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Wenn ein Dämon und ein Engel ...

Wichtelgeschichte für Jael-Chan
von

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Santor hatte schlechte Laune, sogar richtig miese Laune, um genau zu sein. Wohin er auch ging, die Menschen waren fröhlicher Stimmung, lächelten und summten teilweise sogar vor sich hin. Auch seine anhängliche Begleiterin, die er irgendwie nicht mehr loswurde, sang leise, während sie neben ihm durch den Schnee hüpfte. Das andauernde Gedudel in Läden und auf dem Weihnachtsmarkt war auch nicht viel besser!

Wie oft er in den letzten Tagen schon „Last Christmas“ gehört hatte, konnte Santor nicht sagen, aber den Text konnte er mittlerweile auswendig. Das war einfach Ekel erregend, diese fröhliche Musik und wie beschwingt diese niederen Menschen waren, einfach nur weil Heilig Abend war.

Außerdem schien die Adventszeit die guten Taten geradezu anzulocken. Da hatte es Santor als Dämon nicht gerade leicht. Ja, Dämon. Unsichtbar für die Menschen wandelte er zwischen ihnen und kam seinem Beruf nach, der ihm im Moment tierisch auf den Senkel ging. Seine Aufgabe war es Menschen zu bösen Taten zu verführen und dafür zu sorgen, dass sie schön viele Punkte auf der dunklen Seite sammelten. Doch wie sollte er das anstellen, wenn die Menschen den ganzen Tag strahlend und Glühweinselig durch die Gegend rannten?

Er lief, wie sonst auch, zwischen den Menschen umher und versuchte sie zu etwas Schlechtem zu verleiten, doch irgendwie klappte das die letzte Zeit nicht sonderlich. Normalerweise brauchte er einem Teenager, der etwas Tolles und leider Unerschwingliches in einem Laden betrachtete, nur einflüstern, dass er einfach zugreifen sollte und schon stahl der Junge.

Wenn er an einer Gruppe Mädchen auf dem Schulhof vorbei ging, dann brauchte er nur ein paar Worte murmeln und schon lästerten die Jugendlichen über jemanden. Natürlich waren dies die einfachsten Taten, zu denen ein Dämon die Menschen verleiten konnte, es brauchte Einiges mehr, um jemanden zu einem Mord zu überreden. Doch so einfach es auch sonst war, so unmöglich schien es Santor jetzt.

Und er konnte die Schuld nicht mal seinen Konkurrenten, diesen nervtötenden Engeln mit ihrer andauernden Einmischerei, zuschieben. Sie gingen zwar auch durch die Straßen und versuchten die Menschen zu leiten, doch in der Adventszeit machten sie sich noch nicht einmal die Mühe wirklich überzeugend zu sein. Das Schlimme war nur, dass die Menschen auf ein einzelnes Wort von ihnen horchten, während die Engel sich an anderen Tagen im Jahr Fusseln an den Mund reden konnten, wenn sie jemand von einer bösen Tat abhalten wollten.

Santors Blick ging hasserfüllt zu seiner linken Seite, wo nach „Ihr Kinderlein kommet“ nun „Stille Nacht“ angestimmt wurde. Wie wünschte er sich, dass er diesem Engel, der sich entschlossen hatte ihn zu begleiten, die Hände um den zarten Hals legen und zudrücken könnte.

Aber nein, es war ja ein Waffenstillstand vereinbart und man durfte nur noch ohne Gewalt um die Seelen der Menschen kämpfen. Beide Seiten mochten sich nicht, aber die andere Partei anzugreifen war mit harten Strafen belegt. Vielleicht war es auch ganz gut so, denn sonst hätte Santor die Frau, die mit ihren großen weißen Flügeln neben ihm herhüpfte, schon vor einer halben Stunde erschlagen.
 

