Zum Inhalt der Seite

Freundschaft und Liebe

[Sasuke x Sakura | high school AU | jerks to friends]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Change And Cheer


 

.

.
 

Sakura wollte Gaara natürlich nicht verprügeln. Sie hatte dafür ja auch gar keine Zeit. Dass er sich in ihre Schwester verliebt hatte—von ihr aus! Sie hatte Wichtigeres zu tun und zwar in der Bibliothek. In der war nämlich am Wochenende nie jemand, weswegen sie den idealen Ort für Besprechungen bildete. Shikamaru wartete bereits auf sie.

"Wir müssen uns noch überlegen, was wir wegen der Gala tun", sagte sie ohne Umschweife. Zur Tarnung hatte sie einige Bücher mitgenommen. "Hier glaubt keiner mehr, dass wir zusammen sind, aber unsere Eltern? Sie haben sich schon seit dem Abendessen nicht mehr gemeldet. Ich denke, wir müssen ihnen alles nüchtern beichten."

"Es wird deiner Mutter das Herz brechen", bemerkte Shikamaru trocken.

"Soll mir recht sein. Mein Vater bricht es ihr jeden Tag. Sie wird es schon verwinden können."

"Das hört sich nicht gut an. Willst du drüber reden?"

Sie zuckte die Schultern. "Wozu? Sayuri und ich sind selten Zuhause. Wenn wir da sind, ist alles Eitelsonnenschein. Kinder haben sich in Angelegenheiten ihrer Eltern nicht einzumischen. Meine Mutter würde es nicht dulden." Sakura legte traurig den Kopf in die Hände. "Das stimmt so nicht", gab sie schließlich zu. "Es ist, wie es ist."

"Du kannst dich bei mir ausweinen, wenn du möchtest." Shikamaru wirkte unbeholfen, überspielte sein sichtliches Unbehagen jedoch fachmännisch mit einer einladenden Geste.

"Weinen hilft nichts", versetzte Sakura. "Ich habe die beiden nie als Ehepaar angesehen. Mebuki ist meine Mutter und Kizashi mein Vater. Schon als ich klein war, verstanden sie sich nicht mehr allzu gut. Wenn sie sich scheiden lassen, ist es keine Überraschung. Wenn ich ehrlich bin, wäre es vielleicht sogar besser. Sie stehen sich gegenseitig nur im Weg. Aber eine Scheidung wäre ja ein Fauxpas …" Der zynische Unterton ließ Shikamaru schmunzeln.

"Vielleicht haben sie geheiratet, weil sie aus einem Scherz wie unserem nicht mehr herausgekommen sind?"

Sakura boxte ihm mahnend gegen die Schulter. "Mal doch nicht den Teufel an die Wand! Himmeleins."

"Bist du etwa abergläubisch?"

"Jedenfalls nicht leichtfertig. Lass uns einfach klarstellen, dass wir kein Paar sind, okay? Und am besten klärst du es ebenso mit Ino."

"Wieso?", fragte er rhetorisch. "Sie ist doch so glücklich mit Sai. Warum alte Gefühle wieder aufflammen lassen?"

"Du weißt genau, dass sie nur aus Trotz mit Sai zusammen ist." Sakura sah ihn eindringlich an, aber Shikamaru ließ sich nicht in seinem Standpunkt beirren. Er war verletzt, das sah sie durch seine genervte Fassade. Sie jedenfalls war nicht diejenige, die Amor spielen würde—nicht schon wieder. Bei Gaara und Sayuri hatte sie sich herausgehalten und auch bei Naruto und Hinata war erst ohne Zutun ein großer Schritt geschafft worden. Das würden sie unter sich ausmachen müssen.

"Gut", sagte sie schließlich. "Mich geht es nichts an. Wir haben schon genug angerichtet. Unser Plan hat nicht funktioniert; im Gegenteil: Ino ist mit Sai und Sasuke mit Karin zusammen."

"Glückpilze sind wir nicht gerade", sagte Shikamaru zynisch lächelnd. "Was soll's. Mit Ino wäre es sowieso anstrengend geworden. Weiß der Teufel, was mich da geritten hat."

"Nennt man Hormone. Aus dem Altgriechischen hormān, was 'Antreiben' bedeutet. Es ist der Sammelbegriff für biochemische Botenstoffe –"

"Schon okay", unterbrach er abwehrend. "Ino soll ruhig Sais Nervenseile kappen. Sie ist kindisch, unreif und uneinsichtig. Jemanden wie sie könnte ich nicht ertragen. Versprich mir einfach, dass du ihr nichts sagst."

