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Whiskey und Schokolade

von

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Kapitel 3 – Das Leben ist ne Sch*****

Mit Bens Kleintransporter geht es gegen 11 Uhr schon zu Anton, der wie mein Mitbewohner schon seit den frühen Morgenstunden sein Unwesen an diesem Sonntag treibt. Er wartet mit Kaffee auf uns und ich kann es kaum erwarten, diesen zu kosten. Denn während mein Mitbewohner den Wagen wie ein Verrückter durch die leeren Straßen der Außenbezirke lenkt und schnelle Elektro-Musik aus dem Radio plärrt, fallen mir trotzdem immer wieder die Augen zu.

Ich habe diese Nacht zwar nicht von Leon geträumt, aber wirklich gut geschlafen habe ich auch nicht. Jede zweite Stunde lag ich plötzlich wach im Bett, musste auf Klo, oder was trinken oder einfach auch gar nichts, außer wach sein. Irgendwie freue ich mich jetzt schon, dass ich mit meinem eigenen Wagen zurückfahren kann, in dem ich einfach einen Radiosender LEISE laufen lassen und das Tempolimit der Stadt einhalten werde.
 

Vor Antons kleinem Häuschen, das sich hinter zwei großen Tannen versteckt, steht ein weiterer kleiner Transporter. Dahinter meine Süße.

„Carry!“, begrüße ich sie laut und streiche über die silberne Lackierung. Der Wagen sieht gut aus.

„Das werde ich auch nie verstehen...“, bemerkt Ben amüsiert und schüttelt den Kopf.
 

„Was ist denn?“, hake ich grinsend nach.
 

Carry...“, äfft er mich nach.
 

„Wie, hat dein Auto denn etwa keinen Namen?“, kontere ich mit bestürzter Stimme.
 

„Äh. Nein.
 

„Wie wäre es mit Horst?“

Ben schnaubt.

„Hm. Dann vielleicht Ulf?“, schlage ich weiter vor.

Ben schüttelt ungläubig den Kopf und öffnet das kleine Gartentor zwischen den Tannen.

„Ich finde Didi passt auch ganz gut!“
 

Mein Mitbewohner bleibt stehen und ich laufe fast gegen ihn. Er dreht sich zu mir um. „Du hast nen Knall, Koschinski“, sagt er trocken. Und ich schenke ihm ein strahlendes Lächeln.

Läuft ganz gut.

Du bist locker, Manuel.

Genauso soll's sein.
 

Der Cocktail von gestern Abend ist längst verdaut. Und eigentlich war es doch auch ganz nett, nach so langer Zeit endlich mal wieder mit Leon spontan weg zu gehen, oder? Das nächste Mal wird es nur sicherlich länger werden. Und vielleicht auch mit den anderen Jungs?

Nächstes Wochenende ist ja schon meine offizielle „Überraschungs“-Willkommensparty...

Da werde ich wohl Martin kennen lernen.

Der meine Scar-Tissue-Melodie missbraucht.

Nein, Manuel. Tut er nicht.
 

Zum zweiten Mal laufe ich beinahe gegen Ben, der klingelt.

„Aufwachen...“, zieht dieser mich grinsend auf.
 

„Ja, ja...“
 

„Joggen macht wach. Ich sag's dir...“
 

„Ja, ja...!“
 

Anton öffnet uns die Tür. „Pünktlich seid ihr! Wie löblich!“, scherzt er.

Der Kaffee ist viel zu lasch. Ich schimpfe mit meinem Bruder und er setzt tatsächlich sofort einen neuen auf. Sein Nachbar Heinz ist auch da, ein 50-Jähriger, glatzköpfiger Muskelprotz mit Strubbelbart und charismatischem Lächeln. Er findet den zweiten Kaffee auch viel besser.

Wir reden ein bisschen.

Heinz erzählt ein wenig von seinem Möbelpackerleben, was für abstruse Sexspielzeuge er schon transportieren musste und welch Antiquitäten die Leute gar nicht mehr mitnehmen wollten. „Ich hab schon so viel altes Zeug für richtig gutes Geld verscherbeln können“, resümiert er. Sein Lachen ist tief und laut und irgendwie total sympathisch. „Wenn die das wüssten, die würden sich glatt selbst dafür in die Hölle wünschen!“
 

Er hat drei Transporter. Den kleinsten hat er für mich reserviert.

Wir räumen Antons halben Keller leer. Jeder der Kartons sieht gleich aus, ich hatte sie vor meiner Abreise noch nicht mal beschriftet. Das sich anbahnende Chaos möchte ich mir jetzt noch nicht detailliert ausmalen.
 

Heinz und Ben tragen meine auseinander gebauten Schränke in Einzelstücken hoch.

Man kann es kaum glauben, aber auf die zwei Kleintransporter aufgeteilt passt alles haargenau. Ich muss nur noch eine kleine Box in den alten BMW tun. Er ist voll getankt.

„Anton, das war echt nicht nötig...“, bemerke ich, mein Bruder lächelt nur.

„Ist schon OK.“

Wir trinken alle noch ein wenig Wasser in der Küche.
 

„Sag mal, wolltest du mir denn nicht eigentlich Anja vorstellen?“, frage ich Anton nach einer Weile.