Einigermaßen mit sich zufrieden sah Santor, wie die Ladentür langsam zufiel und die darüber angebrachte Schelle leise klingelte. In diesem Süßwarenladen hatte er endlich einmal Glück gehabt und mit nur wenigen Worten war ein kleiner Junge dazu überredet worden das Marzipanbrot zu stehlen, nur weil er kein Geld dabei hatte. Ein kleiner Diebstahl – zu anderen Zeiten kein Grund so selbstgerecht zu grinsen, doch an Heilig Abend war dies eine Leistung, die man Santor bestimmt anrechnen würde.

Vielleicht würde er bald eine Gehaltserhöhung bekommen oder vielleicht sein eigenes Viertel mit Straßengang anstelle von dieser friedlichen Kleinstadt. Da wäre wenigstens etwas los! Der letzte Mord in diesem Kaff war schon über siebzig Jahre her und den hatte Santor noch nicht einmal verursacht.

Während er sich noch darüber Gedanken machte, wo er als nächstes hingehen würde, um ein wenig Punkte auf seinem Konto zu sammeln, ging auch schon wieder die Ladentür auf. Mit einem Grinsen voller Vorfreude auf seinen nächsten „Kunden“ drehte sich Santor um und erstarrte dann jedoch.

Dort war dieser verdammte Junge wieder! Die Wangen gerötet von der Kälte draußen, die Schuhe voller Schnee und mit einem eindeutig schuldbewusstem Gesichtsausdruck. Das durfte doch wohl nicht wahr sein!

Hinter dem vielleicht sechs Jahre alten Kind huschte eine weitere Person in den Laden, der nach Zimt und Weihnachten roch. Santor kniff die Augen zusammen und starrte das geflügelte Wesen hasserfüllt an. Ein Engel. Verdammt.

„Ich hab ihn gerade noch am Eingang erwischt“, verkündete die Frau fröhlich und zwinkerte Santor zu. Während der Junge mit zögernden Schritten und reuigem Gesicht auf die gerade unbesetzte Verkaufstheke zuging, kam der Engel zu Santor hinüber. Er ließ es sich nicht anmerken, ob er Angst oder Abscheu dem Dämon gegenüber empfand, sondern stellte sich neben ihn. Santor hingegen trat unauffällig einen Schritt zur Seite, wer wusste schon, ob Freundlichkeit nicht ansteckend war. Außerdem hatte ihn eine Feder von den Schwingen des Engels gestreift und am Arm gekitzelt.

Am Liebsten hätte Santor jede einzelne von diesen weißen Federn ausgerissen, doch war er sich nicht sicher, ob da Neid auf die Flügel aus ihm sprach oder doch die Wut über den vermasselten Diebstahl des Jungen.

„Könnt ihr verdammten Federviecher euch nicht um euren Kram kümmern?“, knurrte Santor und schaute auf die zierliche Frau hinunter. Sie schien sich nichts aus der Beleidigung zu machen, sondern lächelte weiter. Mit einer eleganten Geste strich sie sich eine verwirrte goldene Haarsträhne hinters Ohr, bevor sie den grollenden Dämon mit ihren blauen Augen anstrahlte.

„Fröhliche Weihnachten. Schön dich kennen zu lernen, ich bin Seraphina“, stellte sich der Engel vor, dem anscheinend nichts die gute Laune verderben konnte. Santor fand den Engel Ekel erregend süß, so wie die Zuckerstangen oder Marzipankartoffeln, die dieser Laden hier anbot.

Ohne der blonden Frau eines weiteren Blickes zu würdigen, widmete sich Santor dem kleinen Jungen, der schuldbewusst und leicht verängstigt zu dem grauhaarigen Mann lugte, der aus einem Hinterzimmer wieder zurück zu dem Verkaufstresen kam.

„Denk nicht mal dran dem Kerl zu sagen, dass du gestohlen hast! Der wird dir den Hosenboden stramm ziehen und die Polizei rufen. Hau einfach ab“, meinte Santor, als er sich neben den Jungen hockte. Natürlich sah das Kind den Dämon nicht, doch würde sein Unterbewusstsein seine Worte hören und gegen das Gewissen und die eingetrichterten Ideale kämpfen. Als das Kind unter dem strengen Blick des Ladenbesitzers einen Schritt zurücktrat, als hätte es sich seine Beichte anders überlegt, grinste Santor.

