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Glühwein mit Schuss

Eine Fanfiction zu Rick Riordans "Percy Jackson"-Reihe
von

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Glühwein mit Schuss

„Halt die Fresse, Gartenzwerg“, blökte ein Mann um die vierzig mit filzigem, grauen Bart und einem furchtbar altmodischem Hut gerade, als eine Tüte gerösteter Mandeln über ihren Kopf hinwegflog. Mit einem Krachen zerbrach das Holz einer Glühweinbude und brachte die verschreckten Angestellten dazu, den scheinbar sicheren Unterschlupf mit lauten Schreien zu verlassen. Tassen flogen durch die Luft, schickten ein oder zwei der Männer zu Boden, die gerade noch begeistert aufeinander eingeschlagen hatten und hinterließen hässliche, rote Pfützen auf dem Boden, die den festgetretenen Schnee langsam schmelzen ließen.
 

Irgendwo in ihrer Nähe brach krachend und von nicht gerade leisem Wimmern begleitet, ein Knochen, gefolgt von einem lauten Knall, der die Menge erneut zum Schreien brachte und in ihren Ohren ein wenig nach einem Schuss klang, aber Clarisse interessierte sich nicht dafür. Sie fragte sich gerade zum zwanzigsten Mal, wie sie in diese Situation geraten konnte.

Natürlich, hätte sie ahnen können, dass irgendetwas im Busch war, als ihr Vater, wie immer in schwarzes Leder gehüllt, mit Sonnenbrille auf der Nase und seinem Baseballschläger in der Hand in Camp Halfblood vor der Hütte der Kinder der Aphrodite erschienen war, ihrer Freundin Silena einen kalten Blick aus seinen flammenden Augen zugeworfen und ihr erklärt hatte, dass sie das Weihnachtsbaumschmücken den Anderen überlassen solle, da er mit ihr etwas besseres vor hatte.

Hätte sie geahnt, dass sie die Fahrt auf der riesigen schwarzen Harley Davidson direkt nach Sparta – Nein, nicht Sparta in Griechenland, sondern Sparta in New Jersey – führen würde, sie hätte vielleicht einen Protest riskiert, aber so bemerkte sie die Misere erst, als ein hässlicher, weißer Kunststoffschneemann sie mit seinen Kohleaugen blöde angeglotzt hatte und ein Kerl in rotem Santa-Clause-Kostüm sie mit furchtbar verstellter Stimme gefragt hatte, ob sie denn ein liebes Mädchen gewesen wäre.
 

Den Tritt gegen das Schienbein spürte der Trottel vermutlich immer noch.
 

Ausgesprochen skeptisch war Clarisse ihrem lachenden Vater durch die glücklichen Menschenmassen gefolgt, ohne sich noch einmal nach dem Mann im Santa-Clause-Kostüm umzusehen. Das Heulen der umstehenden Kinder reichte ihr als Bestätigung, dass Santa sich noch nicht wieder in seine Rolle eingefunden hatte. Gut so. Was fiel dem schließlich überhaupt ein sie einfach anzusprechen?
 

Überall blinkten bunte Lichterketten, Kinder lachten und der Geruch nach Lebkuchen, gebrannten Mandeln und anderem Zuckerwerk lag in der Luft. Von allen Orten auf der Welt hätte sie sich sicher am wenigsten vorgestellt gerade hier mit ihm zu landen und das lag nicht nur daran, dass sie nicht einmal gewusst hatte, dass es in New Jersey einen Ort namens Sparta gab.

Ein paar als Engel verkleidete, junge Frauen sangen ein kitschiges Weihnachtslied und die Menschen, die in dicke Mäntel gehüllt drumherum standen, strahlten so viel Frieden und Harmonie aus, dass ihr beinahe schlecht wurde. Was zog den Gott des Krieges bitte an so einen Ort?
 

„Dad?“, versuchte sie seine Aufmerksamkeit zu erregen und quetschte sich mühsam an den Besuchern vorbei, die zwar ehrfürchtig zurückwichen, sobald Ares ihren Weg kreuzte, dasselbe Verhalten aber nicht für sie an den Tag legten. Sie war eben nur ein Halbblut und konnte keine göttliche Aura ausstrahlen, die normale Menschen unbewusst dazu veranlasste auf Abstand zu gehen. Außerdem war sie eben nur ein junges Mädchen mit braunen Haaren und auch wenn sie groß für ihr Alter war und kräftig – Neben einem Mann, der aussah als wäre er Anführer einer illegalen Motorradgang wirkte sie eben doch harmlos und das lag sicher nicht nur daran, dass sie keinen Baseballschläger auf dem Rücken trug. Doch auch wenn ihr Vater nicht stehen blieb, hatte er sie scheinbar gehört, denn sein Schritt verlangsamte sich merklich. Eilig nahm Clarisse all ihren Mut zusammen, riss ihren Blick von ein paar fröhlich nach Zuckerwatte bettelnden Kindern los und stellte die Frage, die ihr schon seit einigen Minuten auf der Zunge brannte:
 

„Was wollen wir hier?“
 

„Wirst du sehen.“
 

Clarisse schnaubte abfällig. 'Wirst du sehen.' Diese Antwort war nichts Halbes und nichts Ganzes und erinnerte sie ziemlich an einen gewissen Campleiter, der es auch oft nicht für nötig hielt ihre Fragen eindeutig zu beantworten. Hoffentlich war das keine neue Phase.
 

Wenn Götter Phasen entwickelten - das wusste sie von den Kindern des Apollo - wurden die Nerven ihrer Sprösslinge aufs Äußerste strapaziert und auch wenn sie nicht glaubte, dass ihr Dad ein Haiku dichten würde, Antworten mit denen man nichts anfangen konnte, wollte sie eigentlich auch nicht dauerhaft zu hören bekommen.

Überraschend blieb ihr Vater stehen und beinahe wäre Clarisse in ihn hineingerannt, aber in letzter Sekunde schaffte sie es irgendwie ihr Gleichgewicht zu halten, ihrem Vater keinen Schubs zu verpassen und nicht dumm mit den Armen rudernd zum Gespött der Leute zu werden, wie es anderen Halbgöttern sicherlich passiert wäre. Fast schon zaghaft blickte sie an ihm vorbei auf den einfachen Holzstand, in dem junge Frauen und Männer mit giftgrünen Jacken heiß dampfende Becher an die zitternde Menge verteilten. Waren sie etwa deswegen gekommen?

„Glühwein! Zwei Becher!“, befahl Ares in bestem Befehlston und tatsächlich beeilte sich der verunsicherte Angestellte seiner Aufforderung zu folgen und zwei heiße Becher vor ihnen abzustellen. Das sie eigentlich noch gar nicht trinken durfte, schienen sowohl der junge Mann mit den Hunderten von Pickeln im Gesicht, als auch ihr Vater vergessen zu haben.

Auch schön.
 

Misstrauisch hatte sie an dem violetten Becher mit dem kitschigen Elchmotiv geschnüffelt und einen vorsichtigen Schluck der heißen Brühe genommen, während sie weiterhin ihren schweigenden Vater beobachtet hatte. Er war auch unter normalen Umständen nicht unbedingt redefreudig, aber eigentlich hatte sie erwartet, dass der Gott endlich mit der Sprache herausrücken würde. Stattdessen lehnte er sich lässig gegen den hölzernen Tisch, beobachtete ein Blasorchester, das ziemlich schief „Jingle Bells“ zu spielen versuchte und schwieg sich weiterhin aus. Dabei waren sie sicher nicht die ganze Strecke gefahren um jetzt komischen Kram zu trinken und sich Weihnachtlieder flöten zu lassen. Clarisse hatte den ganzen Weihnachtsmüll immer kitschig gefunden, Besinnlichkeit war bei ihr bislang noch nie aufgekommen, selbst wenn sie Silena beim Aufhängen von Lametta zugesehen hatte oder Chiron mit einer roten Weihnachtsmannmütze durch die Gegend galoppiert war und irgendwie hatte sie angenommen, dass es ihrem Vater da ähnlich ging. Schließlich war er Ares, der Gott des Krieges und – He! Hatte er den Glühwein eigentlich bezahlt? Angestrengt versuchte sich Clarisse zu erinnern. Das Pickelgesicht, wie sie den Verkäufer inzwischen betitelt hatte, hatte die Tassen gebracht, aber sie konnte sich wirklich nicht entsinnen, dass auch nur eine Münze den Besitzer gewechselt hatte.
 

Toll, jetzt trank sie in New Jersey Alkohol, den sie eigentlich noch gar nicht trinken durfte und den niemand bezahlt hatte.

Hoffentlich würde das nicht auffallen.
 

Nachdenklich ließ sie ihre Gedanken um dieses Thema kreisen, schweifte langsam ab und beinahe hätte sie für einen Augenblick vergessen, dass sie irgendwo in Sparta an einem klebrigen Tisch lehnte, während links und rechts quängelnde Kinder, motzende Mütter und genervte Väter vorüberhasteten, auf der Suche nach einem Moment der Ruhe und des Fried- Clarisse Augen weiteten sich schlagartig, doch verhindern konnte sie die Katastrophe bereits nicht mehr. Endlich hatte sie verstanden wieso es ihren Vater ausgerechnet an diesen Ort gezogen hatte. Mit einem bösen Grinsen setzte Ares gerade in diesem Augenblick den violetten Becher ab, prostete ihr damit noch einmal zu und warf das halbvolle Gefäß direkt auf die erste Trompete.
 

Binnen Sekunden brach das Chaos um sie aus. Zuschauer, die mit dem roten Saft bekleckert worden waren, verdächtigten sich gegenseitig daran die Schuld zu tragen, die Trompete brach auf der Bühne zusammen, was die grässliche Musik zum Schweigen brachte und irgendwo ertönte ein erster, dumpfer Schlag, gefolgt von einem spitzen Schrei.

Herbeieilende Helfer wurden von weiteren Glühweintassen getroffen, fühlten sich von anderen Besuchern behindert und bedrängt. Kinder weinten, Frauen kreischten und plötzlich schien sich jeder mit jedem in den Haaren zu haben. Zwei Weiber rissen sich gegenseitig an der Kleidung, die Blusen schon halboffen, Männer feuerten sie an, um sich dann wieder aufeinander zu stürzen und dafür zu sorgen, dass der jeweils andere mehr Sterne sah als nur den von Bethlehem. Ein Verstärker fiel mit lautem Getöse in die Menge, eine Oboe brach auf dem Schädel eines jungen Mädchens und der Weihnachtsbaum, der besinnlich in der Mitte des Platzes stand, schwankte bereits bedrohlich.
 

Während Clarisse noch in die Menge starrte und mit großen Augen beobachtete, wie die heile und besinnliche Welt der 'Spartaner' in sich zusammenbrach, legte sich überraschend ein Arm um ihre Schulter.
 

„Fröhliche Weihnachten, Clarisse“, raunte der Kriegsgott leise, während hinter ihr erste Bretter aus der Glühweinbude gerissen worden. In der Ferne heulten Sirenen der herannahenden Krankenwagen, die Luft war getränkt vom Schreien und Stöhnen der Menschen doch zum ersten Mal seit Clarisse sich erinnern konnte, wurde ihr beim Anblick eines durchschnittlichen Weihnachtsevents tatsächlich ein wenig warm ums Herz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Von:  Kim_Seokjin
2012-01-03T11:29:39+00:00 03.01.2012 12:29
Ich muss zugeben, dass ich anfangs sehr skeptisch war, weil ich so gar nicht wusste, was mich erwarten würde. Immerhin kann ich mir eine friedliche Weihnacht bei Ares wirklich nicht vorstellen, aber das Chaos, welches er für Clarisse anrichtet ist super. *schmunzel* So einfach geht es. :)
Von: abgemeldet
2010-11-24T19:40:32+00:00 24.11.2010 20:40
*lol*
Das is echt klasse... und ich kanns mir richtig vorstellen.
Ein perfektes Weihnachten für die beiden XD


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