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It Could Have Been...

The Stars-Hideout
von

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The Only.


 

It Could Have Been...

The Stars-Hideout.
 


 

Als ich jünger war, versprach ich ihm, dass ich ihn immer schützen werde. Weil er mein kleiner Bruder war. Ich hielt dieses neugeborene Kind in meinen Armen und von diesem Augenblick an – und ohne Zweifel – liebte ich ihn mehr als mein Leben. Nun ist der Tag gekommen, an dem es ihm das zu beweisen gilt. Ich zerstöre sein Leben, indem ich die Menschen töte, die er liebt. Aber damit, mit dem Blut an meinen Händen und den toten Körpern auf den Straßen, rette ich ihn. All das ist eine Mission – nein, nicht meinen Bruder zu retten; sondern meine Familie zu töten. Sie liegen dort. Verwandte, Menschen, deren Blut durch meine Adern fließt. Aber manchmal ist das nicht genug. Es ist nicht genug, das die Tante dort, die Frau war, der ich jeden Tag, wenn ich zur Akademie ging, einen guten Morgen gewünscht habe, wenn ich an ihrer Bäckerei vorbeiging. Es ist nicht genug, das mein Großvater mal mit mir zum Angeln gegangen ist. Nicht genug, dass ich an Festen mit den Cousinen und Cousins gespielt habe. Nicht genug, dass sie mich alle als das Wunderkind der Familie ansahen. All das zählt heute für mich nicht. Vielleicht wird es das morgen tun oder übermorgen, wenn das Adrenalin aufhört, durch meine Venen zu pumpen oder vielleicht auch erst in ein paar Monaten, wenn ich etwas älter bin, wenn etwas Gras über die Dinge gewachsen ist. Heute Nacht jedoch bin ich ein Killer, nur bedacht auf das Überleben meines Bruders.
 

Schon vor ein paar Wochen habe ich meinen besten Freund getötet, um die ultimative Waffe zu bekommen. Auch wenn er mir unglaublich wichtig war, war sein Tod nur ein kleines Opfer im Gegenzug zur Sicherheit meines Bruders. Mit der neuen Augenkraft, die ich nun innehabe, bin ich stärker denn je. Ich habe die körperliche Kraft einen Menschen nach den anderen zu töten, bis kaum einer mehr in diesem Viertel des Dorfes am Leben ist. Meine Eltern sind fast die Letzten. Ich liebe meine Mutter. Aber ich glaube für Sasuke würde sie auch freiwillig sterben. So ich, wie es tun würde, ohne ein Wort, auf die Sekunde genau. Ich töte sie schnell, mache es so schmerzlos wie möglich. Einen sauberen Stich ins Herz, noch ein letzter Atemzug und sie liegt vor mir auf dem Boden, den sie am Morgen noch geputzt hat. Ich verabschiede mich nicht von ihr; das wäre heuchlerisch. Schließlich bin ich ihr Mörder. Ihr eigener Sohn. Der Jungen, dem sie unter Schmerzen ein Leben geschenkt hat.
 

Das Töten meines Vaters mache ich ebenfalls so schmerzlos wie möglich. Doch er kämpft. Er ist stärker als meine Mutter. Er wehrt sich und er stellt Fragen, auf die er keine Antworten erhält. Ich kämpfe stumm und frage mich, was er erwartet. Als ob ich ihm meine Motive erklären würde. Er würde sie doch eh nicht verstehen. Dass meines Erachtens das Dorf und der Frieden über dem Clan steht und mein kleiner Bruder über alldem. Das wäre für ihn einfach unbegreiflich. Deswegen antworte ich ihm nicht, kämpfe härter und töte ihn letztendlich. Er fällt auf meine Mutter. Es sieht aus, als würde er sie beschützen. Vielleicht tut er das auch irgendwie. Sie beide hatten schon immer ein besonderes Verhältnis, obwohl das nicht so offensichtlich schien. Vater hat sie sehr geliebt. Mutter ihn noch mehr.
 

Es ist der Moment, als Sasuke vor mir steht, dass ich meine Pläne über den Haufen werfen will, aber weiß, dass ich nicht darf. Ich sollte ihn nicht töten. Sein Überleben habe ich gesichert, seine Sicherheit auch und dass er stolz sein kann auf unseren Clan. Sein Hass auf mich war geplant. Eine Rache. Blutvergießen zweier Brüder, wenn er älter war.

Aber vergessen habe ich, wie sehr ich ihn liebe. Er ist mein kleiner Bruder, was erwartet man? Vom ersten Mal an, als ich ihn sah und er sofort mit der Kraft, die nur ein Neugeborenes aufbringen kann, meinen Daumen packte, war mir klar, dass ich ihn für immer beschützen werde. Im Laufe unserer gemeinsamen Kindheit habe ich dafür viele Definitionen gefunden. Ich bin die Wand, die er überwinden muss, sagte ich ihm vor nicht allzu langer Zeit, doch in Wirklichkeit will ich die schützende Barriere sein, die ihn vor allem Unheil der Welt bewahrt.
 

Ich kann ihn nicht hier lassen.

Nicht so alleine. Ohne Familie. Ohne irgendjemanden der für ihn da ist.

Ich kann’s einfach nicht.

Aber ich muss.
 

All den Dingen, die dagegen sprechen und all den Vorwürfen – die ich mir selber mache – zum Trotz will ich ihn einfach nicht zurücklassen. Er wird sehen, dass ich Vater und Mutter getötet habe. Seine Eltern, die er liebt. Die er braucht; weil er noch ein Kind ist.

„Vater!! Mutter!!“, schreit er. Es bricht mir das Herz. Ich hab seine Mama umgebracht. Seinen Papa.
 

Er ist ein Kind.

Sieben Jahre.

Sieben verdammte Jahre!
 

„Bruder!“, schreit er. Und ich habe seinen Bruder getötet …
 

„… Bruder!! Bruder!! Vater und Mutter sind …! Warum?! Warum?!! Wer zur Hölle … das …“ Er weiß nicht, was er sagt. Ich glaube in diesem Moment, weiß er nicht mal, wer er ist. Ich meine – er weiß es schon. Aber für ihn dreht sich die Welt ein bisschen schneller oder sie hört ganz auf. Das weiß ich nicht, aber auf jeden Fall merkt dieses Kind vor mir, dass ab heute irgendwas grundlegend anders sein wird. Vielleicht weiß er schon, dass heute seine Kindheit enden sollte …
 

Ich muss nach Plan spielen. Ich muss! Ich muss …!
 

Ein Kunai, geworfen durch meine Hand, streift seine Schulter. Ich will ihn nicht töten. Eigentlich will ich ihm nicht einmal wehtun.
 

„Dummer, kleine Bruder …“, sage ich.
 

Dann aktiviere ich meine Mangekyo Sharingan, zeige ihm, was ich getan hab. Zeige ihm meine Tat. Ich zeige einem Siebenjährigen, den ich über alles liebe, einen Massenmord! Das ist krank. So krank …
 

Sein Schrei ist gellend – es schmerzt in meinen Ohren – und er bricht zusammen. Wie ein Häufchen Elend liegt er auf dem gewienerten Boden.

„… Warum … hast du …?“, wispert sein Kindermund.

„Ich wollte testen, wie stark ich bin.“ Lüge. Lüge! Verdammte Lüge!! Aber so war der Plan.

Ich lüge ihn an. Verfrachte seinen ganzen Hass nur auf mich. Damit er stärker wird. Stärker, härter, kälter und … einsamer.
 

„Nur deshalb … hast du alle … umgebracht?“

„Es war notwendig“, antworte ich murmelnd. Meine weniger das Testen meiner Stärke, sondern die Lüge, die ich ihm aufbrumme, aber das weiß mein dummer, kleiner Bruder nicht.

„Was … das ist …“ Er springt auf und schreit auf mich zu rennend: „… kompletter Mist!“

Ich schlage ihn nieder, will ihm nicht wehtun, aber ein bisschen ist nötig, um meinen Plan – den Plan des Dorfes – überzeugend aufzuführen.
 

Sasuke liegt nun genau vor unseren Eltern. Er schaut seinem toten Vater in die halb geschlossenen Lieder und fängt an zu weinen. Eine zerstörte Seele. Das ist er. Das ist es, was ich tue. Seine Seele zerstören. Nichts anderes, nichts anderes ist dieser komplette Mist – wie er es nennt – hier. Dabei will ich sein Leben retten. Ihn retten.
 