Doch wieder musste ihm der Engel einen Strich durch die Rechnung machen, indem die hübsche Frau ihre Hände beinahe zärtlich auf die Schultern des Kindes legte. Als würde diese Geste dem kleinen Jungen Selbstvertrauen und die Kraft für seine Fehler einzustehen schenken, streckte er seinen Körper zu seiner unbeeindruckenden Größe und schaute dem greisen Ladenbesitzer ins Gesicht.

„Onkel, ich muss dir was beichten. Ich hab eben was Süßes genommen, ohne es zu bezahlen. Es tut mir wirklich leid“, schossen die Worte aus dem Kindermund, als wollte der Junge es schnell hinter sich bringen.

Santor warf die Hände gefrustet in die Höhe und stand auf. Es fehlte nicht viel und er hätte aus lauter Unmut gegen die Theke getreten, so verärgert war er gerade. Das beinahe stolze Lächeln auf den Lippen des Engels, die voller Zuneigung auf das Kind hinab sah, sorgte bei Santor auch nicht für eine bessere Laune.

Der düstere Blick des älteren Mannes hinter der Verkaufstheke hellte die Laune des Dämons hingegen wieder auf.

„Ja, schrei das Kind an. Geb ihm ne Ohrfeige, das durfte man früher doch auch machen! Ruf seine Eltern oder die Polizei!“, feuerte Santor den Mann an, der finster auf das Kind hinunter starrte und sein freundliches Verkäuferlächeln verloren hatte.

„Aber es ist doch Weihnachten! Wie kannst du nur so was vorschlagen?“ Santor brauchte einen Moment, um zu bemerken, dass der Engel nicht den älteren Mann von einer solchen Tat abhalten wollte, sondern sich mit ihrer Rüge an ihn gewandt hatte. Einen Augenblick blinzelte der Dämon verblüfft, bevor er mit den Schultern zuckte.

„Ist ein Tag wie jeder andere auch. Ich mach auch nur meine Arbeit“, grummelte er und wusste nicht, wieso er unter dem unzufriedenen Blick des Engels das Gefühl hatte sich verteidigen zu müssen.

Anscheinend war doch nicht ein Tag wie jeder andere auch, denn anstatt das Kind anzuschreien, wie er es vor gehabt hatte und eigentlich noch wollte – Santor konnte das in dem Gesicht des Verkäufers eindeutig sehen – seufzte der Mann nur.

„Dir ist hoffentlich klar, dass man nicht stiehlt.

Aber weil du dich entschuldigt hast, sei dir verziehen … es ist schließlich Weihnachten.“ Jetzt trat Santor wirklich vor die Theke und fluchte lautstark, verwendete dabei Worte, die nicht für Kinderohren bestimmt waren. Gut, dass die Menschen keine Wesen aus Himmel und Hölle hören konnten, denn sonst wäre nicht nur der Junge errötet.

Der Engel machte den Mund auf, sehr wahrscheinlich um ihn noch einmal zu tadeln, doch Santor fuhr der Frau über den Mund.

„Halt bloß die Klappe“, grollte er und hatte dabei drohend den Zeigefinger in Richtung Engel ausgestreckt. Santor wandte zornig den beiden Menschen den Rücken zu, wo der verrückte Alte freundlich mit dem Kind sprach und ihm sogar noch ein Bonbon zusteckte. Vor Wut schnaubend stapfte der Dämon aus dem Laden, immer noch leise vor sich hin fluchend. Erst nach ein paar Metern fiel ihm auf, dass ihm eine zierliche helle Person folgte.