„Ja“, setzt der an. „Die kann momentan leider nicht, sie will aber definitiv morgen in den Laden kommen!“, versichert er. Ich nicke. Eigentlich auch ganz gut so. Heute habe ich noch extrem viel Arbeit vor mir. Und es ist schon fast zwei.

„Jungs, lasst uns mal losfahren!“, schlage ich vor.
 

Schon ein seltsames Gefühl, so wie immer mit Carry unterwegs zu sein, durch diese bekannten Straßen zu fahren. Allerdings biege ich an einer großen Kreuzung fast falsch ab. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Und dass meine Wohnung jetzt woanders liegt, scheine ich noch nicht begriffen zu haben. Ich seufze genervt. Ben, Anton und Heinz sind schon da, als ich ankomme und erstmal fünf Minuten nach einem Parkplatz suchen muss. Die drei haben sogar schon angefangen, mein Zeug auszuladen.
 

Der Tag ist lang.
 

Wir bauen den hellen Kleiderschrank mit großer Spiegelfront an der noch völlig freien Wand auf. Den, der auch bei Leon und mir im Schlafzimmer stand. Aber diesen Gedanken dränge ich ganz weit weg. Nein. Ich zerstöre ihn einfach, während ich mein Abbild betrachte. Mit Kleidern am Körper sieht man die Mini-Kilos gar nicht...

Wir rücken Bücherregale zusammen und stellen noch an der Wand gegenüber des Bettes, genau neben den Fernseher und der Anlage, meinen kleinen runden Tisch und meinen ultra-bequemen, blauen Lesesessel auf. Ein weiter, weicher Teppich hat es auch noch unters Bett geschafft, sodass meine Füße morgens nun sanft gekitzelt werden. Das ist der Teppich, der auch... Egal.
 

Es ist schon fünf, als Heinz und Anton sich auf den Weg machen. Heinz will kein Geld und nimmt noch nicht mal einen Kaffee an, sondern macht sich direkt auf den Weg zu seiner Frau, die „lecker gekocht hat.“

Anton wünscht mir viel Spaß mit den Kartons.

„Wir sehen uns morgen“, sagt er milde.

Ben haut ab ins Studio. Er muss heute nicht arbeiten. Er will sich einfach mal auspowern. Natürlich schlägt er mir vor, das nächste Mal mit ihm zu kommen. Vielleicht mache ich das ja auch. Vielleicht.
 

Es ist komplett ruhig, als ich meine Zimmertür schließe und die imposante Menge an Kartons betrachte. Am liebsten würde ich einfach schlafen gehen, aber das würde die Problematik auch nicht lösen. Und deswegen schalte ich eine meiner neuen Chill-CDs ein – japanische Tempelmusik – und mache mich schweren Herzens ans Werk.

Ich stelle Bücher auf, packe endlich meine Koffer aus, starte die Waschmaschine, fülle meinen Kleiderschrank, stelle einige Dinge auf die Fensterbank, wie dieses dämliche Sparschwein, das ich mal von Michi geschenkt bekommen habe und eh nie füllen werde, oder die kleine Karawane von Elefanten, die Leon mir mal zu Geburtstag geschenkt hat. Sie sollten mir Glück bringen. Das war ein Jahr vor unserer Trennung.

Sollte mir das jetzt zu Denken geben?
 

Über Lesesessel und Fernseher hänge ich alte Fotocollagen. All meine Freunde sind dabei, schöne Landschaften, die Familie. Die Pärchenfotos von Leon und mir sind fort. Wann hatte ich die eigentlich entfernt...?
 

Ich packe Stifte aus, Blöcke, fülle die Schubladen des Schreibtischimperiums. Einen der Kartons habe ich zum Keller-Exil ernannt und schmeiße alles, was ich im Zimmer nicht gebrauchen kann, dort hinein. Alte Kleidung, die ich mit Sicherheit nicht mehr anziehen werde, Deko, die sich im Laufe angesammelt hat und die ich nicht mehr sehen kann und auch die kleine, Hexagon-ähnliche Campingkanne, die noch immer nach Kaffee riecht.
 

Wir sind früher sehr oft campen gefahren, Leon und ich. Wir haben unser Zelt geschnappt und sind einfach an nen See oder auf nen Campingplatz mitten in irgendeinem Wald gefahren; für ein Wochenende, manchmal auch für mehrere Tage, wenn wir Ferien hatten. Ich kann mich noch genau an den Ausflug erinnern, als wir 18 waren und einfach mal ne Auszeit von der Schule nehmen wollten. Unsere Eltern haben uns fast den Kopf abgerissen, als wir spontan für ein paar Tage nach Holland gefahren sind von unserem Taschengeld. Schon komisch, dass wir so viele Jahre so nah gewohnt und öfters bei dem anderen übernachtet haben, unser erstes Mal aber gerade so viele Kilometer weit weg passierte... Es war der Geruch vom frischen Kaffee, der mich am Morgen danach weckte. Als ich aus unserem Zelt lugte, saß Leon dort mit dieser Kanne und kochte ihn für uns beide. Er sah mich an und schenkte mir zum ersten Mal dieses wunderschöne Lächeln. Damals hatte er noch kurze Haare.
 

