„Dann sind wir eben keine Piraten mehr!“
Ungewöhnlich ruhig und einfach, ja schon fast kinderleicht, verlief das Umschiffen des weiträumigen Sabaody Archipels. Nicht nur, dass die D.s sich ziemlich leise verhielten und nur gespannt von der Reling aus die einzelnen Groves betrachteten. Auch von der Marine war seltsamerweise nicht mal die Spur zu sehen, obwohl es hier laut Informationen nur so von ihnen wimmeln sollte.
„Hoffentlich ist das nicht die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm“, murmelte Rayleigh leise, während er ein Blick zu den D.s hinüber warf. Vor allem der Jüngste von ihnen geriet beim Anblick des Sabaody Parks ganz aus dem Häuschen.
„Ein Riesenrad. Da ist ein Riesenrad!“, quiekte Ruffy vergnügt und musste von Ace und Roger zurückgehalten werden, damit er nicht sofort ins Wasser sprang, um hinüber zu schwimmen.
„Du würdest sofort wie ein Stein untergehen, wenn du da rein springst!“, mahnte Ace ihn. „Warte bis wir angelegt haben.“
„Oh ja!“ Ungeduldig wippte Ruffy auf und ab, war bereits gespannt auf den Vergnügungspark. Und auch Ace konnte seine Vorfreude kaum zurückhalten. Während des gesamten Umschiffens des Archipels und des Anlegens an einer der Mangrovenwurzeln in der Gesetzlosen Zone, platzten die Jungen fast vor Neugier. Doch an Rayleighs Meinung hatte sich bisweilen noch nichts geändert: er würde die Chaoten nicht in den Spaßbereich des Archipels lassen. Niemals.
Daher gab er ihnen nicht einmal die Chance für ein sofortiges Verschwinden, hatte er schon eine Gruppe extra zur Bewachung der kleinen Chaoten abgestempelt. Insgesamt sollten zehn Piraten den Dunklen König und die drei wandelnden Probleme auf dem Weg bis zu einer kleinen Bar begleiten.
Ebenso hatte Rayleigh auch die übrigen Crewmitglieder in drei weitere Gruppen unterteilt. Die erste, etwas kleine Gruppe war für die Bewachung und Beschichtung der Oro Jackson zuständig, die zweite sollte auf dem Archipel Lebensmittel besorgen und die letzte Gruppe hatte die Aufgabe, sich in der Stadt Informationen über Garps Aufenthaltsort zu beschaffen. Letzteres könnte entscheidend sein. Sollte sich Garp schon auf dem Archipel aufhalten, dürfte das Abliefern von Ruffy eine heikle Angelegenheit werden.
„Gehen wir jetzt in den Vergnügungspark?“, quengelte Ruffy neugierig, konnte sich vor Aufregung kaum noch beherrschen. Er wollte am liebsten sofort in den Vergnügungspark. Rayleigh aber ließ sich von seinem Kurs nicht abbringen. Das Archipel war weiträumig, überall tummelten sich Sklavenhändler und deren Handlanger, die es auf gesuchte Piraten genauso abgesehen hatten wie auf einfache Zivilisten. Die beiden da einfach in den Vergnügungspark zu schicken, glich einer Auslieferung der Jungen an die Auktioniere.
„Ihr werdet nicht in den Park gehen. Ihr bleibt bis zum Ablegen in Shakkys Bar!“ Ohne überhaupt auf die D-schen Widerworte einzugehen, scheuchte er die gesamte Truppe über die einzelnen Groves. Bis zu ihrem Ziel, die Mangrove mit einer riesigen 13 auf dem Stamm, durchquerten sie einen Großteil der Gesetzlosen Zone. Unheimliche Typen gaben sich in diesem Bezirk die Klinke in die Hand, sodass Ruffy sich unbewusst an Ace klammerte, bis sie endlich ihr Ziel erreichten.
„Das Ding sieht ja aus, als ob es gleich zusammenbricht“, murrte Ace, sowie er eine halb verfallene Bar auf einer Mangrovenwurzel ins Auge fasste. Die verklinkerte Fassade wies etliche Risse auf und entlang der Wände rankten etliche verdorrte Schlingpflanzen empor. Ebenso wucherte das Moos nur so auf dem Mauerwerk.
„Hoffentlich hat sie wenigstens etwas essbares da.“
Grummelnd folgten Ace und Ruffy dem Dunklen König in die abgelegene Bar hinauf und wurden sogleich mit einem „Euch habe ich schon erwartet“ begrüßt. Hinter der Theke lächelte ihnen eine schwarzhaarige Frau, augenscheinlich mittleren Alters, entgegen. In ihrer rechten Hand glühte eine Zigarette, deren Dunst langsam nach oben stieg.