„Was?“

„Ich dachte, wir könnten ein Stück zusammen gehen. Es ist so herrliches Wetter, schau, es fängt an zu schneien.“

Santor schnaubte gereizt. Wie es aussah hatte er sich ungewollte Gesellschaft zugelegt, denn obwohl er ziemlich planlos durch das Dorf wanderte, folgte ihm der Engel strahlend durch den Schnee hüpfend. Und noch dazu war sie eine von der gesprächigen Sorte.

Er wusste nicht wie sie das machte, aber Seraphina hatte ihn nach fünf Minuten nicht nur so weit, dass er ihr seinen Namen verraten hatte, sondern auch, dass er kurz davor war sich vor ihr auf den Boden zu werfen und sie zu bitten endlich mal für fünf Minuten kein fröhliches Geplapper von sich zu geben.

Ein wenig verzweifelt deutete er auf die Kirche, die in der Mitte des Dorfes stand.

„Willst du nicht da rein gehen? Wenn ich richtig informiert bin, fängt dort in ner halben Stunde ne Messe an. Ich geh derweil den Bauernhof da draußen besuchen“, erklärte Santor und machte eine scheuchende Bewegung mit der Hand Richtung Gotteshaus. Der Engel kaute scheinbar nachdenklich auf der Unterlippe und sah zwischen Santor und Kirche hin und her.

Der Dämon konnte zwei weitere Engel vor den großen Holztüren sehen und den finsteren Blicken nach zu urteilen hatten sie ihn auch gesehen. Seraphina winkte und diesen Zeitpunkt wählte Santor für seine Flucht …ähm, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Eine kleine Hand zog an seinem Ärmel, kaum dass er drei Schritte gegangen war.

„Du willst doch wohl nicht ohne mich gehen?“

„Willst du nicht bei deinen Brüdern bleiben?“

„Naaah, die kann ich immer sehen. Und ich könnte doch nicht ruhig in der Messe bleiben, wenn ich einen Dämon allein zu der Familie auf dem Bauernhof gehen lasse.“

Santor unterdrückte nur mit Mühe den Zwang sich aufstöhnend die Haare zu raufen.
 

„Ist was? Willst du mitsingen?“, war die Stimme seiner Nemesis zu hören und Santor merkte erst jetzt, dass er Seraphina angestarrt hatte, als seine Gedanken zu den Ereignissen vor einer halben Stunde zurück gewandert waren.

„Nein, ich will nicht singen“, erklärte er nur mühsam beherrscht und zog seine Schultern ein wenig höher gegen den Wind. Der feine Schneefall hatte sich mittlerweile zu einem halben Blizzard ausgewachsen und machte es unangenehm bei diesem Wetter durch die Gegend zu laufen. Santor warf der Frau neben sich einen düsteren Blick zu und erst jetzt sah er, dass der Engel nicht mehr so beschwingt neben ihm her hüpfte, sondern anscheinend Probleme hatte ihm zu folgen, da die großen Flügel sich im Wind fingen.

Wenn er es recht bedachte, hatte die Stimme des Engels während der letzten beiden Lieder etwas gequält geklungen. Noch ein Grund, wieso er diese geflügelten Nervensägen nicht leiden konnte: sie taten immer fröhlich, auch wenn sie Probleme hatten. Oder waren sie auch bei Problemen gut gelaunt? Die Vorstellung machte sie Santor noch unsympathischer.

Ein paar Minuten schaute es sich der Dämon noch an, wie der Engel versuchte mit ihm Schritt zu halten, sogar das Singen und das fröhliche Geplapper eingestellt hatte, dann gab er es auf.

„Okay, es reicht. Mitkommen“, knurrte er und fasste Seraphina von hinten an den Flügelwurzeln, wie man die Schwingen eines großen Vogels fassen würde und zog sie mit sich. Den erschrockenen Protest ignorierte er und zerrte den Engel, seine Körperkraft und ihre Überraschung ausnutzend, rückwärts ein paar Meter abseits der völlig zugeschneiten und verwehten Straße zwischen die Bäume.

