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Boy's night out

von

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Wednesday ends any minute now

Ich saß da, im Taxi.

Meine Gedanken überschlugen sich. Eine leichte Übelkeit in meinem Magen hatte sich an diese gottverdammte Grippe geklebt , die ich vor ein paar Stunden noch überschwänglich für einen Tumor gehalten hatte. Tatsächlich war es nur mein Immunsystem, das vermutlich etwa die Kraft eines Kolibri hatte. Eines Kolibri, der im Krieg beide Flügel und den Schnabel verloren hatte. Durch irgendetwas in diesem Moment verlor ich schlagartig mein vorheriges, neuerdings so permanentes Selbstbewusstsein- Ich sah mich, fühlte mich nackt. Der Taxifahrer nehmen mir hatte den Anstand, den Taxometer erst nach der Kurve anzustellen. Vermutlich spielte ein wenig Mitleid rein, vielleicht dachte er, ich würde nur bei Freunden unterkommen und müsste mit meinem letzten Geld schnell von A nach B um überhaupt noch einen Schlafplatz zu ergattern. Vielleicht hielt er mich auch für betrunken, verkatert, einen Junkie. Ich konnte das nicht genau sagen.

Ich hatte mir fest vorgenommen, dass das mein letztes Taxi dieses Jahr sein würde. Und auch nächstes, nach Möglichkeit. Das wenige Geld, das ich besaß, hatte ich in der Periode, in der mir mein zweites Fahrrad gestohlen wurde, ziemlich Grund meiner akuten Faulheit aus dem Fenster geschmissen. Taxi hin, Taxi her, und zwischendurch Taxi zur Bank- Mein Konto war selten im Plus.

Das verdammte Arbeitslosengeld kam nicht immer pünktlich, das Kindergeld erst am 18. Dies war ein Dilemma, denn ich neigte dazu, furchtbar schlecht hauszuhalten und viel zu viel zu teilen- Vorallem meine Kippen, von denen ich neuerdings eine Schachtel am Tag rauchte. Mit dem Stress stieg mein Konsum, und der Stress stieg mit dem Alter, jeden Tag ein bisschen. Ich kann nicht behaupten, ihn letztendlich nicht genossen zu haben, denn dieser Stress kam nebst meinen Bemühungen um einen Studienplatz, einen letzten Anhaltspunkt meiner langsam verrottenden Ambitionen, auch von den Pflichten, die ich mir selber auferlegte- Raus gehen, Leute treffen, Leuten helfen, Mist machen. Letzteres hatte einen besonders hohen Stellenwert eingenommen. Ich konnte das Wochenende nicht abwarten, dabei war es gerade mal Mittwoch und ich hatte die wiederholten Anrufe meiner Eltern schlicht ignoriert und sie mit Ausreden abgespeist. Meine Mutter dachte, wusste eher, dass ich inzwischen Erfahrungen hinter mir hatte, die sie mir als kleiner Junge nie zugetraut hätte, ergo, bis ich mit 17 ausziehen sollte. Aber seit ich alleine war und einen Crashkurs in Eigenständigkeit und dem ganzen Ausmaß des Lebens bekam hatte sich ohnehin viel geändert.

Die Straße vor dem Fenster änderte sich nicht. Es ging geradeaus abwärts. Die Strecke war weit, aber nicht zu weit. Nichts, was man nicht in vielleicht 20 Minuten mit dem Rad hinter sich bringen könnte. Wäre ich mit dem Rad losgefahren. Ich bereute meine Tagesplanung und den Besuch bei Hotshot, so kurz er auch gewesen sein mag. In der Zeit, in der ich versuchte, Ausreden für eine Zigarettenpause zu finden, betete er einige Straightedge-Wahlsprüche wie ein Manifest herunter. Die Diskussionen mit ihm waren spröde geworden, seine Punkte waren in einem Karussell aus Halbinformationen verteilt und drehten sich immerzu im Kreis. Ich hasste den Jungen.

Mit Sicherheit waren wir noch enge Freunde, und mit Sicherheit genoss ich die oldschool-Odyssey auf seinem Gamecube. Die ganze Leier erinnerte mich an die Schulzeit, in der wir quasi unzertrennlich waren. Aber Hots hatte lange keine Ahnung von meinem Leben mehr.

In diesem Moment war ich mir nichtmal sicher, ob ich sie hatte.

Ich zog meinen Schal über den Mund. Kratzig, auf den Geschmack von Pappe treffend, meine Lippen abscheuernd. Aber das war okay. Ich wollte nicht, dass man meinen furchtbar neutralen, vermutlich unterschwellig bemitleidenswerten Ausdruck wirklich erkennen konnte. Ich wollte keine Fragen, bloß nach Hause.

Die Fahrt schien mir ewig, meine Jacke zu eng, mich fast erstickend. Ihre Signalfarben schienen jeden Fehler an meinem Körper zu betonen- Mein ganzes Äußeres schien nur da, um eine Neonreklame für meine Fehlschläge zu sein. Langsam versank ich im Beifahrersitz. Donnerstag, morgen würde Donnerstag sein. Das war ein Tag vor Freitag. Ein Tag, bevor mein Leben wieder losgehen würde. Mein Leben, das weder Hotshot noch meine Eltern mehr kannten, das ganz privat für mich und alle Beteiligten sein sollte.



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