Zum Inhalt der Seite

Mythna II

Das Erbeben der Dimensionen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Dienerin

5. Kapitel:
 

Dragos (vor 10.000 Jahren)
 

Die Dienerin
 


 

Dragos erschrak, als es plötzlich an der Tür klopfte. Zu sehr war er in dem Wirrwarr von Ideen seines keimenden Planes gefangen, als das er Jemanden hatte kommen hören. Verwirrt blinzelte der Halbgott und erkannte, dass die stürmische Nacht langsam einem frischen Morgen wich. Es war wirklich schon Morgen. Himmel, wir lange hatte er denn nachgedacht? Das konnte doch nicht sein. Für Dragos erschien der Zeitpunkt, wo ihm die Idee kam, wie er Mythna retten konnte, erst wenige Minuten zurück. Offensichtlich hatte er sich komplett seinen Gefühlen hingegeben und hemmungslos treiben lassen. Aber dieses Leuchten, der Hoffnungsschimmer, der die Finsternis, die sein Leben war, erhellte war so aufregend, so mitreißend, dass es gar nichts anders ging, als sich in den Tagträumen der Ausführung zu verlieren.

Müde blinzelnd stand Dragos auf und strich sich seine mittlerweile zerzausten Haare aus dem Gesicht. Schlurfend ging er zu den Vorhängen, die die Fensterfront an der Kopfseite seines Zimmers verdeckten, und schob sie beiseite. Ein Stöhnen entwich ihm, als aus den Halbschatten strahlendes Sonnenlicht wurde. Dass es bereits später Vormittag war, warf den Halbgott völlig aus der Bahn. Irritiert kniff er die Augen zusammen und starrte auf die Bergkette, die den Horizont markierte. Dragos kam nun nicht mehr drum herum. Er hatte sich mehr von den Gedanken der Revolution hinreißen lassen, als er gedacht hatte. Der Wald direkt unterhalb seines Balkons zeigte noch deutliche Spuren des Sturmes der letzten Nacht. Bäume waren umgeknickt oder gar entwurzelt und Dragos meinte sogar einen Erdrutsch erkennen zu können.

Einige Augenblicke später, als sich seine Augen an das plötzliche Tageslicht gewöhnt hatten, wandte er sich ab und ging wieder zum Bett. In dem Weidenkorb, der sich direkt daneben befand, schlief Piräus friedlich- den Schwanz schützend über die Schnauze gelegt. Bei diesem Anblick stahl sich ein sanftes Lächeln auf Dragos Gesicht. Für ihn war es schön zu sehen, dass zumindest sein bester Freund seinen inneren Frieden fand, etwas, was ihm bisher verwehrt blieb. Sein Leben war bisher von der ständigen Unruhe geprägt, die seine Machtlosigkeit bewirkte.

Wieder vernahm er das dumpfe Geräusch des Klopfens an der Tür und nun drängte sich erneut die Verwirrtheit in seine Gedanken, aber dieses Mal aus einem anderen Grund. Wer sollte jetzt zu ihm kommen? Das war doch völlig absurd. Noch zu genau hatte er die mahnenden Worte seiner Mutter im Kopf, dass jeder hart bestraft würde, der auch nur in die Nähe seines Zimmers kam. Zum Glück hatte sie ihm zumindest Piräus gelassen. Wer also wäre so dumm den Zorn einer Göttin zu riskieren? Noch dazu der Schicksalsgöttin? Das war doch hirnrissig...

Unbewusst ließ sich Dragos aus Bett fallen, während seine Gedanken um die Frage ‚Warum?‘ kreisten.

Nur wenige Augenblicke später klopfte es zum dritten Mal, dieses Mal unmissverständlich. Dragos schüttelte den Kopf um nicht wieder in Gedanken zu versinken, holte tief Luft und sagte dann mit ruhiger Stimme:

„Herein?!“

Leise schwang die Tür auf und eine schlanke Gestalt schlüpfte durch den Türspalt, bevor sich diese wieder leise schloss. Dragos erkannte die Person, die sein Zimmer betrat, sofort.

„Salia!“, flüsterte er erstaunt. „Was machst du denn hier?“ Er wandte seinen Blick zu der Dienerin um, die murrend ein Silbertablett auf seinem Nachttisch abstellte und sich dann neben ihn aufs Bett fallen ließ. Eine Aktion, die einem Frevel gleichkam. Es war nicht gestattet die Besitztümer eines Halbgottes oder gar eines Gottes zu berühren. Jede Missachtung dieses ungeschriebenen Gesetzes wäre hart bestraft worden, doch bei Salia lagen die Dinge anders. In den fünf Jahren, die sie nun als einziger Mensch im Tempel von Narunia diente, waren sie und Dragos so etwas wie Freunde geworden. Im Gegensatz zu den Lichtelfen Diener des Tempels der Sterne, die meist bereits mehrere Jahrhunderte gesehen hatte, war Salia vom geistigen Stand her genauso alt wie Dragos, auch wenn dieser bereits 100 Jahre auf Mythna gesehen hat.

Unweigerlich begann sein Herz zu klopfen, als er in die strahlend blauen Augen von Salia sah, versuchte jedoch vergeblich sich zu beruhigen. Dragos wusste, dass eine Freundschaft zwischen einem Gott- zu denen er letzten endlich als Halbgott auch gehörte- verpönt, nein sogar verboten war. Ihre Aufgabe war zwar der Schutz der Menschen, doch jegliche auf Sympathie beruhende Bindung war strikt abgelehnt.

Neben sich hörte der Halbgott die junge Dienerin genervt seufzen. Etwas, was sonst ein unverzeihlich war, doch Dragos ließ sie gewähren- er ließ sie immer gewähren. Sein Blick wanderte wieder zu ihr und begegnete dabei einem tadelnden Blick. Obwohl er sich in einer höheren Position befand und gegenüber Salia keine Rechenschafft schuldig war, bemerkte Dragos, wie er unter dem Blick kleiner wurde.

