4. Year - Smile For Me
Pairing: Dean Thomas x Seamus Finnigan
Perspektive: Dean Thomas
Anmerkungen: Kapitel 4, beide im 4. Schuljahr. Die Zwei haben Spaß gemacht! ;)
---
Es hätte ein langweiliger Tag werden können.
Eigentlich war dieser Dienstag sogar auf dem besten Wege gewesen, ein langweiliger Tag zu werden. Wenn man sich mit einem verkappten Superman, einem Temperamentbündel und einem vergesslichen Tollpatsch das Zimmer teilte, lernte man schnell, langweilige Tage zu schätzen. Wenn man dann auch noch einen hyperaktiven Iren als besten Freund hatte und dieser ebenfalls besagtes Zimmer bewohnte, lernte man langweilige Tage regelrecht zu lieben.
Den Unterricht für heute hatten wir schon hinter uns. Er war ohne größere Katastrophen vonstatten gegangen. Das einzige, größere Ereignis war, dass Neville in Zaubereigeschichte eingeschlafen und vom Stuhl gerutscht war. Ansonsten war alles friedlich verlaufen.
Jetzt war es Nachmittag. Neville lernte im Gemeinschaftsraum mit Hermine. Harry und Ron waren fliegen gegangen. Und Seamus hatte sich vor kurzem verabschiedet, um einen Abstecher in die Küche zu machen.
Ich hatte also die unerwartete Ruhe ausgenutzt, mich auf mein Bett verzogen und mir meinen Zeichenblock genommen. Doch natürlich hatte ich nicht einmal überlegt, was ich zeichnen wollte, als die Tür schon wieder aufsprang. Sie tat dies mit einem Knall, als sie gegen die Wand krachte. Ich hob den Kopf, um Seamus zu sehen, der seinen dramatischen Auftritt sichtlich genoss. Er wartete noch einen Moment, trat einen Schritt hervor und knallte die Tür mit derselben Itensität wieder zu.
„Hat diese Tür dich persönlich beleidigt?“, fragte ich mäßig amüsiert. Den Bleistift in meiner Hand ließ ich sinken.
Seamus trat näher an mein Bett heran, ging drum herum und ließ sich auf mein Fußende sinken.
„Das ist nicht lustig!“, ermahnte er mich ernsthaft.
Ich nickte.
„Sie hat also deine Familie beleidigt?“
Ich konnte mir nicht helfen. Jedes Mal, wenn Seamus versuchte, unglaublich ernst und erwachsen zu wirken, amüsierte es mich von Sekunde zu Sekunde mehr. Er war viel zu kindisch, vom Verhalten, aber auch vom Aussehen her, als dass dieser Versuch jemals glücken würde.
„Ja ja, red du nur“, erwiderte er.
Seamus beugte sich etwas vor und nahm mir meinen Block aus der Hand. Anschließend platzierte er ihn vorsichtig auf meinem Nachtschrank. Mit meinem Zeichenblock war er immer vorsichtig. Hauptsächlich, weil er einmal eine Seite herausgerissen hatte und ich ihn anschließend eine Woche lang ignoriert hatte. Das durchzuhalten war anstrengend gewesen, doch es hatte sich gelohnt, denn nun hatte er seine Lektion gelernt.
„Ich muss dir eine wichtige Frage stellen, Dean.“
Ich platzierte den Bleistift in meiner Hand auf meinem Block und nickte erneut.
„Dann tu das, Seamus.“
Noch immer war ich amüsiert. Zumindest hatte Seamus den Tag jetzt schon von seiner Langeweile befreit. Es war klar, dass dies hier ein längeres Gespräch werden würde.
„Ist mein Lächeln hübsch?“
Diese Frage wirkte vielleicht etwas seltsam von einem immerhin vierzehnjährigen Jungen. Wenn man allerdings bedachte, dass dies hier Seamus war, verwunderte es nicht mehr. Eigentlich stellte er mir ständig solche Fragen.
Ich hatte mir allerdings noch nie über sein Lächeln Gedanken gemacht. Es war einfach ein Lächeln. Ich wusste allerdings, dass ich sein Lachen mochte. Das war sehr Seamus-typisch, aufgedreht und laut. Manchmal konnte es auch nerven, aber dazu brauchte es eigentlich viel. Sein Lächeln jedoch war mir noch nie besonders aufgefallen.
