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Christmas all around you

von

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Weihnachtsmarkt

Als ich über den Weihnachtsmarkt schlenderte, hielt ich nicht nach meinen Freunden Ausschau, sondern nur nach ihr. Dass sie bei den anderen war, war ein glücklicher Umstand, denn sonst hätten die Jungs und Mädels mich heute gar nicht mehr gesehen.

Sie stand an einer künstlichen Schlittschuhbahn und belächelte die Gruppe Jugendlicher, die sich selbstsicher über das Eis bewegte. Ihre Hände lagen auf der Wand, die sie von der Eisfläche trennte, und trommelten zitternd einen unbekannten Takt. Noch wusste sie nicht, dass sie beobachtet wurde, und das machte den Moment umso schöner. Sie lachte leise in sich hinein und das Licht der Scheinwerfer brach sich auf ihren hellen Zähnen.

Ich bekam immer weiche Knie, wenn ich sie sah. Da wir die gleiche Schule besuchten, war ich also täglich auf Wackelpudding unterwegs. Das hatte sich nie geändert: schon vor zwei Jahren, als wir uns auf diesem Weihnachtsmarkt kennengelernt hatten, waren meine Beine plötzlich schwach geworden. Schon damals hatte sie nie Handschuhe getragen und deshalb immer gefroren, seitdem hatte sie sich nicht eines Besseren belehren lassen.

Doch nur ihr Anblick reichte irgendwann nicht mehr. Nicht als wir uns kennengelernt hatten, auch nicht in der Schule, wo ich mit dem Eintritt in die Oberstufe fast die gleichen Kurse wie sie gewählt hatte, und auch jetzt nicht. Aufgeregt trabte ich zu ihr.

Unsere Freunde auf dem Eis gestikulierten in meine Richtung und sie drehte sich zu mir. Strahlend grüne Augen durchschnitten die Luft und ihr Mund teilte sich wieder in einer verzückten Geste. "Lennard, hey!! Wo warst du so lange?" rief sie und sprang auf mich zu, um sich in meine Arme zu werfen. Würde ich sie nicht kennen, könnte ich mir darauf etwas einbilden, doch so begrüßte sie jeden, und sandte die Jungen damit regelmäßig gedanklich gen Himmel. Ich war da keine Ausnahme.

"Sassi hat sich wieder in Schwierigkeiten gebracht."

Sie lächelte und stupste mich in die Seite. "Das muss bei euch wohl in der Familie liegen. Und lass mich raten -- du musstest sie mal wieder abholen?" Ich nickte ergeben und betrachtete dann ihre Hände. Die Finger waren feuerrot angelaufen und zitterten noch immer.

"Glühwein?" fragte ich und wippte mit dem Kopf in Richtung des Standes, der nur wenige Meter von uns entfernt war.

"Au ja!" Sie nahm meine Hand in ihre und steckte sie dann mit verschränkten Fingern in meine Jackentasche. Ich fühlte mich, als hätte sie mir einen Eisklumpen in die Tasche gelegt und begann selbst bald zu bibbern, ohne sie wirklich wärmen zu können. So standen wir schließlich beide zitternd am Glühweinstand, die Finger der freien Hand um den Becher geschlungen, in dem Versuch, uns daran zu wärmen. Die verschränkten Hände waren nun beide zu Eiszapfen geworden und steckten noch immer sicher in meiner Tasche, wo ich sie kühl auf meinem Bauch spürte.

"Wie war Sport?" fragte ich und deutete ein Lächeln an. Trotz ihrer tollen Figur und keinem Gramm zuviel, war sie eine absolute Niete in jeglicher sportlichen Betätigung, Joggen ausgeschlossen. Aber was musste man fürs Jogging schon können?

Sie verzog ihr Gesicht, als hätte sie gerade einen besonders bitteren Geschmack im Mund und nach einem vorsichtigen Schluck Glühwein erwiderte sie: "Erst Stangenklettern, da bin ich über meine Körpergröße nicht hinaus gekommen. Dann Liegestütze. Fünf!" Sie lächelte triumphal und setzte ihre Aufzählung fort. "Kugelstoßen... naja, sagen wir mal, ich habe niemanden verletzt. Beim Seilspringen dann die Erlösung: ich habe mich im Seil verheddert und bin mit dem Hinterkopf auf die Sitzbank geknallt. Dann durfte ich gehen." Sie grinste glücklich, als wäre ihr Sturz ein wirklich fabelhaft toller Zufall gewesen und ich schüttelte nur den Kopf. "Du verstehst das natürlich nicht", schmollte sie und ich strich ihr mit dem Daumen über die Hand in meiner Tasche.

