aber auch Angst. Er wusste beim besten Willen nicht, was er darauf sagen sollte. Geschweige denn wie er reagieren sollte. Tausend Stimmen drängten ihn, sie zu umarmen und ihren Kuss zuerwidern.

Was sprach auch dagegen. Er wollte es ebenso wie sie. Wollte sie ebenso spüren und berühren dürfen. Schjon vorher hatte er sie geküsst und sie in seine Arme geschlossen. Es war nichts Verbotenes. Sondern nur natürlich. Was wäre also falsch daran?

Wie zur Antwort hörte er das Whispern der Schatten, die er schon in der Bibliothek gehört hatte, als er sie das erstmal bewusst geküsst hatte und fort an immer hörte. Ihn mit ihrer Boshaft dafür sorgten, dass er sich zu fürchten begann. Sich fürchtete, dass sie der Prinzessin das Leben raubten. Nur deswegen hatte er sich dazu entschlossen, sich ihr gegenüber grausam zuverhalten. Nun aber schien dies alles zunischte gemacht worden zusein.

Tenebrae war versucht, den Kuss zuerwidern. Zwang sich jedoch sich zurück zuhalten. Sanft schob er sie von sich. Er musste nachdenken. Nach einer richtigen Lösung suchen.

„Was…?“, fragte sie und ihr Gesicht spiegelte Verwirrung und auch Schmerz. „Ich biete Euch, gebt mir Zeit, Prinzessin!“, bat er leise. Lumen sah ihn für einige Minuten an. Dann nickte sie. Mehr konnte sie nicht mehr tun. Sie hatte ihm ihre Liebe gestanden. Nun lag es an ihm. Doch bevor sie ging, streifte sie den Ring von ihrem Finger ab und reichte ihn dem Magier. „Dann nehmt ihn trotzdem!“, sagte sie und der Magier nahm den Ring an sich. Sah sie etwas verwirrt an. „Gebt ihn mir wieder, wenn Ihr es Euch doch anders überlegt hat!“, sagte sie dann und wandte sich um. Als sie draußen war, schaute er auf den Ring. Ihre Bitte war unmissverständlich. Wenn er sie nicht liebte, so würde er ihr den Ring wiedergeben.

Gedankenverloren ließ er den Ring zwischen seinem Zeigefinger und Daumen kreisen. Wog dabei jedes Pro und Kontra ab. War es klug, sich seinen Gefühlen schlussendlich hinzugeben?

Wäre es nicht besser, ihr den Ring wieder zugeben?

Könnte er damit leben, seine Liebe zu ihr für sich zu behalten und sie so tief in sich zuvergraben, auf das nichts sie ans Licht bringen könnte?

Würde es ihn nicht eher um den Versand bringen. Ihn wahnsinnig machen, bis er daran starb?

Der Tod wäre ein leicht ertragebares Schicksal, als sie sterben zusehen. Aber sie, nachdem sie in ihn hingesehen hatte, zurückzuweisen, hielt er für undankbar und noch grausamer, als alles Bisherige. Da kam Comitas rein, der seinen Herrn mit sorgenvoller Miene ansah. Lange stand er so da, und sagte nichts. Für den Magier gab es keine andere Möglichkeit, warum er hier war, als das er die Reaktion der Prinzessin gesehen hatte und nun wissen wollte, was passiert war. „Du warst immer mein Gewissen. Hast mir immer klar vor Augen gezeigt, was wichtig ist. Warst immer für mich da, wenn ich mich allein fühlte. Ich habe das bisher nie zu schätzen gewusst!“, begann der Magier und sah die ganze Zeit den Ring an. Comitas hatte zu jedem Satz genickt. Hatte nichts gesagt. Er sah dem Magier, seinem Herrn, deutlich an, dass ihn etwas schwer zuschaffen machte und er wollte auch diesesmal ihm zur Seite stehen. Beim letztne Satz wollte er jedoch zu einer Antwort ansetzen. Ihm sagen, dass sein Vetrauen und seine Freundlichkeit ihm Dank genug war. Dass er ihm nichts schuldete. Doch Tenebrae hob die Hand. Brachte ihn so zum Schweigen. „Und auch diesesmal bitte ich dich, mir zusagen, was ich richtig ist. Ist es die richtigte Entscheidung, wenn ich zu meinen Gefühlen stehe oder nicht doch ein zugroßes Risiko?“, fragte er und sah nun zu Comitas. Comitas sagte erstmal nichts. Dachte selber nach. Nun war es soweit. Sie waren an einem Punkt angelangt, an dem eine Entscheidung gefällt werden muss. Und Comitas musste bedauernd einsehen, dass er ihm diese Entscheidung nicht abnehmen konnte. Geschweige denn ihm dabei helfen konnte.

„Dass nur Ihr wissen könnt!“, sagte er mit schwacher Stimme. Tenebraes Gesicht verzog sich, als er das hörte. Was anderes hatte er eigentlich nicht erwartet. Ihm war irgendwie bewusst gewesen, dass sein treuer Diener ihm diesesmal nicht helfen konnte. Diesesmal musste eres selber tun. Selber die richtigte Entscheidung treffen.
 

Lumen war, seit sie aufgestanden war, in ihrem Zimmer aufundab gelaufen. Immer wieder fragte sie sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, ihm ihre Liebe zugestehen und ob er sich für sie entscheiden würde. Der Ringe, den sie ihm gegeben hatte, war ein Pfand ihrer Liebe. Und wenn er ihn ihr wiedergab, würde es bedeuten, dass er nicht so fühlte, wie sie. Bei diesem Gedanken zog sich ihr Magen zusammen. Nein, sagte sie sich und schüttelte den Kopf. Er liebt mich. Ich weiss es. Ich spüre es.

Als es ihr zu dumm wurde, setzte sie sich hin und versuchte sich abzulenken.

Dann aber klopfte es an der Tür und Lumen zuckte zusammen. „J-Ja?“, rief sie viel zulaut und erhob sich. Die Türe öffnete sich und der Magier trat ein. Lumen schnappte unwillkürlich nach Luft und straffte die Schultern. So wie er dreinschaute, konnte man denken, er würde etwas tun, was ihm sehr sehr schwerfiel. „Tenebrae, was…?“, fragte sie und sie sah, wie er bei der Erwähnung seines Namens aus ihrem Munde zusammenzuckte. „Kommt mit!“, befahl er barsch. Lumen gehorchte. Lag es an den beiden einzigen Worten, oder eher an dem Klang seiner Stimme?

Lumen konnte es sich nicht genau sagen. Aber ihre Füsse bewegten sich wie von selbst und sie folgte dem Magier. Den Gang entlang und zuerst dachte sie, sie würden in die Bibliothek gehen. Doch als sie den nächsten Gang abbogen, der in einen entlegenen Teil des Schlosses führte, fragte sie sich, wohin er sie führte.

Sie fragte sich das immer wieder, während sie weitergingen und dann einen Treppe hinunterstiegen. Die Wände, die vorher mit Seidentapetten überzogen waren, wurden nun kahl und waren nun aus blanken Steinen. Sie glänzten vor Feuchtigkeit, je tiefer sie hinunter stiegen. Vereinzelt steckten brennende Fackeln in den Wandhalterungen und spendeten genug Licht, um die Stufen, die unregelmässig waren, zusehen. Es wurde immer kälter.

Während sie hinabstiegen, wechselten sie kein Wort und Lumen wurde es mal zumal unwohl zumute. Immer wieder warf sie einen Blick zu ihm. Doch der Magier blickte stur geradeaus und schien nicht daran interessiert zusein, mit ihr ein Gespräch anzufangen. Oder gar sie aufzuklären, warum sie hier hinunter gingen.

Als sie am Treppenende angekommen waren, stieg ihr ein modriger Duft in die Nase. Es war feucht und kalt und sie fröstelte. Lumen versuchte die Kälte und den Geruch zu ignorieren. Wo zum Teufel waren sie?

Gerade wollte sie dem Magier dies fragen, als sie an der ersten Tür vorbeiliefen. Sie war aus dickem Holz und mit Eisen beschlagen. Ein schweres Schloss hign daran. Lumen fuhr der Schrecken in alle Glieder. Mit einem Schlag wich ihr das Blut aus dem Gesicht, als sie erkannte, wo sie waren. Sie waren in einem Verließ!