„Hallo, Shakky“, murmelten das kleine Piratengrüppchen synchron und nahm größtenteils auf den Barhockern am Tresen Platz, wo Shakky sogleich begann, Rum, Sake und andere Spirituosen zu verteilen. Dann aber hielt sie inne. Ihr Blick ruhte auf Ace und Ruffy, die sich seit dem Betreten der Bar keinen Zentimeter mehr bewegt hatte.
„Nanu? Hast du etwa zwei Söhne?“, fragte sie an Roger gewandt, doch dieser schüttelte nur prompt den Kopf.
„Nein, der ganz Kleine ist Garps Enkel.“
„Und ihr seid jetzt unter die Kindergärtner gegangen? Oder weshalb habt ihr den Enkel eines Vizeadmirals im Schlepptau?“
Mittlerweile hockte die Frau lächelnd vor den verblüfften Jungen und wuschelte ihnen sanft durch die schwarzen Haare.
„Er hat sich an Bord geschlichen, weil er ein Faible für Piraten hat“, erklärte Rayleigh, während er nach einer Flasche Rum griff.
„Da scheint er wohl nicht ganz nach seinem Großvater zu kommen“, lachte Shakky, bevor sie sich wieder erhob und hinter die Bar verschwand, um ein paar Teller hervorzuholen, „Aber ich wette, dass er einen genauso unbändigen Appetit besitzt, wie alle anderen D.s!“ Keine Minute später stapelte sich der gesamte Inhalt des Kühlschranks auf den Tellern und die Jungen brauchte man nun gar nicht erst darum bitten, sich auf einen Stuhl zu setzen.
„Erst mal essen wir. Danach können wir immer noch in den Vergnügungspark“, merkte Ace an, ehe sie sich wie ausgehungerte Raubtiere auf die Teller stürzten.
Minutenlang herrschte in der kleinen Kneipe der Eindruck eine friedlichen Idylle. Die Dickköpfe verdrückten, was ihnen zwischen die Finger kam, Rayleigh ließ sich von Shakky die momentane Situation auf dem Archipel berichten und alle anderen waren schlichtweg heilfroh, dass sie weder Ace noch Ruffy auf dem Hinweg verloren hatten. Doch jäh wurde die Tür zur Kneipe aufgerissen und ein Pirat stand, um Luft ringend, im Rahmen.
„Wir haben uns auf den Groves nahe des Marinestützpunktes mal umgehört“, schnaufte der Mann und stolperte ein Stückchen weiter in die Bar hinein, „Angeblich sei Garp schon vor drei Tagen eingetroffen.“
„WAS?!“
Entsetzt starrten die Jüngsten auf den Piraten, welcher sich nun erst mal ein Bier genehmigte, um wieder zu Kräften zu kommen. Und zumindest Ace schwante so langsam, weshalb sie auf dem Archipel Halt machten.
„NEIN!“, fauchte er Rayleigh und seinen Vater an, rührte die nächste Portion Nudeln nicht einmal an.
„Es geht aber nicht anders. Garp wird erst wieder Ruhe geben, wenn er seinen Enkel zurückhat.“
„Aber ich will nicht zurück zu meinem Opa“, jammerte Ruffy, ließ nun auch seine Gabel fallen, während er von Ace mit einem Kopfnicken unterstützt wurde. „Ich will auch, das er bleibt!“
„Er wird aber nicht bleiben. In zwei Tagen sollte die Beschichtung des Schiffes abgeschlossen sein, dann bringen wir ihn in die Nähe des Marineviertels. Irgendjemand wird ihn schon auflesen und dort abgeben. Und dabei bleibt es!“ Sofort stießen sämtliche Widerworte der jungen D.s beim Dunklen König auf taube Ohren. Er würde sich nicht beirren lassen, denn die Entscheidung stand bereits seit Ruffys plötzlichen Auftauchen fest. Sie konnten Ruffy unmöglich an Bord behalten. Und das würden die Kleinen früher oder später schon einsehen, obwohl Rayleigh befürchtete, dass die Einsicht nicht sehr schnell folgen würde, sprachen die Mienen der Jungen doch Bände. Weder Ace noch Ruffy waren sonderlich begeistert von dem Vorschlag des Dunklen Königs. Diesmal jedoch half auch kein auch kein Bitten und Betteln beim Piratenkönig. Rayleigh hatte diesen zuvor nämlich ordentlich ins Gebet genommen, damit es erst gar nicht zu solchen Diskussionen kam.