Ben kommt nach Hause und ich wasche schon die dritte Ladung Wäsche. Dann packe ich den letzten Karton aus. Ich hab mittlerweile schon zwei, die für den Keller bestimmt sind. Bevor ich sie mit Klebeband absichere, nehme ich die Kaffeekanne heraus und stelle sie ins Regal, direkt neben das Foto von Mike, Ole und Leon, auf dem sie so dämlich vor dieser ebenso dämlichen Achterbahn grinsen, auf die mich Leon nicht bekommen hat.
 

Ich denke nicht weiter darüber nach.
 

Die ganze Wohnung riecht mittlerweile nach Curry. Als ich die Küche betrete, fällt mein Blick auf den Tisch, der für zwei Personen gedeckt ist.

„Ich dachte, du isst mit mir?“, sagt Ben, noch bevor ich irgendwas sagen kann. Mein Magen knurrt.

„Sehr gern.“

„Ha ha! Von wegen nie wieder indisch!“

Ich seufze grinsend.
 

Wir hören Radio und ich gebe Ben kurz den aktuellen Status meines Auspackens bekannt. Er wiederum erzählt mir von seinem Training.
 

„Und, was machen die 15 geilen Kerle aus deinem Kurs?“, frage ich.
 

„Hach, die sehe ich ja schon bald wieder und kann es kaum erwarten!“
 

„Und sonst? Irgendwen getroffen, während ich weg war?“
 

„Nein, ich hab dich so vermisst, dass ich für andere Kerle keine Augen hatte!“, scherzt er mit hoher Stimme und muss dann lachen. Ich schüttele grinsend meinen Kopf. „Ne, Spaß beiseite, immer noch kein Mr. Right. Nur belanglose One-Night-Stands. Oder Two-Nighter.“
 

„Two-Nighter? Was ist das denn bitte für ein Wort?“
 

„Anglizismen rocken.“
 

„Whatever…“
 

„Hm, aber einen habe ich drei Mal gesehen.“
 

„Gesehen oder gef…“
 

Ben grinst. „Beides. Aber war halt auch nur ein harmloser Flirt. Naja, ist auch OK so. Auf Flirts habe ich momentan definitiv Bock. Wenn sich was ergeben sollte, werde ich sicherlich nicht ‚nein’ sagen, aber dass ich jetzt wirklich auf der Suche bin, kann ich auch nicht behaupten.“ Und dann stellt Ben plötzlich die Frage: „Und du?“
 

Ich blinzele.

Hatte ich das nicht ein bisschen anders geplant, mit der Konversation mit meinem Mitbewohner? Über mein Liebesleben? Wieso funktionieren Pläne eigentlich nie?

Ich zucke mit den Schultern.

Denn was soll ich sonst machen?
 

Ben seufzt.

„Was ist denn bei dir so gelaufen? Jedes Land ein anderer Kerl?“, feixt er.

Ich schüttele den Kopf in Verneinung.

„Auch kein einziger Flirt?“
 

„Nicht wirklich. Ich hatte so viel zu tun, es gab so viel zu sehen und das war alles auch irgendwie echt wichtiger und interessanter als Männer.“
 

„Und jetzt?“, fragt Ben.
 

„Jetzt will ich mich auf den Laden konzentrieren und vielleicht als freier Fotograf für die Zeitung arbeiten. Das macht Spaß.“
 

Ben spricht das Thema „Leon“ nicht an. Wir reden über irgendwelche Rezepte, die wir mal ausprobieren können und ich packe nach unserem Essen auch meinen kleinen Gewürzkarton aus. Ich hab wirklich einige tolle Sachen mitgebracht. Unter anderem Piri-Piri Gewürzmischungen. Ben ist begeistert. Und ich bin glücklich, dass wir eine Spülmaschine besitzen. Ich hasse Abwaschen.
 

Ich knipse meinen Fernseher an und mache mich auf meinem Bett breit.

Doch diese visuelle Ablenkung wirkt heute Abend absolut gar nicht auf mich. Meine Gedanken schweifen ab. Der gestrige Cocktailausflug geht mir nicht aus dem Kopf. Unbewusst summe ich die Scar-Tissue-Melodie.

Martin.

Ich denke an die Beschreibung meines Bruders.

Ungefähr genauso groß wie Leon, blaue Augen, Frischer Dreitagebart, Haare etwas länger, fransig geschnitten; Grübchen beim Lächeln, braungebrannte Haut, definitiv muskulöser als du; Piercing in der rechten Augenbraue.

Anglizismen rocken?

Ich bin not amused.

Und ich hasse es.
 

Not amused geht am Montag auch los. Ben ist natürlich schon fort, als ich mich nach einer schnellen Dusche in die Küche schleppe – wahrscheinlich zum Joggen, vielleicht aber auch schon zur Arbeit. Wann er im welchen Studio arbeitet weiß ich noch nicht. Ich bereue es auch, dass ich mir von ihm nicht diese neuartige Kaffeemaschine habe zeigen lassen, die irgendwie viel zu viele Tasten für mein gerade erst angeschaltetes Gehirn besitzt. Es gelingt mir zwar, Kaffee zu kochen, allerdings so viel, dass die ganze Küchenzeile davon bedeckt ist und ich prompt auch noch den Boden wischen muss. Die Finger verbrühe ich mir natürlich auch. Und aufgrund dieses Desasters fahre ich viel zu spät los und komme dementsprechend unpünktlich an.
 