"Ich wollte mich nicht einmischen", behauptete Sakura.

"Ich kenne deine wortklauberische Auslegung. Nicht einmischen bedeutet bei dir nicht, dass du nicht mit ihr sprichst. Halte dich einfach raus. Bitte."

"Ich verspreche es." Sakura hob andächtig die Hand. "Fingerschwur. Wenn ich lüge, werde ich eintausend Nadeln trinken und mir den kleinen Finger abschneide. Zufrieden?"

"Wenn wir im Kindergarten wären, vielleicht. Du könntest noch auf die japanische Flagge schwören—schon gut." Er stand auf. "Naruto, Gaara und ich wollen uns gleich draußen treffen und dann nach Miyazu fahren. Kommst du mit?"

"Lieber nicht. Ich bleibe noch ein wenig, um zu lernen." Sie hob zur Unterstreichung ein Buch hoch und wedelte damit vielsagend herum.

"Du bist schlimmer als unsere hässlichsten Streber", murmelte Shikamaru kopfschüttelnd und drehte ihr winkend den Rücken zu. "Mach nicht zu lange, sonst platzt dein Hirn."

"Wenn ich für den Spruch jedes Mal hundert Yen bekommen würde, wäre ich reich!"
 

Shikamaru war weg und Sakura widmete sich beinahe eine Stunde lang ihrer Lektüre aus der Biologieabteilung, welche sie inzwischen auswendig kannte. Sie hatte sich zwei Bücher über Aids geholt, die sie mit steigendem Interesse las. Hin und wieder drangen vergnügte Laute von der Wiese draußen durch das geöffnete Fenster, denn es war der erste Schnee gefallen und überall lieferten sich die unbeschwerten Schüler jenseits ihres Abschlusses erbitterte Schneeballschlachten mit den winzigen Flecken Schnee, die liegengeblieben waren.

Exakt zweiundfünfzig Minuten, nachdem sie das erste Buch angefangen hatte, stieß Sakura auf zwei merkwürdige Dinge. Erstens, eine sehr komplizierte Erklärung eines Testverfahrens, die sie anderswo nachschlagen würde müssen, und zweitens, ein Rumpeln und Stöhnen aus den hinteren Gängen, etwa auf Höhe der Sprachabteilung. Sakura konnte sich schon denken, was jemand dort tat, und sie wollte es ignorieren, doch als sie eindeutig Karins Stimme erkannte, die Sasukes Namen zischte, klappte sie genervt ihr Buch zu.

Nicht, dass es sie störte, wenn Sasuke Karin gleich hier in der Bibliothek gänzlich zu der Seinen machen würde, aber sie würde sein dummes Gesicht sicherlich genießen, wenn sie mitten reinplatzte. Sie wollte ja ohnehin etwas nachschlagen.

Vorfreudig grinsend stand sie auf und ging dem Gestöhne neugierig nach. Sie wartete einen Augenblick, bis sie sich in den Gang hinein traute, in dem sich Sasuke und Karin gerade einen zu höchst erotischen Kampf mit ihren Zungen lieferten. Seine Hände waren unter ihr Shirt gewandert und die ihren hatten sich tief in sein Haar vergraben. Irgendwie war Sakura einem Brechreiz nahe. Sie waren so vertieft in einander—wortwörtlich—dass sie gar nicht bemerkten, wie Sakura geschlafene dreißig Sekunden neben ihnen stand, den Blick auf die beiden gerichtet.

Mit in die Hüften gestemmten Händen räusperte sie sich schließlich. Einen besseren Effekt hätte sie sich gar nicht vorstellen können! Sasuke und Karin fuhren erschrocken auseinander. Sie hatten den Störenfried eindeutig für einen Lehrer gehalten. Ihre Augen waren geweitet und ihre Herzen hatten sicherlich gerade den Schock des Tages erlebt.

"Was willst du hier, Haruno?", fauchte Karin.

"Lesen." Sakura schob sie mit ihrem Arm zur Seite und griff sich irgendein Buch, das sie demonstrativ vor Karins Nase herum wedelte. "Siehst du? Ich bin schon wieder weg. Nur in eurem Interesse; erotische Handlungen jedweder Art sind auf dem gesamten Schulareal streng verboten."