„Weiß nicht, ist es?“, erwiderte ich also. Auch das mochte seltsam wirken, war es aber nicht. Seamus stellte eigentlich andauernd Fragen, die er sich selbst beantwortete. Er redete sowieso im Allgemeinen viel. Also war es kein Fehler, ihn die Frage nach seinem Lächeln auch selbst beantworten zu lassen. Ich vermutete, dass er sowieso wusste, was er von mir hören wollte – und solange rumquengeln würde, bis er das auch zu hören bekam.
„Dean!“, protestierte er aber sofort. Da hatte ich mich wohl geirrt.
„Da sieht man mal, wie du auf mich achtest! Verletzend ist das!“, fuhr er fort. „Ich lächle nie.“
„Du lächelst nie?“, wiederholte ich zugegebenermaßen etwas dümmlich.
„Ich lächle nie.“
„Du lächelst nie?“ Das Wiederholen derselben Frage machte es nicht besser, aber das war doch wirklich ausgemachter Blödsinn. Seamus war eine Frohnatur sondergleichen. Er lächelte, grinste, lachte, kicherte, gluckste und amüsierte sich immer über irgendetwas.
„Ja, Dean, hab ich doch gesagt. Ich lächle nie!“, beendete er das Ganze schließlich gespielt eingeschnappt.
„Und wie kommst du darauf?“, fragte ich und rutschte auf der Matratze etwas nach vorne. So saß ich ihm näher. Jetzt sah ich auch, dass Seamus tatsächlich einen Schmollmund zog. Und er fragte sich tatsächlich, warum ich ihn für kindisch hielt.
„Loony hat's gesagt!“, platzte es aus ihm heraus.
„Als ich auf dem Weg in die Küche war. Sie meinte, ich lache viel und grinse oft, aber normal und ruhig lächeln; das kann ich gar nicht. Erst hab ich ja gedacht, sie spinnt. Aber dann ist mir aufgefallen, dass sie Recht hat!“
Ihm sollte bewusst sein, dass er gerade über Luna Lovegood sprach. Die Drittklässlerin aus Ravenclaw, die überall für ihr seltsames Verhalten bekannt war. Und für ihre noch seltsameren Aussagen. Und Seamus schenkte sowas Aufmerksamkeit und sogar noch Glauben?
„Und dann bin ich ins Bad gegangen und hab versucht zu lächen, um es im Spiegel zu sehen. Aber es geht nicht! Ich fange immer sofort an zu grinsen. Das ist doch besorgniserregend!“
Das fand ich allerdings nicht. Wenn ich darüber nachdachte, stimmte es vielleicht sogar. Er lächelte selten, so etwas war viel zu ruhig für ihn. Aber das hieß ja nicht, dass er immer schlecht gelaunt war; das Gegenteil war der Fall. Was machte es denn für einen Unterschied, ob Seamus lächelte, grinste, lachte oder dämliche Grimassen schnitt?
„Und wo ist jetzt das Problem?“, fragte ich schließlich nicht im Mindesten so aufgeregt wie er.
„Wie, wo ist das Problem? Denk doch mal nach, Dean! Jeder Mensch sollte lächeln können. Nimm dich. Du kannst lächeln. Du kannst sogar toller lächeln als alle anderen! Und ich kann es gar nicht. Das ist doch nicht fair! Das deutet bestimmt auf ein tiefgehendes, psychologisches Problem hin, dass aus einem Trauma meiner Kindheit herrührt und ich werde niemals richtig glücklich, solange ich nicht lächeln kann!“
Ich hob die Augenbrauen. Warum ich immer noch verwundert war, wusste ich nicht. Das war so typisch Seamus, dass es mich beinahe zum lachen brachte.
Doch jetzt verstand ich endlich, worauf er eigentlich die ganze Zeit hinaus gewollt hatte. Auf seine verdrehte Art war es ziemlich offensichtlich gewesen.
Alle paar Tage – manchmal öfter, manchmal weniger oft – kam Seamus aus heiterem Himmel an und startete eine solche Diskussion. Eine völlig unnötige Diskussion.
Einmal war er sich sicher gewesen, dass niemand ihn je würde leiden können, weil er viel zu viele Sommesprossen hatte. Natürlich hatte er mir nicht glauben wollen, dass er nicht unbedingt viele Sommersprossen hatte und, dass die vorhandenen gut zu ihm passten.
Ein andermal hatte er seine Haare zu unordentlich und die Farbe zu langweilig gefunden. Besonders in Erinnerung geblieben war mir, dass er einmal völlig überzeugt davon war, einsam sterben zu müssen, weil er nie Schluckauf bekam, was natürlich bedeutete, dass niemand an ihn dachte, weil alle ihn hassten. Es war völliger Schwachsinn, den er sich da zusammen reimte.