„Was ich hier mache?“, fragte die temperamentvolle Frau und schnaubte erbost. „Das fragst du allen Ernstes noch, Dragos? Ich hätte etwas mehr Dankbarkeit erwartet. Immerhin bring ich dir was zu Essen.“ Gespielt beiläufig deutete Salia auf das Tablett, welches nun auf seinem Nachttisch stand. Dragos Blick wanderte kurz auf das Silbertablett mit dem Brot und verschiedenen Aufschnitten, doch sein Ausdruck war desinteressiert. Narunia hatte ihm bloß eine Woche absoluten Zimmerarrest erteilt. Eine zu kurze Zeit, als dass er wirklich hätte Hungern müssen, dennoch nahm Dragos augenblicklich eines der belegten Brote und schob es sich in den Mund.

„Was hast du diesmal eigentlich wieder angestellt, Dragos? Herrin Narunia hat wie eine Furie getobt nachdem sie dich auf dein Zimmer verbannt hat. So gesehen ist deine Strafe noch sehr milde.“, fuhr Salia weiterhin im aufgebrachten Ton fort. Für sie bedeuteten Wutausbrüche von Narunia extra Arbeit- wie zum Beispiel das Aufkehren zerstörter, kostbarer Vasen oder Ähnliches. Dragos sah sie mit vollem Mund an und zuckte nur belanglos mit den Achseln. „Dragos!“, kreischte die schwarzhaarige Frau beinah.

//Noch schriller und die nächste Vase geht zu Bruch, die sie Auffegen darf.//, dachte Dragos sarkastisch, war jedoch klug genug diesen Gedanken nicht in Worte zu verwandeln. Obwohl Salia nur eine Menschenfrau war, so sollte man sie dennoch nicht reizen, dies konnte unangenehme Folgen haben. Schnell schluckte er den Happen in seinem Mund runter und seufzte schwer.

„Ich war in der Bibliothek.“

„Lüg mich nicht an! Wegen so etwas würde Narunia nicht so ausrasten. Du hättest sie mal erleben sollen. Wie ein Gewitter ist sie durch die Hallte gebraust und hat alles umgeschmissen. Mich wundert es, dass sie dich nicht umgebracht hat.“ Salia war nun ruhiger, doch ihr Tonfall hatte etwas von einer belehrenden Mutter, die ihrem Kind erklären wollte, wie viel Glück es doch gehabt hatte, für sein Vergehen nicht gleich aus dem Haus geworfen zu werden.

Wieder seufzte Dragos schwer und sah Salia direkt in ihr klaren, blauen Augen, in denen er nicht die Wut fand, die ihre Stimme vermuten ließ, sondern pure Besorgnis. Wieder erschien diese Verbundenheit zwischen ihnen, die Dragos nie erfassen konnte. Ein stilles Verstehen des Gegenübers ohne auch nur ein einziges Wort zu verlieren. So etwas Seltsames, Verwirrendes, und doch ein derart schönes Gefühl zugleich, hatte Dragos noch nie empfunden. Vielleicht genoss er gerade deshalb ihre Nähe so sehr. Für Salia war er nicht ihr Herr- ein Halbgott- dem man höflich distanziert begegnen musste, in der ständigen Angst, dass eine falsche Geste seinen Zorn beschwören würde. Nun gut...normalerweise stimmte das ja auch, aber nicht bei Salia. Nein, für die Dienerin war Dragos genauso wie jeder andere Junge ihrer Rasse auch.

„Hast du eine Ahnung...“, flüsterte er resigniert nach einer Pause - mehr zu sich selbst, als zu Salia. Diese zog eine ihrer schlanken Augenbraue hoch und musterte ihn verwirrt. Doch dann siegte wieder ihr Temperament. Brüskiert stemmte sie die Hände in die Hüften und fixierte Dragos mit keckem Blick. Dieser war jedoch so sehr mit dem zu Tode starren des Bodens beschäftigt, als dass er es bemerkt hätte.

„Dann klär mich mal auf.“, schnaubte sie schnippisch und strich sich einer ihrer langen Ponysträhnen aus den Augen.

„Ich war wirklich in der Bibliothek.“, seufzte Dragos und wandte seinen Blick wieder zu ihr. Salias lange mit Edelstein verzierte Perlenkette klimperte, als sie den Kopf verständnislos neigte.

„Aber...wenn du wirklich bloß in der Bibliothek warst, dann...“ Abrupt stockte die junge Dienerin und fuhr wie vom Blitz getroffen zu ihm herum, sodass Dragos zurückzuckte. „Duuu...!“ Sie lehnte sich vor, sodass nur noch ein Blatt zwischen sie gepasst hätte. Mahnende, blaue Augen starrten in seine, glaubten nicht, was sie gerade dachte. „Sag mir nicht du warst in der verbotenen Abteilung, Dragos.“ Ein unschuldiger Ausdruck huschte über Dragos Gesicht und er sah sie entschuldigend an. Salia stöhnte genervt auf. „Sag, dass das nicht wahr ist!“, flehte sie ihn an, rang mit den Händen.

Dragos hingegen senkte nur traurig den Blick. Er hatte nichts andres erwartet. Salia war ihrer Herrin Narunia gegenüber äußerst loyal, selbst für eine Dienerin. Grund dafür war, dass die Schicksalsgöttin sie vor gut fünf Jahren vor Sklavenhändler gerettet hatte und unter ihre Fittiche genommen. Seitdem wurde sie von Kurnos, dem obersten Diener dieses Tempels –einem arroganten Lichtelf- ausgebildet.

„Doch...“, antworte er matt.

„Nein!!!“ Zischend zog Salia die Luft ein und ihre Augen weiteten sich vor Schock.

„Doch!“, sagte Dragos, diesmal mit mehr Nachdruck.

„Dragos.“ Ihre Stimme überschlug sich beinahe, während sie ihn an kreischte. Blitzschnell fuhr ihr Körper herum, packte ihn an Kragen und zog ihn zu sich heran. Unverhohlene Wut funkelte in ihren wunderschönen blauen Augen. Ihre perlmuttfarbenen Lippen waren erzürnt gekräuselt und bebten zeitgleich. Dragos kannte diesen Blick zu gut, denn er hatte ihn schon so manches Mal gesehen und dieser finstere Blick bedeutete nur eines: Ärger- großen Ärger. Doch ehrlich gesagt, Dragos legte es fast darauf an. Seine Situation frustrierte ihn und so musste er sich abreagieren. Piräus hatte Diskussionen mittlerweile mit ihm aufgegeben und mit Salia konnte man so herrlich streiten.