Wenigstens vergesse ich Antons Geschenk nicht.

Und an Kaffee hat der nette Herr Anton auch gedacht, was mich zutiefst erfreut, denn den Rest meiner Plörre, der nicht über die Küche gelaufen war, hatte ich nicht einmal probieren können. „Guten Morgen, willkommen im Studio Koschinski“, begrüßt er mich dämlich lächelnd. Ich drücke ihm sein unverpacktes Geschenk in die Hand
 

„Ich weiß, dass du Geschenkpapier im Grunde genommen hasst, deswegen habe ich mir auch gar nicht erst die Mühe gemacht“, erkläre ich schroff, lächele dabei aber zuckersüß. Und Anton ist begeistert von dem Objektiv.
 

„Wahre Fotografen denken eben doch nach an ihre analogen Kinder“, ruft er begeistert aus und umarmt mich stürmisch. Schnell jedoch machen wir uns an die Arbeit. Wir sind momentan nur zu Zweit, denn Sören und Nina, zwei weitere Fotografen, die bereits unter meinen Eltern hier gearbeitet haben, fehlen. Nina, weil sie ihre Flitterwochen genießt, Sören, weil er krank ist. Und einen Fotoladen zu Zweit zu betreiben ist nicht gerade einfach. Ich frage mich, wie Anton das die letzte Woche überstanden hat, in der nur Wiebke ab und an da sein konnte.
 

Die Sonne erhellt unseren großräumigen Laden. Alles ist noch genauso, wie es vor einem Jahr war. Naja, nicht ganz. Ich entdecke zwei neue knallrote Fotomaschinen unweit des Eingangsbereiches, an denen die Kunden nun effektiver ihre eigenen, digitalen Bilder professionell auf Fotopapier pressen können, um wenigstens noch den Anschein erwecken zu können, sie hätten mit Analogkameras geknipst. Und natürlich, um das traditionelle, greifbare Fotoalbum aufrecht zu erhalten.
 

Es tut gut zu Arbeiten. Sogar das Schießen von Pass- und Bewerbungsfotos macht mir heute Riesenfreude. Dass wir heute nicht all zu viele Kunden empfangen müssen ist wahrscheinlich auch positiv zu bewerten. Ich schaffe es, mich intensiv mit Wiebke zu unterhalten. Sie berichtet mir von zahlreichen Gothic-Festivals, zeigt mit atemberaubende Bilder der düsteren Besucher und wir gehen sogar so weit, ein Foto-Shooting im Wald zu verabreden, da sie ihren Freund unbedingt Bilder von sich und ihren Freundinnen schenken will. Ich hinterfrage diese Entscheidung nicht, viel zu spannend finde ich ihre Ideen und die Outfitplanung. Eine völlig andere Welt. Die mich auf bunte Gedanken bringt. Ein wunderbares Ablenkungsmanöver von dem Mann, der gerade jetzt durch die Tür unseres Fotostudios kommt.
 

„Hallo!“, hallt Leons Stimme durch den Laden. Seine Lippen sind zu diesem angenehmen und doch lässigen Grinsen geformt, dass einige manchmal als draufgängerisch empfinden können.
 

„Ach, hallo!“, begrüße ich ihn ebenso lässig. „Hatte schon total vergessen, dass du vorbeikommen wolltest“, füge ich hinzu.

Wen belüge ich in diesem Moment eigentlich?
 

„Wie läuft dein erster Arbeitstag?“, fragt er unberührt und lehnt sich gegen den kleinen Tresen, den wir im Kassenbereich haben.
 

„Ganz gut. Heute ist nicht so viel los. Übrigens, das ist Wiebke“, stelle ich das Mädchen vor, das kurz nickt und meinen Ex-Freund begrüßt. Eine Frau betritt den Laden. „Übernimmst du?“, frage ich die rothaarige Gothic-Anhängerin kurz und sie geht schon mit einem warmen Lächeln zu unserer Kundin. Anton läuft kurz mit Papierkram vorbei.
 

„Oh, hallo!“, begrüßt er Leon freudig. Die beiden umarmen sich. Dann sind Leon und ich wieder uns überlassen.
 

„Hast du deine Sachen schon von Anton geholt, oder brauchst du da noch irgendwie Hilfe?“, fragt Leon mich plötzlich. Ich sehe ihn an. Heute trägt er einen Zopf. Seine markanten Wangenknochen kommen dadurch perfekt zum Vorschein. Ich habe ihn immer so gern fotografiert…
 

„Ne, alles schon erledigt. Wir, äh, haben gestern alles geholt. Ben hatte ja Zeit und Antons Nachbar, dieser Möbelpacker, hat auch noch mitgeholfen. Bin also tipp-topp eingerichtet. Naja. Fast…“
 

„Cool. Das freut mich!“, entgegnet er ehrlich und wegen meiner kleinen Flunkerei von eben fühle ich mich dämlich. Dann zwinge ich mich, eine potenziell wichtige Frage zu stellen.
 