Lumen warf dem Magier einen fassungslosen Blick zu. Warum hatte er sie hierhergebracht?

Statt was zusagen, ging der Magier zu einer der Zellentüren und schloss sie auf. Und noch ehe Lumen reagieren oder etwas sagen konnte, traf sie ein heftiger Schlag im Genick. Lumen gab noch einen kurzen Laut von sich, bevor sie zu Boden ging und das Bewusstsein verlor.
 

Als sie wieder zu sich kam, durchfuhr ein schrecklicher Schmerz ihre Arme und ihre Finger fühlten sich schrecklich taub an. Lumen wimmerte und blickte hoch. Wollte wissen, warum ihr die Arme schmerzten und ihre Finger nicht mehr zuspüren waren. Ihr fuhr der Schreck in alle Gleider, als sie sah, dass ihre Hände hoch über ihrem Kopf und von eiskalten Eisenschellen gefesselt waren. „Was zum…!“, keuchte sie und blickte dann an sich hinunter. Ihre Füsse waren nackt. Ebenso wie ihr Oberkörper. Jemand musste sie, während sie bewusstlos war, ausgezogen haben. Nur ihren Unterrock hatte man ihr gelassen. Lumen fror erbärmlich. Noch schlimmer als vorher. Es wurde immer schlimmer, mit jedem zittrigen Atemzug, den sie machte. Angst und Verzweiflung ergriffen sie und lähmten jeden Muskel in ihr. Hecktisch suchten ihre Augen die Zelle ab, die ihre geworden war. Es war dunkel. Nur durch ein kleines, vergittertes Fenster fiel schwaches Licht hinein. Fiel auf sie.

Ihre Gedanken überschlugen sich. Warum war sie hier gefesselt.

Erlaubte sich der Magier einen bösen Scherz?

Ihr blieb nicht viel Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, denn die Tür öffnete sich laut qiuetschend und eine Gestalt trat ein. Lumen versuchte etwas zuerkennen. Doch es war zu dunkel und die Gestalt bewegte sich zu schnell, als sie etwas sehen konnte. Die Zellentür schloss sich wieder und sie nun hörte Schritte. Schritte, die sich ihr näherten und dann hinter ihr waren. Nun herrschte Stille. Lumen konnte nur ihr Atmen hören. Er war zittrig und unkontrolliert. Es hörte sich wie das Röscheln einer Erwürgenden an. Sie drehte den Kopf, verrenkte sich, um zusehen wer da hinter ihr war. Ohne Erfolg.

In der Stille hörte sie plötzlich, wie etwas auf den Boden glitt. Die Angst wurde immer größer und ihr brach kalter Schweiss aus.

„Wer…wer ist da?“, fragte sie zitternd und statt mit Worten, anwortete man ihr mit einem lauten Knallen. Es lief ihr augenblicklich kalten den Rücken hinunter. Nur wenige Minuten später schrie sie gepeinigt auf, als sich ein Schmerz über und ihren Rücken ausbreitete, der brannte wie Feuer. Sie spürte neben dem Schmerz, wie Blut, heiss und flüssig über ihren Rücken floss. Wieder ein Knallen und ein neuer Schmerz durchfuhr sie, wie Feuer. Lumen schrie erneut auf. Nach diesen Schlägen folgten weitere und bei jedem Schlag, schrie die Prinzessin auf.

Für Fallacia waren diese Schreie wahre Musik in den Ohren. Es war soleicht gewesen, die Prinzessin mit einem einfachen Täuschungszauber hier in das Verließ zulocken. Sie war ihr blind gefolgt, nur weil sie das Gesicht des Magiers angenommen hatte. Und nun war sie ihr ausgeliefert. Hilflos und ohne, dass ihr jemand zur Hilfe kam. Nicht mal dieser kleine nervige Zwerg. Die Aussicht, dass sie sie peinigen und zu Tode prügeln konnte, ohne dass ihr Herr dazwischen ging, zauberte ein böses Lächeln auf ihre Lippen. Endlich würde sie ihrer Wut und ihrer Eifersucht, die sie solange gequält hatten, freien Lauf geben können. Dabei führte sie sich immer wieder vor Augen, wie nah sie dem Magier gekommen war. Wie sie es geschafft hatte, ihn sein Herz zustehlen. Ihn weich gemacht und zugleich blind gemacht hatte, für das, was eigentlich war. Und als sie gesehen hatte, wie dieses elende Miststück den Magier geküsst hatte, war ihr endgültig der Kragen geplatzt. Sie wollte sie strafen. Strafen für die Unverschämtheit und für das, was ihr gelang, was ihr versagt blieb. Dass ihr Herr ebenso Mitschuld daran hatte, schien ihr nicht in den Sinn zukommen. Zu sehr hatte sie sich in ihren Hass auf die Prinzessin, auf ihre Rivalin verrannt, als sie das sehen konnte. Und diesen Hass ließ sie die Prinzessin spüren. Mit jedem Schlag der Peitschte, der ihren Hass begleitete und mit jedem Schrei, den die Prinzessin ausstiess, wuchs die Freude, dass sie ihr bald das Leben rausgeprügelt hatte. Fallacia verfiel in ein irres Lachen, schlug heftiger zu und schon bald und zu ihrem Bedauern, verstummten die Schreie der hilflosen und gepeinigten Prinzessin. Leblos hing sie wie eine Puppe in ihren Ketten. Ihr Rücken war blutverschmiert und von zahlreichen Striemen, die sehr tief waren und den Tod bedeuten konnten, entstellt. Fallacia war das jedoch egal. Sie wollte solange auf sie einschlagen, bis nichts mehr an dem Mädchen menschlich war. Bis es nichts war, als ein zerfetzter Sack aus blutendem Fleisch. Wenn sie mit dem Rücken fertig war, würde sie sich den Rest vornehmen. Ja, so würde sie das machen. Sie würde sie mit ihrer Peitsche solange bearbeiten, bis nicht mal die Assgeier draußen, sie anrühren wollten.

Tief nach Luft holend hörte sie dann auf, auf den geschundenen Rücken einzuschlagen und ging nachvorne, um mit der Brust der Prinzessin fortzufahren. Kurz hielt sie inne, hob dann mit dem Stiel der Peitsche das Gesicht der bewusstlosen Prinzessin an und verzog angewidert das Gesicht. Sie war schön. Das musste sie zugeben. Und diese Schönheit hatte den Magier, den sie verehrte, verhext. Fallacia knurrte. „Dein hübsches Gesicht werde ich dir jetzt nehmen, sodass dich kein Mann mehr haben will!“

Dann trat sie zurück und schwenkte die Peitsche zum neuen Schlag. Doch als sie zu diesem ausholen wollte, wurde er mitten in der Bewegung gestoppt. Fallacia stutzte. Drehte sich dann um und erstarrte. Hinter ihr stand der Magier. Er war es, der die Peitsche festhielt und sie mit einem gefährlichen, beinahe schon tödlichen Blick anschaute. Alles Blut wich ihr aus dem Gesicht. Wo sie vorher so vor Euphorie über das Leid der Prinzessin erfüllt war, war nun das einzige Gefühl, was sie erfüllte, blanke Panik. „Was tust du hier?“, fragte der Magier leise und knurrend. Ihm war die Überflüssigkeit seiner Frage bewusst. Es war allzudeutlich, was er da tat. Dennoch wollte er es aus ihrem Mund hören. Dass sie aber stattdessen schwieg und ihn nur ängstlich ansah, machte ihn wütend. Hätte sie zu ihrer Tat offen gestanden, hätte ihn um Vergebung angefleht, dann wäre er bereit gewesen, ein Auge zu zudrücken. Doch das hatte er vielzuoft und sie war eindeutig zuweit gegangen. Mit einem Ruck entriss er ihr die Peitsche. Beachtete nicht das Blut, welches er sich auf die Hand und seine Kleider schmierte. Zugroß war die Wut auf seine Dienerin, die sich angemasst hatte, der Prinzessin ein Haar zukrümmen. Flüchtig schaute er Lumen an. Sah dass sie bewusstlos war. Dass war vermutlich das Beste, was passieren konnte. Als sein Blick aber auf das Blut und ihren Rücken traf, schaute er cshnell weg. Zu tief traf es ihn, als er dies sah und wandte sich wieder Fallacia zu. „Comitas!“, schrie er und seine Stimme hallte von den Steinwänden tausendfach wieder. Nach einigen Minuten betrat er die Zelle und als er die Prinzessin schlug er die Hände vor den Mund. Murmelte entsetzte Worte. Konnte sich nicht rühren. „Mach sie von diesen Ketten los und kümmere dich um sie!“, war sein Befehl und Comitas gehorchte. Emsig machte er sich daran sie von den Ketten zubefreien. Als Lumen zu Boden ging, stützte er sie und versuchte sich daran, sie aus der Zelle zuschaffen. Tenebrae sah, wie sich sein Diener damit abplagte. Seufzte und schnippte mit dem Finger. Schon waren sie verschwunden.