Er wusste, dass sich hier in der Nähe eine natürliche Höhle befand, schließlich war er schon lange für dieses Dorf und die umliegenden Höfe verantwortlich. Natürlich hätte er den Engel auch zurücklassen und alleine zu dem Bauernhof gehen können, so wäre sie ihm wenigstens nicht im Weg, aber irgendwie fehlte ihm da die Herausforderung. Außerdem war er sich bei dem Gedanken schlecht vorgekommen. Was wenn das zierliche Engelchen hier draußen weggeweht wurde und an Unterkühlung starb? Sein Chef würde ihm die Hölle wortwörtlich heiß machen, wenn er deswegen Ärger mit dem Boss der anderen Seite bekäme.

Ja, das war der einzige Grund, weswegen Santor so handelte … wobei ihm einfiel: Konnten Engel eigentlich an Unterkühlung sterben? Wie dem auch sei, kaum dass er die Höhle betreten hatte, ließ er Seraphina los, klopfte sich den Schnee von der Kleidung und ließ dann in der Mitte der kleinen Höhle ein Feuer entstehen. In seinen Adern floss das Feuer der Hölle, er brauchte keine Hitze, um sich zu wärmen, doch war zumindest das Licht angenehm.

„Setz dich, wir warten, bis der Schneesturm aufhört. Das macht keine Spaß bei diesem Wetter zu arbeiten, die können auch ne Stunde auf meinen Besuch warten“, meinte Santor und ließ sich auf den Boden sinken, den Rücken gegen die Wand gelehnt und die Arme lässig hinter dem Kopf verschränkt.

Der Engel sah ihn erstaunt, aber auch reichlich verwirrt an. Seraphina bewegte ihre Flügel ein wenig vorsichtig, so als würde sie überprüfen wollen, wie sehr sie unter Santors unsanfter Behandlung gelitten hatten. Als ihre Inspektion anscheinend zu ihrer Zufriedenheit ausgefallen war, erschien wieder ein Lächeln auf ihrem Gesicht und sie ließ sich neben ihn gegen die Höhlenwand sinken.

Wieso gerade da? Santor würde nicht sagen, dass diese Höhle riesig wäre, aber auf die andere Seite des Feuers hätten von dem zierlichen Engelchen gleich drei Personen hingepasst. Zu seiner schlechten Laune wegen dieser fürchterlichen Adventszeit kam nun noch hinzu, dass der Engel ungefragt in seinen persönlichen Raum eindrang. Vielleicht war das bei den geflügelten Nervensägen anders, aber für Santor und seine Kollegen gehörten Engel immer noch zu den Gegnern im Kampf um die menschlichen Seelen.

Mittlerweile war das Lächeln auf Seraphinas Gesicht verschwunden und sie schaute ihn prüfend an. Erst versuchte Santor es zu ignorieren, doch nach drei, vier Minuten, die er damit zugebracht hatte in die Flammen zu schauen und finster vor sich hin zu starren, war seine Geduld aufgebraucht.

„Was glotzt du mich so an? Was gibt es da zu sehen?“

„Ich frage mich nur, weswegen du so schlecht gelaunt bist. Es ist doch Weihnachten“, fragte Seraphina und schaute ihn mit schief gelegtem Kopf an, was Santor aus den Augenwinkeln bemerkte, auch wenn er seinen Blick nicht hob. Ihre Stimme war ruhig, wies nicht die aufgedrehte Fröhlichkeit auf, die sie die letzte Stunde penetrant versprüht und sie dazu verleitet hatte ihn mit Weihnachtsliedern zu foltern.

„Das ist es ja, es ist diese Jahreszeit … die Menschen sind so fröhlich und gut gelaunt. Das ist einfach Ekel erregend“, maulte Santor, missmutig das Gesicht zu einer Grimasse verzogen und irgendwie gegen seinen Willen. Aber was sollte er auch machen? Seraphina würde sowieso nicht aufhören zu reden oder ihm Löcher in den Bauch zu fragen.