„Wie war denn dein Wochenende?“
 

Leon sieht mir direkt in die Augen, mit dieser ernsten Miene. Dann entspannen sich seine Gesichtszüge wieder, während mein Kopf bereits die wildesten Fantasien zusammen spinnt, die ich gar nicht mehr wiedergeben möchte, die ich aus meinen Gedanken verbannen will; und in diesen wenigen Sekunden, in ein weiches Lächeln den Weg auf Leons Lippen findet, drehe ich deswegen fast durch.
 

„War sehr entspannt…“, beantwortet er meine Frage. „Wir… haben nen DVD-Abend mit meinen Mitbewohnern gemacht und… Ja. Das war’s eigentlich schon großartig. Wir waren noch spazieren, am Sonntag. Ganz kurz.“
 

Ich erwidere sein Lächeln.

„Das ist doch schön“, höre ich mich selbst sagen.

Lieber Manuel, Leon liebt dich nicht und du liebst ihn nicht mehr, kannst du dir das nicht endlich merken? Sieh ihn an, er strahlt. Sieht so ein Mann aus, der ein schlechtes Wochenende hatte? Nein. So sieht ein Mann aus, der zwei Tage mit seinem Geliebten verbringen durfte. Leon ist glücklich. Freu dich für ihn. Oder willst du ihn auch als besten Freund verlieren? Ist dir das wert?

Ich schüttele den Kopf und Leon betrachtet mich ein wenig skeptisch. Ich fange an zu lachen.
 

„So, dann sag mir mal, welche Bilder du haben willst“, ändere ich das Thema und wir starten unseren kleinen Auftrag gemeinsam. Einige drucken wir einfach an den roten Automaten aus und ich erzähle noch einige belanglose Details zu den Fotos, die das rote Monster in einem imposanten Tempo ausspuckt. Abermals hört er aufmerksam zu.

Einige Bilder möchte er in 10x15 haben, um sie an die Wand zu hängen.

Und eines möchte er in 20x30.

Das von dem alten Ehepaar, dem Alten mit der Glatze und der Greisin mit breitkrempigen Hut, die händchenhaltend auf einer dunklen Parkbank unter einer großen Eiche, umgeben von Tauben, sitzen und genussvoll über irgendetwas lachen. Vielleicht über eine witzige Geschichte ihrer langen, gemeinsamen Zeit?

Ich suche Leon einen passenden, dunkelroten Holzrahmen aus und er ist begeistert.

Ich setze noch einen drauf und rufe ihn an einen der großen MACs, die in unserer Beratungsecke liegen. Wir setzen uns. Mit wenigen Klicks habe ich das Bild so bearbeitet, dass alles um das Paar herum in schwarz-weiß erscheint und die beiden nun wie die strahlende Sonne wirken.
 

„Das ist wirklich wunderschön, dieses Bild...“, sagt Leon.
 

„Traumhaft“, findet auch Wiebke, die das Foto nun ansieht. Seit wann steht sie denn neben uns? Leon schenkt ihr ein Lächeln. Dann sieht er wieder mich an.
 

„Danke, Manuel“, sagt er. Ich nicke nur, grinse schief.
 

„Ich mache es dir für morgen fertig, OK?“
 

„Wäre super.“
 

Wir stehen wieder am Tresen, ich stelle Leon einen Abholschein aus, er bezahlt schon im Voraus. Und dann fragt er mich plötzlich, ob ich nicht Lust auf einen Kaffee am Mittwoch im Sphinx hätte.
 

Unseren traditionellen Kaffee.

Den wir immer zu uns genommen haben.

Wenn er keine Vorlesung hatte und ich eine Pause genießen konnte.
 

„Ich… weiß nicht, ob das klappt, wir sind momentan unterbesetzt, wie du siehst…“

Genau dann ist Wiebke am falschen Ort zur falschen Zeit. Nämlich genau neben mir, grinsend, Leon anblickend und mir ins Wort fallend: „Also ich arbeite mittwochs auf jeden Fall, das passt ganz gut mit meinem Stundenplan und wenn du für 1-2 Stunden nicht da bist, dann geht die Welt bestimmt nicht unter.“
 

„Also klappt das ja!“, fasst Leon erfreut zusammen.
 

„Ja“, sage ich.
 

„So wie immer?“
 

„Klar.“
 

„Ich freu mich drauf.“
 

„Hat dein Freund denn nichts dagegen?“, hake ich nach, als er gerade gehen will. Er dreht sich um und sieht mich etwas perplex an.
 

„Neee“, schüttelt er den Kopf. „Der weiß, dass wir beste Freunde sind.“
 

„...okay. Dann bis Mittwoch!“, sage ich und lächele ihn strahlend an. Leon grinst, winkt kurz und dann ist er fort. Wie auch mein künstliches Lächeln. Ich seufze und meine Mundwinkel entspannen sich.
 