Dann wandte er sich wieder Fallacia zu, die sich nicht gerührt hatte und ihn mit bebenden Lippen anschaute. „Bi-bitte…!“, stammelte sie und wollte aufstehen. Dabei weiterhin um Gnade flehen. Aber da traf sie die Peitsche mitten ins Gesicht.

Fallacia schrie, hielt sich ihr Gesicht. Blut strömte aus dem Schnitt über ihr Gesicht. Sie taumelte nach hinten. Ging dann in die Knie, als sie ein neuer Schlag traf. Diesesmal auf ihre Beine, der ihr die Kraft nahm.

Tenebrae sah mit kalter Genugtuung, wie seine untreugewordene Dienerin Schmerzen hatte und sich zurückzog, wie ein verängstiges Tier. Ihn dabei anflehte, sie zuverschonen. Doch der Magier dachte nicht daran. „Du hast es gewagt, die Prinzessin zuverletzten. Wolltest sie umbringen. Ich werde keine Gnade wallten lassen. Doch töten werde ich dich nicht. Aber strafen werde ich dich trotzdem!“, sagte er und murmelte dann einige Worte. Die Peitsche, die er in der Hand hielt, wurde von einem tiefroten Glühen umhüllt und als das Glühen erlosch, sah Fallacia, wie sich die Peitsche zu bewegen begann. Sie hörte ein Zischen und als sie genauer hinsah, sah sie mit Entsetzen, wie auf der Oberfläche der Peitsche kleine Mäuler aufgetaucht waren. Sie öffneten sich, sodass Fallacia die ebenso kleinen, aber scharfen Zähne sehen konnte. Ihr Atem stockte. Schüttelte dann den Kopf, weil sie nun wusste, was er vorhatte. „Nein…nein…bitte…bitte nicht!“, wimmerte sie und sah ihn flehend an. Doch Tenebrae dachte nicht daran, ihr Flehen zuerhören. „Hör auf zu wimmern und zu jammern. Du bekommst deine Strafe!“, sagte er und schlug im nächsten Moment zu. Wenn die Schläge einer einfachen Peitsche schon schlimm waren, so waren die Schläge dieser verhexten Peitsche um ein tausendfach schlimmer. Die Zähne der Mäuler gruben sich tief in ihr Fleisch. Rissen dabei Stücke aus ihrem Gesicht, ihrer Brust, ihrer Arme und Beine. Je nachdem wo er sie schlug. Schon bald war sie von kleinen aber nicht minder harmlosen Bisswunden übersät. Ihre Wut auf die Prinzessin und die Freude, die sie bei ihren Schreien verspürt hatte, waren nichts im Vergleich zu der des Magiers, als er auf sie einschlug. Ebenso ihre Schläge. Während ihre schnell waren, waren seine langsam und damit viel schlimmer. Das rythmische Knallen der Peitsche wurde zu einem grausamen Stakkato, der in den Gängen wiederhallte. Untermalt von ihren Schreien und von seinen Worten, die sich immer und immer wiederholten. „Rühr. Sie. Nie. Wieder. An. Hast. Du. Mich.Verstanden?!“
 

Comitas hatte die Wunden der Prinzessin gesäubert und verbunden. Hatte sie auf den Bauch gelegt, damit die Wunden in Ruhe heilen konnten. Hatte die Decke über sie gezogen, damit sie nicht fror. Ein starkes Zittern schüttelte sie und als Comitas ihre Stirn berührte, musste er feststellen, dass sie regelrecht glühte. Schnell holte er eine Schale mit Wasser und tupfte mit einem angefeuchten Tuch diese ab. Er wich ihr nun nicht mehr von der Seite. Wachte über sie. Wenn sie in ihrer Ohnmacht anfing zu wimmern und zuweinen, tätschelte er sanft ihre Hand und flüsterte, dass alles gut war. Dabei beruhigte sie sich wieder.

Als der Magier mit Fallacia fertig war, hatte er sich zu der Prinzessin begeben. Er stand in der Tür, als Comitas sich zu ihm umdrehte und eilte zu ihm. „Wie geht es ihr?“, fragte der Magier, ohne den Blick von der Prinzessin zunehmen. Comitas schaute kurz zu ihr, seufzte dann. „Die Wunden ich versorgen konnte. Aber sie starkes Fieber hat!“, erklärte er. Tenebrae atmete tief durch und ging dann zu ihr. Kniete sich neben dem Bett und schaute sie an. Es war reiner Zufall gewesen, dass er ihre Schreie gehört hatte. Gerade war er durch das Schloss umhergewandert, um sich im Klaren zu sein, was er für sie fühlte. Als er ihre Schreie hörte, glaubte er, es seien die Klagelaut der Schatten. Dann hörte er die Schläge. Und war ihnen gefolgt. Zum einen aus Neugier. Er wollte wissen, woher diese kamen. Die Schläge und Schreie wurden immer lauter, während er seine Schritte in den alten Trakt des Schlosses lenkte und dann vor der Türe stand, hinter der die Treppe zu den alten Verließen führte. Sofort fühlte der Magier wie sein Innerestes zu Eis wurde. Es war Ewigkeiten her, dass er einen Fuss auf diese Treppe gesetzt hatte, die in die Finsterniss führte. Nun aber würde er wieder hinuntergehen. Und es ließ ihn innehalten. Es gab sogut wir nichts, vor dem er sich fürchtete. Aber dieses Verließ, in dem sein Vater einst seine Feinde eingesperrt hatte und deren Wehklagen bis hinauf erklangen, hatten immer kalte Schauer über seinen kindlichen Rücken laufen lassen. Das lag nun Jahre zurück und das Verließ, hatte nichts von seinem Schkrecken eingebüsst. Kurz zauderte er mit sich, überlegte, ob er wirklich dahinunter wollte. Doch als er wieder die Schläge gefolgt von den Schreien hörte, drängte er die Angst zurück und öffnete die Tür. Kalte Luft schlug ihm entgegen. Sie roch widerlich modrig und feucht. Tenebrae schüttelte sich angewidert und musste sich weiter dazu zwingen, die Treppe Stufe für Stufe hinabzusteigen. Als er im langen Gang stand, versuchte er sich nicht umzusehen. Die Zellen, in denen die verrotteten Gebeine der eintsigen Gefangenen zu beachten. Die Erinnerung daran, war schon so schlimm genug. Sein Vater war zwar ein mächtiger Magier, wie er nun, und auch ein Mann, der Gnade kannte. Aber das alles verlor jegliche Bedeutung, wenn es jemand wagte seiner Familie ein Haar krümmen zuwollen.

Es war nicht selten, dass man nach ihrem Leben trachtete und sein Vater kannte Mittel und Wege, diese aufzuhalten. Es dient zu Eurer Sicherheit, hatte er immer gesagt. Dennoch fürchtete sich Tenebrae vor seinem Vater, wenn er seine Feinde wegsperrte und leiden ließ.

Und so war es auch jetzt wieder. Er glaubte, das Wehklagen der Gefangenen wieder zu hören, als er den Gang entlangschritt und versuchte den Blick nachvorne gerichtet zu halten. Die Schreie wurden immer lauter, mit jedem Schritt, den er machte und es schnürte ihm die Kehle zu. Angst saß ihm im Nacken und er musste sich immer mehr dazu zwingen, weiter zugehen. Doch die Angst wurde zu glühender Wut, als er sah, wie Lumen, angekettet und mit nacktem Oberkörper ausgepeitscht wurde. Das allein hätte schon gereicht. Aber als er sah, dass derjenige, der die Peitsche schwang, Fallacia war, musste er wirklich an sich halten, um sie nicht gleich umzubringen.