„Du. Warst. In. Der. Verbotenen. Abteilung?“, knurrte sie den Halbgott mit gefletschten Zähnen an. Ihr Gesicht pendelte sehr dicht vor dem seinem- so nah, dass sich fast ihre Nasen berührten. Und da war sie wieder...diese seltsame Spannungen zwischen, die schon beinahe Funken zu sprühen schien. Sie starrten in seine schwefelgelben Augen und er in ihre tiefblauen. Keiner von beiden wich zurück, sie trugen ihren Streit im Stillen aus. Schlussendlich gab Salia seufzend auf.

„Es ist dir wirklich ernst, oder?“, lenkte die junge Frau schließlich ein.

„Würde ich mir sonst Mutters Zorn zu ziehen?“ Dragos sah Salia an und seine Augen wirkten so leer, dass es Salia erschreckte. Es musste wirklich etwas Wichtiges sein.

„Auch wieder wahr.“ Wieder seufzte Salia und sah ihn aber ungläubig an. Sie löste ihren hohen Zopf und ihr langes, seidiges Haar fiel nun wie ein schwarz schimmernder Fluss über ihre Schultern. „Dann erklär mir aber bitte, warum es hier geht. Dragos...“ Verzweifelt griff sie nach seinen Arm, krallte sich in den weichen Stoffes seines Wamses. Dragos sah sie an und in seinem Blick lag ebenfalls Verzweiflung. Zärtlich strich er einer ihrer langen Strähnen hinters Ohr und legte dann seine starke Hand an ihre Wange.

„Salia...ich möchte dich da nicht mit hineinziehen.“, flüsterte er leise, während seine Augen gequält aufblitzen. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen und der Weg, den er seit gestern beschlossen hatte zu bestreiten, würde sie auf jeden Fall in Gefahr bringen. Das würde er nicht übers Herz bringen. Salia und Piräus...diese beiden waren das einzig wichtige in seinem Leben, die einzige Konstante, das einzig Vertraute. Keinen von den beiden, die sein Leben in festen Bahnen hielten, wollte er verlieren.

„Das bin ich schon seit ich dir was zu essen gebracht habe. Also sag es mir bitte! Dragos, vertrau mir!“ Ihre flehende Stimme schnitt in sein Herz, ließ es verkrampfen. Qualvoll blickte er sie an, flehte sie aus tiefengründigen, gelben Augen an ihn nicht zu zwingen, doch Salia ließ nicht locker. Auch ihre zweite Hand griff in das weiche Leder seines Wamses, so als fürchtete sie, dass er fliehen würde. Der junge Halbgott lachte innerlich auf. Er und fliehen? Wohin denn? Er befand sich in einem goldenen Käfig. Von ihm wurde Perfektion erwartet- wie es sich für einen Halbgott und dem Sohn der Schicksalsgöttin geziemte. Viele Male fühlte sich Dragos mehr wie ein Besitz, ein Eigentum seiner Mutter, denn als ein Sohn. Ihm wurde jeden Tag vieles aufs Auge gedrückt: Magie, Literatur, Zauber, Theorie, Theologie, Astronomie, Fechten, Reiten, Schwertkampf. In diesem engen Raum, der sich sein Tag nannte, hatte er keinen Freiraum um sich selbst zu entfalten. Oh wie oft hatte er doch auf den Hof gestarrt, während er eigentlich irgendeinen hochphilosophischen Wälzer hätte lesen sollen und den jungen Elfen beim Herumtollen zugesehen. Zu gern hätte er mitgespielt, hätte sich gerauft, versteckt und fangen gespielt, doch jedes Mal, sobald er auf den Hof trat, verstummte das Gelächter und das Geschwätz. Alle hatten ihn angestarrt und waren dann weggelaufen. Niemand wollte es wagen mit dem Halbgott zu spielen. Die Gefahr, dass er sich verletzte war zu hoch. In all der Zeit, die er hier aufgewachsen war, in diesem schönen Palast, war er einsam gewesen. Niemand außer Piräus war für ihn da gewesen.

„Dragos…“, flüsterte Salia leise, denn sie hatte gesehen, was sich in seinem Innersten bewegt hatte. Trauer und Leid waren durch seine abwesenden Augen geflogen und sie wusste, woran er dachte. Diesen Blick bekam der Sohn Narunias immer, wenn er an seine Kindheit dachte. Dragos blinzelte und löste sich aus den lebhaften Erinnerungen, die wie ein Film vor seinen Augen getanzt waren. Der Halbgott verwischte seine Gedanken und schob sie beiseite, doch dieses Mal ging es nicht so einfach wie sonst. Salias großes Mitgefühl, was deutlich zu hören gewesen war, ließ längst verdrängte Gefühle wieder hervordringen. Sie ballten sich in ihm, als wollten sie sein Herz zerdrücken. Von diesem innerlichen Sturm der Emotionen getrieben stand Dragos auf und rannte durch das Zimmer- hoffte Unbewusst diesen gehassten Gefühlen der Hilflosigkeit und Trauer entkommen zu können. Er wollte nicht schwach sein, doch es gelang ihm nicht. Schließlich blieb er seufzend und mit hängenden Schultern stehen. Langsam wandte er sich seiner Freundin wieder zu und flüsterte:

„Ich halte das alles nicht mehr aus. Dieser Ort macht mich krank. Das ganze System macht mich krank!“ Er spie die Worte förmlich aus, sein Gesicht vor Verachtung glühend. Salia sah ihn überrascht an und blinzelte.

„Was? Aber warum? Du hast es doch gut hier und…“ Dragos lachte jäh auf und unterbrach sie somit. Der Halbgott kringelte sich förmlich vor Lachen, was ihm etwas Wahnsinniges verlieh, denn es klang so hohl, so voller Spott über sich selbst, dass es schmerzte.