„Oh...“, bemerkt Wiebke dann plötzlich kleinlaut. Ich schaue sie an. „Das, äh, war also dieser langjährige Ex-Freund von dir, hm...?“ Sie nestelt an dem Rand ihres feinen Pullovers herum. „Anton hat es mir erzählt, also, dass du eine sehr lange Beziehung hattest und sie auseinander gegangen ist und dass das nicht so leicht war und... Ich hätte das nicht sagen sollen, mit Mittwoch, oder?“
 

Ich seufze erneut. „Nein, das ist schon OK, echt. Leon und ich sind vor allem beste Freunde und dann erst Ex-Freunde“, erkläre ich ihr. „Ist nur nicht so einfach, die ganze Situation momentan. Ich meine, wir waren sieben Jahre zusammen und jetzt sind wir halt nur noch Freunde. Ich war zwar ein Jahr weg, aber das ändert nichts an diesem… Gefühl.“
 

„Sieben Jahre ist echt ne megalange Zeit. Und ich dachte schon, meine 5-jährige Beziehung ist der Hammer“, lacht sie.
 

„Ach, sieh an. Herzlichen Glückwunsch.“
 

„Danke, Danke“, entgegnet sie grinsend. „Wir haben aber auch ein spezielles Geheimrezept“, fügt sie verheißungsvoll an und ich hebe meine rechte Augenbraue fragend. „Fremdgehen gibt es nicht!“
 

Ich lache kurz. „Leon und ich waren uns auch treu...“
 

„Nein, nein“, lacht sie etwas lauter und ihr Grinsen wird breiter. „Fremdgehen gibt es nicht in dem eigentlich Sinne des Wortes, denn wenn er mal mit jemandem anders, oder ich, dann sehen wir das beide nicht als Fremdgehen, sondern als Freiheit...“
 

„Oh...“ Ich glaube, ich werde rot. Hätte ich nicht gedacht von diesem unscheinbaren, lieben Mädchen. Wiebke lacht.
 

„Das funktioniert.“
 

„Das werde ich im Kopf behalten“, sage ich. In meinen Gedanken füge ich hinzu: BESTIMMT NICHT, Manuel!
 

Anton und ich quatschen ein bisschen über unsere Eltern. Ich sollte mich unbedingt bei ihnen melden. Bis jetzt hatten sie auch nur eine SMS bekommen. „Und Mama ist echt schon ein bisschen sauer auf dich…“, verklickert mein Bruder mir. Ich nicke, ihm versprechend, sie noch diese Woche telefonisch zu kontaktieren. Wieso habe ich eigentlich Angst davor? Während meiner Reisen habe ich meine Eltern auch des Öfteren angerufen. Oder ihnen Postkarten geschrieben. Kurze Emails gesendet.

Oberflächliche Konversation.

Wahrscheinlich habe ich noch keine Lust, mit meiner Mutter über Leon zu sprechen… Dass sie jenes aber beabsichtigt, ist mir irgendwie klar. Ob sie noch immer in so engem Kontakt mit seiner Mutter steht? Höchstwahrscheinlich.

Was sagte Leon noch mal?
 

„Deine Mutter vermisst dich ja auch ganz doll. Sie hat meine Ma letztens damit vollgelabert. Die dich übrigens auch vermisst und zum Kuchen einlädt.“
 

Ich seufze.

Und erinnere mich daran, dass ich einen neuen Lebensabschnitt begonnen habe.

Ganesh ist mein Zeuge und signifikantes Zeichen an meinem Körper. Ein nicht mehr zurück zu nehmendes Statement.

Also verhalte dich bitte dementsprechend, Manuel!
 

Seien wir ehrlich.

Ich war eigentlich schon über Leon hinweg. Dieses Jahr hat mir geholfen.

Es ist genau das, was Anton gestern zu mir sagte.

„Dein Gefühlsbarometer spielt momentan verrückt, weil du erst einen Tag wieder da bist und ihn ja auch ne echt lange Weile nicht gesehen hast. Klar klaffen da erstmal wieder alte Wunden auf, die schon so gut wie verheilt waren.“

Das ist es.

Time will heal.

Ich muss mich erstmal wieder einleben. Dann werden mich meine Emotionen wieder verlassen. Momentan fühlt sich Leons Nähe einfach seltsam an, weil zu viele Erinnerungen mich aufwühlen, die durch die gewohnte Umgebung umso intensiver sind.

Gewohnheit.

Ein weiteres Stichwort.

Gewohnheit…
 

Die Klingel ertönt und eine etwas kleinere Frau mit dunkelbraunen, kinnlangen Haaren und einer großen schwarzen Brille betritt unser Geschäft. Sie trägt einen violetten, langen Rock und ein schwarzes Spaghetti-Top; um ihren Hals trägt sie eine ebenso dunkle, Holzperlenkette. Ihre Lippen glänzen. Sie lächelt. Und mir fällt auf, dass ich sie irgendwo her kenne.

Das ist Anja!
 

„Hallo!“, begrüße ich sie und trete mit ausgestreckter Hand auf sie zu. „Ich bin Manuel. Manuel Koschinski.“
 

„Hi! Nett dich endlich mal kennen zu lernen!“, sagt sie. Sie ist fast zwei Köpfe kleiner als ich. Und irgendwie finde ich sie total niedlich. „Ich habe schon viel von dir gehört.“
 

„Ich hoffe doch, nur Gutes.“
 

Anja grinst schief. „Ich sage nichts…“ Ich lache. „Jedenfalls vielen Dank, dass du dein Auto hiergelassen hast und ich durch diese Tatsache auch einen fahrbaren Untersatz hatte.“
 

„Carry hatte es gut bei Anton.“ Sie hält für einen kurzen Moment inne. Dann fängt sie an zu lachen.
 