„Ja, das finde ich auch …“, kam die leise Antwort des Engels und der Dämon hob ruckartig den Kopf, um in dem zarten Gesicht zu lesen. Er suchte nach Lüge, Spott, einfach einem Zeichen dafür, dass sich der Engel über ihn lustig machte, doch Seraphina sah nur ihrerseits starr in die knisternden Flammen.

„Nein, Ekel erregend ist nicht das richtige Wort. Ich finde es traurig. Es ist wirklich traurig, dass die Menschen nur diese paar Tage oder Wochen so voller Hoffnung sind. Die anderen Tage im Jahr geben sie zu schnell auf, versinken in Einsamkeit und verschließen ihre Herzen“, murmelte der Engel.

So wie die Frau dort saß, kam es Santor so vor, als wäre sie gerade das Abbild dieser Einsamkeit, welche die Menschen ihren Worten nach sonst in sich trugen. Ihre Flügel hingen schlaff herab, kein Vergleich zu den pompösen Schwingen, die Santor heimlich bei den Engeln beneidete. Seraphina hatte die Beine an ihren Körper gezogen und mit ihren Armen umschlungen, fast so als wäre es ihr immer noch kalt … oder als wäre sie furchtbar einsam.

„Tja, umso besser für mich und meine Seite. Wir müssen ja irgendwie sehen, wie wir an Seelen kommen. Irgendwie müssen wir ja das Defizit wieder raushauen, was wir um Weihnachten machen. All die guten Vorsätze und guten Taten. Bah!“, grummelte Santor kalt und machte eine abfällige Geste. Sein Blick wanderte zu dem Höhleneingang, vor dem weiße Schneeflocken im eisigen Wind herumgewirbelt wurden. Innerlich mit der Schulter zuckend ließ er die Flammen ihres kleinen Feuers ein wenig höher züngeln.

Es war verdammt kalt, trotz des Feuers und er wollte es nicht riskieren, dass das zarte Engelchen sich Frostbeulen holte. Er selbst spürte die Kälte zwar nicht, doch diese himmlischen Wesen schienen empfindlicher zu sein. Immerhin hatten sie einen Waffenstillstand und er würde ganz schön was zu hören kriegen, wenn er seinem Gegner hier beim Erfrieren zusah.

„Danke“, war die helle Stimme von Seraphina zu hören. Ihre klaren Augen sahen nun direkt Santor an, als dieser zu dem Engel schaute.

„Mir war kalt“, meinte Santor mit einem Schulterzucken und streckte die langen Beine aus, den Rücken gegen die Felswand gelehnt und die Arme abweisend vor der Brust verschränkt. Zu seinem Erstaunen lächelte die Frau sanft und schüttelte nachsichtig den Kopf.

„Du solltest nicht lügen. Es ist Heiligabend“, tadelte sie, doch das Lächeln blieb auf ihren Lippen bestehen. Santor schnaubte nur abfällig und drehte sich wieder dem Höhleneingang zu. Seine Augen verfolgten die herumwirbelnden Schneeflocken, deren Flugbahn von dem böigen Wind unberechenbar wurde. Auch der Engel schien sich für den weißen Schleier vor der Höhle zu interessieren, zumindest sagte Santor ein kurzer Seitenblick, dass Seraphina ihr Gesicht auch dort hin gewandt hatte.

Ein langes Schweigen breitete sich aus, doch war es nicht unangenehm. Was hatten ein Dämon und ein Engel sich auch groß zu sagen? Normalerweise konnten ihre Ansichten nicht unterschiedlicher sein und ein Gespräch führte nicht selten in einen lautstarken Streit, wenn die zwei Parteien aufeinander trafen. Doch hier und heute fand Santor es gar nicht so ganz unerträglich mit einem Engel in einem Schneesturm gefangen zu sein. Vielleicht hatte er sich bei den Menschen angesteckt mit ihrem „Es ist Weihnachten – sei lieb zu deinen Mitmenschen“-Palaver. Ja, je länger der Dämon darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher kam ihn das vor. Ein Virus, der um Heilig Abend grassierte und die Welt verpestete. Wie sollte man denn Seelen sammeln, wenn alle verrückt spielten?

Nach vielleicht einer halben Stunde, waren leise Töne von seiner Seite zu hören und Santor benötigte einen Moment, um sie zuzuordnen. Seraphina summte leise und hatte wieder ein zartes Lächeln auf den Lippen, auch wenn es die übermäßige Fröhlichkeit von vorhin hatte, so sah es dennoch ehrlicher aus. Er seufzte auf. Jetzt fing also das Weihnachtslieder singen wieder an? Er hatte die Ruhe gerade eigentlich genossen und mit einem leicht genervten Blick schaute er die junge Frau an.

„Nur weil der Sohn vom Chef Geburtstag hat, muss man doch nicht so aufgedreht sein“, knurrte Santor, als der Engel weiter summte, obwohl sie seinen Blick wohl merken musste. Doch fehlte seinen Worten die Schärfe. Er wollte natürlich nur nicht, dass Seraphina wieder so traurig ins Feuer starrte, denn ein deprimierter Engel war sogar noch schlimmer, als ein singender Engel. Ja, das war der einzige Grund.

„Weihnachten geht doch nicht nur darum. Natürlich feiern wir die Geburt Christi, aber es geht nicht um die Geburt an sich, sondern um das, was mit ihm auf die Welt gekommen ist und woran jedes Jahr erinnert wird“, erklärte Seraphina und drehte den Kopf zu dem skeptisch dreinschauenden Dämon.

„Und was soll das sein?“, fragte Santor schon fast gegen seinen Willen.

„Liebe … Gott gab den Menschen aus Liebe seinen Sohn. Die Menschen geben sich aus Liebe Geschenke zu Weihnachten. In Liebe verbundene Menschen essen am Heilig Abend zusammen und teilen ihre Zeit mit jemandem, dem sie durch Blut oder Freundschaft verbunden sind“, erklärte Seraphina mit tiefer Überzeugung. Santor wollte etwas dagegen sagen, wollte klarstellen wie lächerlich dies alles war, doch ihm fiel kein guter Konter ein. Nachdenklich starrte er in die Flammen, wie es eben der Engel getan hatte und ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen.

Wieder war es lange still zwischen den beiden so ungleichen Wesen, doch Seraphina unterbrach das Grübeln des Dämons nicht. Erst nach einigen Minuten hob Santor wieder den Kopf und schaute in das erwartungsvolle Gesicht des Engels.

„Wenn man diesen Abend mit Familie oder Freunden verbringen soll, wieso bist du dann nicht bei den anderen Engeln in der Messe?“, fragte Santor. War der Engel wirklich nur mitgekommen, um die Leute von dem abgelegenen Bauernhof vor seinem Einfluss zu schützen? Doch das helle, fast kindische Lachen des Engels ließ ihn so einen ernsten Grund gleich wieder verwerfen.

„Du dummer Dämon! Ich bin wegen dir hier. Mit den anderen Engeln kann ich jederzeit zusammen singen, doch ich kann doch einen neuen Freund nicht am Heiligen Abend allein lassen“, bedeutete Seraphina mit einem eindringlichen Blick. Ihre kleine Hand knuffte ihn unengelhaft, aber vertraut gegen den Oberarm, während auf ihrem Gesicht ein warmes Lächeln zu sehen war.

Santor schnaubte spöttisch bei Seraphinas Antwort, doch zuckte er nicht vor ihrer Berührung zurück. Tief in seinem Herzen wusste er, dass sie vielleicht die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht waren oder würden sie wirklich Freunde … soweit es zwischen Engel und Dämon möglich war. Und mit diesem Gedanken drehte er seinen Blick wieder zu dem Schnee vor dem Höhleneingang, diesmal ebenfalls ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
 

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So, mein liebes Wichtelkind: Ich hoffe dir hat die Geschichte gefallen

Da ich selber nur sehr wenige Animes kenne, kam es mir natürlich gelegen, dass du anscheinend gerne Orginalgeschichten liest ;)

Ich hatte ein, zwei Geschichten in deinen Favoriten gefunden, die etwas mit Dämonen zu tun hatten und irgendwie kam mir diese Story *nach oben zeig* in den Sinn. Hoffentlich ist sie nicht zu kitschig und zu ereignislos, aber ich dachte etwas mit Mord und Totschlag passt nicht zu einer Weihnachtswichtelaktion, solange sich das das Wichtelkind nicht explizit wünscht.

Um ehrlich zu sein, war die Geschichte schon im November fertig, weil es mir so großen Spaß gemacht hat sie zu schreiben. Außerdem war die Story innerhalb von fünf Minuten durchgeplant, bzw. hat sich selbst geplant. Wäre jetzt Ostern, würde ich etwas vom Plot-Bunny erzählen ;)

Hat irre Spaß gemacht das hier zu schreiben – hoffe, du hast genau so viel Spaß beim Lesen

Dir (und allen anderen) fröhliche Weihnachten!
 

Liebe Grüße von der Tina



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Jael-chan
2011-01-10T17:17:48+00:00 10.01.2011 18:17
Die anderen haben recht, ich bin wirklich glücklich, dass ich so ein tolles Weihnachtsgeschenk von dir bekommen habe ^.^

Mit den beiden hast du meinen Geschmack aber auch voll getroffen. Zu Weihnachten gibt es nichts besseres als eine Engel-Geschichte, wobei Dämonen natürlich nicht fehlen dürfen.
Die Geschichte ist wirklich lustig. Ich habe mich köstlich darüber amüsiert, wie Santor die ganze Zeit über versucht Ausreden zu finden, um sich selber davon zu überzeugen, dass er zu Seraphina nur nett ist, damit er keinen Ärger bekommt.
Ich glaube Santor muss man einfach mögen und Seraphina ist mir ihrer ganzen fröhlichen und kindlichen Art ein richtiger Engel, nicht nur ein geflügeltes Wesen, was ansonsten eher ein Mensch ist, so wie man es häufig zu lesen bekommt.
Das du es dazu noch schaffst die Geschichte mit einem so schönen Ende abzurunden, macht sie einfach wunderbar.

Könnte ich (vielleicht auch die anderen aus dem Zirkel?) dich überreden noch weiter Kurzgeschichten mit Santor und Seraphina zu schreiben?
Ich würde mich jedenfalls riesig freuen.
Ganz liebe Grüße Jael
Von:  LittleDYue
2011-01-09T12:50:46+00:00 09.01.2011 13:50
ich fand diese Wichtelgeschichte ganz schön gut gelungen,

insbesondere finde ich sie witzig^^

ein Engel und der Dämon sind unterwegs

du hast es sehr gut beschrieben, was da alles passiert einfach herrlich

weiter so xD

der ganze Text passt zusammen einfach der hammer

liebe Grüße

ito
Von:  Elenwe
2011-01-06T16:38:44+00:00 06.01.2011 17:38
Ich finde deine Geschichte auch total niedlich und Santor mag ich richtig gern^^ Besonders das Ende fand ich schön, als Seraphina Santor gesagt hat, dass sie jederzeit mit den anderen Engeln singen kann und den Heiligen Abend mit ihm verbringen will :3
Dein Wichtelkind hat wirklich allen Grund, sich zu freuen!
Weiter so!
Von:  Moon-Cat
2010-12-25T22:23:45+00:00 25.12.2010 23:23
also ich finde die Geschichte süß :D
Jael-chan kann sich wirklich glücklich schätzen, dass du sie bewichtelt hast ^^
Die Geschichte ist wirklich zuckersüß und Seraphina und Santor sind echt süß zusammen X3 vor allem finde ich Santor süß :3 weil er Seraphina dann auch noch mit in seine Höhle nimmt und sie nicht einfach stehen lässt ^^
Supi geschrieben :D (Was soll man von dir auch anderes erwarten ;) xD)


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