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Unsere Ewigkeit

Doch nichts muss ewig sein
von

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Einsame Ewigkeit

Es war bereits Abends und die Straßen wurden immer leerer, ruhiger, leiser. Ich mochte diese Atmosphäre nicht. Ich mochte den Lärm und den Krach, wenn die Pferde liefen und die Menschen so viel zu erzählen hatten. Dann achtete niemand auf mich, jeder war mit sich selbst, oder seinem Liebsten beschäftigt. Ich dagegen versteckte mich im Schatten einer Gasse und beobachtete die Menschen.

Viele gingen schnell, hatten es eilig und wollten keine Zeit verlieren. Andere gingen langsam, schauten sich Schmuck, Kleider und was noch so alles an den Ständen verkauft wurde an und lachten. Doch lachten sie nur, wenn sie nicht allein waren. Vielleicht war dies der Grund, weshalb ich mich nicht daran erinnern konnte, wann ich das letzte mal gelacht hatte. Ich war zu lange alleine gewesen. Auch einen Namen hatte ich nicht mehr. Ich wollte auch mich nicht mehr erinnern. Das Leben, in dem man einen Namen hatte, gehörte nicht mir.
 

Einmal, da hatte ich gelächelt, aus Glück, aus purer, einfacher Freude. Es war gar nicht so lange her. Gerade mal ein paar Wochen.
 

Ich saß in einer Gasse und hatte seit Tagen nichts mehr gegessen. Wenn dies so weiter gegangen wäre, wäre ich wohl bald verhungert.

Doch dann kam er, schaute zu mir herab und fing an zu lächeln. Und ging.

Irgendwie war es doch schade, denn es war ein so einzigartiges Lächeln gewesen. Ich blieb sitzen, in der Hoffnung er würde wiederkommen und er tat es. Schon nach kurzer Zeit kam er zurück, in meine Richtung. Wieder lächelte er. Er hockte sich vor mich und legte mir einen Leib Brot auf meine Beine. Ungläubig hatte ich ihn angesehen, doch er lächelte nur, sagte kein Wort. Ich schwieg, traute mich nicht etwas zu sagen.

Lange betrachtete ich ihn, so kam es mir vor. Er trug ein sehr nobles Gewand, vermutlich war er einer der Reichen, vielleicht sogar ein Adliger. Doch wunderte es mich, denn was machte ein solcher Mensch ausgerechnet im Armenviertel? Dort, wo Krankheit und Leid an der Tagesordnung standen.

Plötzlich, ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen war, stand er auf und ging, ließ mich in meiner kleinen Gasse zurück. In Einsamkeit.

Doch das Brot auf meinem Schoß zeigte, dass ich nicht geträumt hatte. Jemand hatte mich beachtet, mir etwas geschenkt. Er hatte mir gezeigt, dass es auch Menschen gab, die sich um andere sorgten, sich um sie kümmerten. Jemanden der mir einen Leib Brot und ein Lächeln schenkte.

Ich war glücklich, wenn es auch nur ein kurzer Moment war, ich war glücklich. Ich spürte, wie sich mein Mund bewegte und ich anfing zu lächeln. Einfach so, nichts konnte ich dagegen machen.
 

Dieser Mann hatte mir, dass ich doch noch irgendwie am Leben war. Jahre hatte ich auf der Straße gelebt, tue es noch immer, doch nie hatte ich mich gefühlt wie ein Lebewesen. Ich war eine Puppe, welche man zwar sehen und spüren konnte, doch sie lebte nicht. Sie fühlte nichts.

Ein einfaches Lächeln hatte mich aus der schwärzesten Dunkelheit gezogen, dabei waren es nur einige Sekunden gewesen, in denen ich dieses einfache Lächeln bewundern konnte.

Ich schaute in den Himmel, zum Mond. Er war so hell, so dass die Sterne um ihn herum verschwanden. Eine Wolke verdeckte ihn langsam, es sah aus, als würde sie ihn verschlingen. Vielleicht würde ich eines Tages doch noch von diesem Ort abhauen können. Vielleicht kommt irgendwann einer, der mir aus diesem Dreck heraus helfen konnte, in dem ich saß. Ich hatte meine Hoffnung, die ich schon seit langem verloren geglaubt hatte, wiedergefunden. Und sie fühlte sich stärker an, als in meinen Erinnerungen.
 

Ich hörte Schritte und sah zur Seite. Ein Frau kam, schaute zu mir runter, ekelte sich und ging weiter. Deshalb mochte ich die Nächte nicht. Menschen die vorbei kamen, bemerkten mich, ekelten sich vor mir, hassten mich. Hatten Angst ich sei Krank. Aber was konnte ich schon machen, ohne Eltern, ohne Familie, ohne Geld. Keine Freunde, keine Bekannten, es gab niemanden, der mich hier heraus holen würde, oder es wollte.