Was danach passiert war, war wie ein Traum. Er hatte Lumen aus den Ketten befreien lassen und weggeschafft. Nahm sich dann Fallacia an und hatte nun die Peitsche gegen sie gerichtet. Ihre Schreie waren nichts weiter als dumpfe Laute und ihr Flehen ebenso. Als sie dann wie ein Häufchen Elend vor ihm kauerte und aus unzähligen Wunden blutete, wandte er sich ab. Angewidert und unberührt, von ihrem Leid. Sie hatte es sich selber zuzuschreiben und es wäre eigentlich das Beste gewesen, sie gleich zu töten. So dachte er. Doch dann siegte die Grausamkeit. Er fand es für eine viel bessere und vorallem passendere Strafe, sie am Leben und erkennen zulassen, dass es keine andere Frau gab, als die Prinzessin, die er wollte. Sagte sich aber gleich darauf, dass er es nicht zuweit treiben und trotzdem vorsichtig sein sollte. Und das er dies nicht als einzigen Grund sehen sollte, um ihr nahe sein zuwollen.

Nun kniete er neben ihr und bangte um ihr Leben. „Bringe noch etwas Heilkräuter!“, bat er Comitas. „Ich werde heute Nacht bei ihr bleiben und mich um sie kümmern!“

Comitas nickte, eilte davon und brachte nach wenigen Minuten die gewünschten Kräutern.
 

Wie es der Magier versprochen hatte, kümmerte er sich darum, dass die Prinzessin wieder zu Kräften kam. Stunde um Stunde saß er an ihrem Bett. Wechselte die Verbände. Flösste ihr die Mixtur ein, die das Fieber senken würde und wachte über ihren Schlaf. Wenn sie im Schlaf anfing zu weinen und darum zu flehen, dass diese Schmerzen doch endlich aufhören sollen, beugte er sich zu ihr und küsste sie auf die Wange. Flüsterte ihr zu, dass alles gut werden würde.

Dann beruhigte sie sich und schlief weiter. Tenebrae beobachtete sie währenddessen. Sah ihr entspanntes Gesicht, wenn die Pein von ihr abließ. Das Lächeln, wenn sie einen schönen Traum hatte. Wieder fragte er sich zum zigten Mal, ob es nicht ein Fehler war, sie hier haben zuwollen. Aber sie fortschicken, in den Schoss der Familie zurückbringen, konnte er sie auch nicht. Er hatte sich zusehr an ihre Nähe gewöhnt, als dass er sich jetzt von ihr trennen konnte. Er brauchte sie, wie er die Luft zum atmen brauchte. Sie schien die einzige zusein, die ihn vor dem Abgrund bewahren konnte, der sich vor ihm auftat und ihm zuverschlingen drohte. Bevor sie kam, war er sich dieser Gefahr nicht bewusst gewesen. Nun aber sah er es deutlich. Und er schauderte. All die Jahre habe ich in der Finsterniss gelebt und habe nicht die Gefahr gesehen, die um mich herum war, dachte er. Und jetzt sehe ich es. Als wäre sie das Licht, das mich retten will. Bei diesem Gedanken presste er die Lippen fest aufeinander, sodass sie ein blasser Strich waren. Sie war sein Licht!

Und dieses galt zu beschützen. Koste was es wolle!

Als Lumen endlich die Augen öffnete, war er eingeschlafen. Die Wache und die Sorge um sie hatte ihn geschwäscht und ermüden lassen. Auf einem Stuhl neben ihrem Bett. Die Arme vor der Brust verschränkte und den Kopf auf die Brust gelegt saß er da und schlief. Lumen wäre beim Anblick des Magiers beinahe zurückgewichen, doch dann beruhigte sie sich wieder. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, dass es der Magier gewesen war, der sie in das Verließ geführt hatte, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass er es auch war, der sie ausgepeitscht hatte. Mochte es Wunschdenken oder gar Naivität sein. Sie konnte es sich nicht beim besten Willen vorstellen. Und selbst wenn er es gewesen wäre, warum saß er dann hier. Während sie geschlafen und sich von ihren Wunden erholt hatte, hatte sie deutlich seine Nähe gespürt.

Und nicht nur seine Nähe.

Sondern auch seine Sorge und seine Angst um sie. Lumen spürte, wie ihr Herz begann schneller zuschlagen. Wenn sie vorher nach einem Zeichen von Liebe, in ihm gesucht hatte, so hatte sie dieses gefunden und wusste nicht, was sie sagen sollte. Stumm blickte sie ihn an.

Dachte nach. Als der Magier die Augen öffnete, sah sie ihn immernoch an. Sein Gesicht und sein Blick sprachen immernoch von Müdigkeit. Doch als er sah, wie sie lächelte, fiel etwas von der Müdigkeit ab. „Geht es Euch wieder besser, Prinzessin?“, fragte er und versuchte wach und ruhig zuklingen. Lumen nickte. Zuckte aber zusammen als sie den stechenden Schmerz in ihrem Rücken spürte und fasste sich über die Schulter. Sie stiess einen kurzen Schmerzenslaut aus. „Mein…mein Rücken!“, wimmerte sie. Tenebrae stand auf, beugte sich zu ihr und legte behutsam seine Hand auf die schmerzende Stelle. „Comitas hat deine Wunden gut versorgt. Aber ich fürchte, dass Narben bleiben werden!“, sagte er. Lumen senkte den Blick. Wo Tenebrae dachte, dass ihr Schweigen ein Ausdruck ihres Kummers über ihren geschundenen Rücken war, so war dies in Wirklickeit nur, weil sie sich daran erinnerte, was passierte war, bevor sie in diese Ohnmacht und in das Fieber gestürzt war. Die Schläge der Peitsche und der darin liegende Hass, hatten sich tief in ihre Seele gefressen. Suchten sie auch jetzt noch heim und ließen sie schütteln. „Wollt Ihr wissen, wer Euch das angetan hat?“, fragte er. Lumen schüttelte den Kopf. Es spielte für sie keine Rolle, wer sie so gequält hatte. Wichtig war für sie nur, dass er da war und sie gerettet hatte. „Nein, ich…danke, dass Ihr mich da rausgeholt habt!“, sagte sie dann, wobei sie sich über die Lippen leckte, weil sie trocken und rissig waren. Sie fühlte sich schrecklich. Das Fieber hatte sie völlig ausgezerrt und ihr Körper schien viel zuschwach zusein, als dass sie sich aufrecht halten konnte. Dennoch brachte sie ein Lächeln zustande. Tenebrae nickte. Stand dann auf. „Ruht Euch noch etwas aus. Ihr seid noch zuschwach. Ich werde Comitas bitten, Euch etwas zuessen zubringen!“, sagte er und ging zur Tür. Noch bevor er aber das Zimmer der Prinzessin verließ, drehte er sich um. „Bitte kommt morgen Abend in den großen Saal. Ich erwarte Euch dort!“

Dann war er auch schon weg. Lumen klappte der Mund auf, als sie jedoch nicht die richtigen Worte fand und weil es zuspät war, schloss sie ihn wieder und sank zurück ins Bett.

Comitas kam und brachte reichlich was zuessen. Warme Suppe, würziger Wein, etwas Obst und sogar einige kleine Naschereien. Lumen verschlang dies mit großem Appetitt. Comitas war glücklich, dass sie sich langsam immer mehr erholte. Am nächsten Tag brachte er ihr das gleiche. Das abendliche Mahl mit dem Magier fiel aus, da er wollte, dass sie das Bett hütete und wieder neue Kraft hatte. Irgendwie vermisste Lumen das Mahl mit ihm. Es war ihr so gewohnt und vertraut geworden, dass sie es kaum erwarten konnte, wieder mit ihm zuspeisen.