„Ich habe es hier gut? Du hast überhaupt keine Ahnung, Salia.“

„Ach ja?“, erwiderte sie barsch und fixierte in missmutig, ihre Augen funkelnd vor Wurt. Sie hasste es, wenn Dragos so mit ihr sprach, als würde sie überhaupt nichts von der Welt verstehen. Als wäre sie bloß ein einfacher Mensch, der sowieso nicht mit ihm mithalten konnte. Das musste er ihr nicht sagen, das wusste sie selbst.

Dragos seufzte und sah sie entschuldigend an. Sie konnte nun wirklich nichts für seine Misere und doch ließ er seine Wut an ihr aus, die seine eigene Hilflosigkeit mit sich brachte. Er wollte nicht, dass sie sauer auf ihn war, das war mit das letzte was er wollte. Langsam ließ er sich wieder neben ihr sinken und starrte zur Decke hinauf. Nachdenklichkeit verschleierte sein Gesicht, während er langsam sprach:

„Weißt du…es ist schrecklich ein Halbgott zu sein. Du gehört nirgendwo richtig dazu… Die Götter nehmen dich nicht ernst, weil du eben noch menschliches Blut in dir trägst und belächeln dich nur. Egal was du sagst, du hast sowieso keine Ahnung, denn du bist ja bloß ein halber Gott. Bei den Menschen ist es nicht anders, nur dass sie dich belächeln, sondern dich fürchten. Sie haben Angst davor, dass du über sie richten könntest und wissen nicht, wie sie sich dir gegenüber verhalten sollen. Letzen endlich ist es ein sehr einsames Leben.“ Traurig schloss Dragos die Augen, wandte sich dann aber nach wenigen Sekunden Salia zu. Sein Blick schien förmlich in Trauer zu versinken und Salia zuckte unwillkürlich zusammen, hatte sie doch selbst das Gefühl in diesen tiefen Augen zu versinken.

Ein freudloses Lächeln stahl sich auf das schöne Gesicht des Halbgottes und er strich langsam eine seiner langen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die Stimmung sank mittlerweile auf den Nullpunkt und eine bedrückte Stimmung herrschte zwischen den beiden Freunden. Piräus wandte sich in seinem Korb und legte desinteressiert den Schwanz über die Schnauze. Dragos wandte sich kurz seinem kleinen Freund zu und strich unterbewusst über seine kühlen, glatten Schuppen, was den Drachen zufrieden gurren ließ. Ein sanftes Lächeln legte sich einen Augenblick lang auf die Lippen des Halbgottes. Egal wie schlecht es ihm ging, Piräus schaffte es immer ihn mit kleinen Gesten aufzumuntern.

Salia sah ihn an, legte ihre Hand auf seinen Arm und auch diese zarte Berührung, die er fast nicht spürte, holte ihn aus seinem tiefen Loch. Dragos wandte seinen Kopf zu ihr um und auf einmal war ihr Gesicht dem seinem ganz nah. Ihr Atem wehte wie eine sanfte Briese über seine Wangen und ließen ihm einen wohligen Schauer dem Rücken hinab laufen und er bekam eine Gänsehaut. Diese kleine Geste berührte ihn tief in seiner Seele, in seinem Herzen. Die wunderschön blauen Augen von Salia sahen ihn mitfühlend an und ein entschuldigendes Lächeln lag auf ihren Lippen. Wie schön sie doch war. Dragos kam einfach nicht drum herum, er konnte es nicht leugnen. Sie war ihm wichtig- unglaublich wichtig.

„Salia…ich bitte dich…“ Vorsichtig nahm Dragos Salias Hände und umschloss sie zärtlich mit den seinen. Irritiert sah die junge Dienerin ihn und blinzelte, dann sah sie zu ihren Händen hinab und eine leichte Röte lag sich auf ihre Wangenknochen, ehe sie verlegen wegsah. Dragos jedoch ließ das nicht zu. Sanft fasste er unter ihr Kinn und zwang sie, wenn auch zärtlich, ihn anzusehen. Es ging nicht anders, er musste einfach in diese tiefen Augen sehen. „Ich kann in dieser Unordnung nicht mehr weiterleben. Ich muss hier raus, ich muss kämpfen und etwas verändern. Bitte, komm mit mir!“

„Dr…Dragos.“, stotterte Salia überrascht und sah ihn an.

„Ich muss gehen, muss etwas tun, aber ich könnte es nicht, wenn ich dich hier zurücklassen müsste… ich…“ Der Junge Halbgott stockte und brach mit hochrotem Kopf ab. Schüchtern blickte er auf seine Decke. Er konnte es ihr einfach nicht sagen, so gerne würde er es, aber er konnte es nicht. Wie erbärmlich.

Piräus fiepte einmal unwirsch und drehte sich in seinem Korb um 180°, während seine Schuppen für ein schabendes Geräusch auf der Decke sorgten. Dragos warf seinem Freud einen Blick zu. Nie hatte er dem Zwergdrachen von seinen Gefühlen gegenüber Salia erzählt. Wie denn auch, wenn es dem Halbgott bis gerade eben selbst nicht bewusst gewesen war? Sein Herz wurde schwer, als er bemerkte, dass sein kleiner Gefährte von ihm genervt war und auch Salias Blick, diese Verwirrung gemischt mit ihren intensiven Blauschimmer, zerriss ihm das Herz.

Dragos hatte Angst vor dem Weg, der vor ihm lag, er musste viel riskieren um ihn bis zum Ziel zu gehen, doch genau vor diesen weitreichenden Entscheidungen fürchtete es ihn.

„Wohin willst du gehen? Was ist in letzter Zeit mit dir geschehen, Dragos?“ Salia griff bestimmt unter sein Kinn und zog dessen Gesicht zu sich herum. Zwang ihn sie anzusehen.

„Ich habe die Wahrheit erkannt, Salia. Mythna zerbricht und bald wird es zum Krieg kommen.“

„Nein, das glaube ich nicht.“ Geschockt schlug sich die Hände vorm Mund sah ihn aus geweiteten Augen an, die ihn anflehten ihr nicht die Sicherheit zu nehmen, dass ihr Planet ein friedlicher war, doch Dragos konnte es ihr nicht gewähren. Nur die Sicherheit an seiner Seite konnte er ihr bieten.