Er rennt hinaus. Er hat Angst. Das seh’ ich in seinen Augen. Das seh’ ich an seinen Bewegungen. Ich kenn meinen Bruder. Ich kenn ihn doch.

Draußen auf der Straße, wo ich wieder vor ihm stehe, zittert er und weint Sturzbäche.

„Das ist nicht wahr! Das bist nicht du! Weil …“

Ich weiß, was er sagen will. Weil ich sein Bruder bin. Sein liebender Bruder. Und das bin ich. Das bin ich, will ich schreien. Ich bin’s doch! Deswegen tue ich das. Weil ich ihn so sehr liebe. Weil er doch mein kleiner Bruder ist. Stattdessen sage ich was völlig anderes. Stattdessen spiele ich weiter nach Plan. Weil ich muss. Weil ich heute nicht Itachi Uchiha sein darf, sondern nur die Killermaschine, die sie haben wollen.

„Doch, der Bruder, mit dem du immer Zeit verbringen wolltest, hat das getan. Um deine Leistungsfähigkeit, deine Kraft zu prüfen. Den liebenden Bruder, den du so bewunderst, den hab ich nur gespielt, um dein verstecktes Potenzial zu finden. Du warst neidisch auf mich.“
 

Nein, Gott nein, das war er nicht. Er hat mich bewundert! Er wollte nur auch von unserem Vater gesehen werden.
 

„Du wolltest immer stärker werden als ich, deswegen lasse ich dich am leben. Meinetwegen.“
 

Nein, nein, nein. Gott nein! Ich will, dass er sicher ist. Dass er lebt. Ich will das, für ihn. Weil er es wert ist. Weil es für mich eine Welt nicht existieren kann, in der er nicht lebt. Seine Kraft, seine Stärke ist mir so egal. Er könnte ein Schwächling sein – er ist es nicht, aber er könnte – und ich würde ihn kein Stück weniger lieben. Ich bin doch sein großer Bruder.
 

„Du kannst dieselben Augen – Mangekyo Sharingan – bekommen, wie ich sie besitze. Eine Bedingung gibt es dafür. Du musst deinen besten Freund töten.“
 

Warum erzähl ich ihm das? Warum nur? Warum?! Er soll glücklich werden, ich will das. Aber er muss stark werden. Stärker, härter, kälter und … einsamer. Das ist es, was sie wollen. Das ist es, was ich erreichen muss.
 

Seine Tränen hören auf, die Spur ist noch genau zu sehen. Er weicht einen Schritt zurück, seine nackten Füße machen kaum einen Ton auf dem Steinboden.
 

„Nur so kannst du so werden wie ich.“
 

Quatsch, quatsch, quatsch! Warum sollte er das wollen?! Dieser großartige, kluge, liebenswerte Junge. Mein kleiner Bruder …
 

Er fragt mich nach Shisui, nach meinem besten Freund und ob ich ihn getötet habe. Ich sage ihm, dass ich durch seinen Tod diese Augen bekommen habe, aber ich verschweige, welch kleines Opfer Shisuis Tod für sein Leben war. Ich erzähle ihm von dem geheimen Versammlungsraum unseres Clans und wo er sie findet, erzähle ihm, dass er dort den wirklichen Sinn hinter unseren Augenkünsten, den Augenkünsten unserer Familie finden wird. Sage ihm, dass dort das Geheimnis geschrieben steht und dass es – wenn er die Mangekyo Sharingan bekommen sollte – gäbe es drei Menschen, die diese Augen habe. Lüge, dass dies der wahre Grund sei, warum ich ihn am Leben lasse. Ich erzähle ihm all das, weil es Teil des Plans ist. In Wirklichkeit will ich, dass er die Hände von diesen Augen lässt, dass er seinen späteren besten Freund nicht tötet, wer auch immer das sein sollte. In Wirklichkeit will ich nur, dass er leben kann.
 

„Im Moment wäre es wertlos jemanden wie dich zu töten … mein dummer kleiner Bruder … wenn du mich töten willst … Verfluch mich! Hass mich!“, sage ich ihm, „Und lauf … lauf. Häng an deinem Leben! Und wenn du dieselben Augen hast wie ich, komme zu mir.“

Ich hoffe so sehr, dass er mich versteht. Dass dieser siebenjährige, verwirrte, ängstliche Kerl, die wahre Botschaft hinter meinen Worten versteht, obwohl es genau das ist, was nicht der Plan war. Ich will, dass er lebt. Lange und glücklich, dass er am Leben hängt, weil es das wichtigste für mich in der Welt ist: Sein Leben.
 

Ich glaube er bricht zusammen, so sieht sein Gesicht aus und vielleicht wäre das auch das Beste, aber er bricht nicht zusammen. Er fängt sich noch mal auf seinen Knien, atmet heftig, und als ich verschwinde, rennt er mir, über ein Dach, hinterher. Die Kunai, die er unterwegs gegriffen hat, wirft er mit entgegen. Sie treffen mich nicht wirklich, reißen mir nur das Stirnband vom Kopf. Ich bücke mich, hebe es auf, binde es unachtsam wieder fest und schaue ein zurück. Sasuke hockt dort weiterhin heftig atmend auf dem Boden und hält sich den von vorher schmerzendem Arm. Um uns herum sind Rauch und Leichen. Und ich beginne zu weinen, als er zusammenbricht.

Ich kann das nicht sehen. Das alles soll weggehen. Dieses Kind soll nicht so leiden. Mein kleiner Bruder. Ich will nicht so leiden. Ich bin doch … bin doch selbst noch ein Kind. Verdammte Scheiße! Ich bin vierzehn Jahre alt. Verdammte vierzehn Jahre.
 

Ich schüttele den Kopf, lege keinen Wert darauf meine Tränen fortzuwischen, sondern drehe ich auf dem Absatz und gehe, ohne zu zögern zu meinem Bruder, der dort auf dem Boden liegt, knie nieder und ziehe ihn in eine feste Umarmung. Sein Körper ist kalt, obwohl die späte Sommernacht mild ist, beinahe lau. Ich drückte ihn noch ein bisschen fester an mich und stehe mit ihm auf meinem Arm auf. Trage ihn hinaus aus diesem Dorf, in den Wald, wo niemand auf mich wartet. Gehe noch ein bisschen weiter, so weit, dass ich auch ja niemanden zufällig treffe. Aus dem Dorf wird mir keiner Folgen. Es wird ihnen egal sein, dass Sasuke fort ist. Völlig egal. Niemand wird ihn suchen, denn ich weiß zu viel und um ihn zu schützen – darüber sind sich der Ältesten, Danzou und der Hokage im Klaren – würde ich den feindlichen Dörfern alles sagen.
 

Irgendwo setzte ich mich dann unter einen großen Baum, lehne gegen den dicken Stamm des Astes und habe Sasuke immer noch auf dem Arm. Er liegt beinahe auf meinem Schoss, so wie ich nun sitze. Ich habe kaum etwas bei mir; dass ist nicht gut. Nur ein paar Waffen. Keine Kleidung zum Wechseln. Weder für ihn noch für mich. Wenigstens sind wir beide nicht mit viel Blut besudelt. Ich habe keine Decke bei, dabei ist meinem kleinem Bruder bestimmt kalt. Ich lege ihn neben mich auf den trockenen Waldboden, ein Gemisch aus Erde, Laub, Holzspänen, Moos und Tannennadeln. Hoffentlich ist es nicht zu rau. Eilig mach ich mich auf die Suche nach ein wenig Feuerholz, ohne in aus den Augen zu lassen. Zum Glück liegt hier genug rum. Ohne darauf zu achten, habe ich wohl einen recht guten Platz zum Übernachten gefunden. Ich lege die Zweige in Position und bringe sie mit einer Feuerkunst zum Brennen, bevor ich mich wieder an den Baum lehne und Sasuke auf meinen Schoss ziehe. Seinen Kopf bette ich in meiner Armbeuge und lege den anderen um seinen Bauch. Wenn er wach wird, wird er verschreckt sein, vielleicht traurig und ängstlich, aber er wird auch Hunger und Durst haben. Bestimmt wird er das, aber ich habe nicht zu essen mit, nicht mal eine Feldflasche. Ich wollte ja auch eigentlich alleine gehen und ja, wohin eigentlich? Zu diesen Typen. Dieser Organisation. Akatsuki. Aber dort bringe ich meinen Bruder nicht hin. Ums Verrecken nicht. Mein kleiner Bruder wird nicht unter Mördern aufwachsen, es reicht, wenn sein eigener, einziger Verwandter, den von nun an Sorge für ihn trägt, einer ist. Vielleicht werde ich ihn sogar anlügen …
 

Ich lehne meinen Kopf gegen den Stamm und blicke gegen das Blätterdach, hoch über mir. Vielleicht sollte ich Sasuke sagen, dass jemand anderer unsere Familie getötet hat. Dass ich das nicht war, aber ich war’s doch und er hat ein Recht auf die Wahrheit. Nur wie … wie soll ich ihn dazu kriegen, dass er mir trotz allem noch vertraut? Vielleicht mit der ganzen Wahrheit, davon was meine Mission war und mit allem, was ich weiß, aber ist er dafür nicht noch ein bisschen zu jung? Ist er nicht noch ein bisschen zu jung für das alles, was ich ihm zumute?
 