Tat ich wirklich nicht. Meiner Definition nach waren schlanke Mädels sportlich. Im Mädchenteam unseres Hockey-Vereins gab es ein halbes Dutzend Frauen, die weit weniger hübsch waren als sie, sich aber nicht ständig verletzten, selbst wenn sie einen Schläger nur ansahen.

"Du willst also nicht aufs Eis?" fragte ich und mein Blick schweifte kurz zu der kleinen überfrorenen Fläche, über die unsere Freunde noch immer ihre Runden zogen, wenn auch weniger enthusiastisch als noch bei meiner Ankunft. Vermutlich war unsere Zweisamkeit nicht mehr von langer Dauer.

"Bist du verrückt?" kicherte sie und ihr Atem stieg in Wölkchen zwischen uns auf. "Aber tu dir keinen Zwang an, ich warte hier auch auf dich, wenn du möchtest." Sie nickte kurz zur Eisfläche, doch behielt ihre Hand in meiner Tasche, ein zartes Zeichen ihrer Zuneigung.

"Nein, lass mal. Ich will die anderen ja nicht alt aussehen lassen." Ein Lächeln zierte ihre Lippen, als ich das sagte, und es brauchte nichtmal die melancholische Weihnachtsmusik, um mich schwach zu machen. Meine Beine drohten, nachzugeben. Wieder einmal.

Wie eine Herde Hühner kamen mir unsere Freunde vor, die lachend und plaudernd zu uns kamen, nachdem sie den Spaß am Schlittschuh laufen verloren hatten.

"Haltet ihr schon wieder Händchen?" murrte Sven griesgrämig. Der Schnee an seiner Hose ließ vermuten, dass er vor Kurzem auf dem Hintern gelandet war, oder eine Abreibung bekommen hatte. Was auch immer es war, es schien sich auf seine Laune auszuwirken.

Sie streckte ihm nur die Zunge heraus und steckte ihre Nase dann in den Glühweinbecher, um sich etwas zu wärmen. Währenddessen zogen die anderen weiter und wir schlossen uns ihnen an. Ich mochte Weihnachtsmärkte nicht nur, weil wir uns hier zum ersten Mal getroffen hatten. Die ganze Atmosphäre war genau das, was Weihnachtszeit für mich bedeutete. Schummriges Licht, Geschenke, Schnee. Letzterer fehlte zwar noch, aber nach dem Himmel zu urteilen war das auch nur eine Frage der Zeit.

Wir hielten an einer Wurfbude, wo die Jungs versuchten, einander zu imponieren. Ich hätte bei dem kindischen Wettkampf mitgemacht, doch dann müsste ich ihre Hand loslassen und trotz des Eiszapfens, den sie aus mir gemacht hatte, brachte ich das nicht über mein schmerzvoll wummerndes Herz.

Sie allerdings löste sich schließlich abgelenkt und tollte zu einem Stand mit Losen. Ihre Augen glitzern beim Anblick der großen Kuscheltiere, die majestätisch über unseren Köpfen schwebten.

"Das hatten wir doch letztes Jahr schon", stöhnte ich verzweifelt. Wir hatten solange gemeinsam Lose gekauft, bis es für ein kleines Kuscheltier reichte, und ein halbes Vermögen dafür ausgegeben. Vermutlich doppelt so viel wie eines der großen tatsächlich wert war.

"Aber wenn ich Glück habe, dann brauche ich bloß fünf Lose." Hinter uns gröhlte die Gruppe, als einer der Jungen mit einem Wurf alle Dosen abräumte.

"Oh bitte, lass mich dir einfach einen Teddy zu Weihnachten kaufen und statt der Lose holst du dir ein Lebkuchenherz." Es schien, als überlege sie ernsthaft, doch dann zuckte sie entschuldigend die Achseln und löste fünf Euro ein. Ihr Gewinn reichte für einen kleinen Schlüsselanhänger, den sie mit Schmollmund entgegennahm.

"Hier, nimm du ihn", sagte sie verdrießlich und schob mir den kleinen Würfel-Anhänger zu, bevor sie ihren Arm unter meinen hakte.

Die Gruppe zog weiter, aber ich bemerkte nur ihre Präsenz neben mir, sicher und warm. Die anderen hielten vor einem Kettenkarussel und die Jungen, die nicht von ihren Freundinnen dazu überredet wurden, schlichen sich zu einer Achterbahn.

Sie war noch immer unter meinen Arm gehakt und mit kurz aufflammendem Mut nahm ich wieder ihre Hand und führte sie ungesehen zum Riesenrad.

"Darf ich bitten?"

Ihr Lächeln strahlte mir entgegen und mein Herz hämmerte wie wild gegen meine Rippen. Nachdem ich bezahlt hatte, führte ich sie wie eine Prinzessin an meiner Hand zu einer der kleinen, offenen Gondeln. Wieder ließ sie meine Finger nicht los.

Als sich die Gondel langsam in die Luft hob, schaute sie mich erwartungsvoll von der Seite her an, doch ich vergrub nur meine Nase im Anorak. Je höher wir kamen, desto kälter wurde mir. Fast auf der Spitze hielten wir und erst als ich sie ansah, merkte ich, dass es zu schneien begann.

Feine Schneeflocken rieselten von der dichten Wolkendecke, die sich über uns spannte. Die winzigen Flocken fingen sich in ihren Haaren und Wimpern und schmolzen auf ihrer Wange. Es war ein so wunderschöner Anblick, dass ich für ewig andauernde Sekunden die kleinen Tröpfchen auf ihrem Gesicht beobachtete.

"Nimmst du auch von anderen Mädchen die Hand?" murmelte sie, seltsam leise. Meine Wangen wurden warm und ich wusste nicht, wie ich antworten sollte. Nein, ich fasste andere Frauen praktisch nicht an, weil ich immer nur Augen für sie hatte. Ich konnte mich ja kaum normal mit anderen unterhalten, weil ich sie immer mit ihr verglich...

"Weißt du... ich nehme keinen anderen Jungen bei der Hand", sagte sie und schaute zur Seite, sodass ich ihr Gesicht nicht sah, nur noch die Flocken und Tröpfchen, die sich in ihren Haaren gefangen hatten.

"Wirklich?" fragte ich, eher verblüfft als dass ich merkte, was sie mir vielleicht sagen wollte. Ein schüchternes Nicken folgte, ihr Schopf wippte auf und ab. Als sie mich ansah, kratzte ich mein letztes bisschen Mut zusammen, schluckte noch einmal trocken und setzte dann alles auf eine Karte. "Ich... ich finde dich wunderschön... und so toll, dass ich die ganze Zeit nur an dich denken kann, im Unterricht kann ich nie die Augen von dir lassen und deswegen bin ich immer so schlecht in Bio und Deutsch. Und ich... du bist der tollste Mensch, den ich kenne, und wenn du mir jetzt einen Korb gibst, springe ich vermutlich vom Riesenrad."

Sie kicherte nervös und zögerte die spannungsvollen Sekunden hinaus, in denen der Ausgang dieser Fahrt ungewiss war - immerhin hatte ich gerade ein waghalsiges Versprechen gemacht, von dem ich noch nicht sicher war, ob es nur ein Scherz war.

"Du bist so ein Dramatiker, Lennard... Kannst du nicht einfach 'Ich liebe dich' sagen?" Ihr Lächeln jagte mir das Blut ins Gesicht und mein Herz hämmerte aufgeregt. Nie wieder könnte ich ohne sie sein.

"Ich, äh, also... liebe dich." Innerlich hätte ich mich zwar schlagen können, weil das Stottern jegliche Coolness aus mir heraus presste, aber ich war zu angespannt, um überhaupt etwas anderes als weit aufgerissene, ängstliche Augen zustande zu bringen.

Ganz langsam näherte sich ihr Gesicht, ich konnte die zarten Halbmonde ihrer Wimpern, die auf ihren Wangen lagen, ganz nah sehen und die Vielzahl geschmolzener Schneeflocken, die ihre Haut schimmern ließen. Als ihre Lippen sich auf meine legten, spürte ich die weiche Seide, die ich so lange schon während unserer Gespräche bewundert hatte. Vorsichtig, als könnte sie unter meiner Berührung zerbrechen, schob ich meine Hand in ihren Nacken und zog sie noch enger zu mir.

Fast hätte ich gedacht, zu träumen, hätte sie mich nicht so fest an sich gedrückt, dass mir der Atem wegblieb.

Meine, dachte ich. Sie war endlich meine.



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