„Salia, hör mir zu. Ich würde es dir nicht sagen, wenn ich mir nicht sicher wäre. Die Spannung bei den Rassen auf Mythna wächst, die Diskrepanzen werden immer größer und bald werden die Konflikte explodieren. Und weißt du was? Keiner der Götter wird etwas unternehmen, denn keiner wird es bemerken und irgendwann wird sich sicher die Wut der Wesen sammeln und sich gegen die Götter wenden, gegen uns, denn wir werden der Sündenbock sein. All die Götter und Halbgötter. Aus diesem Grund kann ich dich nicht zurücklassen...du würdest...getötet werden.“ Dragos flüsterte den letzten Teil nur und seine Stimme war von Schmerz über diese Vorstellung getränkt.

Salias Herz begann zu rasen und ihre Gedanken wirbelten in ihrem Kopf hin und her. Sie vertraute Dragos- sie hatte es immer getan- doch was er ihr hier erzählte, klang so unwirklich, dass sie es sich nicht vorstellen konnte. Aber der Halbgott hatte Recht, er würde es ihr nicht sagen, wenn er sich nicht sicher wäre. Alles, was sie über Mythna dachte, zersprang in diesem Augenblick in tausend Scherben und Angst begann aus ihrem Unterbewusstsein hoch zu wallen.

Dragos bemerkte ihre Sorge und zog sie- sich keiner anderen Möglichkeit bewusst- in den Arm. Sofort errötete Salia und ihr Herz begann genauso schnell zu schlagen wie das seine. Vorsichtig hob sie den Kopf und die beiden sahen sich tief in die Augen, während sie sich langsam näher kamen. Dragos wusste nicht, was in seinem Körper vorging, doch der Funke, der so lange zwischen ihnen getanzt hatte, schien nun übergesprungen zu sein. Das Blut wallte in seinen Adern wie die Brandung einer Welle und sein Herz schien bereits in seinem Hals zu schlagen. Er sah wie das hübsche Mädchen ihre Augen schloss, konnte jede ihrer langen Wimpern erkennen. Als ihre Lippen sich auf einen winzigen Atemhauch genähert hatten, hielt Dragos inne. Er war verunsichert. Sich sonst bei jeder Tat den Konsequenzen bewusst, hatte er nur Angst vor den Folgen. Was würde geschehen? Fühlte Salia dasselbe für ihn.

Als sie merkte, dass er innehielt, sah sie durch den dichten Wimpernkranz zu ihm auf und ihr durchdringender Blick ließ ihn schwanken. So schüchtern, so rein war er. Wieder legte er ihr eine Hand an die Wange, er musste sich irgendwo festhalten und Salia sah ihn an- ihn einfach nur an.

„Ich habe Angst, Dragos.“, flüsterte sie schließlich leise nach einigen Augenblicken, doch sie schlug nicht, wie sonst, die Augen nieder, sondern hielt seinen Blicken stand. Offensichtlich schämte sie sich nicht dafür, sondern gestand es ihm bloß.

Dragos seufzte und ihr schönes Gewand knisterte, als er sie näher zu sich heranzog. Mit einer Sanftheit, die er von sich selbst nicht kannte, strich er ihr die Haare aus dem Rücken und fuhr dann mit seinen Händen die Wirbelsäule. Er spürte ihr Erschauern, ihr Erzittern unter seinen Fingerkuppen und es löste eine Explosion in seinem Körper aus.

„Ich werde dich beschützen, egal was da kommen mag.“, flüsterte er ihr sanft ins Ohr und er lehnte seinen Kopf in ihr weiches Haar. Es roch nach dem Frühling, wenn die Blumen gerade frisch erblühten.

„Dragos...“ Ihre Stimme sprach ganz sanft, so als wären die letzten Zweifel zerbrochen. Langsam löste der junge Halbgott sich von ihr, beugte sich dann direkt zu ihr hinab. Wieder begann sein Herz zu rasen, doch dieses Mal brach er nicht ab.

Er küsste sie. Zunächst noch schüchtern, ein wenig zaghaft, doch als er spürte, dass er es ihr nichts ausmachte, küsste er sie erneut. Ein Feuer in seinem Körper entbrannte, als er ihre zarten Lippen auf den seinen spürte und Dragos wurde klar, wie lange er sich nach diesem Augenblick gesehnt hatte. Ein Gefühl des Glückes floss durch jeden Zentimeter seines Körpers und ließen die Sorgen für den Moment verschwinden. In diesem Moment zählten nur Salia und seine Gefühle für sie. Verbotene Gefühle, doch schienen eben jene so magisch in seiner Familie verankert zu sein. Schließlich war er selbst die Frucht einer solchen Liebe.

Salia seufzte nach wenigen Augenblicken wohlig, ihre Hände hielten sich an ihm fest, während ihr Körper sich näher an den seinen schmiegte. Dragos genoss das Gefühl der Nähe und Geborgenheit. Liebevoll zog er sie an sich ran und seine Hand strich über ihre Wange und Hals über die Seite ihres Körpers hinab, wo sie an ihrer Hüfte verweilte und sie wie von selbst streichelte. Erneut schüttelte sich der zierliche, schöne Körper unter seiner Hand, doch Dragos wusste, dass es voller Behagen war. Er wusste nicht woher. Er wusste es einfach.

Diese Gewissheit entfachte etwas in ihm, das Wissen, dass Salia sein war, brüllte durch seinen Körper, der die Kontrolle über seine Gedanken gewonnen zu haben schien. Langsam beugte sich Dragos nach vorne und drückte Salia auf das Bett unter sich. Sein kräftiger Körper lag nun auf den ihren und begrub ihn sanft unter sich.