Es bleibt mir keine Zeit länger darüber nachzudenken, denn als ich auf Sasuke hinunterblicke, sehe ich, wie seine Lieder flackern, bevor er seine Augen träge öffnet.

„Hey“, murmele ich und streichle ihn leicht mit dem Daumen über die Schläfe. Mehr kann ich so, wie ich sitze nicht tun. Sasuke öffnet den Mund und schließt ihn sofort wieder. Ohne dass er sich bewegt werden seine Augen wässrig und entlassen salzige Tränen in die Welt, die über seine Wangen laufen. Ich versuche ihn mit beruhigenden Lauten zu trösten und streichele weiterhin über seine Schläfe.

„Mutter … Vater …“, flüsterte er irgendwann mit seiner Kinderstimme, wischt sich die Tränen fort und versucht aufzustehen. Er scheint langsam zu begreifen, wo er ist und was ich getan hab, denn der Ausdruck auf seinem Gesicht wird zunehmen panischer. Er beginnt nach mir zu treten, obwohl das durch seine Position schier unmöglich ist. Ich halte ihn fester und aktiviere meine Mangekyo Sharingan. Ich manipuliere ihn. Wenn das hier vorbei ist, wird er denken, er und ich wären einfach geflüchtet, geflüchtet vor demjenigen, der unsere Familie getötet hat. Ein Fremder, jemand den wir beide nicht kennen. Irgendjemand.
 

Sasuke weint wieder, als es vorbei ist, doch nun liegt er ruhig auf meinem Schoss und nun ist er froh, seinen großen Bruder bei sich zu haben. Ich weiß, ich habe gelogen, ich habe gemordet und ich manipuliere, aber ich habe Sasuke wirklich unsagbar lieb und er ist eben mein kleiner Bruder, er ist derjenige, für den ich das getan habe und er ist derjenige, für den ich ab dem heutigen Tag leben werde. Deswegen muss er mir vertrauen, er muss wissen, dass ich ihn vor allem Unheil dieser Welt schütze, auch wenn unsere Familie tot ist. Nur so kann ich für seine Sicherheit sorgen.
 

Ich hab das nicht getan, weil ich eigennützig bin – seine Erinnerungen manipuliert. Mit seinem Hass könnte ich leben. Aber ich muss für ihn sorgen, ab heute muss ich ihm Vater und Mutter ersetzen und ich muss meinen Job einfach gut machen. Ich tu das hier alles nicht für mich. Ich bin mir schon vor einigen Wochen egal geworden. Ohne ihn würde ich gar nicht mehr leben. Nicht mehr wollen. Aber weil er da ist, muss ich. Will ich. Weil es einen Sinn gibt. Weil er mir und meinem Leben einen Sinn gibt.
 

~~
 

Sasuke ist krank. Wir sind seit Wochen unterwegs. Schlagen uns irgendwie so durch. Ich besorge ein bisschen zu Essen und zu Trinken für uns. Ich stehle. Ich hab auch eine Decke gestohlen, eine Feldflasche und eine kleine Tasche, wo das bisschen was wir haben, reinpasst. Hauptsächlich leben wir im Wald, nahe an einem kleinen Dorf ohne Ninja, wo ich immer die Sachen hole. Manchmal stehle ich auch etwas Geld, von Leuten, die unachtsam sind, und kaufe davon etwas für uns. Die Nächte werden immer kälter und selbst die Decke und das Feuer, was ich entfache wärmen ihn nicht genug. Er ist noch klein und er ist sehr verletzlich. Des Öfteren weint er nachts, weil er unsere Eltern vermisst, aber ich tröste ihn schon irgendwie. Sasuke sagt immer, wir wären ein gutes Team. Ich sorge für ihn, sagt er, und er bringt mich zum Lachen. Das tut er wirklich. Na ja, wenigstens zum Grinsen. Manchmal aber lache ich auch für ihn, weil ich weiß, dass ihm das gut tut. Doch nun kann ihn kein Lachen der Welt – auch nicht meins – gesund machen. Ich brauche Medikamente. Nicht nur das. Wir brauchen einen Unterschlupf. Etwas, wo es wirklich warm ist. Wo er nicht den kalten Witterungen ausgesetzt ist. Bald wird es schließlich Winter sein. Er klopft schon an, der Winter; der Wind pfeift in den Schornsteinen der Häuser im Dorf, als will er mir sagen, dass ich mich beeilen muss.
 

Es ist der Morgen nach der zweiten Nacht, in der Sasuke krank ist. Ich konnte nicht ins Dorf, um zu stehlen, denn gestern war ein riesiges Fest gewesen und alle Geschäfte waren geschlossen. Ich muss mein Glück heute versuchen.

In der Stadt öffnen die ersten Geschäfte. Ich versuche immer so früh wie möglich ins Dorf zu kommen, dann ist das stehlen einfacher; die Menschen sind noch müder und achten nicht so sehr auf jemanden. Ninja gibt es hier ja sowieso nicht. Deswegen habe ich mir dieses kleine Dorf ausgesucht. Sonst wäre die Gefahr zu hoch, dass man mich erkennt.

Vor uns ist schon die kleine Apotheke. Ich stehe vor dem Fenster und schaue hinein. Wie immer, bevor ich mich zum Stehlen aufmache, zittern meine Finger. Nur ein falscher Griff, ich werde erwischt und wahrscheinlich von meinem kleinen Bruder getrennt. Dann war alles umsonst. Oder ich muss kämpfen. Ja, mit Sicherheit würde ich kämpfen und mein Gegner hätte keine Chance, aber dann wäre klar, dass ich Ninja bin und wir müssten uns was Neues suchen. Ein neues Dorf. Ohne Ninja. Diese Reise würde Sasuke in seinem Zustand nicht durchstehen. Niemals.
 

„Hey“, reißt mich eine Mädchenstimme aus meinen Gedanken. Ich wende mich um, halte Sasukes Hand ein wenig fester. Der hustet und versteckt sich leicht hinter mir, obwohl das Mädchen alles andere als bedrohlich aussieht.

„Ich hab euch schon öfter hier gesehen“, sagt das Mädchen, sie hat diesen typischen Akzent, den alle hier haben, sodass die Wörter manchmal klängen, als seien sie in einer anderen Sprache gesprochen. „Ihr seid nicht von hier oder?“

„Nein“, gebe ich zu und mustere sie. Sie hat dunkle Haare zu zwei dicken Zöpfen. Ihre Stiefel sind abgewetzt und zu weit für ihre dünnen Beine, aber sie scheinen noch zu wärmen, ihre Klamotten sind auch alt, aber sie erfüllen ihren Zweck. Das Mädchen verlagert ihr Gewicht auf das andere Bein, wobei die weißen Tüten, die sie in der Hand hat, ein wenig Hin und Her wippen.

„Ihr verschwindet immer da im Wald“, spricht sie weiter. „Habt ihr kein zu Hause?“

„Was geht dich das an?“, höre ich mich sagen.

„Nun …“ Sie lächelt mich an und schaut an mir vorbei zu Sasuke. „Er ist noch ziemlich jung und ich hab dich öfter beim Stehlen gesehen.“

Sasuke hustet wieder und sagt tapfer: „Nii-san muss stehlen! Sonst haben wir ja nichts zum Essen.“

„Bist du krank, kleiner Mann?“, fragt sie. Sasuke schüttelt den Kopf und ich schiebe ihn weiter hinter mich.

„Er geht dich nichts an. Verschwinde.“ Normalerweise würde ich ja verschwinden, aber ich muss hier bleiben, brauche die Medikamente.
 