„Achja, davon hatte mir Anton auch erzählt.“
 

„So eine Labertasche…“
 

„Ich steh drauf, wenn Männer ihren Mund auch mal länger als für fünf Sekunden aufbekommen können“, feixt sie.
 

„Da ist wohl was dran…“
 

„Und? Hast du dich wieder gut eingelebt?“, hakt sie nach.
 

„Naja, ich bin ja erst seit Freitag wieder hier…“
 

„Oh, entschuldige! Stimmt ja! Ich kriege so vieles durcheinander.“
 

„Macht ja nichts.“
 

„Jedenfalls kann ich dir sagen, dass Anton sich auf deine Rückkehr sehr gefreut hat“, erzählt sie und ich muss lächeln.
 

„Ich hab mich ja auch gefreut, ihn wieder zu sehen“, gebe ich ehrlich zu. Und da kommt er auch schon. Sein Lächeln ist fast so groß wie der Mond, als er Anja sieht. Die beiden begrüßen sich mit einem kurzen und doch irgendwie intensiven Kuss und ich frage mich, ob Anton sich jemals so mit einer seiner Verflossenen verhalten hat. Die Antwort lautet ‚nein’ und das gibt mir zu denken. Im positiven Sinne.
 

Mein Bruder setzt Kaffee auf und wir setzen uns zu dritt im vorderen Bereich des Ladens hin – falls Kunden kommen sollten. Sogar ein paar Kekse finden den Weg auf den Tisch und ich muss natürlich erst mal wieder von meiner Reise berichten, weil Anja unbedingt wissen will, wie es in Indien abläuft und ob das wirklich so „heftig mit den Kühen ist, wie überall erzählt wird.“

Hier lautet die Antwort ‚ja’.

Ich erzähle etwas über John und über diese Unterhaltung sprechen wird letztendlich über SMACK – das Stadtmagazin, bei dem Anja arbeitet. Ich brauche mich gar nicht vorsichtig vorzutasten. Labertasche Anton hat seiner Geliebten mein Anliegen nämlich schon verklickert.
 

„Und du bist interessiert an freier Mitarbeit für uns, ja?“, fragt sie mich.
 

„Das wäre mal was!“
 

„Zeig mir doch ein paar deiner Bilder! Vor allem die aus Indien!“ Ihre Augen leuchten und ich hole meinen kleinen Apple-Laptop von hinten und führe ihr einiges des Materials vor, dass ich schon auf den kleinen Rechner ziehen konnte. Anja ist begeistert und bittet mich, ihr per Email eine Art Probemappe mit meinen Bildern zu schicken. „Ich sehe, was sich tun lässt“, verspricht sie mir zum Abschied, als zwei Kunden bereits darauf warten, von uns bedient zu werden.
 

Ich schieße erneut Passfotos.

Das Mädchen versucht mit mir zu flirten und ich lasse mich aus Scheiß drauf ein. Glücklich verlässt sie den Laden und ich muss kichern.

Geht doch, oder?
 

Morgen gehen Anton und ich mit Anja zum Italiener.

Bei dem Gedanken merke ich, wie hungrig ich eigentlich bin.

Auf dem Weg nach Hause hole ich mir einen fettigen Döner.

Als ich unsere Küche betrete, um mir einen Verdauungstee aufzusetzen, und das Küchenradio einschalte, läuft es mir eiskalt den Rücken runter.

Aus dem kleinen Ding dringen die Töne von Scar Tissue zu mir.
 

Ich schüttele ungläubig den Kopf und bringe meine Sachen in mein Zimmer.

Ich dusche. Trinke den Tee. Und irgendwann kommt Ben nach Hause.
 

„Na, wie war’s?“, hakt er nach, als wir zusammen vor dem Fernseher enden.
 

„Ganz gut. Ich freue mich wieder zu arbeiten.“
 

„Hast du nicht das ganze Jahr irgendwie gearbeitet?“
 

Jaha, aber das ist was anderes…“
 

„Wahrscheinlich hast du recht.“
 

„Wie lief es denn bei dir? Warste heute im Luxus-Schuppen oder im Bodypoint?“
 

„Luxus-Schuppen!“, wiederholt er lachend mein Wort. „Ne, heute war Bodypoint. Das macht eh mehr Spaß.“
 

„Heißere Kerle?“
 

„Du, die im Complete Fitness sind auch nicht schlecht. Aber die starren den ganzen halbnackten Weibern hinterher. Sehe ich aus wie eine halbnackte Frau?“
 

„Du siehst nicht mal wie eine angezogene Frau aus…“

Wir lachen.
 

„Aber ich muss schon sagen, der Typ, dem ich heute die Geräte gezeigt habe, war echt nicht schlecht.“
 

„Name?“
 

„Rüdiger.“
 

„Furchtbar!“, stöhne ich.
 

„Würdest du nicht sagen, hättest du ihn gesehen!“, sagt Ben bestimmt.
 