Und das wusste dieser durchtriebene Kerl auch. Er hatte damit nämlich immer nur ein Ziel.
Mich zu manipulieren. Vielleicht dachte er tatsächlich, dass ich ihn noch nicht einmal durchschaut hatte. Tatsächlich spielte ich aber nur mit, weil es mir auch gefiel. Also konnte ich ihn auch in dem Glauben lassen, mit seinen Ausreden genial und undurchschaubar zu sein.
„Das macht natürlich Sinn“, erwiderte ich und gab mir wirklich Mühe, jegliche Ironie aus meiner Stimme zu verbannen. Es war schwierig.
„Dann musst du dringend lernen, zu lächeln.“
Obwohl ich es immer noch lieber mochte, wenn er lachte. Aber das musste man ihm nicht sagen. Sein Ego war auch so im Normalfall groß genug. Was jegliche Diskussionen noch abstruser machte.
Enthusiastisch nickte Seamus.
„Genau das sag ich ja die ganze Zeit! Und du musst mir helfen.“
Natürlich musste ich das. Ich musste ihm immer bei irgendetwas helfen. Diesmal aber machte es mir ausnahmsweise nichts aus.
„Warum muss ich das?“, fragte ich trotzdem.
„Weil du mein allerbester Freund bist! Kannst du es etwas verantworten, dass ich unglücklich bin?“ Streng sah er mich an. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Es war schließlich nicht meine Schuld, dass ernste oder eben auch strenge Blicke ihm immer das Aussehen eines bockigen Kleinkindes verliehen. Da musste er sich schon bei seinen Eltern beschweren.
„Nein, natürlich kann ich das nicht.“
Auch, wenn ich genau wusste, dass er keineswegs unglücklich war. Das Strahlen in seinen Augen war ein ziemlich eindeutiger Hinweis auf das Gegenteil.
„Und wie kann ich dir helfen, allerbester Freund?“
Jetzt war meine Ironie nicht mehr zu überhören. Aber das störte ihn keineswegs. Stattdessen besaß er die Dreistigkeit, gespielt nachdenklich in die Luft zu starren. Besonders begabt war er als Schauspieler allerdings nicht.
„Ich weiß nicht...“, erwiderte er schließlich.
Ich ließ einige Sekunden verstreichen. Es war immer das Gleiche. Den letzten Schritt musste immer ich machen. Dazu war er dann doch nicht mutig genug. Oder es gefiel ihm, wenn ich das tat.
Vermutlich war es eher das Letztere.
„Komm her, du Verrückter“, forderte ich ihn auf.
„Ich hab eine Idee.“
Natürlich war es immer die gleiche Idee. Seamus rückte sofort zu mir und sah mich erwartungsvoll an. Jedes seiner Probleme ließ sich auf die gleiche Art lösen. Die Lösung hatte so gut wie nie etwas mit dem Problem zu tun, aber darum ging es bei dem ganzen Theater auch nicht.
Ich legte eine Hand unter sein Kinn und hob sein Gesicht etwas an.
Dann küsste ich ihn.
Natürlich war Seamus nicht überrascht. Wir beide kannten den Ausgang. Er hatte gewusst, worauf es hinaus laufen würde, bevor er in den Schlafsaal geplatzt war.
Augenblicklich spürte ich, wie seine Arme sich um meinen Nacken legten und er meinen ruhigen Kuss leidenschaftlich erwiderte. Es war alles so typisch Seamus.
Nach ein paar Sekunden, die mir definitiv länger vorkamen, löste ich den Kuss schließlich wieder. Ich musste ihn schließlich nicht auch noch verwöhnen. Dann würde er sicherlich zum Nimmersatt werde. Dennoch fiel es mir schwer, mich von ihm zu lösen.
Langsam öffnete er die Augen wieder, die er irgendwann zwischendurch geschlossen hatte.
Ich wartete eine Sekunde, zwei.
Dann lächelte er.
An dieser Stelle musste ich mich korrigieren, denn sein Lächeln war doch etwas Besonderes und gefiel mir ausnehmend gut. Das freche Funkeln in seinen Augen störte mich kein bisschen.
Ich lächelte mit ihm, Seamus.
Meinem verrückten, besten Freund, dem ich unter Umständen vielleicht und eventuell ein ganz kleines bisschen verfallen sein könnte.