Salia, welche so sehr in dem Kuss gefangen war, quiekte überrascht auf und öffnete die Augen, löste sich jedoch nicht von seinen Lippen, sondern klammerte sich nur noch mehr an ihn. Dragos lachte leise. Die Reaktion war zu niedlich und löste sich dann nach einigen Momenten aus dem Kuss. Sofort sah die junge Frau zu ihm hoch und Dragos sah, wie schnell sich ihre Brust hob. Ihr Gewand ließ da wenig Raum für Interpretationen. Unmerklich schluckte der junge Halbgott und befürchtete, dass die Hormone bald mit ihm durchgehen würden. Ihr Atem flog und kitzelte Dragos auf seinen starken Armen, sodass sich eine Gänsehaut auf ihnen bildete.

Zärtlich blickte er zu ihr hinab, strich eine verirrte, schwarze Strähne aus dem Gesicht.

„Ich liebe dich, Salia.“, hauchte er und das Aussprechen erleichterte ihn ungemein, auch wenn sein Herz sich verkrampfte, denn er wusste nicht, wie Salia reagieren würde. Er sah in ihre großen Augen, verlor sich in ihrem schönen Anblick. Etwas dergleichen hatte der Halbgott noch nie gespürt, alles in ihm schien vor Glück zu schreien und war doch zeitgleich so verängstigt. Und das Schlimmste war: Salia schwieg. Sie sah ihn einfach nur an. Würde sie genauso für ihn empfinden? Er wartete auf eine Antwort, seine Hände auf ihre Arme gedrückt und sah in ihr schönes Gesicht, wo er sie zu finden hoffte. Wann war er so verdammt unsicher geworden?

„Dragos...“, flüsterte sie wieder mit dieser sanften Stimme, die alles in ihm in Unruhe brachte. Er hielt es nicht mehr aus. Beim besten Willen nicht. Er beugte sich nochmals vor und legte seine weichen Lippen auf die ihren, küsste sie zärtlich wie ein Windhauch. Der Körper unter ihm entspannte sich und wieder schaffte er es Salia dieses sehnsüchtige, verzückte Seufzen zu entlocken.

Ihr Kuss schien ewig zu dauern. Keiner der beiden wollte ihn Enden lassen, doch irgendwann musste sich Dragos lösen- wenn auch ungern. Sein Körper brauchte Luft, auch wenn er momentan das Gefühl hatte nur von den Gefühlen in seinem Bauch leben zu können.

Salia kicherte leise, als sie wieder zu Atem gekommen war und ihre sanften Finger strichen über seine hohen Wangenknochen. Nun war es Dragos selbst, der unter dieser zärtlichen Berührung erschauerte. Jede Stelle, die Salia berührte, prickelte angenehm.

„Was machen wir hier eigentlich?“, fragte Salia- noch immer vom Glück sichtlich benommen. Dragos lächelte scheu und neckte ihre Wange mit seiner Nase.

„Ich weiß es nicht...“ Seine Liebste kicherte wieder, während er sie zärtlich neckte, wobei ihre Hände seinen Rücken hinabfuhren und ein erneuter Wirbel von Gefühlen fuhr durch seinen Körper.

„Salia...was machst du da?“, fragte der Halbgott, als sie begann an seinem Wams zu spielen.

„Ich weiß es nicht.“, schmunzelte sie scheinheilig, hielt aber in ihren Bemühungen nicht inne. Eine von Dragos Augenbraue hob sich spöttisch, dann grinste er und entfachte einen Kampf um die Führung. Kreischend und lachend rollte er zusammen mit Salias übers Bett, gewann aber schließlich das Duell und lag wieder über ihr. Keuchend sah Salia zu ihm hinauf und lächelte.

„Ich liebe dich auch, Dragos.“

„Das will ich doch auch schwer hoffen.“, lächelte der Halbgott und küsste sie erneut. Dieses Mal war sein Kuss allerdings fordernder, während seine Hand langsam nach unten wanderte.

Doch dann stimmte etwas auf einmal etwas nicht. Die Farben in seiner Umgebung verblasten, wie die Farben von Wäsche, die man zu oft gewachsen hatte. Verwirrt blinzelte Dragos, versuchte sich zu bewegen, erstarrte aber dann. Egal wie sehr sich bemühte, der Halbgott konnte sich nicht bewegen. Entsetzt ruckte er immer wieder, spannte seine Muskeln an, doch nichts bewegte sich. Stattdessen bewegte sich das eingefrorene Bild von ihm fort. Dragos wollte schreien, doch kein Laut drang über seine Lippen. Seine Umgebung löste sich in einen Wirbel von Farben auf. Entsetzt wollte Dragos seine Hand ausstrecken um dieses Bild festzuhalten, doch es verschwamm immer mehr. In dem Kreisel aus Geschwindigkeiten wurde ihm schlecht und der Halbgott flehte nur noch, dass es bald aufhörte.

Nach Minuten, die ihm ewig erschienen, beruhigten sich der Wirbel und eine neue Umgebung tauchte vor Dragos auf, wenn auch noch immer von einem Graustich überzogen. Was war hier los? Die Zeit stand still. Dragos befand sich nun auf einer Wiese direkt vor einem Waldstück. Es schien stürmisch zu sein, so sehr wie sich die Baumkronen verbogen. Doch was war das? Er konnte sich nicht erinnern, wie er hiergekommen war. Nun lag er hier auf dem Boden und vor ihm stand...Dragos weitete die Augen. Salia! Ihr schwarzes Haar peitschte im Wind und ihre Körperhaltung war verkrampft, so als würde sie gleich zusammenbrechen. Was war hier verdammt noch mal los? Er wollte es wissen, wollte sich umdrehen, doch noch immer war er wie gelähmt und dann sah er etwas, was ihm den Atem nahm. Salias Körper wurde von einer Lanze durchbohrt. Geschockt wollte Dragos zurückweichen, schreien, irgendetwas, doch noch immer war sein Körper gelähmt. Aber er wollte es und da brach auf einmal das Grau auf und die Farben drangen wieder durch.