Das Mädchen hockt sich runter und greift an meiner Hüfte vorbei zu Sasuke Stirn, doch noch, bevor sie die berührt, packe ich ihr Handgelenk und drücke fest zu, sodass sie vor Schmerzen aufstöhnt.

„Lass doch los“, höre ich ihre Stimme, knirschend. „Ehrlich, ich will ihm – euch – nichts tun.“

Ich lass' sie los, will ihr ja gar nicht wehtun. Sie ist ein Mädchen, sage ich mir. Ein unscheinbares, ungefährliches Mädchen. Nur einfach zu neugierig.

„Ich will euch nur helfen, okay?“ Oder … zu hilfsbereit. „Hör zu – wie heißt du? – ich hab bestimmt was, was ihm helfen könnte, aber dafür müsst ihr mitkommen. Du hast einen starken Griff“, fügt sie an. „Ich schätze, du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Also, kommst du mit?“

„Nein.“
 

„Weißt du … ich, versteh das. Zuerst wollte ich mir auch nicht helfen lassen. Ich weiß, wie du dich fühlst.“
 

Ach ja? Hast du auch deine eigene Familie gekillt, auf Anweisung des Dorfes. Hast du auch die Erinnerungen deines kleinen Bruders manipuliert? Ja? Hast du das getan? Nein. Bestimmt nicht. Also glaub nicht, du hast auch nur den Deut einer Ahnung, wie ich fühle!

Das will ich ihr sagen. Will ich wirklich. Aber ich tu’s natürlich nicht. Wegen Sasuke. Und weil ich niemals aus solch unsinnigen Gründen uns in Gefahr bringen würde.
 

„Wie es ist, kein zu Hause zu haben. Deine Freunde sind krank. Du selbst bist krank. Dir ist kalt und all das. Aber dann kam Seiji und hat uns mitgenommen. Wir haben es warm da, wo wir jetzt sind. Ich zeig es dir, okay? Dann kannst du immer noch gehen?“

„Lass uns mitgehen, ja, Itachi?“, höre ich die Stimme kratzige meines Bruders, während er an meiner Hand rüttelt. Sie hat ihn eingelullt. Na wunderbar.

„Bitte“, murmelt er. Ich seufzte und frage: „Wer ist wir?“,

Sie steht wieder auf und zeigt in eine Richtung. Auch ihr ist klar, dass ich es mir angucke – da wo sie wohnt. Ich kann ja immer noch gehen. Zu Not … muss ich halt kämpfen – dass weiß sie natürlich nicht – und dann abhauen. Aber vielleicht kann sie ja Sasuke helfen.
 

„Wir …“, sagt sie, während wir nebeneinander her durch die unzähligen Gassen gehen. Sasuke hab ich mittlerweile auf meinem Arm. Er ist zu krank, um so lange durch die Gegend zu laufen und das Dorf ist größer als ich gedacht habe. „Sind ich und meine Freunde, Makoto und Riku. Wir sind schon seit fast zwei Jahren zusammen.“

„Und wer ist Seiji?“, murmelt Sasuke gegen meine Brust.

„Seiji ist … einfach der Typ, der uns das Sternenversteck besorgt hat.“

„Das Sternenversteck, ja?“

„Ja, da vorne ist es schon. Kommt mit.“ Sie geht zielstrebig durch die nächste Gasse, noch enger, als alle zuvor und hält vor einer kleinen, hölzernen Tür. „Das war mal ein altes Kino, aber die haben sich hier im Dorf nicht so gut gemacht, nicht so wie in den großen Dörfern.“

Sie klopfte zweimal, dann eine kleine Pause, und noch mal ein Klopfen. Es dauerte nicht lange und die Tür wurde geöffnet. Vor uns stand ein Junge, der mir gerade mal bis zur Schulter reichte. Sein Haar war straßenköterblond, seine Zähne schief und gelb.

„Wen hast du den da angeschleppt?“, mault er Junge und besieht mich und Sasuke mit einem zweifelnden Blick.

„Sie brauchen Hilfe. Lass uns rein, meine Arme tun weh.“

„Das wird Seiji nicht gefallen …“, höre ich noch mal seine Stimme, bevor ich mich mit Sasuke auf dem Arm hinter dem Mädchen an ihm vorbei drücke.
 

Sie stellt die Taschen auf einem der wenigen noch vorhandenen Stühle im alten Kinosaal, während ich Sasuke runterlasse und seine Hand nehme.

„Hey, Makoto, kannst du mir mal die Kiste mit den Medikamenten bringen, ja? Sei so lieb“, wendet sie sich an den anderen Jungen im Raum.

Der brummt nur zustimmend, kramt irgendwo hinten rum und kommt dann mit einer großen silbernen Kiste zurück. Während das Mädchen nach dem richtigen Medikament für Sasuke sucht, schaue ich mich im Raum um. Es ist keine Leinwand mehr vorhanden und nicht mehr viele Sitze, dafür ist der große, blaue, kinotypische Vorhang noch da. Auf dem Boden verteilt liegen Matratzen mit Kissen und Decken und immer irgendwo irgendwelche Stapel und Haufen mit allerlei Zeug. Ehrlich hätte man mich vor ein paar Monaten gefragt, ob es Kinder gab, die in so was wohnten, hätte ich mir das nicht vorstellen können. Vor ein paar Monaten war ich das Wunderkind der Uchiha, Nachkomme einer legendären Familie. Heute kann ich mir sogar vorstellen, auch hier zu leben. Warum auch nicht? Auch wenn der Junge von der Tür, Riku muss er sein, ziemlich frech ist und der andere, der dunkelheutige mit den krausen Haaren, der neben dem Mädchen stand und sie und mich um mehr als einen Kopf überragt, brummig und auch wenn es diesem Seiji wahrscheinlich nicht gefallen wird, ist das ein guter Ort für Sasuke und ihn. Vielleicht kann das für mich noch immer namenlose Mädchen ja ein gutes Wort für uns einlegen.
 

„Na, das sollte dir helfen, kleiner Mann“, sagt sie und lächelt Sasuke an. Sie dreht das kleine Fläschchen auf, greift nach einem Plastiklöffel aus der Kiste und befüllt es.

„So und jetzt Mund auf.“ Mein kleiner Bruder gehorcht artig und schluckt das Zeug.

„Ihh“, sagt er dann und verzieht das Gesicht. „Wie ekelig.“

„Aber es hilft“, wiederholt die Dunkelhaarige und kichert leise.

„So und jetzt das Shirt übern Kopf. Ich reib dich noch mit diesem Zeug hier ein, das erleichtert das Atmen, okay?“ Sie blickt zu mir und ich nicke. Solange es meinem kleinen Bruder hilft.
 

Ich beobachte ihre Bewegungen, wie sie meinem Bruder über die Brust fährt. Vorsichtig, bedacht, gekonnt. Wahrscheinlich musste sie sich schon öfter um kranke Kinder kümmern. Ohne in ihrer Tätigkeit aufzuhören, blickt sie zu mir hoch und fragt leise: „Bleibt ihr ein bisschen hier, damit er schlafen kann?“

„Ja“, stimme ich zu und schaue zu Sasuke. Schlaf hat er nötig. Unbedingt.

„Gut, Makoto wir müssten doch irgendwo noch einen kleinen Schlafanzug haben, oder? Kannst du mal gucken, bitte?“

Wie ein folgsames Hündchen macht der Große sich auf den Weg und macht, was sie ihm sagt. Jedoch nicht, ohne zu brummen.
 

„Die bleiben doch jetzt nicht hier, oder?“ Das ist der Typ von der Tür, der kleine blonde mit den dreckigen Zähnen und der großen Klappe. Aber wahrscheinlich hat er sogar Recht. Sie holen sich einen Massenmörder unter ihr Dach, ohne dass sie davon wissen. Ich kralle meine Fingernägel in die Haut meiner Hände und schaue zu Sasuke, der ganz entspannt da steht und das Mädchen beobachtet, die gerade den Schlafanzug von ihrem großen Freund entgegen nimmt.

„Doch, bleiben die“, sagt sie schlicht, während sie Sasuke das Oberteil über den Kopf zieht, wartet, dass er aus seinen Schuhen und den Shorts steigt, und hilft ihm mit der langen Stoffhose.

„So und jetzt geht’s ab in die Federn.“ Ich folge ihr uns Sasuke zu einer der Matratzen, wo die vielen Bücher lagen.