Langsam stand ich auf, meine Beine waren vom sitzen ganz taub geworden. Nun fingen sie an zu kribbeln. Dieses Gefühl war eines von denen, die mich daran erinnerten, dass ich lebte. Mir sagte, dass mein Körper noch am Leben war. Etwas, das mich doch noch von Puppen unterschied. Schmerzen. Natürlich gab es auch schöne Gefühle, nicht nur Schmerzen, doch wie sollte ich die spüren? Hunger gehörte sicher nicht dazu. Es ist überhaupt kein schönes Gefühl, wenn man am verhungern ist, wenn man weiß, dass man sterben wird, falls man nicht bald etwas isst. Vermutlich ist es sogar eine der schlimmsten Todesarten.

Bis jetzt war ich dem Tod zwar immer entgangen, doch mehr oder weniger durch Glück. Hier und da fand ich etwas im Müll, auf der Straße, schaffte es etwas zu stehlen oder ich hatte nach Wochen genug Geld gespart, um mir Etwas zu kaufen. Auch wenn man es nicht glauben konnte, manche Menschen, meist Kinder, warfen mir etwas Geld zu. Doch es war mir Peinlich. Ich war doch selbst noch fast ein Kind. Mit siebzehn Jahren zählte man zwar schon zu den Erwachsenen, man arbeitet, doch jung war man dennoch. Aber andererseits freute es mich dann wieder, dass Kinder so an andere dachten. Möglicherweise erging es Menschen wie mir in hundert oder zweihundert Jahren anders.

Langsam ging ich die Straßen entlang. Hier und da fuhr noch eine Kutsche, doch sehr selten. Genau wie auch am Tag. Besonders im Armenviertel gab es so gut wie niemanden der eine Kutsche, geschweige denn eine Pferd oder einen Esel besaß. Alle gingen zu Fuß.
 

Nach einer langen Zeit kam ich in einem Park. Dort verbrachte ich im Winter oft die Nächte. Unter den Bäumen kam weniger Schnee hin und die Blätter wärmten einen. So dachten viele, die keinen anderen, wärmeren Unterschlupf hatten. Doch auch wenn wir dort nicht alleine waren, so waren wir es im geistigen Sinne dennoch. Keiner traute sich an Jemand anderen heran, er könnte ja krank sein. Vielleicht sogar etwas tödliches, wie die Pest.

Die Pest. Diese Krankheit war schon seit geraumer Zeit hier in der Stadt. Viele Bettler hatten sie, so hielt auch ich mich von den anderen fern und bis jetzt war ich verschont geblieben. Doch lange würde es wohl nicht mehr dauern, dann würde auch ich erkranken. Auf der Straße ließ es sich einfach nicht vermeiden. Vor Jahren war ich einmal krank geworden und hatte es überlebt, aber soviel Glück würde ich wohl kein zweites mal haben.

Erschöpft ließ ich mich unter einem Baum fallen. Ich war einfach zu schwach, um weit zu laufen. Ich hatte kein Fett, geschweige denn Muskeln. Da war meine Haut, darunter gleich die Knochen.

Müde schloss ich meine Augen, musste an den Mann mit dem Lächeln denken. An die Frau, die sich geekelt hatte. An all die Menschen, die an mir vorbei gegangen waren und nicht Tag für Tag um ihn Leben kämpfen mussten, auch wenn es sich hier im Armenviertel wohl nicht sehr von dem meinem unterschied.

Mir tat mein Kopf weh. Womöglich hatte mich doch irgendeine Krankheit erwischt. Dass ich den ganzen Tag nichts essen wollte, hing wohl damit zusammen.

Unerwartet hörte ich etwas vor mir rascheln. Mühsam öffnete ich meine Augen, doch sehr weit gelang es mir nicht. Doch ich erkannte, dass etwas vor mir stand, möglicherweise ein Mensch. Die Größe und Statur ließen auf einen Mann schließen, doch was tat er. Der verwischte Schatten wurde größer, kam offenbar näher. Langsam nahm ich die Person wahr, welche vom mir hockte. Der Mann mit dem Lächeln, jedoch lächelte er nicht. Was war los? Er war so nah. Ich konnte nicht klar denken.

Die Wolken machten langsam Platz für den Mond und es wurde etwas heller. Ich erschrak. Diese Augen, in die ich nun schaute, konnten nicht menschlich sein. Noch nie hatte ich solche Augen gesehen. Was war er? Ein Dämon?