„I...ihr werdet Dragos nicht...“ Blut quoll aus Salias Mund, während sie die Lanze des Wächters umklammert hielt, welche sie durchbohrt hatte. „wieder mitnehmen...er wird nicht...leiden.“

„Geh aus dem Weg, du dummes Menschenkind.“, knurrte der Lichtelf in seiner silbernen Rüstung, den Dragos nun als Leibgarde seiner Mutter erkannte. Da wurde es auf einmal klar. Er musste mit Salia geflohen sein und sie hatten ihn verfolgt und gestellt. Wollte ich zurück zu seiner Mutter bringen und...und...Salia hatte sich geopfert um ihn zu retten. Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag und ließ ihn nun wirklich zurücktaumeln.

„Sa...Salia.“, stotterte er den Tränen nah. Langsam, zitternd drehte die Schwarzhaarige ihren Kopf zu ihm um und sah ihn traurig an.

„Tut mir leid, Dragos.“ Sie Kämpfte gegen sich selbst, jedes einzelnes Wort schien ihr stake Schmerzen zu bereiten. „...ich werde deine Revolution wohl nicht mehr erleben...ich...liebe dich...“ Mit diesen letzten Worten sackte die junge Frau zusammen. Dragos sprang auf um sie aufzufangen und zog sie an sich. Kalte, leere Augen sahen zu ihm auf, eine einzelne Träne rann aus ihren Augenwinkeln. Blut strömte aus ihrer Wunde wie ein kleiner Bach auf den Boden. Zitternd sah Dragos auf sie hinab, konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Tränen rollten aus seinem Augen und sein Innerstes, was vor wenigen Augenblicken noch vor Freude gejubelt hatte, war nun stumpf und leer. Sie war tot, gestorben um ihn vor den Wachen seiner Mutter zu schützen. Schluchzend zog er sie an sich ran und zitterte, als stünde er unter Strom. Sein Herz war gebrochen und seine Welt zerstört. Seine Liebe war tot, das Einzige, was ihm neben Piräus halt gewährt hatte, war für immer von ihm gegangen. Je länger er auf den leblosen, kalten Körper hinab sah, desto mehr wandelte sich der Schock und die Trauer in unablässige Wut.

Er schrie, schrie vor Wut, schrie vor Trauer, schrie vor Schmerz. All die Angst, Sorge, all seine Wut und Zorn seines Lebens sammelte sich in diesem einen letzten Schrei, der den Namen seiner großen Liebe annahm.
 

Schweißgebadet fuhr Dragos aus dem Schlaf. Sein Körper war völlig durchnässt und die dünne Decke klebte an seinen Oberkörper. Geistesabwesend fuhr er sich durch sein schwarzes Haar um die Strähnen im Gesicht loszuwerden.

„Uuuuh...“ Erschöpft legte er das Hand ins Gesicht und schloss die Augen. Sein muskulöser Körper hob und senkte sich schnell. Wie real die Bilder gewesen waren. Er hatte sie verdrängt- sie waren so lange her, doch nun brannte der Schmerz wieder in seinem Herzen. All die Jahre hatte er ihn begraben, die Bilder versteckt, damit er sich auf seine Aufgabe konzentrieren konnte. Wann war der Zeitpunkt gekommen an dem er sich, obwohl er das Richtige tat, so gebrochen fühlte? Dieser Abend nach diesem wundervollen Tag, hatte alles zerstört. Die Wächter hatten ihn zurück zu seiner Mutter geschleift, den Körper hatten sie respektlos irgendwo verscharrt. Dragos wusste noch nicht einmal mehr wo. An diesem Abend hatte er beschlossen sich mit Oranum zu verbünden. Es hatte sich alles geändert. Seitdem hatte sich seine Wut in Hass verwandelt. Er hatte geschrien, gestrampelt und gekämpft, wollte bei ihr bleiben, sie nicht im Regen lassen, doch die Wachen waren stärker gewesen und hatten ihn zu seiner tobenden Mutter gebracht.

Vorsichtig rutschte Dragos an den Rand seines großen Bettes und starrte auf den Boden. Noch immer hörte er ihr sanftes Flüstern, ihr Liebesgeständnis und es brach ihm das Herz. Schnell vergrub er den Kopf in den Händen und eine einzige, einzelne Träne fiel auf den kalten Stein zu seinen Füßen. War das, was er hier tat wirklich noch das, was er Salia versprochen hatte? Die Erinnerungen ließen ihn Zweifeln. Sein Traum war rein und ehrlich gewesen, doch die Mitteln zu denen er nun Griff waren das genau Gegenteil. Gab es noch ein zurück? Wäre Salia stolz auf ihn?

Langsam stand der Herr der Finsternis auf und sah auf sein Schlachtfeld des Todes. Alles war schwarz, vernichtet, zerstört und er herrschte über dieses Reich. Aber war es das wert? Diese plötzlich wieder aufkommenden Fragen schmerzten in seiner Seele. Nein, das war es nicht... Dragos sah sich selbst im Fenster an- sah in seine schwefelgelben Augen.

Ein Blitz schien seine Seele plötzlich zu durchzucken und ein flammender Schmerz durchfuhr ihn wie ein Schwert. Stöhnend sank Dragos zusammen, klammerte sich an den Fenstersims. Der Schmerz würde immer stärker und er hatte das Gefühl sich gleich übergeben zu müssen. All die Bilder zuckten in verkehrter Reihenfolge an ihm vorbei. Er wollte wieder schreien, dieses Feuer irgendwie kompensieren, doch nur ein Krächzen drang aus seiner trockenen Kehle.

„Es ist richtig so, Dragos. Unser Weg ist der Richtige.“, hallte eine Stimme durch sein Innerstes- lockte ihn, streichelte seine verletzte Seele.

„Nein...nein, das ist er nicht.“, keuchte er, die Schmerzen des inneren Kampfes kaum noch ertragend. „Salia hätte das nicht...“

„Salia ist tot.“, fuhr ihm Oranum harsch ins Wort und drängte seine Seele nieder. Dragos Seele schrie, und kämpfte. Er wollte nicht mehr im Dunklen verschwinden, gefangen in der Trauer des Verlustes, indem Oranum ihn ließ, doch der Druck, der gegen seinen Geist war schier unerträglich. Er wimmerte, flehte Oranum an, ihn nicht noch einmal zu zerbrechen, doch das Säuseln in seinem Ohr hörte nicht auf.