„Das ist meine, ich frage Seiji gleich, wenn er kommt, ob er noch eine für euch beide besorgen kann, okay? Ihr bleibt doch länger oder?“

„Ich denke schon“, meine ich und setzte mich zu Sasuke auf die Matratze, ziehe die Decke zu Recht und streichle ihm über den Kopf.

„Schlaf, kleiner Bruder, okay?“

„Mhh“, murmelt er, nickt, kuschelt sich in die Kissen und ist fast augenblicklich eingeschlafen.
 

„Das Medikament macht müde“, erklärt mir das Mädchen und hockt sich vor die Matratze auf den mehr oder weniger sauberen Boden. Sie besieht Sasuke ein paar Minuten, steht auf und geht dann zu den Tüten, nimmt die Sachen heraus und räumt sie in eine Truhe, die wohl eigens für Lebensmittel bestimmt ist.

„Hast du Hunger?“, höre ich ihre Stimme vom anderen Ende des Raumes, sehe, wie der Blonde das Gesicht verzieht, und schüttele den Kopf. Hab ich wirklich nicht. Zu essen habe ich immer genug gestohlen, damit wir auch satt werden.

„Gut … Seiji müsste gleichkommen, er ist eh wieder zu spät dran.“

„Ihm wird das nicht gefallen“, wiederholt der Bengel. „Stimmt’s, Makoto?“

Der brummt nur und schraubt an irgendwas im hinteren Teil des Raumes herum, als das Klopfen an der Holztür ertönt. Erst zweimal, dann Pause und dann noch einmal. Der Blonde will schon aufspringen, doch das Mädchen ist schneller, macht die Tür auf und kommt, nach einigen Minuten, mit einem Jungen zurück, der ungefähr so groß ist wie ich. Er hat leicht gelocktes, schulterlanges Haar, das er, wie ich, zum Zopf gebunden hat. Dazu einen schwarzen Mantel und schwarze Stiefel. Sind schon komische Typen hier. So habe ich mit diesen Seiji-der-das-Sternenversteck-besorgt-hat-Typen übrigens nicht vorgestellt.

„Das ist also unser Besuch“, stellt der fest und kommt auf mich zu. „Wie heißt ihr?“

„Itachi, mein kleiner Bruder Sasuke.“

„Aha“, sagt der nun. Den Rest hat das Mädchen ihm wohl schon erzählt. „Und ihr wollt also hier bleiben?“

Ich nicke. Was soll ich auch großartig sagen? Betteln werd’ ich mit Sicherheit nicht.
 

„In Ordnung, Kaede, kannst du Tee machen?“

„Klar“, sagte das Mädchen und macht sich daran auf einem alten Reiseherd Wasser zu kochen, dass sie dann in Becher füllt und mit Teebeuteln an alle im Raum, außer an meinen schlafenden Bruder, verteilt.

„Was muss ich dafür tun?“, fragte ich den Kerl vor mir. Er wird nicht viel älter sein als ich, er ist kein Ninja. Sicherlich nicht. Sind sie alle nicht. Die Kinder hier.

„Du hilfst mir bei meinem nächsten Einbruch.“

„Nicht wahr“, höre ich den Blonden entsetzt. „Warum der Kerl?! Hä? Warum nicht wir?“

„Weil er wirklich stark ist, Riku“, erklärt Kaede vorsichtig. „Dieses Mal braucht Seiji uns alle. Er wollte es uns heute Abend sagen, sorry, Seiji. Aber ehrlich. Sag’s ihnen. Sag, was wir tun sollen.“

„In Ordnung. Hört zu. Alle“, er streift zuerst mich mit einem Blick und winkt dann den großen Dunklen heran, der sofort kommt und sich auf eine zweite Matratze setzt.

„Ich habe von so einem komischen Typen einen Auftrag bekommen. Er ist aus dem Dorf, will aber etwas haben, was es hier nicht gibt. Das ist eigentlich irre lächerlich. Irgendwelche Schriftrollen, er hat mir die Zeichen aufgemalt, die da draufstehen.“

„Wo soll es diese Schriftrollen denn geben?“, höre ich das erste Mal die Stimme des Dunklen. Sie ist tief, ähnelt seinem Brummen ungemein.

„In einem großen Dorf, zwei Tagesreisen von hier entfernt. Er hat mir den Plan aufgezeichnet. Hier: Das ist Konohagakure.“
 

Meine Augen weiten sich. Konoha. Konoha. Konoha! Diese Kinder vollen in einem Ninjadorf stehlen gehen.

„Ich mach das. Ich mach das alleine“, sage ich, ohne mich wie die anderen über die Karte zu beugen und nicke mir selber zu. „Ich kenn mich da aus, ich mach das.“

„Kommst … kommst du daher?“, höre ich Kaedes zögerliche Stimme.

„Nein“, antworte ich ihr eilig. „Ich war da nur eine kurze Zeit, bevor ich hierher kam.“

„Du machst das also alleine?“, fragt mich Seiji. „Warum sollte ich dir vertrauen?“

„Weil ich meinen Bruder bei euch lasse.“

„Okay“, antwortet Kaede anstelle des Mantelkerls. „Wirklich, Seiji, das ist okay. Er hat ihn beschützt wie eine Löwenmutter. Wenn er ihn hier lässt, wird er zurückkommen. Und das nicht ohne dieses Ding.“

„Du machst das nicht alleine. Ich komme mit. Die anderen bleiben hier. Und dein Bruder.“
 

Ich kann nichts dagegen sagen, aber auf einen Typen kann ich aufpassen. Und falls er sieht, dass ich kämpfe, falls er das sieht, falls es dazu kommt, muss ich seine Erinnerungen hinterher eben genau manipulieren wie Sasukes vor einigen Wochen.

„Gut“, sage ich daher. „Wann geht’s los?“

„Am besten gleich jetzt“, gibt Seiji knausernd zu. „Mein Kunde will die Schriftrolle Ende der Woche haben.“

Ich nickte und gehe zu meinem Bruder, streichle ihm über die warme Stirn. Er brennt nicht mehr so wie vorher, atmet ruhig, anscheinend hilft Kaedes Zeug. Ich wende mich an sie und sage leise: „Wenn ihr ihm auch nur ein Haar krümmt … “

„Ich weiß“, haucht sie und schaut ihre beiden Freunde, die vor sich herschmollen, da sie nicht mit zum ‚großen Abenteuer’ dürfen, mahnend an. Das hier ist kein Abenteuer, will ich ihnen sagen. Keineswegs. Konoha ist ein Dorf voller Ninjas. Ohne mich – wenn ihr mich heute nicht gefunden hättet und es trotzdem getan hättet, dorthin gehen – währt ihr aufgeschmissen, aber so was von! Doch ich sage es nicht. Sie sollen nicht wissen, dass ich mehr weiß. Mehr kann. Nicht, wer ich wirklich bin.
 

~~
 

In Konoha hat sich nichts verändert. Rein gar nichts. Es ist immer noch dasselbe Dorf. Wir sind natürlich nicht durch die Tore gekommen, sondern haben denselben Weg genommen, denn ich damals mit Sasuke zur Flucht genutzt habe, durch den Wald und dann durch das Uchihaviertel. Die Leichen sind fort, die Häuser stehen wie Ruinen dort. Eine Geisterstadt, mein zu Hause.

„Hier sieht’s ja gruselig aus. Ist doch hier, wo die ganze Familie gekillt wurde, oder?“, sagt dieser Seiji. Ich spüre ihn neben mir leicht beben und ich spüre das Chakra, das beginnt, durch seine Venen zu pumpen. Zum ersten Mal spüre ich es. Seiji hat ein Geheimnis. Das wird mir gerade klar. Er lügt. Genauso wie ich es tu.

„Können wir das jetzt auf meine Weise machen?“, frage ich und schaue zu ihm, offenbare auch mein Chakra, ein kleines bisschen davon, aber er muss es wohl direkt gewusst haben, als er uns das erste Mal gesehen hat. Bestimmt hat er von Anfang an Sasukes Chakra gefühlt, denn Sasuke kann es nicht unterdrücken. In dem Dorf habe ich es nicht mal für nötig gehalten, obwohl meines stets unterdrückt war.

„Auf deine Weise?“

„Auf die Ninja-Weise“, antworte ich und er nickt. Und seufzt.

„Okay, mein Chakra. Gerade eben stimmt’s? Aber Mann, hier sieht es auch echt gruselig aus!“

Ich presse meinen Kiefer zusammen und schaue ihn ernst an.