Sie wandte ihnen den Rücken zu und begab sich selig grinsend wieder auf ihren Platz zurück. Hinter sich hörte sie die Turteltauben aufgeregt murmeln, dann verließen eilige Schritte die Bibliothek. Sakura interessierte es sehr wenig. Sie hatte ein Buch und ihre Ruhe.

Über diesen Zwischenfall innerlich noch immer amüsiert, ließ sie sich wieder an dem vorderen Lesetisch nieder, um sich ihrer Lektüre zu widmen. Plötzlich hörte sie Sesselrücken und jemanden, der sich ihr gegenübersetzte.

"Ich werde euch nicht verpfeifen, also verschwinde", sagte sie tonlos. Sie wusste, dass es Sasuke war, der vor ihr saß.

"Hat's Spaß gemacht?"

"Was meinst du?", fragte sie, ohne aufzusehen. "Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen und weiterhin Karins Mundhöhle erkunden? Übrigens, weißt du, wie viele Bakterien durchschnittlich darin befindlich sind? Ist echt widerlich, wenn man darüber nachdenkt."

"Karin muss zu einer Besprechung der Schülervertretung. Warum wolltest du ein Buch über—" Er beugte sich über den Tisch, um den Titel zu sehen. "—griechische Silbentrennung der Antike?"

"Geht’s dich was an? Vielleicht wollte etwas nachschlagen."

"Auf Altgriechisch?" Er runzelte die Stirn und lehnte sich wieder zurück. "Warum liest du über diese konfuse Sprache?"

Sakura sah genervt auf. "Damit Leute wie du mich danach fragen können. Wenn du also nicht zufällig Altgriechisch kannst, denn lass mich in Frieden."

Er hob demonstrativ den Zeigefinger. "Ta Kaisaros apodote Kaisari kai ta tou theou tō theō. Darf ich jetzt bleiben?"

Sakura sah ihn verdutzt an. "Hä?"

"Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist. Das habe ich vor geraumer Zeit irgendwo aufgeschnappt. Das und Staurōson auton—Ans Kreuz mit ihm."

"Jaaa", machte Sakura langgezogen, unschlüssig, ob sie beeindruckt sein oder sich verarscht vorkommen sollte. "Wie auch immer." Sie wandte sich ihrem Buch zu, doch Sasuke machte keinerlei Anstalten zu gehen. Er sah sie einige Minuten lang schweigend an, erst dann erhob er seine Stimme.

"Ich habe über das nachgedacht, was du gesagt hast."

Sakura sah sich gezwungen, erneut aufzusehen und gereizt zu seufzen. "Ich habe in meinem Leben schon viel gesagt. Vieles davon war mehr oder weniger sinnvoll, also könntest du dich präzisieren? Natürlich nur, wenn es dir keine Umstände macht." Der sarkastische Unterton in ihrer Stimme ließ in kalt.

"Dass du nicht mehr in mich verliebst bist. Das Zeug mit der Fassade und dem wahren Charakter. Weißt du, ich bin kein Arschloch."

"Wenn du meinst." Das Desinteresse war ein wenig gespielt. Woher der plötzliche Sinneswandel kam, wollte sie zwar wissen, aber sie wollte ihre Überlegenheit nicht zunichtemachen. "Gibt es sonst noch was, außer dieser Erkenntnis? Mit der solltest du dich nämlich eher an einen Verhaltenspsychologen wenden."

Sasuke schüttelte den Kopf. Er wollte bereits aufstehen, da fiel sein Blick auf das Buch neben ihr. "Aids? Kennst du jemanden, der das hat?"

"Nein. Warum?"

"Niemand liest ein Buch über Aids, wenn er nicht in irgendeiner Weise davon betroffen ist. Altgriechisch versteh ich ja noch, aber eine Krankheit?"

"Ist Lernstoff."

"Wir haben keine Prüfungen."

"Kam im Unterricht vor."

"Kann ich mir nicht vorstellen."

Sakura reichte es vollends. Das Glas, das erst halbvoll, dann halbleer und im letzten Drittel gänzlich leer gewesen war, war schlussendlich übergeschwappt. Dieser Mensch machte sie noch fertig! Nicht in ihn verliebt zu sein, war noch anstrengender, als es zu sein! Wer hätte das gedacht? Mit letzter Beherrschung unterdrückte sie den Impuls, ihm das Buch an den Kopf zu schleudern. "Warum interessiert dich das überhaupt?"