Vielleicht der Tod. Vielleicht war nun meine Zeit gekommen, und vor Wochen hatte er mir mit dem Lächeln und dem Brot gezeigt, dass es bald so war. So abwegig dieser Gedanke auch war, in diesem Moment erschien er mir logisch.

Ich entspannte meine Glieder, sowieso war ich zu kraftlos, um sie lange anzuspannen. Meine Augen fielen mir wieder zu, doch ich spürte, wie er mich berührte.

Dann, ein stechender Schmerz zog sich durch meinen ganzen Körper und hinterließ eine Taubheit in meinen Händen und Füßen. Der Körper des Mannes drückte mich gegen den Baum, an den ich mich zuvor angelehnt hatte. Die Rinde von diesem war rauh und zerkratze meinen Rücken.

Nach endloser Zeit, so erschien es mir, ließ der Schmerz nach, doch die Taubheit blieb. Schließlich ebbte auch der letzte Rest meines Bewusstsein ab und nichts mehr.
 

Ich hatte das Gefühl mein gesamter Körper würde zerrissen, alles schmerzte und brannte. Selbst das Denken tat weh, so kam es mir vor. Wenn sich so das Sterben anfühlte, so konnte ich verstehen, weshalb die Menschen Angst davor hatten.

Aber ich starb nicht, es ging immer weiter.

Letztendlich wachte ich auf, sah mich benommen um und zu mir runter. Ich trug nicht meine zerrissenen alten Kleider, im Gegenteil, ich trug ein dunkelgraues, langärmliges Oberteil und eine gleichfarbige Hose. Sie sahen teuer aus, wenn sie auch nicht gefärbt waren. Nach mehrmaligem Umsehen wusste ich, dass ich nicht mehr im Armenviertel sein konnte. Ein Bett, vielleicht aus Schafwolle, Vorhänge am Fenster – sie sahen aus wie Seide –, sogar ein Teppich lag auf dem Boden. Auch das Holz schien allein schon sehr viel zu kosten, so akkurat war es geschliffen.

Trotzdem stimmte etwas nicht, ich hatte Hunger, fühlte mich nicht schwach oder krank. Es ging mir gut.

Allmählich erinnerte ich mich an den Park, was dort geschehen war und an die Augen. Sie waren rot gewesen, erinnerten an Blut. War dieser Mann also wirklich ein Dämon, der mich mitgenommen hatte? Aber warum hatte er dies getan und mich nicht getötet?

Ich schreckte hoch. Knarrend öffnete sich die Tür und tatsächlich, der Mann trat herein, kam auf mich zu und setzte sich neben mich auf das Bett. Fassungslos sah ich zu, was er tat. Elegant hob er seinen Arm und biss sich in sein Handgelenk, so tief, dass es blutete. So sah ich sie auch, diese spitzen Zähne. Dann roch ich es, das Blut. Noch nie hatte ich Blut so deutlich wahrnehmen können, geschweige denn irgendetwas anderen. Es war so intensiv.

Es war, als würde sich langsam ein Schleier in meinem Kopf bilden und meine Gedanken vernebeln. Ich hatte Hunger und das, was ich jetzt wollte, war genau vor mir. Gezielt bewegte ich mich nach vorne und wollte nach der Hand greifen, doch der Mann zog sie weg. Zaghaft kam ich ihm näher und nachdem ich seine Brust berührte bekam ich, wonach ich verlangte.

Später, nachdem mein Hunger gestillt war, wurde ich wieder müde, legte mich wieder auf das Bett, spürte wie mein Kopf gestreichelt wurde. In diesem Moment fühlte ich mich geborgen, doch eines machte mir Angst. Was hatte er aus mir gemacht? Ich hatte nach seinem Blut gebettelt. Ungewollt, voller Verlangen. Hatte mich von meinem Hunger und der Gier steuern lassen.

Der Mann hielt plötzlich inne. Er ging durch den Raum, langsam, und öffnete eine Tür. Ich hörte wie Stoff aneinander rieb, etwas hartes auf Holz traf und die Tür wieder geschlossen wurde. Langsam kam er zurück zu mir, legte mir eine Decke über meinen Körper und strich mir ein weiteres mal durch meine Haare. Ich tat, als würde ich schlafen.
 

Schlussendlich verließ er ruhig das Zimmer und ließ mich dort schlafen. Er hatte kein einziges Wort gesagt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rayne-Sunshine
2010-11-29T19:36:14+00:00 29.11.2010 20:36
stabile sach, gefällt mir gut.
schreib weiter^^


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