„Was ist nun? Hast du es drauf?“

„Logisch.“
 

Und so machen wir es auf die ‚Ninja-Weise’. Wir laufen über Dächer. Ganz eilig, unentdeckt. Brechen in den Hokageturm ein, unentdeckt und stehlen diese beschissene Schriftrolle. Wir verschwinden, unentdeckt, lassen das Dorf hinter uns, unentdeckt und erst im Wald werden wir langsamer. Schweigend gehen wir nebeneinander her. Wissend, dass wir nicht erst in zwei Tagesmärsche zurück wären, sondern schon bald, wenn wir weiter laufen würden, aber dann … dann müsste er sein Geheimnis aufgeben, weil es seinen drei Freunden komisch vorkäme. Zwei Tagesmärsche; für normale Menschen. Deswegen. Also gehen wir wie normale Menschen.

„Ich wusste es von Anfang an. Als ich rein kam“, sagt er zu mir. „Nur deswegen durftet ihr bleiben, so ohne Weiteres.“

Ich schweige und er tut es mir gleich, einige Stunden lang sogar, doch dann fängt er wieder an.

„Sie wissen nicht Bescheid. Ich glaube, die Drei haben keinen blassen Schimmer, was bei Ninjas überhaupt abgeht. Sie wissen nicht, wie stark wir sind. Deswegen habe ich sie damals aufgenommen, hab dieses alte Kino da zu ihrem Zuhause gemacht, deswegen sorge ich für die. Weil alle drei ihre Eltern wegen Ninjas verloren haben. Wegen solcher verfickten Mördern!“

Ich zucke zusammen. Sasuke. Auch Sasuke hat seine Eltern wegen solch einem verfickten Mörder verloren. Wegen mir. Seinem Bruder. Einem Ninja. Ich glaube, wenn ich später an die Dinge die geschehen sind, zurückdenke, wird dieser Moment es sein, an dem ich entschieden habe, was ich eben entschieden habe.
 

„Warum hast du uns dann dableiben lassen?“, fragte ich ihn. „Wir sind schließlich auch Ninja.“

„Aber du hast diese Augen.“ Sharingan. Bitte nicht. Woher soll er davon wissen? „Diese Augen eines Waisenkindes. Voller Schmerz. Du bist kein Mörder. Du bist ein Opfer. Deswegen.“

Wenn der wüsste. Wenn Seiji wüsste …

Ich lasse meine Hände in den Hosentaschen verschwinden und mache mich mit ihm auf den Weg zum Sternenversteck.
 

~~
 

Von dem Schriftrollentyp haben wir nach Übergabe der Beute nicht mehr gehört. Im Gegenteil, Seiji hat kaum mehr stehlen müssen, weil die Belohnung so hoch gewesen war. Unser Geheimnis haben wir, Seiji und ich, für uns behalten. Er hat nicht erzählt, was ich wirklich bin und ich nicht, was er ist.

Sasuke ist wieder gesund geworden, Riku ist nicht mehr so genervt, dass wir da sind, ich glaube er hat uns sogar akzeptiert, vor allem Sasuke, der nachts kaum mehr weint und der überhaupt kaum mehr traurig ist. Hier in diesem alten Kino ohne Leinwand, trieft es nur so vor Magie. Vor Magie und Wundern und vor Liebe, die vor allem von Kaede ausgeht. Kaede liebt ihre Jungs und sie hat einen Narren an Sasuke gefressen. Aber er auch an ihr und an ihren großartigen Gutenachtgeschichten. Und an Seiji – an dem hat er auch einen Narren gefressen. Er ist so stolz auf Seiji, weiß, dass wir das Sternenversteck nur ihm allein zu verdanken haben. Dass wir nicht mehr auf der Straße schlafen müssen, jetzt wo es richtig kalt draußen ist, wo sogar manchmal Schnee fällt; das wir Obst und Nudeln und Süßigkeiten haben und Schuhe, die unsere Füße wärmen – auch das haben wir Seiji zu verdanken. Das alles.

Am Anfang war ich sogar ein bisschen eifersüchtig auf Seiji. Ich meine, ich bin Sasukes Nummer eins die ganze Zeit über. Ich bin sein großer Bruder, aber hier sind die Menschen, mit denen ihn keine schreckliche Vergangenheit verbindet und Seiji ist ein guter Typ. Aber dennoch, am Anfang war ich eifersüchtig.
 

Als der Frühling ins Land zieht und die ersten Blumen blühen, beginne ich zu begreifen, was außerhalb unseres Sternenverstecks vor sich geht. Denn ich sehe das erste Mal seit langen Monaten Madara Uchiha wieder und an einem Tag sehe ich seine Sharingan in der Dunkelheit der Gasse, an einem anderen, sagt er mir, dass er mich erwartet und dass ich zu kommen habe. Sonst sind diese Kinder tot. Ich habe genug Schonfrist bekommen, sagt er, und soll mich jetzt endlich wie der Mann benehmen, der ich bin. Kisames Partner wäre tot, er bräuchte einen Neuen, es sei an der Zeit für mich. Gegen Madara Uchiha kann ich mich nicht zu Wehr setzten und ich will nicht das er diese Kinder tötet, denn zu einem jeden von ihnen, habe ich mittlerweile eine Beziehung aufgebaut, die stärker ist, als die zu meiner Familie. Das ist es, was ich damit meinte, dass es manchmal nicht genug ist, wenn dasselbe Blut durch die Adern fließt. Das hier aber ist genug, dass ich nicht will, dass diese Kinder sterben.
 

Seiji ist zu so etwas wie mein bester Freund geworden. Ehrlich. Mehr noch als Shisui in all den Jahren. Er hat mir nie erzählt, warum er solch einen Hass auf Ninjas verspürt und nur einzelne, wie wir – mein Bruder und ich –, für ihn in Ordnung sind, aber das war okay. Seine Vergangenheit geht mich nichts an, sowie ihn unsere nichts angeht. Ich habe nie etwas erzählt.

Riku ist lustig. Meine Güte, das ist er wirklich. Am Anfang dachte ich, er wäre ein Arschloch. Aber er ist ein guter Kerl. Er spielt mit Sasuke, bringt ihn zum Lachen, er ist sein Freund. Das sind sie alle dort. Riku war der Jüngste, bevor Sasuke und ich kamen. Und er sieht genauso zu Seiji auf wie Sasuke.

Makoto ist ein kluger Kerl. Er hat mir erzählt, dass er glaubt, dass sein Vater noch irgendwo lebt und dass er ihn mit Sicherheit findet. Er hat seine Eltern nicht sterben sehen, gut seine Mutter schon, aber seinen Vater nicht. Er will ihn finden und dafür baut er ein Boot, denn er ist überzeugt, sein Vater wartet irgendwo auf einer Insel auf ihn oder auf offenem Meere, weil er Fischer war. Seiji meinte, dass erzählt Makoto nur seinen Vertrauten, nicht irgendwelchen Fremden oder Menschen, denen er nicht vertraut.

Und dann ist da noch Kaede. Sie hat sich in mich verliebt und ich mich in sie. Ich hab nicht geglaubt, dass ich nach dem Tod meiner Familie noch imstande wäre, mich zu verlieben. Aber ich hab’s getan und ganz ehrlich, bevor Madara Uchiha aufgetaucht ist, hat sich das unheimlich großartig angefühlt. Ich hab sie nicht geküsst, soweit ist es nicht gekommen, aber die Blicke, unsere Blicke, wenn die Dinge nicht so gekommen wären, wie sie gerade kommen, wären wir ein Paar geworden mit Sicherheit.
 

~~
 

Es sind zwei Nächte nach meinem Gespräch mit Madara, als ich mit Seiji und Kaede wach sitze. Sasuke schläft in neue Decken eingemummelt auf unserer Matratze. Makoto schnarcht vor sich hin und auch Riku schläft tief und fest.

„Ich werde gehen“, gestehe ich den beiden gedämpft.

„Warum?“ Kaede, besorgt, wie immer. Und traurig.

„Wirst du nicht!“ Seiji, beschützerisch, obwohl er weiß, dass ich unsagbar stark bin. In jedem Trainingskampf im Wald – nur wir beide, alleine, immer ohne die anderen – habe ich ihn besiegt. Ohne Sharingan. Jedes Mal ohne.