"Das nennt man doch Smalltalk, oder?"

"Das nennt man nerven. Seit wann machst du sowas? Du willst es doch in Wahrheit gar nicht wissen, also spar dir dein scheinheiliges Getue. Du hast Karin und Suigetsu als deine Freunde ausgewählt, damit bist du für uns andere gestorben. Wenn du deiner Spielgefährten überdrüssig wirst, sieh zu, wie du alleine zurechtkommst. Niemand von uns hat Lust, dich wieder aufzunehmen."

"Das war auch nicht meine Absicht. Wenn du mir wieder einen Vortrag halten willst, dass Karin mich manipuliert, spar dir das. Sie ist verliebt in mich."

"Bist du es auch in sie?" Sakura sah ihn durchdringend an. Er antwortete nicht, was ihr Antwort genug war. Ernster fuhr sie fort: "Das dachte ich mir. Sie ist dir egal. Du willst nur nicht wahrhaben, dass sie dich in etwas gedrängt hat, das du nicht willst. Dann wärst du nämlich schwach. Aber ein Uchiha darf nicht schwach sein. Richtig?"

"Das geht dich nichts an."

"Ha! Da ist ja wieder der unterkülte Eisklotz, dem alles egal ist, und der keinen an sich heran lässt. So gefällst du mir schon besser."

"Warum Aids?"

"Weil ich für die Aufnahmeprüfung lerne." Sakura biss sich ertappt auf die Lippen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt! Er hatte sie überrumpelt. All die Geheimhaltung umsonst! Von allen Menschen hatte sie sich vor gerade Uchiha Sasuke verplappern müssen.

Er sah sie verwirrt an—nun, so verwirrt die gelassene Fassade eines schwarzhaarigen Schönlings eben sein konnte. "Ich dachte, dass der Abschluss dieser Schule die Zugangsberechtigung für alle Studienrichtungen wäre?"

"In der Regel stimmt das auch. Nicht so bei Medizin."

"Du willst Medizin studieren?"

"Ja. Aber sag es keinem."

"Wieso?"

Sakura sah schuldbewusst auf den Tisch. Ihre Finger spielten unruhig mit dem Einband des Griechischbuches. Sie seufzte resignierend. Jetzt war es auch schon egal. "Weil—und warum ich dir das erzähle, weiß ich nicht—ich dann niemanden enttäuschen kann. Das Medizinstudium ist ein Klacks, wenn du erst einmal drin bist. Die Aufnahmeprüfung ist das wirklich Schwere. Zumindest, wenn du sie an der Teikyō machst. Zehntausend Bewerber für nicht einmal hundert Studienplätze. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich es schaffe, ist also sehr gering. Wenn keiner weiß, dass ich es machen will, wird am Ende keiner enttäuscht sein."

"Wann ist diese Aufnahmeprüfung?"

"Irgendwann Mitte Mai. Es wird sehr viel verlangt, darum geben sie uns sehr viel Zeit zum Lernen."

Sasuke verstand die Logik nicht recht, darum versuchte er, das Gespräch weiterzuführen, ohne aufdringlich zu wirken. Sakura hatte ihm ja bereits mehr als deutlich gemacht, dass sie seine Anwesenheit nicht schätzte. "Warum willst du Medizin studieren? Es ist ein anstrengender Job, der im Verhältnis nicht gut bezahlt wird."

"Den Unterton kannst du dir sparen. Hier geht es nicht um Geld und auch nicht darum, dass mein Vater einflussreiche Leute kennt. Ich werde nicht in der Klinik anfangen, die er leitet." Sie sah auf ihre Fingerspitzen und ihr Mund bewegte sich plötzlich von ganz Alleine. "Als Sayuri kleiner war, war sie ein echter Wildfang. Das waren wir das beide. Wir spielten und tollten und rauften, wo es nur ging. Wir dachten uns kleine Mutproben füreinander aus. Aber einmal ging was schief."

"Was ist passiert?"

"Ich sagte Sayuri, sie sei ein Feigling, weil sie sich nicht bis auf die Spitze eines Baumes traute. Sie war damals acht und natürlich hatten wir beide keine Ahnung, dass die Äste weiter oben schnell abbrechen können. Ich stichelte immer weiter, als sie wieder runterkommen wollte, ohne die Spitze erreicht zu haben. Es war alles nur ein Scherz, einfacher Spaß zwischen zwei Schwestern. Sayuri ließ es sich nicht nehmen, mir das Gegenteil zu beweisen. Also kletterte sie bis ganz hinauf. Der Baum war gut fünf Meter hoch, aber vielleicht kommt er mir in meiner Erinnerung höher vor, weil ich damals jünger war. Jedenfalls brach ein Ast ab, als Sayuri danach langte. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel durch die dickeren Äste zu Boden. Dabei schlug sie mit dem Hinterkopf gegen einen Ast, mit dem Rückgrat gegen einen weiteren und kam gewissermaßen ungünstig auf dem Boden auf. Ich lief nach Hause und holte meinen Vater, der sie umgehend ins Krankenhaus brachte."

Sie sah mit geläutertem Gesichtsausdruck auf.

"Was sich dort abspielte, war phänomenal. Überall lange weiße Kittel, komplizierte Fremdworte, geschäftige Hektik und in jedem Arzt dieser ernste Gesichtsausdruck. Das hat mich wohl irgendwie geprägt. Als der behandelnde Arzt meiner Schwester zu uns kam, um uns zu erzklären, dass sie trotz ihrer Verletzungen nichts davontragen würde, wurde mir klar, dass auch ich irgendwann einmal einem kleinen Mädchen eine gute Nachricht überbringen wollte. Das mag unspektakulär klingen, aber ich war damals neun Jahre alt. Für mich war das alles unglaublich. Bis heute hat es mich nicht losgelassen. Ich bin gerne im Krankenhaus. Darum besuche ich oft meinen Vater, spreche mit Ärzten und schaue ihnen bei der Arbeit zu."

"Das klingt gar nicht unspektakulär", meinte Sasuke aufrichtig. "Du hast wenigstens ein Ziel."

"Du etwa nicht?"

"Nicht von Belangen", wehrte er ab.

Sie schüttelte den Kopf. "So funktioniert das nicht, Sasuke. Du kannst nicht einfach meine halbe Lebensgeschichte verlangen und mit meinem erfolglosen Argument die deine abblocken. Gleichberechtigung ist der Grundstein unserer modernen Zivilisation."

Er begann zynisch zu grinsen. "Du kannst gut reden."

"Und du kannst gut ablenken. Raus mit der Sprache."

Sasuke zögerte eine Weile und Sakura wollte es bereits aufgeben, als er plötzlich doch noch den Mund öffnete. "Mein Leben", begann er unheilvoll, "ist nicht typisch. Wenn du mit einem reichen Sohn redest, dann klagt er immer über das Leid, die Bürde, die mit dem Reichtum kommt. Die Nachkommen erben ein Unternehmen, ob sie wollen oder nicht. Sie müssen die gesellschaftlichen Regeln lernen und leben, sie haben keine Freiheiten und alles ist bestimmt. Aber nicht bei mir. Itachi ist derjenige, der unsere Firma übernehmen wird, also bin ich aus dem Schneider. Ich werde als Aufsichtsrat danebensitzen, ja und nein sagen und bei großen Veranstaltungen auf Firmenkosten fürstlich speisen. Dafür bekomme ich dreißig Prozent des effektiven Gewinns und einen Haufen Firmenaktien."

"Klingt doch gut", bemerkte Sakura ein wenig neidisch.

"Ja", erwiderte er zischend. "Du kannst dir nicht vorstellen, wie dein Leben aussieht, wenn du alles bekommst, ohne etwas dafür zu leisten." Ein Wehmütiger, verbissener Ausdruck trat in sein Gesicht. Unwillkürlich ballte sich seine Hand zu einer lockeren Faust. "Ich hab Geld und damit schon ausgesorgt. Eigentlich müsste ich nicht mal hier zur Schule gehen. Aufsichtsrat werde ich so oder so. Es macht sich bloß besser, wenn du jemanden mit Abschluss hast. Dann kann dir keiner vorwerfen, Vetternwirtschaft zu betreiben. Da liegt das Problem. Ich hab keinen Antrieb, keine Motivation, keine Ziele und keine Pläne."

"Klingt weniger gut." Sakura unterdrückte gekonnt den Drang, seine Hand zu nehmen. "Also streifst du orientierungslos durchs Leben und hast Angst, dich selbst zu verlieren, weil du nichts hast, für das du lebst?"

"Mach mal halblang", gebot er ihr schnell Einhalt. " Ich komme ganz gut zurecht. Ich hab Fußball und meine Familie. Zumindest meinen Bruder. Vielleicht werde ich nebenbei studieren, wenn ich etwas finde, das mich interessiert. Es ist nicht so, dass ich ein antriebsloser, arbeitsloser Alkoholiker wäre, der sich in einem billigen Motel betrinkt, weil er das Leben nicht erträgt."

"Aber du hast Angst, einer zu werden", resümierte Sakura. Sasuke wagte nicht, sie anzusehen. Er hatte das bisher noch niemandem erzählt; nicht einmal—oder schon gar nicht—Karin. Das war unheimlich. Sakura fuhr unterdessen fort: "Ich sage dir etwas. Nicht jedem ist das Glück vergönnt, das machen zu können, was er möchte. Die überwiegende Mehrheit muss einen Job annehmen, der ihnen möglichst ausreichend Geld einbringt. Aber du—du kannst alles ausschöpfen, was das Leben dir bietet. Du könntest Sport studieren oder Kunst oder ein anderes Fach, das dir absolut nichts bringt. Du kannst Bücher darüber schreiben oder ehrenamtlich einen Fußballverein eines Waisenhauses trainieren. Ich sage das nicht gerne, Sasuke, aber dir steht alles offen. Du kannst alles machen, ohne dir Gedanken machen zu müssen. Es muss dir nur Spaß machen."

"Hauptsache du nimmst meinen Aufmunterungsversuch nicht an", beschwerte er sich trocken über ihre gedämmte Euphorie angesichts seiner Lage. "Ich hab dir auch gesagt, dass du das schon schaffen wirst."

"Hast du nicht", wandte sie kopfschüttelnd ein.

"Dann sag ich's dir eben jetzt. Du schaffst das schon."

Zweifelnd sah sie ihn an. "Hör lieber auf, freundlich zu sein, das steht dir nicht. Vor allem, wenn du es nur tust, um dein Ego zu beruhigen, weil es wegen meiner Abfuhr immer noch angeschlagen ist. Ich habe dir doch gesagt, dass es okay ist, wie es ist." Sakura schüttelte unwirsch den Kopf, packte mit einem Handgriff all ihre Sachen zusammen und verließ sich wundernd die Bibliothek.

Das war irgendwie … schräg gewesen.
 

Sasuke verstand die Welt nicht mehr, als er plötzlich alleine dasaß. Hatte er wirklich nur gespielt? Eigentlich nicht. Er kannte seine Absichten besser als jeder andere—logischerweise—und es war ehrlich gemeint. Vielleicht hatte er sich nicht ganz geschickt angestellt, aber sie war darauf eingegangen und er hatte ihr sogar—wieso auch immer—von seinen tiefsten Ängsten erzählt. Nun, mehr oder weniger, aber jedenfalls hatte er etwas von sich preisgegeben. Nachdem er es getan hatte, musste er sich fragen, wieso er es getan hatte. War er betrunken? Oder hatte er wirklich unbewusst nur seinen Stolz beruhigen wollen, weil sie ihn abgewiesen hatte? War sein Kalkül etwa schon so ausgereift, dass er es nicht einmal mehr merkte?

Nein. Es war ehrlich gemeint. Aber da beschlich ihn ein anderer Gedanke. Wenn seine ehrlich gemeinte Freundlichkeit auf andere Menschen wie eine Farce wirkte, wie wirkte dann seine offensichtliche Abneigung?
 

ɣ
 

"Ich töte ihn!", kreischte Sakura, während sie auf den Sandsack vor ihr eindrosch. "Das macht der doch mit Absicht!"

"Wer denn?", wollten Temari und Sayuri wissen, die sie auf ihrem Weg in die Sporthalle getroffen und brutal mitgeschleppt hatte.

"Uchiha", keifte Sakura. "Uchiha Sasuke!" Bei seinem Vornamen warf sie sich mit ihrem ganzen Gewicht auf den Sack, dessen Kette mitleiderregend quietschte. "Absolute Absicht! Jetzt, wo ich ihm verklickert habe, dass ich nie in ihn verliebt war, schleimt er sich bei mir ein! So ein Vollidiot!"

"Beruhige dich doch", bat Temari sie beschwichtigend. "Wann hast du ihm denn gesagt, dass du nicht mehr in ihn verliebt bist und was hat er jetzt schon wieder gemacht?"

"Vor ein paar Tagen, als ich zufällig in Narutos Zimmer kam und ihn alleine vorfand. Ich sagte ihm, ich sei nur in sein Aussehen verliebt gewesen, während ich ihn als Mensch nicht leiden könne." Sie drehte sich um und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihr Atem ging unregelmäßig, trotzdem sprach sie schnell und aufgeregt. "Er—dieser miese Hund—kommt heute plötzlich zu mir und redet mit mir. Nett. Er war freundlich. Könnt ihr euch das vorstellen? Uchiha Sasuke-sama hat sich nach meinem Befinden erkundigt und ein wenig von sich erzählt."

"Kann ich nicht glauben", warf Temari verwirrt ein.

"Ich schon", unterbrach Sayuri besserwisserisch nickend. "Da liegt eindeutig was in der Luft. Sagt bloß, ihr habt es noch nicht gemerkt! Ich glaube, sie versprühen Pheromone hier in der Schule, die Jungs romantisch machen. Überlegt doch mal!"

Sakura und Temari fassten sich gleichzeitig an die Stirn. "Wir überlegen, aber wir kommen nicht drauf", sagte Sakura sarkastisch. "Erklär es uns, Schwesterherz."

"Und da sagen sie alle, du bist die Klügere von uns! Menschenkenntnis hast du absolut keine. Resümiert das ganze kurz. Naruto ist mit Hinata zusammen—nicht überraschend, aber er ist keine Ausnahme. Sai ist mit Ino zusammen und er sieht schon ziemlich verliebt aus. Du erzählst uns hier gerade, dass Sasuke nett ist. Und, ob ihr es glaubt oder nicht, Gaara ist in letzter Zeit äußerst zuvorkommen."

Sakura und Temari tauschten kurz vielsagende Blicke aus, die Sayuri übersah. Sie fuhr unbeirrt fort.

"Ich meine, er hält mir die Türe auf, er fragt alle paar Minuten, ob es okay ist, wenn er in meiner Nähe ist, wenn er es denn mal ist. Er erkundigt sich nach meinem Wohl, nach meiner Familie und er sieht mich immer so an. Irgendwie…ach, er sieht mich einfach an. Ohne Grund! Das ist doch seltsam."

"Du bildest dir da nur was ein, Sayuri-chan", behauptete Temari, ohne allzu überzeugend zu klingen.

"Wen interessiert das?", rief Sakura dazwischen. "Gaara soll machen, was er will. Sayuri wird ihn abweisen oder wieder in ihr Herz aufnehmen –"

"Was soll das denn heißen?"

"Wie? Was? Ich weiß von nichts! Könnten wir bitte wieder über mich reden? Ich habe nämlich einen Plan, wie ich Sasuke einen Strich durch jede nur erdenkliche Rechnung mache." Sakura verschränkte zufrieden die Arme. Die fragenden Blicke der anderen beiden kurz genießend, band sie ihre lange Haarpracht zu einem Pferdeschwanz. "Bevor ich Sasuke sagen konnte, dass ich nichts mehr für ihn übrig hab, meinte er, ich hätte um ein paar Zentimeter längere Haare haben müssen, wenn ich seine Freundin sein wollte."

"Und das heißt?", fragte Sayuri bedeutungsvoll.

"Ich schneide sie mir ab."
 

.

.
 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (16)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kerstin-san
2015-09-07T13:28:14+00:00 07.09.2015 15:28
Aloha,

irgendwie finde ich es witzig, dass Sasuke und Karin sich ausgerechnet in die Bibliothek zurückziehen, um da rumzumachen. xD
Dass Skaura und Sasuke sich auch halbwegs normal unterhalten können, ohne sich anzuzicken, ist mal eine nette Abwechslung.
Auch, dass es so ein offenes Gespräch ist, obowhl sie sich ja nicht wirklich kennen, hat mir gut gefallen. Ob das jetzt besondes realistisch oder nicht sei mal da hingestellt, aber mir hats gefallen, dass sie beide was von sich preis gegeben haben.

*seufz* Sakuras Haarabschneideaktion ist schon wieder so kindisch. Ich hatte echt gehofft, sie wäre etwas erwachsener geworden, aber Sasuke scheint ja echt eine ganz tolle Wirkung auf sie zu haben.

Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Verovera
2013-05-12T15:16:26+00:00 12.05.2013 17:16
Kann L-san da zustimmen. Die Parallelen zum Manga fallen wirklich krass auf, was ich sehr gut finde. Ist halt irgendwie doch ein Bezug zum Canon und macht die AU Geschichte nicht ganz so haltlos. ^^
Ansonsten war das Kapitel gut wie immer. Langsam kommt SasuSaku ja ins Rollen. Ich frage mich, ob die überhaupt jemals zusammenkommen.
Von:  L-San
2013-04-08T16:43:10+00:00 08.04.2013 18:43
Ui. Ui. Ui.
Mir gefällt diese Parallele zum Manga. Sasuke, der Sakura von seinen geheimsten Gedanken erzählt. Sakura, die sich ihre Haare abschneiden will.
Ich muss schon sagen, Sakuras Schlagfertigkeit(benutzt man dieses Wort auch in Bezug auf Wörter?) ist beeindruckend.
Das Kapitel hatte was. Es war irgendwie dynamisch, geladen, hatte so einen Fluss, der von Minute zu Minute immer heftiger den Bach runterfliest.
Yoah, mehr habe ich nicht mehr zu sagen.

;D
Von: abgemeldet
2013-02-17T21:23:53+00:00 17.02.2013 22:23
Jawoll! Auf so ein Kapitel hab ich gewartet, nicht das ich die anderen Kapitel nicht gut fand, ich fand sie super, ehrlich. Aber das ist so das Kapitel in dem das Mädchen endlich cool wird und der Typ sich eingestehen muss, dass seine Freundin einen totalen Knacks hat! Hach ist das herlich, ich les jetzt weiter, so eine Grippe macht sich gut - morgen keine Uni
-J
Von: abgemeldet
2011-05-13T10:31:27+00:00 13.05.2011 12:31
absolut genial xD sakura soll sich die haare schneiden! mit kurzen haaren gefällt sie mir sowieso besser! außerdem ist das schon wieder ziemlich manganah, sie hat sich ja dort auch die haare geschnitten. unfreiwillig, aber doch!

lg
Von:  Veronika
2011-05-12T21:07:42+00:00 12.05.2011 23:07
NEEEEIIIIIN!!!!!
Du kannst Sakura doch nicht ihre tollen Haare abschneiden lassen... und das nur für einen TYPEN (okay es ist Sasuke... aber trotzdem -.-)

Dafür, dass sie so gar nicht an ihm interessiert ist, macht sie aber ganz schön viel, um sich das auch zu beweisen. Ich mein, wenn mir ein Kerl so richtig egal ist, dann schneide ich mir nicht die Haare ab, weil er längere Haare gut findet. Das interessiert mich dann ja gar nicht. Ist da vielleicht doch mehr, als Sakura sich eingestehen will? xD

Ansonsten mal wieder ein hammer Kapitel. Sasuke gibt mal was von sich preis, dass wir das noch erleben dürfen >.<

Bin echt gespannt, wie sich das weiter entwickelt. Freu mich schon auf das nächste Kapitel ;)

LG <3
Von: abgemeldet
2011-05-12T10:27:49+00:00 12.05.2011 12:27
Oh, Mann, 19 Kapitel schon! Und es nimmt und nimmt kein Ende. Das ist so toll! Normalerweise les ich mich 15 Kapitel lang in ne Story ein und dann is sie mit 20 vorbei. Das ist bei dir viel besser. Da kann man sich mal so richtig reinversetzen und mitfieber ohne dass man Angst hat, bald aufhören zu müssen. Ich hoff, dass die Geschichte niemals aufhört! =)

Liebe Grüße
Von:  NaxLu
2011-05-12T07:43:58+00:00 12.05.2011 09:43
Hey hey, so Hammer geil.
Ich liebe Sakura, die ist ehct
cool drauf. :))

Lg Nami
Von: abgemeldet
2011-05-10T12:24:59+00:00 10.05.2011 14:24
hallo =)

fand das kapi super. der wechsel von sasuke ist super! erste schritt in richtung sakura! *G*

lg
heartly
Von:  HaiFraeulein
2011-05-10T09:34:55+00:00 10.05.2011 11:34
Richtig geil <3 Sasuke ist endlich mal nett!
Das war bisher meine absolute Liebelingsszene in deiner Story~
Zumal wie Sakura das nicht richtig raffen konnte, dass er nett ist.. XD
Sehr schön!
MEEEEHR


Zurück