Als dann der nächste Abend anbrach, und Comitas die Verbände von ihrem Rücken nehmen konnte, schaute sie sich im Spiegel an. Noch immer sah sie etwas erschöpft an. Dennoch hatte sie wieder Leben in ihren Augen und ihr Gesicht war nicht mehr fahl. Sie sah beinahe so aus, wie vorher. Bevor sie in dieses Verließ gelockt wurde. Der ganze Schrecken schien von ihr abgefallen zu sein.

Dann drehte sich um. Und sah die Narben, die sich über ihre Haut zogen. Ihr Magen verknotete sich. Es werden Narben bleiben. Doch Lumen kümmerte es nicht. Es hätte schlimmer kommen können. Sie hätte tot sein können. Dass sie noch lebte, verdankte sie ihm. Und dann erinnerte sie sich noch, was er gesagt hatte, bevor er ihr Zimmer verlassen hatte. Er wollte sie heute Abend im großen Saal sehen. Der große Saal. Lumen musste dabei an den alten Baalsaal denken. Aber warum wollte er sie dort treffen?

Lumen fragte sich das immer wieder. Auch während sie badete. Es tat gut, den Schmutz und den alten Schweiss von sich wegzuwaschen. Als sie lange genug in dem warmen Wasser gelegen hatte, bis sie sich sicher war, dass sie nicht mehr wie ein Tier stank, stieg sie aus dem Wasser und trocknete sich ab. Zu ihrer Erleichterung brannten die Narben nicht, als sie in das Wasser gestiegen war und auch jetzt, als sie sich abtrocknete. Ihre Haare rubbelte sie sich gerade mit einem Handtuch ab, als sie wieder in ihr Zimmer kam. Beinahe wäre ihr das Handtuch aus den Händen gefallen, als sie das Kleid sah, welches auf ihrem Bett. Spielten ihre Augen ihr wieder einen Streich, oder sah sie wirklich das Kleid daliegen, welches sie in ihrem Traum getragen hatte, als sie mit dem Magier getanzt hatte. Nun hatte sie eine Ahnung, was es nun mit seiner Bitte auf sich hatte und ihr Herz begann zurasen.

Wollte er heute Abend mit ihr tanzen?

Eine übermächtige Vorfreude stieg in ihr auf. Eiligst machte sie sich daran, ihr Haar zuende zutrocknen und es zu fresieren. Dann schlüpfte sie in das Kleid. Sie konnte es kaum erwarten.
 

Comitas brachte sie bis zu der großen Flügeltür, hinter der der große Saal lag. Das unruhige, vorfreudige Gefühl war inzwischen zu einem wahren Kribbeln und Schauern gewachsen, das sich bis zu ihrem Herzen hinaufgezogen hatte und es Flattern ließ. Comitas schien ihre Aufregung zuspüren, denn er warf ihr einen wissende Blick zu und schob dann die Tür auf. Als sie den Saal als das letzte Mal gesehen hatte, war dieser dunkel und düster. Staub hatte den Boden bedeckt und Spinnweben hingen von der Decke. Doch nun schien der ganze Schmutz und die Dunkelheit fortgewischt zusein. Stattdessen waren die Wände sauber und glänzten in dem Kerzenlicht golden. Der Boden war poliert und spiegelte die Decke, die sich meterhoch erhob, wieder. Kronleuchter, die selbst den reichsten Mann vor Neid erblassen ließen, hingen von dieser hinab und die darauf aufgesteckten Kerzen spendeten warmes Licht. Zusätzlich standen an den Wänden fünfarmige Kerzenständer, deren Kerzen ebenso brannten.

Der ganze Raum schien nun der zusein, den sie in ihrem Traum gesehen. Nur die Tänzer, die maskiert und ganz in schwarz gekleidet waren, fehlten. Aber einer fehlte nicht. Tenebrae!

Er stand mitten im Raum, und schien auf sie zuwarten.

Lumen atmete tief durch, weil sie spürte, wie ihr Herz heftiger in ihrer Brust schlug und sie fürchtete, er könnte es hören. Langsam kam sie auf ihn zu. Ihre Knie waren weich wie Butter und sie hatte Angst, dass sie ihr Gewicht nicht tragen konnte. Tenebrae lächelte und hielt ihr die Hand hin. Lumen nahm sie. Alles, was nun passierte, kam ihr wie der Traum vor. Die Kerzen, der Saal, der glänzte und strahlte und der Magier, der sich vor ihr verneigte und ihr. Sie fürchtete, dass dies wirklich ein Traum war und dass sie aus diesem erwachen würde. Als dann aber der Magier seinen Arm um ihre Hüfte legte, sie an sich zog und sich ihre Körper berührten, vergass sie ihr Angst und schmiegte sich an ihm. Nein, dass war kein Traum! Das war Wirklichkeit, rief sie innerlich.

Dann begann die Musik und sie fingen an, sich zum Takt dieser zu bewegen. Wirbelten über die Fläche. Drehten sich und mit jedem Schritt und jedem Takt wurde das Klopfen ihres Herzen stärker. Lumen achtete aber nicht darauf. Auch nicht auf die Musik, die ihr so vertraut war, sondern hatte nur Augen für den Magier.

Sie fühlte sich in diesem Moment so leicht. So als würde sie schweben. Ihr wurde kurz schwindelig bei diesem Gedanken und sie legte unbewusst den Kopf auf die Brust des Magiers. Seine Körper schien der einzige Halt zu sein, der sie davor bewahrte, ohnmächtig zu werden. Dennoch schloss sie die Augen. Ihr wäre es am liebsten gewesen, wenn die Zeit stillgestanden wäre. Dass dieser Moment niemals vergehen würde.

Selten hatt sie sich wohl, so glücklich gefühlt.

Ich bin so glücklich, dachte sie. Da blieb der Magier stehen. So plötzlich, dass sie nicht richtig reagieren konnte und gegen ihn stolperte. Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Das habe ich wirklich nie für möglich gehalten!“, hörte sie den Magier dann sagen und sie schaute hinauf.

„Warum?“, fragte sie. Tenebrae lächelte etwas niedergeschlagen. „Weil ich den Eindruck hatte, dass ich Euch die letzte Hoffnung genommen hatte. Hoffnung darauf, dass wir zusammenfinden würden!“

Lumen senkte dabei den Blick. Mit seinem Eindruck lag er gar nicht so flasch. Er hatte ihr die Hoffnung genommen. Aber nun, jetzt wo sie mit einander tanzten und er nun wirklich zu ihr stand, schien das keine große Rolle mehr zu spielen. Er hatte ihr mehr gegeben, als sie zu träumen wagte. Trotz allem, was passiert war. Dennoch musste sie ihm sagen, was sie für eine Zeit lag grausame Tatsache hielt. Sie schuldete es ihm. „Das…das ist auch richtig. Ich hatte wirklich Angst, dass Ihr niemals…!“, begann sie beschämt und suchte nach den richtigen Worten. Fand sie aber nicht. Biss sich dabei auf die Unterlippe. Tenebrae ahnte, worauf sie hinaus wollte und legte den Finger unter ihr Kinn. Hob ihr Gesicht hoch, so dass sie ihn ansah. „Ich kann es Euch nicht verübeln. Ich war wirklich ein Narr. Ich hatte gedacht, dass ich gegen meine Gefühle ankämpfen kann. Dass ich sie begraben muss!“, sagte er und klang dabei selber so, als würde er sich in Grund und Boden schämen. „Aber jetzt muss ich erkennen, dass das ein Fehler war!“, gestand er und strich ihr über die Wange. Lumen seufzte bei dieser Berührung und schloss wieder die Augen. „Ein sehr großer Fehler!“, sagte er. „Ich hoffe, du kannst mir vergeben!“

„Ja, das kann ich!“, flüsterte sie. Seine Bitte erschien ihr mehr als überflüssig. Sie würde ihm alles verzeihen. Tenebrae gab einen glücklichen Laut von sich, was wie ein Seufzer klang.