„Dragos...du tust all das für Salia. Die Menschen werden uns feiern...“

„Nein...nein...werden sie nicht. Lass mich gehen, Oranum, ich kann das nicht...“ Sein Körper sank an der Balustrade hinab und krümmte sich von den Schmerzen, den der ehemalige Herrscher ihm bereitete. Zu dem Brennen seines Körpers kam nun das Pochen in seinem Kopf, welches jeglichen geistigen Widerstand seinerseits unterband.

„Es wird deine Rache sein, Dragos. Du hast sie doch geliebt, oder?“

„Ja...das habe ich.“, flüsterte er. Dragos sah an die Decke und sah das durchsichtige Bild von Salia, wie sie auf ihn herablächelte. Für kurze Zeit verschwand das Bedrängen seitens Oranum und Dragos genoss den Moment in dem er sich im Auge des Taifuns befand. Diese Kampf trugen sie nicht zum ersten Mal aus.

„Dann wird das deine Rache sein. Deine Mutter, dieses arrogante Miststück, hat sie umgebracht.“ Das Bild von dem toten Körper flammte vor Dragos Augen auf und brachte mit einem Ruck die seelischen Wunden zurück, die schlimmer waren, als alles, was Oranum ihn hätte antun können. Wieder krümmte sich Dragos und wimmerte. „Sie es dir an!“, schrie die Stimme voller Wut in seinem Kopf. „Soll ihr Opfer umsonst gewesen sein?“

„Nein...nein...nein...nein...“, murmelte Dragos immer wieder völlig apathisch, während er seinen Körper vor uns zurück schaukelte. Sein geistiger Widerstand brach in diesem Moment und ein letzter flammender Hieb zerstörte all das, was Dragos durch diesen Traum wieder gewonnen hatte. Als der Herr der Finsternis sich wieder aufrichtete und in das matte Glas des Fenster sah, blickten glühend rote Augen voller Zufriedenheit zurück.

„Niemand nimmt mir meine Marionette...“, sagte Oranum noch, bevor er sich dann in die Seele zurückzog. Niemand sollte sein Versteck entdecken. Bloß Dragos Hass blieb zurück und machte wieder zu dem, was er all die letzten Jahre gewesen war. Der Herr des Todes war in voller Stärke zurückgekehrt, doch ein dumpfer Nachhall blieb. Sichtlich davon überrumpelt beschloss die dunkle Seite des Wesens frische Luft zu schnappen und schritt aus dem Zimmer.

„Meister Dragos...ist alles in Ordnung?“, flüsterte eine sanfte Stimme, die ihn aber zusammenfuhren ließ, als er aus der Tür schritt. Sie klang so vertraut. Müde blickte er in den langen, kargen Steingang, welcher nur vom flackernden Licht von Fackeln notdürftig erleuchtet wurden.

In ein schlichtes, weißes Nachthemd gekleidet stand Iria vor dem Nachbarzimmer. Ihr langes, welliges Haar floss wie ein Bach aus Gold um ihre Schultern und ihre klaren azurblauen Augen betrachteten Dragos ehrlich besorgt. Dieser fuhr sich durch sein verwuschelten Haar und sah sich an. Ihre schlanke Figur, ihre reine, weiße Haut, die feine Nase und die vollen, blutroten Lippen.

„Natürlich ist alles in Ordnung. Wer hat dir überhaupt erlaubt hier zu sein?“, fuhr er sie an- seine roten Augen glühend vor Zorn. Dieses seltsame Gefühl in ihm machte ihn unsicher und eben jenes Gefühl der Schwäche ließ ihn wütend werden.

„Sie sagten doch, dass ich bleiben solle.“ Irias Stimme hatte einen melodischen Klang wie perfekt um ihr Opfer zu verführen und auch bei Dragos war sie nicht gänzlich ohne Wirkung. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre perfekten Lippen, während sie lautlos auf ihn zu glitt, wobei das Nachthemd ihren Körper genau richtig betonte. Da fiel es Dragos wieder ein. Nach dem Kriegsrat hatte er die Lamienkönigin rufen lassen und ihr angeboten fürs erste in seinem Schloss zu leben.

Iria blieb vor ihm stehen und strich mit ihren sanften Fingern eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn, während die andere Hand über seine nackte Brust streichelte. „Sie wollten mich doch persönlich sprechen.“ Ein aufrührerisches Lächeln erhellte ihr Gesicht, während sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn kurz küsste.

„Ich dachte, ich hätte seltsame Geräusche aus Ihrem Gemach gehört und wollte nachsehen. Sie sehen erschöpft aus. Ich könnte dabei eventuell helfen.“ Langsam ging sie um ihn herum und begann seine breiten Schultern zu massieren. „So?“, fragte Dragos nun auch mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen.

„Man sagte mir, ich seie ziemlich gut darin.“ Iria legte ihre Hand an seine Wange und drehte sanft sein Gesicht zu sich herum. Erneut küsste sie ihn leidenschaftlich, zog den Kopf des Fürsten näher zu sich heran. Dragos wurde kurz schwindelig von dem Kuss. Er wusste, dass Iria seine Verwirrung nutzte um ihre Lebensenergie wieder aufzufrischen, aber sie würde es nicht wagen ihn komplett auszusaugen. Schließlich gewährte er ihrem Volk Schutz. Warum also sollte er nicht auch etwas Spaß haben?

„Nun...das offensichtlich.“, sprach seine bereits raue Stimme. Das Spiel, was sie gespielten, gefiel ihm.

„Kommen Sie mit.“, flüsterte die Königin verrucht. Sie nahm seine Hände und zog ihn mit sich in ihre Gemach- eines der gemütlicheren dieses Schlosses. Dragos folgte ihr willig und voller Vorfreude. Iria war wunderschön und Dragos musste zugeben, dass sie es ihm angetan hatte, dass ihre Art ihm gefiel. Seine Hand strich über ihre Hüften, während sie mit ihrem Po die Tür schloss und mit zum Bett zog. Es würde eine lange Nacht werden.

Den Jungen, der in seiner Seele vor Schmerzen schrie, hörte er längst nicht mehr.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück