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Crimson Nights

Für Knuddelkeks-Schoki - und Vampirfans! ;D
von

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Sophia

Kais Leben hatte sich um 180 Grad gewendet und kreiste quasi um den attraktiven Mann mit den dunklen Locken, als wäre er seine dunkle Sonne und er nur ein winziger Planet, der sich Elias‘ Anziehungskraft nicht wiedersetzen konnte.

Kai stand bei Elias unter Vertrag, wurde von ihm versorgt, lebte in einem von ihm geschaffenen Umfeld und verbrachte seine Tage in der Hoffnung ihn am Abend zu Gesicht zu bekommen und für ihn singen zu können. War er wirklich zu einem Singvogel geworden, der in einem goldenen Käfig lebte? Oder zu einem Vampir? Wann war das letzte Mal, das er die Sonne gesehen hatte? Wenn Dean ihn so sehen könnte, würde er ihn sicherlich damit aufziehen.
 

Es war gegen halb zehn Uhr abends, als Kai wieder einmal auf dem Sofa saß und Konsolenspiele zockte, weil er nicht wusste was er sonst mit sich anfangen sollte. Die Bandprobe wurde kurzfristig um 1 1/2 Stunden nach hinten verschoben, weil Elias verhindert war, aber bei der Probe unbedingt anwesend sein wollte, wie Frau Rohn Kai ausrichtete. Mit der gewonnenen freien Zeit hatte der junge Mann nichts Besseres anzufangen gewusst und sich auch noch nicht die Mühe gemacht, um sich coole Klamotten anzuziehen, geschweige denn sich zu stylen. Für den Fall der Fälle. Vielleicht würde sich ein Besuch in der Diskothek im Anschluss noch lohnen und darauf wollte er vorbereitet sein. Zunächst steckten seine Beine in einer bequemen Jeans und ein locker sitzendes T-Shirt tat es alle Mal, um auf der Couch zu lümmeln.
 

Nach dem sechsten Anlauf standen die Chancen gut, dass Kai den Endgegner endlich besiegte. Nur noch wenige Hits und dann… ZAPP – wurde es in der gesamten Wohnung schwarz! Ein Stromausfall hatte ihm gerade gefehlt!
 

"Shit, verdammt!"
 

Er war so nahe am Sieg gewesen! Wo hatte er sein Handy hingelegt? Irgendwo auf dem Tisch müsste es sein. Der junge Mann tastete, seine alte Kindheitsangst vor Augen, hektisch in der Dunkelheit herum, bis er es in der Hand hielt und das Display anschaltete. Beinahe hätte er sein Wasserglas umgeworfen. Die improvisierte Notbeleuchtung diente ihm nun als Taschenlampe und reichte aus, um das Nötigste zu sehen. Es war erschreckend wie hilflos er sich in der Dunkelheit fühlte.
 

Kai bewegte sich auf unsicheren Beinen durch die Wohnung, schlüpfte in seine schwarzen Sneaker, die er in der Nähe der Eingangstür fand und öffnete sie. Auch im Flur funktionierte die Beleuchtung nicht mehr und als der junge Mann mit dem schwachen Licht seines Handydisplays herumlief, dachte er unweigerlich an Zombie-Filme. Horror war mehr ein Genre für Dean, sodass er sich durch ihn ab und an einen Film dieser Art ansah, aber er hatte genug gesehen um sich in seinen persönlichen Horrorfilm hineinphantasieren zu können – mit ihm als Hauptfigur und diese durften für gewöhnlich doch nicht einfach abkratzen, oder? Doch seine Gedanken waren albern und er versuchte rational zu denken, wie es eben ein Erwachsener in dieser Situation tun sollte. Es half ja nichts, er musste irgendwie einen Weg nach oben finden, um mit Frau Rohn in Kontakt zu treten.
 

Warum nur gab es hier keine Netzverbindung? Kai hatte mal gehört, das Handymasten eine Notstrombatterie hätten, durch die ein Weiterbetrieb noch mindestens 12 Stunden nach Stromausfall möglich sei. Kurz mit dem Handy anzurufen wäre so einfach, aber leider unmöglich in diesem… Keller.
 

Etwas Gutes hatte der Stromausfall allerdings: alle Türen waren nun mühelos zu öffnen, denn schließlich funktionierten die Sicherheitscodes ohne Strom auch nicht mehr. Nach ein paar Minuten stellte Kai fest, dass er nicht mehr weiter wusste. Er musste eine falsche Abbiegung genommen haben und hatte sich verlaufen. Er konnte seinen Atem in der bedrückenden Stille hören und seinen Herzschlag spüren, der schneller wurde, je länger er sich in diesen labyrinthartigen Fluren befand. Das plötzliche Gefühl, das sich etwas von hinten an ihn heran schlich ließ Kai herum fahren. Hektisch versuchte er den Gang auszuleuchten. Da war nichts. Nichts, was er sehen konnte zumindest. Er zwang sich zur Ruhe und atmete einmal kräftig aus, um seinen Puls wieder herunter zu fahren. Es klappte nicht wirklich. Fluchend versuchte er den Weg zurück zu laufen, um eine andere Biegung zu nehmen, da hörte er auf einmal leisen Gesang.
 

Es war die helle Stimme einer jungen Frau, die sich wohl damit Mut machen wollte, so wie er es als kleiner Junge getan hatte, wenn er zum Beispiel in einen schwach beleuchteten Keller hinunter laufen musste und sich unwohl fühlte. Sogleich fiel die Anspannung von ihm ab. Es war beruhigend zu wissen, dass er hier nicht alleine herumirrte und da sein Beschützerinstinkt ansprang, musste er sich erst recht zusammenreißen.
 

"Hallo?", rief Kai durch den dunklen Korridor.
 

Der Gesang brach ab. Wieder herrschte Stille, die nur durch seine Bewegung, seine Atmung unterbrochen wurde.
 

"Warten Sie, ich komme zu Ihnen, bleiben sie einfach stehen wo sie sind", sprach er beruhigend, während er weiter mit unsicheren Schritten in die Richtung ging, aus der er den Gesang vernommen hatte.
 

ZAPP – der Strom schaltete sich plötzlich wieder ein und die Neonröhren an der Decke fuhren zur vollen Leistung hoch, um die Flure wie zuvor zu erhellen. Kai hielt sich die Hand vor die Augen, weil er von der plötzlichen Helligkeit geblendet war. Als er seine Hand herunter nahm und ein paar Mal blinzelte, bis seine Augen sich etwas an das Licht gewöhnt hatten, zuckte er überrascht zusammen. Vor ihm an die Flurwand gelehnt, stand eine junge Frau in einem weißen Spitzenkleid, das ihr bis knapp über die Knie reichte. Sie war barfuss und ihre blonden langen Haare fielen ihr in engelsgleichen Locken über die schmalen Schultern. Auch ihre Augen waren geblendet worden und sie hielt sich ihre zarten Hände schützend vors Gesicht. Wahrscheinlich wollte sie gerade ins Bett gehen, als der Strom ausfiel, mutmaßte Kai.
 

"Da sind Sie ja. Haben Sie keine Angst. Das Problem scheint ja wieder behoben zu sein", sprach Kai beruhigend auf sein Gegenüber ein.
 

Unschlüssig blieb er vor der jungen Frau stehen und wartete auf eine Regung. Sie zu berühren traute er sich nicht; er wollte sie nicht erschrecken.
 

"Wieso… ist es wieder so hell?", fragte die junge Frau irritiert, als sie ihre Hände langsam sinken ließ und blinzelte, während sie beobachtete wie Kai die Tastensperre seines Handys aktivierte und es in der Hosentasche verschwinden ließ.
 

"Ähm… naja, ich nehme an, das Elektrizitätswerk hat die Ursache wieder behoben."
 

"Es war… so schön dunkel."
 

Die junge Frau machte einen verwirrten Eindruck und wirkte zerbrechlich, wie sie sich suchend umblickte, als hätte sie etwas verloren. Sie war hübsch, soviel konnte Kai feststellen, auch wenn sie auf ihn nicht reizvoll wirkte. Deans üblichem Beuteschema entsprach sie nicht, aber Kai war sich sicher, er würde sofort auf sie anspringen – oder anders ausgedrückt: Kai hätte seine liebe Last seinen besten Freund davon abzuhalten sie nicht sofort zu be-springen.
 

"Brauchen Sie Hilfe? Ich bringe Sie gern zu ihrer Wohnung zurück", bot Kai hilfsbereit an.
 

"Zurück? Nein! Da will ich nicht hin! Dort ist es so langweilig, verstehst du das nicht?"
 

Kai zuckte merklich zusammen, da er mit diesem spontanen Wutausbruch nicht gerechnet hatte. Er verstand überhaupt nichts, doch die junge Frau sah ihn an, als müsste er wissen, wovon sie sprach. Langsam trat sie auf ihn zu. Scheinbar hatte sie ihre Emotionen wieder unter Kontrolle, doch ein merkwürdiges Funkeln lag in ihren Augen, was Kai irgendwie beunruhigte. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das kalte Schauer über seinen Rücken laufen ließ.
 

"Ich will… viel lieber spielen. Spielst du mit mir, kleiner Mensch?"
 

Ihre Stimme klang hoffnungsvoll – und gefährlich zugleich. Sie kicherte als Kai sie verwundert und sprachlos anstarrte. Im Bruchteil einer Sekunde sah der junge Mann sie nicht mehr vor sich stehen. Kühle, schmale Hände griffen ihn plötzlich von hinten und hielten ihn fest umschlungen. Auf unerklärliche Weise stand die junge Frau nun hinter ihm.
 

"Jetzt hab ich dich!", flötete sie mit honigsüßer Stimme. "Aber… warum bist du nicht weggelaufen? Man läuft doch immer weg, bevor man gefangen wird", fügte sie in einer Mischung aus Unzufriedenheit und Empörung hinzu.
 

"Moment, was…", stammelte Kai, während er versuchte sich aus ihrer Umarmung zu lösen, aber es war ihm nicht möglich sich aus ihrem Griff zu befreien. Wie konnte das sein, bei ihrer zierlichen Erscheinung?
 

"Du kannst es wieder gut machen, wenn du jetzt schreist", schlug die Fremde vor.
 

"Was???"
 

"Schrei für mich!", verlangte sie nun mit einer gewissen Ungeduld.
 

Kai versuchte sich nun verzweifelter von ihr zu lösen. Ihre Nähe war ihm unangenehm und sie fühlte sich kalt an. Es fühlte sich nicht richtig an, bedrohlich auf eine merkwürdige Art und Weise.
 

"Du musst schreien! Jeder schreit ein bisschen bevor er stirbt, also tu es, sonst spielst du das Spiel ja ganz falsch!"
 

Ihre Locken kitzelten Kai, als sie sich ungeduldig auf die Zehenspitzen stellte und ihr Gesicht sich ihm von der Seite näherte. Wollte sie ihn küssen? Im nächsten Moment ging alles ganz schnell: Kai wurde auf den Boden geschleudert. Eine Wucht hatte die junge Frau getroffen, sodass sie zur Seite gerissen wurde und Kai freigeben musste, der sich nicht auf den Beinen halten konnte. Verwirrt sah er sich um, wollte begreifen was geschehen war.
 

"CATHÉRINE!", rief eine ihm wohl bekannte Stimme mit äußerster Dringlichkeit.
 

Alles lief so schnell ab, dass Kai mit den Augen kaum das Geschehen verfolgen konnte. Elias’ Assistentin war plötzlich neben ihm, hatte ihn auf die Füße gezogen und schob ihn vor sich her. Als er sich umdrehte, sah er Elias, der die junge Frau an die Wand gedrückt hielt. Die rechte Hand umfasste ihre Kehle, der linke Arm befand sich waagerecht auf ihrem Oberkörper, um sie zu fixieren, während sie ein Geräusch der Unmut von sich gab, das Kai an eine fauchende Katze erinnerte.
 

"Sieh nach vorn und beeil dich!", forderte Cathérine Kai auf und schob ihn mit Nachdruck weiter, sodass er automatisch einen Fuß vor den anderen setzen musste, um nicht zu stolpern. Sie verließen rasch den Flur und Cathérine stellte sicher, dass die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Sie überprüfte, ob sie auch wirklich nicht mehr ohne Code zu öffnen war, dann erst wendete sie sich Kai wieder zu.
 

"Mon Dieu, was machst du denn hier? Du hast hier nichts verloren!"
 

„Was ist denn passiert? Ich verstehe grad gar nichts. Ich wollte zu Frau Rohn wegen dem Stromausfall und..."
 

"Du hast dich also verlaufen, verstehe, aber zum Glück ist ja nichts passiert. Komm, ich begleite dich zu deiner Wohnung", bot Cathérine an, was jedoch mehr einer Aufforderung gleichkam, und sie setzten ihren Weg fort, ohne eine weitere Minute zu verlieren.
 

Elias vergewisserte sich, dass seine Assistentin mit Kai den Korridor verlassen hatte, ehe er das Wort an die junge Frau vor ihm richtete, die noch immer von ihm an der Wand fixiert wurde.
 

„Du bist ein sehr ungezogenes Mädchen, Sophia!“
 

Er lockerte den Griff um Sophias Hals. Dies nutzte sie aus, um wie eine Schlange nach vorn zu schnellen und ihm mit einem ihrer spitzen Eckzähne in die Nase zu beißen. Als ein Tropfen Blut an der Stelle austrat, bevor sich die leichte Wunde binnen weniger Sekunden wieder von selbst schließen konnte, verzogen sich ihre Lippen zu einem süßen, puppenhaften Lächeln.
 

"Wann kehrt der Herr Papa nach Hause zurück?"
 

Elias ließ sie wieder frei und wischte sich mit dem Zeigefinger über die Nase, um den Tropfen Blut mit seiner Zungenspitze aufzunehmen.
 

"Diese Frage kann ich dir nicht beantworten."
 

Trotzig verschränkte die junge Frau ihre Arme vor der Brust und schob ihre Unterlippe leicht nach vorne.
 

"Wenn der Herr Papa wieder hier ist, erzähle ich ihm wie gemein du zu mir warst. Du spielst nie mit mir und deine Spielsachen teilst du auch nicht. Du bist ein fieser, mieser Bruder!"
 

Davon ungerührt trat Elias näher und hob Sophia, einen Arm unter ihre Kniekehlen geschoben, den anderen um ihre Taille platziert, hoch. Sie war leicht wie eine Feder.
 

"Tu das, dann erzähle ich ihm aber auch, das du nicht auf mich hörst, deine Launen unerträglich sind und du kein braves Mädchen bist. Zudem werde ich ihm raten mit der Übergabe der Geschenke, die er dir sicherlich von seiner Reise mitgebracht hat, zu warten, bis du dein Benehmen überdenkst."
 

Sophia zog eine Schnute, während sie sich von ihm tragen ließ. Ihr Unmut stand ihr ins Gesicht geschrieben, doch Elias war noch nicht fertig mit seiner Rüge.
 

"Dank dir musste ich einen Teil des Personals neu besetzen, du hast es ja – vielleicht erinnerst du dich – einfach ausbluten lassen. Weißt du was für eine Arbeit ich damit hatte die genauen Todesumstände zu verschleiern? Ein Fehltritt zieht eine ganze Reihe an Unannehmlichkeiten mit sich, die ich dann ausbaden darf."
 

Elias lehnte sich mit dem Rücken neben eine Tür, hob sein Knie, um Sophias Beine zu stützen, während er mit der freien Hand die Tür entsicherte. Dann ging er mit der jungen Frau hindurch und bog in einen weiteren Gang ein.
 

"Hinzu kommt die Reinigung dieser Schweinerei. Was hast du in deinem Zimmer mit ihnen veranstaltet? Nein, lass, ich kann es mir vorstellen. Denk daran, wir alle waren einmal menschlich, also halte deine Impulse besser unter Kontrolle und benimm dich nicht wie ein gedankenloses Tier."
 

"Aber ich wollte malen!", empörte Sophia sich schwach.
 

"Und ich sagte dir, ich würde mich darum kümmern. Du solltest dich längst in Geduld geübt haben, stattdessen benimmst du dich wie ein verzogenes Gör! Immerhin warst du 19 Jahre alt, als dich Alexander zu sich holte."
 

Und schon damals waren die Anzeichen einer psychischen Störung ersichtlich gewesen, von der Alexander jedoch nichts hatte wissen wollen, so geblendet musste er von Sophias lieblicher Gestalt gewesen sein. Als sie sein Blut empfangen und sich ihr Körper verändert hatte, trat das wahre Ausmaß ihres Irrsinns mit aller Kraft zum Vorschein. Nun hatte Elias sie am Hals und konnte nichts anderes tun, als sie vor sich und sein Umfeld vor ihr zu schützen. Elias‘ Worten hatte Sophia nichts mehr entgegen zu setzen. Sie wusste dass sie sich ihm unterzuordnen hatte, auch wenn es ihr aufgrund ihrer kindlichen Ungeduld manchmal schwer fiel. Sie wagte einen scheuen Blick in seine Augen, die stur geradeaus schauten.
 

"Hast du mich jetzt nicht mehr lieb, Eli?"
 

Ihre unsichere Frage verfehlte ihr Ziel nicht. Ein Teil seiner Härte fiel von ihm ab, als er seinen Kopf zu ihr drehte.
 

"Selbst wenn ich es wollte könnte ich nicht anders, als mich dir verbunden zu fühlen, das weißt du doch. Wir sind durch sein Blut aneinander gebunden."
 

"Für alle Zeit, hihi", pflichtete sie ihm nun wieder vergnügt bei. "So ein schlauer Herr Papa."
 

Elias setzte die junge Frau ab, als sie ihr Zimmer erreicht hatten, drehte sie zur Seite und hielt ihr mit einer Hand die Augen zu, während er mit der anderen in rasender Geschwindigkeit eine lange Zahlenkombination in einen kleinen Kasten tippte.
 

"Ich höre was du ti-ippst, ich höre was du ti-ippst", gab Sophia in einem neckenden Singsang von sich.
 

"Das kannst du nicht, Kleines. Es ist ein Touchscreen-Eingabefeld."
 

"Hihi, aber du hast für den Bruchteil einer Sekunde gezögert."
 

Sacht stieß er die Tür auf und schob Sophia hinein. Es ärgerte ihn ein bisschen, dass sie ihn so leicht aus der Ruhe bringen konnte – und es ihr zu allem Überfluss auch nicht entging. Er musste bei ihr so sehr auf der Hut sein, das er zu jeder Zeit mit allem rechnen musste, um rechtzeitig reagieren zu können.

Ein dunkel gekleideter Mann wankte ihnen entgegen, als sie die ersten Schritte ins Zimmer setzten. Er hatte an Sophias Tür Wache halten sollen, ehe sie ihn für einen Moment ausgeschaltet hatte, um zu entkommen und ihn in ihrem Zimmer zurück gelassen hatte, damit ihre Flucht nicht gleich bemerkt wurde. Gerade wollte der Mann zu einer Entschuldigung ansetzen, da schnitt Elias ihm mit einem verärgerten "Schweig!" das Wort ab. Still bezog der Angestellte seine Position draußen vor der Tür, um auf weitere Instruktionen zu warten.
 

"Du hast ja all deinen Puppen und Stofftieren den Kopf abgerissen", stellte Elias mit einem kurzen Blick durch ihr Zimmer fest.
 

"Ich wollte sehn, was in ihnen steckt, aber es war langweilig", erklärte Sophia enttäuscht.
 

Dann hüpfte sie in die Mitte des Zimmers und breitete feierlich ihre Arme aus, um zu verkünden:
 

"Ich erkläre die Ausstellung nun für eröffnet!"
 

Hoffnungsvoll sah die junge Frau Elias an, versteckte mädchenhaft ihre Arme hinter dem Rücken und drehte vor Ungeduld leicht ihre Schultern hin und her. Ergeben verdrehte Elias die Augen.
 

„Nun gut, zeig mir deine Bilder.“
 

Freudig hüpfte Sophia auf und ab und klatschte dabei in die Hände. Sie führte Elias von einem Bild zum anderen und erklärte hier und da etwas zu ihrem Werk. Ein paar der Bilder waren minimalistisch gehalten und ließen viel Freiraum für eigene Interpretationen, aber auch Landschaften und Personen aus längst vergangener Zeit, wie man durch die gewählte Kleidung erkennen konnte, waren darunter. Ein paar Gesichter kamen Elias allerdings verdächtig bekannt vor und aus der Art und Weise wie sie dargestellt waren, musste er davon ausgehen, das Sophia ihre kürzlich verstorbenen Opfer gemalt hatte – nachdem sie ausgeblutet waren, um ihr die Farbe zu liefern, die Sophia so liebte. Sie hatte ihre Langeweile tatsächlich mit viel Kreativität bekämpft, nur leider brauchte Sophia nie lange um ein Bild fertig zu malen und ihre Beschäftigungsmöglichkeiten waren daher schnell erschöpft.
 

"Wie findest du sie?"
 

Gespannt wie ein Flitzebogen trat sie von einem Fuß auf den anderen. Elias dachte nach. Zu lange für Sophias kurzen Geduldsfaden. Sie nahm ein Gemälde und leckte daran, bis sich eine klebrige rote Schliere über die Leinwand zog und eine hübsch gezeichnete, elegante Dame verunstaltete.
 

"Ohne mich selbst loben zu wollen, ich finde sie geschmackvoll."
 

Sie kicherte, doch als sie zwei Sekunden auf ihre Werke, die an der Wand lehnten, starrte, schlug ihre Stimmung schlagartig um.
 

"Leider sind sie längst nicht mehr so schön wie sie waren, als ich sie erschuf. Sie sind bereits bräunlich."
 

Das Blut hatte mit dem Sauerstoff reagiert und das helle bis dunklere Rot in Brauntöne verwandelt. Von plötzlicher Frustration gepackt, schmiss Sophia das Bild, das sie eben noch vorsichtig in den Händen hielt, zu Boden. Ihr Fuß krachte durch die Leinwandbindung und hinterließ einen breiten Riss.
 

"Jetzt sind sie tot! Tote Bilder, ohne Leben! Ich will sie nicht mehr! SCHAFF SIE WEG!!!", schrie die junge Frau und machte sich daran, auch die übrigen Gemälde in ihrer Zerstörungswut zu vernichten.
 

Elias hob seinen Arm schützend vors Gesicht und wehrte eine Leinwand ab, die ihm entgegen geschleudert wurde. Ohne einen Kommentar, begann er ein altes Wiegenlied zu singen, von dem er wusste, das Sophia es mochte. Einen Moment später ließ die junge Frau von ihrem Vorhaben ab, noch weiter in ihrem Zimmer zu wüten und begann mit einem imaginären Tanzpartner herumzutanzen.
 

"Ooooh, du singst so schön, mein Bruder!", seufzte die junge Frau mit geschlossenen Augen.
 

Sie griff die Melodie auf und sang mit. Als Elias’ Gesang leiser wurde und schließlich stoppte, sang Sophia immer noch. Es wurde Zeit für den Rückzug. So leise wie er konnte verließ er das Zimmer und schloss ebenso leise die Tür hinter sich. An seinen Angestellten gewandt sprach er:
 

"Ich bin enttäuscht, Matthias, dass du es ihr so leicht gemacht hast. Ich brauche verlässliche Leute für diesen Job."
 

"Verzeihen Sie mir, Herr Duprès. Ihr Blut ist älter als meins. Ich hatte keine Chance", antwortete sein Angestellter zerknirscht.
 

"Das stimmt, doch entscheidend ist, dass sie nicht weiß wie stark sie ist. Sophia setzt nicht einmal annähernd ihre Kraft ein wie sie es könnte. Du hast versagt. Ich werde jemanden schicken, der dich ablöst."
 

Elias wandte sich zum Gehen, da fragte sein Angestellter unsicher:
 

"Bin ich… gefeuert?"
 

Der Lockenschopf blieb stehen und drehte nur seinen Kopf, als er ausdruckslos antwortete:
 

"Wer weiß. Vielleicht findet sich eine weniger anspruchsvolle Aufgabe für dich."
 

Dann ging er entschlossenen Schrittes davon. Dringliche Dinge saßen ihm im Nacken und dieser Vorfall mit Sophia hatte ihm lästig dazwischen gefunkt. Bevor er sich seiner To-Do-Liste widmen konnte, musste er jedoch feststellen wie es Kai ging. Er fand Cathérine mit Kai in seiner Wohnung, die er mit einer Karte, die als Generalschlüssel diente ohne Ankündigung betrat. Kai wirbelte zur Tür herum und rieb sich den Kopf. Die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Noch ehe er Elias mit Fragen bedrängen konnte, trat die kleine Französin zu Elias und flüsterte:
 

"Mir gehen die Ideen aus, was ich ihm zu diesem Vorfall sagen könnte. Mit jeder Erklärung fallen ihm drei neue Fragen ein!"
 

"Danke, ich kümmere mich darum."
 

Elias ging zwei Schritte auf Kai zu, der seinerseits auf ihn zulief und schon den Mund öffnete.
 

"Was war das für eine Frau? Ich verstehe nicht wie… und sie… wie kann sie so stark sein und… wie seid ihr aus dem Nichts aufgetaucht…"
 

Kai war sich sicher diese Frau schon einmal gesehen zu haben. Doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, trat der Lockenschopf nahe vor ihn, umfasste seine Wangen und Kai war gezwungen ihn anzusehen.
 

"Schhh. Sieh mir in die Augen, Kai. Ganz ruhig. Hörst du mir zu?"
 

Kai nickte leicht und schaute seinem Gegenüber tief in die Augen. Elias hielt seinen Blick fest.
 

"So ist es gut. Du hast das alles geträumt. Kein Grund zur Sorge. All das ist nicht wirklich passiert, verstehst du?"
 

Nach einem Moment nickte Kai wieder langsam. Das was Elias sagte, hörte sich vernünftig an, doch ein leiser Zweifel blieb. Das schien auch sein Gegenüber zu spüren.
 

"Diese Frau gibt es nur in deiner Fantasie. Du hast sie vorher in einem Spiel gesehen. Überleg doch mal, welche davon hat blondes Haar und trägt ein weißes Kleid?"
 

Kai überlegte kurz und sagte fast wie in Trance: "Lili. Aber sie hat keine Locken."
 

"Lili", nickte Elias langsam. "Die Locken sind Nebensache, du weißt doch, in Träumen mischt sich vieles durcheinander. Es war Lili, hörst du? Sie ist stark, wie in diesen Spielen. Jetzt weißt du es. Die Antwort ist ganz leicht."
 

Elias blickte Kai eindringlich an und spürte wie dessen Widerstand nachließ.
 

"Gut. Du schläfst immer noch, Kai. Die Probe hat längst angefangen. Willst du nicht aufwachen?"
 

Ein Ruck ging durch Kais Körper, doch obwohl er sich nicht erinnern konnte die Augen geschlossen zu haben, fand er sich auf seinem Sofa wieder.
 

"Wach auf!", sagte die ihm wohlbekannte Stimme von Elias, der über ihn gebeugt dastand und eine Hand auf seine Schulter gelegt hatte, um ihn zu wecken.
 

"Du schläfst ganz schön fest, Kai. Ich habe geklingelt und als du nicht geöffnet hast, bin ich herein gekommen. Bist du soweit? Die Probe hat schon begonnen."
 

Wie aufs Stichwort hechtete Kai vom Sofa hoch und lief in Richtung Schlafzimmer.
 

"Sorry, da hab ich wohl verschlafen. So ein Mist, bin gleich da!"
 

Als der junge Mann außer Hör- und Sichtweite war, trat Cathérine wieder ein. Sie hatte sich schnell aus der Wohnung begeben, nachdem Elias Kai auf das Sofa gedrückt hatte, um ihm vorzuspielen gerade aufgewacht zu sein.
 

"Das war knapp", sprach sie im Flüsterton. Elias verschränkte seine Arme vor der Brust.
 

"Ich habe alles im Griff. Kümmere dich um einen, nein, lieber zwei neue Wächter für Sophia. Und was Matthias betrifft… schenke ihm einen Drink ein. Er muss loyal bleiben. Nichts davon darf nach außen dringen, hörst du!"
 

Elias strich sich nervös durchs Haar, ehe er hinzufügte:
 

"Er wird diese Örtlichkeit nicht verlassen. Isoliert ihn, gebt ihm eine Aufgabe, bei der er keinen Schaden anrichten kann. Sollte er gegen eine Anweisung verstoßen, dann hast du meinen Segen zu tun, was getan werden muss."
 

Cathérine nickte verstehend und machte sich schweigend auf, um auszuführen, was ihr aufgetragen wurde, während Elias auf den Sänger seiner Band wartete.

Eine Minute später kehrte Kai zurück. Er trug eine dunkelgraue Vintage Hose und hatte sich für ein schwarzes Shirt entschieden mit einer weißen Aufschrift. Elias zog eine Augenbraue nach oben, sagte jedoch nichts, als Kai ihm zum Probenraum folgte. Die anderen Bandmitglieder sorgten dafür, dass ihm bewusst wurde, welches Shirt er in der Eile aus seinem Schrank gezogen hatte. Auf seinem Shirt stand der Spruch:
 

Ich bin aufgestanden und angezogen!

Was wollt ihr noch?
 

Patrick meinte grinsend: "Wie wär’s mit Pünktlichkeit, Dornröschen?"
 

"Oder das du endlich anfängst zu singen!", fügte Corvid kopfschüttelnd hinzu.
 

Elias hörte sich die Probe eine Weile lang an, gab Verbesserungsvorschläge und ließ die Band dann alleine weiterproben. Die Nacht musste noch für andere Dinge genutzt werden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  ReinaDoreen
2022-02-02T18:28:41+00:00 02.02.2022 19:28
Geht es hier denn noch weiter?
LG reni
Antwort von:  Squish
20.12.2022 13:45
Oha, ich war lange nicht on und habe deinen Kommentar jetzt erst gesehen. Es wird langsam mal Zeit, dass es weitergeht. XD
Ich hoffe, dass ich bald dazu kommen werde die Story fortzuführen. Vielen Dank für dein Interesse. :3
Von:  Sir_Flufflebutt
2014-06-17T19:47:47+00:00 17.06.2014 21:47
Yay entlich wieder ein neues Kapitel :D
*freu*
Und wieder ist es toll
Sophia erinnert mich an Gabriel aus Interview mit einem Vampir (dem Buch) nur war sie Jünger als Sophia :) Ich mag sie~
Danke für ein weiteres tolles Kapitel~


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