Dann nahm er ihre Hand und hob sie an seine Lippen. Drückte ihr einen sanften Kuss auf. Lumen schauderte dabei. Lächelte nocheinmal, ehe sie wieder ihren Kopf auf seine Brust legte. „Ich weiss nicht, wie ich Euch dafür kann!“

„Das braucht Ihr nicht!“, sagte er und wiegte sich mit ihr. Lumen seufzte. „Doch das muss ich. Ihr habt mir soviel gegeben!“

„Ich sagte doch, dass ich das nur tue, damit du glücklich wirst!“

Lumen lächelte. Schmiegte sich an ihm. „Ja, das sagtest du. Danke trotzdem. Danke für diesen schönen Abend!“

„Wer sagt denn, dass er schon vorbei ist?“, fragte er nun plötzlich und in seiner Frage hörte sie ein Lächeln. Verwirrt schaute sie zu ihm hoch. „Heisst das, dass das noch nicht alles war?“

Die einzige Antwort, die der Magier gab, war ein verschwörerisches Grinsen.
 

Vom großen Saal führte er sie den Flur entlang und sie erkannte den Weg. Er führte sie zum Garten. Lumen sah ihn fragend an. Der Magier sagte aber nichts. Führte sie weiter. Durch diesen trostlosen Garten, der ihr Herz schwerwerden ließ und zu einem Teil davon, den sie noch nie bemerkt hatte. Hier waren die Pflanzen ebenso abgestorben. Eigentlich nichts Besonderes. An einer Stelle in der Mauer jedoch, schienen die abgestorbenen Dornenranken dichter miteinander verwachsen zusein. Sie blieben davor stehen und ohne auf die fragenden Blicke der Prinzessin zu achten, holte der Magier einen goldenen, einfachen Schlüssel hervor und steckte ihn mitten ins Gestrüpp. Der Schlüssel schien in irgendwas einzurasten. Drehte ihn und es klickte leise. Die Dornenranken krochen zurück, gaben dabei eine kleine Pforte frei, die sich sogleich öffnete. Dunkelheit empfing sie und kurz war Lumen versucht, sich nicht vom Fleck zu rühren. Doch dann, als der Magier sie wieder an die Hand nahm, folgte sie ihm durch die Pforte. Die Dunkelheit hatte ihren Schrecken schon lange verloren. Jetzt wo sie an seiner Seite war. Sie durchschritten einen Tunnel. Ihre Schritte hallten von den hohen Wänden wieder und Lumen fragte sich, wohin er sie führen würde. Sie hatte nicht die geringste Ahnung. Außer Wüste konnte es jenseits der Schlossmauern ja nicht geben, dachte sie sich. Umso überraschte war sie, als sie an dessen Ende schon bald ein bläuliches Licht sah. Lumens Schritte wurden beinahe zu einem Rennen. Sie war nun neugierig. Noch neugieriger, als sie es schon vorher war und spürte eine gewisse Unruhe in sich und konnte es kaum erwarten, um zusehen, was da am Ende des Tunnels war. Als sie dann aus dem Tunnel hinauskamen, verschlug es ihr den Atem. Wo sie erwartet hatte, eine Wüste zu sehen, wurde sie nun eines Besseren belehrt. Sie waren mitten in einem Wald. Es war Nacht und alles, die Bäume, das Gras, selbst die Felsen, die aus dem Boden ragten, schimmerten in den unterschiedlichsten Blautönen. Lumen ließ staunend den Blick durch den Wald streiften. Die Bäume, die alt und dennoch stark aussahen, um sich aufrecht zuhalten, erhoben sich stolz in den nächtlichen Himmel. Schienen mit dem Himmel, der in einem dunklen samtblau über getaucht war, zu verschmelzen. Kleine leuchtende Punkte tanzten zwischen den Bäumen und durch die Luft herum. Glühwürmchen!

Lumen staunte noch immer. Nie hätte sie gedacht, dass sie mal Glühwürmchen sehen würde. Gscwheige denn hier. In dieser Einöde, die sie erwartet hatte, die sich aber nun als lebensspendende Oase entpuppte. Aber sollte sie sich nicht schon längst gewöhnt haben, dass vieles nicht so ist, wie es schien?

Es sollte sie nicht wundern. Dennoch ließ dieser Wald sie innehalten. Nie hatte sie so schönes gesehen. Lumen ging einige Schritte vor, hob die Hand zu den Glühwümrchen, die oben schwebten und einige davon umschwirrten ihre Hand. Lumen kicherte, als sie ein leichtes Kitzeln auf ihren Fingern spürte. Dann wandte sie sich dem Magier zu. „Das…das gibt es doch nicht!“, brachte sie hervor. Tenebrae lächelte. „Hier in meinem Schloss schon!“

„Komm mit. Ich will dir noch mehr zeigen!“, sagte er und führte sie weiter. Sie liefen einen Pfad entlang, der sich den Hügel, auf dem sie angekommen waren, hinunterschlängelte. Ringsum sie herum standen Bäume. Sie schienen wie ein Wall zu sein, der sie verbarg. Dabei waren sie die einzigen, in diesem Wald. Und doch hörte Lumen, wie der Wald lebte. Sie hörte den Wind, der durch die Äste strich und das Zirpen und Gurren von verschiedenen Tieren, die hier lebten. Die sich jedoch nicht zeigten. Lumen spürte sie jedoch. Spürte ihre Nähe. Ihre Herzschläge und hörte ihr Atmen. Es war einfach fantastisch.

„Wie ist das möglich? Hier, wo eigentlich Wüste sein sollte?“, fragte sie und drehte sich um die eigene Achse. Tenebrae hob nur die Schultern. Ging dann weiter und Lumen folgte ihm.

Sie kamen schließlich zu einem See, an dessen Ufer eine alte Weide stand, deren lange Blätter bis ins Wasser reichten. Der See lag ruhig und still da. Man könnte meinen, dass seine Oberläche ein Spiegel war. Glatt und makellos. Etwas weiter hinter ging der Wald weiter und Lumen konnte die Bäume als dunkle Umrisse erkennen. Doch der See zog sie an. Er leuchtete förmlich in dem Licht, dass alles hier erfüllte und erhellte. Aber auch von einem anderen Licht. Das von Laternen, die auf der Oberfläche schwamen und ihren Schimmer tausendfach auf den glatten See wiederspiegelt warfen.

In mitten dieser Laternen sah Lumen einen Pavallion, dessen obere Enden in der Luft zu schweben schienen. Unter dem Zelt, dessen Stoff durchsichtig war wie Seide, waren einige Kissen hingelegt und ein Tischchen stand da. Wieder sah sie ihn an und anstatt wieder was zusagen, machte Tenebrae einen Schritt auf den See zu. Hob den Fuss und Lumen dachte, er wollte ins Wasser steigen. Doch statt dass sein Fuss darin eintaucht, passierte nichts dergleichen. Sondern blieb an der Oberfläche. Nur kleine Wellen kräuselten sich darunter.

Lumen furschte die Augenbrauen. Langsam ging sie auf ihn zu und setzte zögernd ihren eigenen auf die Wasserfläche. Auch ihrer versank nicht. Nachdem einen Fuss folgte ihr zweiter. Lumen schaute hinunter um sicher zusein, dass sie wirklich auf dem See und nicht auf Glass stand. Als sie dann die Wellen unter ihren Füssen sah, schaute sie den Magier an. „Wie machst du das?“, fragte sie schließlich. „Das bin nicht ich. Sondern mein Vater. Er hat das alles hier erschaffen!“, sagte er. Lumens Augen weiteten sich. Sein Vater?

Es war das erste Mal, dass sie von ihm hörte und ihr wurde bewusst, dass sie so gut wie nichts von ihm wusste. „Dein Vater?“, fragte sie. Tenebrae nickte. „Ja, er…er war, wie ich ein Magier. Von ihm habe die Magier geerbt!“, erklärte er und nahm ihre Hand. Machte dann einen weiteren Schritt und sie tat es ihm gleich. Schritt mit ihm über dem See. Beobachtete, wie immer wieder kleine Wellen unter ihnen aufwirbelten. Bis sie zum Pavalion kamen und sich dann in die Kissen setzten. Sie waren weich und gemütlich. Lumen kam es wieder vor, wie ein Traum.

Das alles war einfach zu unglaublich, als dass es wahr sein konnte. „Du schaffst es immer wieder mich in Staunen zuversetzen!“, sagte sie und schaute sich um. Tenebrae lachte. Es klang ehrlich und fröhlich, so ganz anders.