„Doch. Aber ich nehm’ Sasuke nicht mit.“ Ich schweige. Kaede schweigt. Seiji schweigt. Es gibt nichts zu sagen. Das ist Sasuke nicht mitnehme, zeigt ihnen, wie ernst es ist. Vor allem zeigt es Seiji das.

„Könnt ihr auf ihn aufpassen? Ich will ihn nicht dahin zurückbringen, wo wir herkommen. An dem Ort ist es … zu gruselig.“ Ich blicke Seiji an und er nickt.

„Ja, Mann“, sagte er und versteht.

„Aber er braucht dich, er braucht dich, Itachi.“

„Nein, oh nein. Außerdem … werde ich ihn von überall aus beschützen. Wenn er morgen früh fragt, wo ich hin bin, könnt ihr ihm dann was von mir sagen?“

„Entschuldige, Itachi“, höre ich Kaedes Stimme. „Aber ich kann das nicht. Ich kann’s nicht okay.“ Sie schlingt ihre Arme um mich und küsst meine Wange. „Geh, geh. Hau ab. Mir doch egal.“ Sie löst sich von mir und ich nicke.

„Ja, das ist okay. Bye Kaede.“ Sie nickte, schluckt und wischt sich eine Träne weg, bevor sie zu ihrer Matratze geht und sich mit dem Rücken zu uns hinlegt.
 

„Ich bring dich zum Wald, okay, Itachi?“

Ich nicke, gehe vorher noch mal zu Sasuke, küsse Sasuke Stirn brüderlich und decke ihn richtig zu. Es gibt keinen Ort, an dem ich ihn lieber wüsste, als hier. Keinen Einzigen.
 

Der Weg durch die Gassen erscheint mir länger als je zuvor.

„Was soll ich ihm sagen, Itachi?“

„Sag ihm … dass es mir leidtut und dass es kein nächstes Mal geben wird, okay? Sag ihm, dass er ruhig wütend sein kann und dass er mich hassen kann, aber ich werde immer sein großer Bruder sein. Und … Seiji… sorg dafür, dass er niemals auch nur einen Fuß nach Konoha setzt, in Ordnung? Wenn er dorthin will, sag ihm, dass ich ihn eigenhändig da raus hole und ihm Verstand einprügele, dass er nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.“

„Okay, Mann. Schon gut. Ich sorg dafür, dass ich ihm das nie sagen muss.“

„Das ist gut. Ich hab ihn lieb, sag ihm das auch, ja?“, bitte ich Seiji, als wir am Waldrand ankommen. Die Sonne steht hoch am Himmel, ich kann sie noch durch die Baumkronen sehen. Es ist ein verschissen schöner Frühlingstag, der Tag meines Abschieds.

„Klar, mach ich“, verspricht Seiji. Ich nicke und schaue zur Seite.

„Also …“, meine ich gedehnt.

„Also …“, wiederholt er im gleichen Tonfall. „Ich trainier später mit ihm, okay? Er soll nicht vergessen, was er ist, oder?“

„Nein … Seiji. Irgendwann wird er das hier bekommen.“ Ich aktiviere meine Sharingan. „Sorg dafür, dass er damit umgehen kann.“ Seiji sieht, wie sich meine Tomoe verändern und dann höre ich sein heftiges Atmen, sein Keuchen und obwohl ich versuche es so schmerzlos wie möglich zu machen, als ich ihm die Morde zeige und mein anschließendes Gespräch mit Sasuke, meine ganzen Gefühle dabei offenbare, höre ich auch sein aufstöhnen vor Schmerz. Ich sehe, dass er zusammenbricht, auf die Knie, und bevor er hoch schaut, zu mir hoch, bin ich fort. Seiji wird Sasuke nichts antun. Er ist genauso wie seine anderen Schützlinge. Ein Waisenkind, dessen Eltern von einem verfickten Mörder, einem Ninja getötet wurden. Seiji weiß von den Uchiha. Ich weiß, dass er das tut. Und er hat verstanden, als ich gesagt habe, dass es an dem Ort wo wir herkommen, zu gruselig ist. Vielleicht wird er Sasuke irgendwann die Wahrheit erzählen. Vielleicht auch nicht. Aber bis dahin wird er ihm ein guter Freund sein und er wird ihn beschützen. Bis dahin … ist er dort am besten aufgehoben, bei Leuten, die für seine Sicherheit einstehen. Die für meinen kleinen Bruder einstehen, so wie es in Konoha niemals der Fall gewesen wäre. Eine Familie, das ist es, was Sasuke verdient hat. Und was er hier, in Riku, Makoto, Kaede und in Seiji gefunden hat.
 

~~
 

Bei den Akatsuki habe ich kein Wort über Sasuke verloren. Es ist beinah, als ob dieser kleine Junge nur noch in meinen Träumen und Vorstellungen existiert. Ich vermisse ihn sehr, aber ich glaube auch, jeden Tag wird der Schmerz ein bisschen kleiner, irgendwann wird er nur noch der Kloß im Hals sein, das leichte Ziehen in der Brust oder mein Seufzen an seinem Geburtstag.

Einmal, im ersten Herbst, als ich glaube, ich habe mich genug unter Kontrolle, gehe ich nach einem Auftrag mit Kisame in dieses Dorf. Ich verfrachte ihn in eine Herberge und erzähle ihm, ich würde mir neue Kleidung zulegen gehen. Das tu ich auch. Als Allererstes, denn aus meinen Hosen und Oberteilen bin ich schon länger raus gewachsen. Diesen Sommer habe ich einen enormen Schub gemacht. Auch noch mal kräftemäßig. Ich bin stärker geworden. Stärker, härter, kälter und … einsamer.
 

Ich verstecke mich und prüfe die Unterdrückung meines Chakrastroms, als ich Sasuke an Kaedes Hand sehe. Auch er ist ein bisschen größer geworden, trägt neue Kleidung, hat die Haare ein bisschen länger, fast schon so wie Seiji seinerseits und Kaede spaßt auch gerade mit ihm darüber und will ihn dazu animieren, dass sie ihm die Haare schneiden dar. Sie stehen dort vor dem Schaufenster, Tragetüten neben Kaedes dünnen Beinen, die immer noch in diesen viel zu weiten Stiefeln stecken. Sie ist weiblicher geworden und auch ihre Haare sind länger, aber es ist unverwechselbar Kaede. Die Kaede, mit all ihrer Magie, dem leckeren Essen und den zauberhaften, abenteuerlichen Geschichten, die sie in der Nacht laut vorlas.

Sasuke fühlt sich wohl bei ihr. Ich glaube, vielleicht ist sie sogar eine Art Mama-Ersatz für ihn. Jedenfalls geht sie so mit ihm um. Wie sie ihm den Puderzucker von der Wange streicht, als er das kleine Küchlein aufgegessen hat, wie sie mit ihm redet und wie sie seine Hand fester packt, als sie sich wieder auf den Weg machen, weil Seiji, mit einer weiteren kleinen Tüte, aus dem Laden gekommen ist. Ich folge den drein ein Stück, lautlos, mit unterdrücktem Chakra, unentdeckt. Sasuke geht es gut. Das ist es, was ich wissen wollte. Er wird erwachsen werden. Erwachsen; wird irgendwann zu einem gesunden, verantwortungsvollen, vielleicht starken und fröhlichen Mann heranwachsen. Diese Erkenntnis ist es, die mich dazu bewegt, zurück zur Herberge zu gehen. Ich weiß, dass er hier sicher ist. In einem Dorf fernab von Krieg und Rängen, fernab von Madara Uchiha und den dunklen Geheimnissen unserer Augenkünste, nur trainiert von Seiji und umsorgt von ihm und Kaede.
 

~~
 

Ich erinnere mich an meine Kindheit und an das Gefühl, dass niemals wiederkehren wird. Ein Gefühl, das ich nicht mal wirklich beschreiben kann. Jedenfalls nicht mehr in dem Zustand, in dem ich jetzt bin. Es ist schwer genug, mit auf dem Barhocker zu halten. Ich bin sechzehn Jahre alt. Schon fast erwachsen. Und zum ersten Mal in meinem Leben sturzbesoffen. Ich bin nicht mal lauter oder fröhlicher als sonst. Nur noch trauriger. Ich hänge in der Vergangenheit. Ich steck da irgendwo fest. In dem Gefühl meiner Kindheit, in den Morden und den Tagen und Jahren davor. An die Zeit im Sternenversteck jedoch kann ich mich fast gar nicht mehr erinnern. Ich vermisse meinen kleinen Bruder – heute ist sein neunter Geburtstag, sein Zweiter ohne mich – und heute ist der Schmerz wieder besonders stark. Ich bestelle Becher nach Becher. Zu jeder halben Stunde fast werden meine Getränke härter und ich sitze schon lange hier. War sogar einmal fast kotzen, aber ich vertrage viel; deswegen dauert es lange, bis ich so zu bin, wie jetzt.
 