„Aber-“, begann Ace, die sommersprossigen Wangen aufgebläht und vor der Brust gekreuzt. Doch es nützte nichts. Roger schüttelte den Kopf, wenn auch mit Skepsis verbunden, ob Rayleighs Idee aufgehen könnte. Ace etwas zu verbieten, war nicht einfach. Doch was blieb ihnen anderes übrig? Garp würde keine Ruhe geben, bis er seinen Enkel wieder bei sich wusste.
„Er muss zurück“, murmelte Roger und hoffte inständig, dass sich die Situation dadurch beruhigte.
Allerdings war Ace weiterhin anderer Meinung, fasste sogleich einen Entschluss. Er wollte sich nicht wieder von Ruffy trennen, war dieser Zwerg geballter Gummipower mittlerweile sein bester Freund geworden. Und wenn sich Rayleigh und sein Vater nicht überzeugen ließen, blieb ihm nur noch eines.
„Dann sind wir eben keine Piraten mehr!“, schrie er die Mannschaft samt Barkeeperin an, packte sofort Ruffys Arm und stürmte mit diesem zusammen aus der Bar, ehe sie jemand aufhalten konnte.
„Ein ziemlicher Stur- und Hitzkopf“, bemerkte Shakky lächelnd, während die perplexen Gesichter der Piraten auf die sperrangelweit geöffnete Tür und die entschwindenden Gestalten der Brüder starrten.
„Wundert dich das etwa?“, entgegnete Rayleigh, deutete auf Roger, bevor sie sich aufmachten, die zwei Flüchtenden wieder einzufangen.
So schnell ihre Füße sie trugen, rannten die Beiden über die einzelnen Groves. Sie wussten zwar weder wo sie waren noch wo sie hinwollten, aber Hauptsache sie kamen von dieser Kneipe weg. Erst als sie sich inmitten von Menschen, Souvenirshops und Imbissbuden wiederfanden, reduzierten sie langsam ihr Tempo.
„Wo sind wir hier überhaupt?“, flüsterte Ruffy leise und klammerte sich fest an Ace‘ Hand, damit ihm dieser gar nicht erst verloren ging.
„Das hier ist Grove 45.“ Ace deutete auf den Stamm des großen Baumes. „Die Bar war auf Grove 13 und dort, wo wir angelegt haben, stand eine 27 auf dem Stamm. Heißt, wir sind ziemlich weit weg von allen.“
„Und wo gehen wir jetzt hin? Etwa in den Vergnügungspark?“ Aufgeregt hüpfte Ruffy vor Ace auf und ab. Und als dieser kurz daraufhin gähnend nickte, platzte er beinahe schon vor Vorfreude.
„Vergnügungspark! Vergnügungspark! Wir gehen in den Vergnügungspark“, trällerte er fröhlich vor sich hin.
„Ja, aber ich hab keine Ahnung, wo der überhaupt ist.“
„Dann frag doch einfach jemanden“, schlug Ruffy vor, sang weiter quietsch vergnügt sein Liedchen, während er hinter Ace hüpfte, der auf einen Souvenirshop zusteuerte. Hier würde man ihnen bestimmt sagen können, wo dieser Park war. Und vielleicht könnte er bei dieser Gelegenheit auch gleich einen Plan vom Archipel abstauben.
„Ja, wartet einen Augenblick. Ich muss kurz hinter ins Lager. Bedient euch doch solange an den Keksen“, säuselte der Besitzer eines kleinen Standes und hatte direkt die richtigen Worte gefunden, damit die Jungen nicht gleich wieder Reißaus nahmen. Denn gegen einen Nachtisch hatten sie definitiv nichts einzuwenden.
Indes kehrte der Mann seiner Kundschaft den Rücken zu und verschwand in die hinteren Räume seines Verkaufsstandes. Aber anstatt wie versprochen eine Lagekarte herauszusuchen, griff er mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen zu seiner Teleschnecke. Schnell war eine ganz bestimmte Nummer gewählt und kaum, dass das vertraute Tuten am anderen Ende der Leitung ertönte, nahm bereits jemand den Hörer ab.
„Hier der Human Shop unter der Leitung von Mister Disko. Mit wem spreche ich?“, kam es aus dem Mund der Teleschnecke geleiert.
„Mallory. Verbinde mich flott mit Disko und sag ihm gleich, er soll seine gesamten Wachen zu meinem Stand jagen. Ich hab hier nämlich zwei Kleinigkeiten, die ihn gewiss interessieren könnten!“ Mit einem Blick voll grenzenloser Gier nach Berrys schielte der Verkäufer auf die Kekse-mampfenden Piratenkinder. Diese Taugenichtse würden ihm ein ordentliches Sümmchen einbringen.