„Das freut mich zu hören. So wird es nicht langweilig!“, sagte er und griff dann zu dem Tischchen. Nahm eine Karaffe und zwei gläserne Kelche. Goss etwas von dem Wein, der golden schimmerte hinein und reichte ihr einen der Kelche. Lumen nahm einen Schluck. Er schmeckte süß, aber nicht zusüß. Und etwas würzig. „Mhhh, vorzüglich!“, sagte sie und nippte nochmals an dem Glas. Auch Tenebrae nahm einen Schluck. „Freut mich, dass er dir schmeckt!“

„Auch ein Erbe deines Vaters?“

„Ja, wie sovieles hier!“, sagte er und seine Stimme klang nun etwas nachdenklich. So als würde er an etwas denken, was schon lange zurücklag und an dass er sich nur schwer erinnern wollte. „Er muss ein großer Mann gewesen sein?“, murmelte sie, da sie bemerkte, wie sein Blick in die Ferne ging. Tenebrae nickte. „Ja, das war er!“

„Was…was ist aus ihm geworden?“

Tenebrae prsste die Kiefer aufeinander und kämpfte mit sich. Dann sagte er:„ Er ist gestorben. Vor langer Zeit!“

„Das tut mir leid!“

„Es muss dir nicht leidtun. Du konntest es ja nicht wissen!“, meinte er und winkte ab. Versuchte dann das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen. Doch Lumen musste dabei an ihren Vater denken. War er auch schon tot oder rang er immernoch mit dem Tod?

Lumen spürte einen kurzen Anflug von Angst, die die Freude hinwegfegte und sie zittern ließ. Tief atmete sie durch, versuchte sich zu beruhigen. Tenebrae sah dies zu deutlich und legte behutsam die Hand auf ihre Schulter. „Lumen, stimmt was nicht. Du…du siehst so bedrückt aus?“, fragte er und sie schüttelte den Kopf. „Es ist nichts. Ich…ich musste nur…!“, wollte sie sagen, doch sie sprach nicht weiter. „Wie heisst dieser Ort eigentlich?“, fragte sie schnell, um nicht weiter daran denken zumüssen. „Dieser Ort hat keinen!“, sagte Tenebrae. „Aber du kannst ihn einem geben, wenn du es willst!“

Lumens Herz setzte kurz einen Schlag aus. Ihre Augen wurden groß. Dass hatte sie nicht erwartet. Sie dürfte diesem Ort, der sie in den Bann gezogen hatte, einen Namen geben?

Sie freute sich irgendwie darüber und hatte auch sogleich einen Namen. Er tauchte wie aus dem Nichts in ihrem Geiste auf und sie fand ihn passend, weil er alles, für das dieser Ort stand, beschrieb. „Somnium!“

„Somnium!“, wiederholte der Magier, so als würde er diesen Namen sich genau einprägen wollen, dann lächelte er. „Ein schöner Name!“

Lumen lächelte ebenso und schaute dann hinauf in den Himmel. Sah wie der samtblaue Himmel noch dunkler wurde und wie Sterne auf sie hinabfunkelten. Sie lehnte sich in den Kissen zurück und verlor sich bei dem Anblick. Begann mit offenen Augen zu träumen. Ließ noch einmal alles, was vorher passiert war, Revue passieren und fühlte sich dabei mehr und mehr wie in einem Märchen. Sie schloss mit einem wohligen Seufzer die Augen. Dämmerte vor sich hin. Der Wein schien seine Wirkung zuzeigen. Ihr wurde warm und angenehme Schauer rannen ihr über den Rücken. Sie fühlte sich in diesem Moment so wohl.

Gerade dämmerte sie weg, als sie einen Lufthauch auf ihrem Gesicht spürte und die Augen öffnete. Nur wenige Zentimeter war das Gesicht des Magiers von seinem entfernt. Lumens Herz setzte einen Schlag aus und drückte sich etwas tiefer in die Kissen. „Wa-was…?“, wollte sie sagen, doch da legte der Magier seine Lippen auf ihre. Sanft und ohne eine Spur von Zwang. Sein Kuss glich dem des Frühlingswindes. Lumen blieb noch einige Minuten völlig starr. Sah zum Mann hinauf, der die Augen geschlossen hatte und den Kuss zugenießen schien. Es war der erste sanfte Kuss seitlangem, den er ihr gab. Für Lumen schien er eine Ewigkeit herzusein und nach einigen Minuten, als sie sich daran erinnerte, wie schön seine Küsse sein konnten, schloss sie die Augen und erwiederte diesen. Zögernd. Schüchtern. Als fürchtete sie, dass das so schnell wieder vorbei sein konnte, als ihr lieb war.

Aus dieser Erwiederung gewann der Magier weiterhin Mut, den Kuss zu vertiefen und die Prinzessin in seine Arme zuschließen. Sie an sich zudrücken. Lumen antwortete damit, dass sie ebenso ihre Arme um seinen Hals legte und ihn zu sich hinunter zog. Ihr Kuss war nun soweit in die Tiefe gegangen, sodass sie beide bereitwillig dem jeweils anderen seine Zunge überließen. Tenebrae war der erste, der mit seiner Zunge tief in die ihm völlig fremde Mundhöhle glitt und diese sogleich erkundete. Lumen stiess einen Laut aus, als sie seine Zunge über die ihre streichen spürte. Für Sekunden war sie wie vom Blitz getroffen und konnte sich nicht rühren. Sooft hatte sie sich gefragt, wie es wäre ihn so zu küssen. Nun wusste sie es und es übertraf all ihre Vorstellungen. Die Hitze, die vorher durch den Wein da gewesen war, wurde nun umso größer. Strömte durch ihren Körper, bis in die hintersten und tiefsten Winkel ihres Körpers und sienverging in dieser Hitze. Mit einem Seufzer erwiederte sie nun diesen etwas intimen Kuss und begann mit den Händen über seinen Rücken zustreichen. Ihn zumassieren und sich jeden Muskel, der sich unter seiner Kleidung verbarg einprägen zuwollen.

Es verging lange Zeit, ehe sie sich von einander lösten und sich mit verschleierten, beianhe matten Augen ansahen. Beide rangen nach Luft. Ihre beider Herzen wummerten, sodass sie den Puls bis hinauf in ihre schläfen spüren konnte. „Lumen!“, flüsterte der Magier und sie hörte deutlich das Verlangen in seiner Stimme. Das Verlangen nach mehr. Nach mehr Küssen. Nach mehr Berührungen. Und das Verlangen nach ihr.

Lumen konnte darauf erstmal nichts erwiedern, Zumindest nicht mit Worten. Doch in ihrem Kopf hallte es tausendfach:„ Nimm mich. Mache mich zu deinem!“

Quälend langsam beugte sich Tenebrae wieder zu ihr hinunter um sie erneut in einen innigen Kuss zuverstricken. Lumen ließ sich ohne Widerspruch darauf ein. Versank darin und in seiner Umarmung. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, mit jeder Minute, die beim Kuss verging und Lumen glaubte, ihre Seele würde dabei ihren Körper verlassen und geradewegs in den Himmel kommen. Aus diesem Gefühl wurde sie aber wieder je gerissen, als sich der Magier erneut von ihr löst und sich aufrichtete. Lumen wollte ihn schon fragen, warum er aufhörte. Doch dann zog er sie ebenso hoch und begann, während er nun auf ihren Nacken sanfte Küsse hauchte, sie aus ihrem Kleid zubefreien. Öffnete die Schnürre, die es am Rücken zusammen hielten und schob es dann von ihren Schultern. Auf jeden Zentimerter, den er freilegte, hauchte er einen Kuss darauf. Lumen seufzte bei diesen flüchtigen Schmetterlingsküssen auf und drängte sich ihm entgegen. Der Wunsch nach mehr, wurde mal zu mal immer mehr. Und dieses Verlangen würde er heute Nacht stillen. Mit einem Ruck machte er mit ihrem Mieder, welches sie unter dem Kleid trug, kurzem Prozess.

Langsam ließen sie sich dann wieder in die Kissen zurücksinken. Engumschlungen und Lumen genoss die Küsse des Magiers, die nun ihren Hals verließen und wieder den Weg auf die ihrigen fanden. Miteinander verschmolzen und brannten wie Feuer. Lumen atmete dabei tief ein. Versank förmlich in seinen Armen.

Ihr Körper selbst begann zuglühen. Sich nachdem des Magiers zu verzerrren. Und so machten sich ihre Finger selbstständig und fuhren über den Stoff seiner Jacke. Suchten nach etwas, womit sie sie öffnen konnten. Tenebrae musste bei ihrem Versuch, ihn zu entkleiden lachen und schob ihre Hände beiseite. Lumen gab darauf einen Protestlaut von sich, der durch den Kuss gedämpft wurde. Tenebrae löst kurz den Kuss. Lumen atmete tief ein und aus. Versuchte Luft in ihre Lungen zu holen. Sie wollte fragen warum, brachte jedoch keinen weiteren Laut von sich.

Tenebrae lächelte sanft. „Alles zuseiner Zeit!“, flüsterte er und verwickelte sie erneut in einen Kuss. Umarmte sie dabei und drückte sie fest an sich, als wollte er sie mit seinen Körper vereinen. Sich und sie zu einem einzigen Wesen machen.

Begierig darauf jeden Milimeter ihres Körpers zuerkunden, strichen seine Hände über ihren Rücken. Berührten dabei auch die verheilten Narben und Lumen zuckte dabei etwas zusammen. Als der Magier darafhin sie ansah und deutlich in seinem Blick Sorge zusehen war, schüttelte sie den Kopf. „Es…es tut nicht mehr weh!“, flüsterte sie und lächelte. Sie konnte sich denken, warum er innegehalten hatte. An diesen Narben sollte es nicht scheitern. Sie waren ja verheilt und Lumen hatte den Schmerz schon lange vergessen. Tenebrae sah sie einen Moment forschend an, dann lächelte er auch und beugte sich zu ihr hinunter. Begann dann sich selbst zu entkleiden. Erst die Jacke, dann das weisse Hemd darunter.

Lumen stockte der Atem, als sie seine nackte Brust sah. Es war zwar nicht das erste Mal, aber diesesmal war es was anderes. Sie schien in dem Licht der unzähligen Laternen zu schimmern, als sei sie aus fließendem Gold. Nur seine Augen, die dunkelblau, wie der Himmel waren und das schwarze Haar, erinnerten daran, dass er in der Dunkelheit lebte. Aber selbst das schien nicht mehr von Bedeutung zusein. Was jetzt zählte, waren er und sie. Ein Mann und eine Frau, die sich in dieser Nacht lieben werden. Nur das hatte Bedeutung!

Langsam hob sie die Hand, legte sie auf seinen Bauch, der sich fest und hart anfühlte. Lumen konnte spüren, wie er sich bei jedem Atemzug bewegte und das Verlangen in ihr immer stärker wurde. Auch dem Magiers musste es so ergehen, denn kaum das ihre Hand auf seiner Haut lag, schien sein Atem plötzlich etwas schneller zuwerden und in seinen Schläfen pochte es. Hitze kam in ihm auf. Gebannt von dem Anblick des Körpers von Tenebrae, der einem jungen Gott zu gehören schien und nicht selbst Herrin ihrer nächsten Handlung, wanderte ihre Hand höher. Bis sie seine Brust berührte und unter dieser sie das Schlagen seines Herzens spürte. Es schlug ebenso schnell wie das ihrige und Lumen schluckte. Mehr und mehr wurde sie sich bewusst, dass da mehr war, als nur Liebe. Begieride. Verlangen. Der Wunsch mit dem andere zuverschmelzen und niewieder von ihm getrennt zuwerden. Selbst wenn es bedeutete, dass sie damit ihre Seele an die Finsterniss verlor. Was kümmerte es sie. Wenn sie dafür für immer glücklich werden würde, würde sie auch diesen Preis zahlen. Sie war sowieso schon auf Gedeih und Verderb diesem Mann verfallen, der ihr zuerst grausam erschienen, nun aber doch ein Mensch wie jeder andere war. Nur hatte dieser Mensch sie ganz und gar gefangen genommen und ihr Herz gestohlen.

Und das gleiche galt auch für den Magier. Zum ersten Mal seitlangem hatte er wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Mit der Frau, die sein Herz erhellt und gänzlich erobert hatte. Keine Angst und keine Sorge würden ihn mehr plagen. Nicht heute Nacht. Mit den letzten Handgriffen zog er das Kleid gänzlich von ihr. Nun lag sie nackt unter ihm, ihr Körper bebend und zerbrechlich. In diesem Moment kam sie ihm wie ein Engel vor. Rein und unschuldig. Tenebrae musste willkürlich schlucken und fragte sich, ob er es wirklich über sich bringen würde, einen Engel seiner Unschuld zu berauben?

Ihm kam dies wie ein Sakrileg vor.

Lumen sah sein Zögern und sah ihn mit ungeduld aber auch Sorge an. „Was hast du?“, flüsterte sie und richtete sich etwas auf. Tenebrae biss sich auf die Unterlippe. Hing selbst seinen Gedanken nach. Schaute ins Leere. Dann sah er sie wieder an. Beugte sich soweit vor, bis sich ihre Stirnen berührten. „Noch können wir es beenden. Du brauchst es nur zusagen!“

Bei diesen Worten spürte Lumen den alten Stich und den ebenso alten Schmerz. Beenden?

Wollte er es etwas doch nicht?

Warum?

Sie waren sich doch schon nahe gekommen. Entsetzte darüber schüttelte Lumen den Kopf. Diesen Moment, diesen Höhepunkt, ihrer erblühten Liebe, hatte sie sich mehr als nur herbeigesehnt. Und sie würde den Teufel tun und es beenden. „Nein, ich will es nicht beenden!“, sagte sie und umklammerte seine Schultern in einer flehenden Geste. „Endlich sind wir uns so nahe. Näher als zuvor und ich will es nicht…!“

Ihre Stimme brach und sie sah ihn mit festentschlossenen aber auch nicht minder flehenden Augen an. Tenebrae sah sie noch einen Moment an. Versuchte etwas in ihrem Blick zuerkennen, dass ihre Worte Lügen straften. Sah jedoch nichts und erleichtert seufzte er. Sie hatte es ihm offengestanden und war bereit. Was und wievele von Beweisen brauchte er noch. Er lächelte. Glücklich darüber, dass sie es ebenso wollte und drängte sie zurück in die Kissen. „Dann!“, sagte er und strich mit seinem Finger sanft über ihre Wange.

„Wird dies unsere erste gemeinsame Nacht!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Pamuya_
2015-11-08T16:41:15+00:00 08.11.2015 17:41
Au Mann! In diesem Kapitel war ganz schön viel los, es hat mich aber voll und ganz mitgerissen. Na endlich hat unser Magier endlich geschnallt, das sein Herz auch ein Wörtchen mitzureden hat. Gott sei Dank und sein idiotisches Verhalten hat er auch endlich abgelegt.
Also Fallacia tut mir überhaupt nicht Leid. Die hat ihre gerechte Strafe bekommen und ich hoffe für sie, dass sie es nie wieder wagen wird Lumen auch nur anzusehen. Wobei, wenn sie im Verlies ist, wird das wohl schwer werden. Sie hat noch Göück gehabt, dass ihr Gebieter sie an Leben gelassen hat.
Mich wundert es nur, dass die Wunden so schnell gerheilten. Wird aber wohl an den Kräutern liegen, die mit Sicherheit bei den Verbändern dabei waren. Zum Glück konnte Lumen noch rechzeitig gerettet werden, auch wenn sie nun mit diesen Narben leben muss.
Umso schöner ist es, dass sie nun endlich vereint sind und ihre Liebe nichts mehr im Wege steht. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
08.11.2015 17:43
Sagte wer? *Muhahahahaha*
Antwort von:  Pamuya_
08.11.2015 17:44
Oho! das klingt ja nicht gut °°
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
08.11.2015 17:44
Grins*
Von:  Hidan_1975
2015-09-20T23:38:22+00:00 21.09.2015 01:38
Endlich hat Fallacia ihre gerechte Strafe bekommen.Yeah...Strike!Dem Magier sei dank...

Juhu er hat doch eine sanfte Seite an sich.




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