Ich spüre nur fahrig den Luftzug, als die Tür aufgeht und sich jemand auf den Hocker neben mir niederlässt. Ich werfe einen Blick zur Seite, zu einem alten Mann mit grauen Haaren und einem Dreitagebart. Er ordert sich selbst etwas Hartes, trinkt es in einem Schluck und bestellt nach, ohne das Gesicht zu verziehen. Ich schaue wieder in mein Glas, auf eine milchige, hochprozentige Flüssigkeit und seufze tief.

„Jungs in deinem Alter – Kinder – sollten nicht hier sitzen und sich betrinken.“ Die Stimme des Alten ist sonor, seine Augen sind tiefblau und die Falten im Gesicht erzählen mir eine fremde Geschichte. Ich schlucke.

„Wissen Sie“, sage ich und schwenkte meinen Becher leicht, ohne genau zu wissen was ich sagen will, „Ich hab mich schon vor ein paar Jahren getötet. Das alles spielt also keine Rolle mehr.“
 

„Bruder!“, schrie er damals. Und ich habe seinen Bruder getötet …

Sasukes großen Bruder.

Vor zwei Jahren.

In einer traurigen, blutigen, brennenden Nacht.

Habe ich mich getötet.

Mich.

Seinen Bruder.

Es spielt alles keine Rolle mehr.

In Wirklichkeit bin ich schon lange tot.
 

„Dann“, sagt er Mann, spült das braune Gesöff mit klarem, hochprozentigen Whiskey nach, „Solltest du schleunigst wieder beginnen zu leben, bevor du so alt bist wie ich und jeden Tag herkommst. Es gibt nichts Schöneres, als das Leben, hat mein großer Bruder immer gesagt. Und meine Frau hat ihm da zugestimmt, selbst in der Nacht, in der sie beide gestorben sind, haben sie das noch gesagt und daran geglaubt.“
 

Mir läuft ein Schauer über den Rücken und plötzlich ist mir kalt. Ich stütze meine Ellbogen auf der Theke ab und schmeiße in einer ungeschickten Bewegung meinen Becher um, bevor ich meinen Kopf in den Händen vergrabe und wie ein Baby schluchze und heule. Ich spüre nicht den erschrockenen Ausdruck der jungen Bedienung, den mitleidigen Blick des alten Mannes auch nicht, aber seine warme, schier riesige Hand auf meinem Rücken. Es ist das erste, verfickte Mal, das ich weine, weil ich meine Eltern getötet habe, meine ganze Familie. Mein Vater, zu dem ich seinerseits auch mal aufgesehen habe; meine Mutter, die mich so sehr geliebt hat; meine Tante von der Bäckerei; mein Großvater, der Angler; meine Cousinen und Cousins, Shisui, mein damaliger bester Freund. Und ich weine, weil ich das Sternenversteck hinter mir gelassen habe und all meine Freunde dort. Meinen kleinen, unglaublichen Bruder. Ich weine, weil ich mich vor Monaten mit den Morden an meiner Familie selbst getötet habe; weine, weil es nichts Schöneres, als das Leben geben sollte, weil der Alkohol durch meinen Körper fließt.
 

Ich weine, weil diese verschissene Welt ungerecht ist! Für den Frieden des Dorfes bin ich zum Mörder geworden und der einzige verlorene Mensch bin ich. Verloren … und bei Akatsuki, wo es die Hölle ist – unter Gestörten, Massenmördern und Menschenfressern – und weil mich niemand aus diesem verfickten Dorf, für das ich alles aufgegeben habe, rettet. Niemand ist mir je hinterher gekommen um meinen Bruder heimzuholen, um mich heimzuholen.

„Shh“, flüstert die sonore Stimme des Mannes. „Es gibt immer einen guten Grund zu leben, mein Junge.“

„Ja. Ja, ich weiß“, murmele ich gegen meine Hände. Ich weiß das wirklich, verdammte Scheiße. Es gibt einen Grund. Den Größten auf dieser Welt. Sasuke. Mein kleiner, unglaublicher Bruder. Um ihn zu schützen, auch von weit her, würde ich ewig leben, auch wenn ich innerlich schon mehr als tot bin, schon lange verwese.
 

Auch wenn ich Sasuke nicht sehe, nicht die Tage mit ihm verbringen kann, werde ich immer sein großer Bruder sein, das wusste ich vom ersten Moment an. Für ihn geh ich durch die Hölle, damit er eine Welt hat, in der es sich lohnt zu leben.
 

~~
 

Ich kann die Welt nicht ändern, das begreife ich am nächsten Morgen, als die Sonne scheint, mich weckt und ich merke, dass ich noch lebe. Aber ich kann die Welt in mir ändern. Wenn ich nur genug dran glaube, kann ich das, selbst wenn ich keine Ahnung habe, was ich tun soll. Deswegen blicke ich in den Himmel, in die Sonne, lange, lange, weil ich keine Angst hab blind zu werden und danke Gott, dass ich noch am Leben bin.
 

by Jessa_



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2013-12-22T16:03:31+00:00 22.12.2013 17:03
Oh man!
Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin einfach nur froh, dass ich deinen OS gefunden habe.

Ich muss sagen, das mit dem Sternenversteck war schon ungewohnt zu lesen, vor allem in Verbindung mit den Uchihabrüdern. Aber es war eine gute Idee, wie ich finde. Etwas neues, und es war schön zu lesen.
Mir gefällt dein Schreibstil - an einigen Stellen passt es nicht zu Itachi, (z.B. bei vulgären Ausdrücken) aber ansonsten fand ich, dass du die Stimmung authentisch rüberbringen konntest.
Ich fühlte die ganze Zeit mit Itachi, besonders, als er am Ende in der Bar geweint hatte. Das war herzzerreißend. Ich hatte echt einen Kloß im Hals.

Vielen dank, für diesen OS!
Lg, abgemeldet
Von:  moto7
2012-10-24T19:42:21+00:00 24.10.2012 21:42
wieder unglaublich gut geschrieben, wirklich^^
diese geschwister beziehung ist wohl die, von der alle geschwister träumen.

mal ne frage: hast du die sache mit dem versteck und den kindern aus dem film herr der diebe? erinnert mich sehr stark daran.
Von: abgemeldet
2011-03-07T17:34:55+00:00 07.03.2011 18:34
wäre nett wenn ihr hier zürück schreibt denn ich weiss nicht wo ich nachrichten empfangen kann :s
(WENN MAN WELCHE EMPFANGEN KANN :S)
Von: abgemeldet
2011-03-07T17:34:12+00:00 07.03.2011 18:34
Ich finde deine FF wirklich toll wie ayume schon sagte bringst du die Gefühle sehr gut rüber
Ich hab sie mir schon 2mal Durchgelesen :)
Also kompliment an dich

& entschuldigung das ich das hier frage aber
ich bin erst neue hier und würde gerne eine eigene Fanfic erstellen .. nur ich weiss nich wo und wie das geht
geschrieben hab ich schon aber wo stell ich die Online :S

Von:  Kuroi_Namida
2011-03-04T00:09:21+00:00 04.03.2011 01:09
Oh... Ich weiß garnicht, was ich schreiben soll, aber dieser wunderschöne und traurige OS verdient jeden Kommi der Welt... Du hast wirklich einen tollen Schreibstil, du bringst alles so gut rüber, dass ich am Schluss wirklich weinen musste... Ich werde auf jeden Fall mehr von dir lesen.

Von:  Ayume
2011-03-03T20:14:33+00:00 03.03.2011 21:14
Uiuiui,
Wundert mich ja das du noch keine Kommis hast. Ich finde deinen OS Wahnsinnig gut geschrieben. Du hast die Gefühle von Itachi sehr gut rübergebracht. Auch von Sasuke. Einfach wunderbar :3
Das ist richtig traurig geschrieben und die Verbindung zwischen den Brüdern und später zu den anderen Waisenkindern ist richtig toll beschrieben und auch irgendwie nachvollziehbar. :)
Sehr schöner Schreibstil und toller OS <3 *Favo*


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