„Vielleicht…“
 

Wir schweigen eine Weile und versuchen, dem Programm zu folgen.
 

„Hier wegen des Wochenendes… Vergiss das nicht. Samstag ist deine Überraschungsparty“, sagt Ben dann und ich muss wieder lachen.
 

„Verrätst du mir denn, wer alles kommt?“
 

„Die üblichen Verdächtigen. Und noch ein paar andere, die du so kennst.“
 

„Aha…“

Ich spiele mit meinen Fingern, als ich die leichte Nervosität plötzlich zu spüren beginne. Ich räuspere mich, starre wieder auf den Bildschirm und nerve mich selbst vollkommen an. Mit der Tatsache, dass ich jetzt schon minutenlang überlege, wie ich Ben wegen Martin fragen soll.

Ich will nicht, dass er dabei ist.

Aber du willst ihn doch kennen lernen, Manuel!
 

Ich bin über Leon hinweg.

Wieso rege ich mich über so etwas auf?

Ach ja!

Der Fakt der plötzlichen aufkeimenden Erinnerungen aufgrund der Nähe zum Bekannten!

Wenn ich mich eingewöhnt habe, wird alles gut.

Das weiß ich.

Ich gebe mir einen Ruck.
 

„Kommt Martin auch?“
 

„Wer?“, hakt Ben nach und dann schlägt die Erkenntnis wie eine Bombe bei ihm ein. „Äh. Achja. Leons Kerl. Ne, der kommt nicht. Meinte Leon jedenfalls.“

Ich seufze und spüre Bens Blick auf mir ruhen.

„Das ist blöd, oder?“, hakt er sanft nach.
 

„Was ist blöd?“
 

„Na, dass Leon nen Freund hat. Ist sicher voll komisch, oder? Ich meine, für uns ist das schon komisch, Leon mit nem anderen Kerl zu sehen, aber bis jetzt war das halt immer ohne dich, weil du ja nicht da warst, aber jetzt bist du wieder da und, äh, das ist seltsam. Ich meine, man kennt euch nur als Paar, irgendwie, und jetzt wird uns das wieder bewusst, also, seitdem du wieder da bist und…“
 

„Ben“, unterbreche ich ihn und er stoppt seinen verbalen Wasserfall mit dem Wort: „Was?“
 

„Halt die Klappe, okay?“
 

„Okay.“
 

Wir schweigen.

„Du willst noch nicht drüber reden, oder?“, hakt er dann ernsthaft nach.
 

„Es gibt nichts zu reden“, erwidere ich fest.

Ben kratzt sich an der Nase.

Dann sieht er mich wieder an.
 

„Sicher?“, hakt er erneut nach.
 

„Leon und ich sind Freunde und ich denke ein Jahr war wirklich genug, um über ihn hinweg zu kommen, okay?“
 

„Okay.“
 

„Konversation beendet, ja?“
 

„Einverstanden. Dann können wir ja jetzt über etwas total Wichtiges sprechen.“
 

„Über was?“, will ich wissen, weil mir der Ton seiner Stimme nichts Gutes verrät.
 

„Über das kleine Sportprogramm von Michi, dir und mir.“

In meinen Gedanken nehme ich einen Edding und zeichne mir damit ein großes Fragezeichen auf die Stirn.
 

„Bitte was?“, erkundige ich mich und mein Mitbewohner grinst einfach nur.
 

„Ähm, also Michi und ich haben dir was gekauft und das können wir auch nicht mehr zurückgeben und somit kannst du auch nicht mehr ‚nein’ sagen!“, verkündet er fröhlich und steht bereits auf, um dieses ‚etwas’ zu holen und dieses ‚etwas’ entpuppt sich als ein Paar Inline-Skater.
 

„Ich hasse dich“, ist alles, was ich dazu sagen kann und Ben lacht sich schlapp.
 

„Mittwoch gehen wir auf die Piste im Park!“, sagt er.
 

Mittwoch…

Da war doch was…
 

„…hast schon was anderes vor?“, interpretiert er meinen Gesichtsausdruck. Ich schaue ihn an und lächele.
 

„Ne, hab ich nicht“, antworte ich grinsend.
 

„Dann steht das?“
 

„Jepp“, sage.
 

Yes!“, ruft er freudig aus.
 

„Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich dich immer noch hasse…“, murmele ich, die Inline-Skater betrachtend.
 

„Und ich weiß, dass du eigentlich feuchte Träume von mir hast!“
 

„Ben… Du bist unfassbar debil.“
 

„Danke“, sagt er strahlend und ich schließe die Augen.
 

Montag, 11.Juli

Inline-Skating…

Das wird mein Tod sein.

Manuel



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  jyorie
2014-08-13T09:57:06+00:00 13.08.2014 11:57
Hey (❀◦‿◦)♫・*:.。. .。.:*・

irgendwie sieht es so aus, als wenn Manuel doch noch nicht
so einfach zum Alltag zurück kehren kann. Aber ich fand es
schön, wie du das im Geschäft geschrieben hast, das er mit
der Kollegin gut klar kommt.

Die stelle als Leon da war und sich die Fotos hat drucken lassen
klang wirklich sehr vertraut, und so oft wie sich Manuel ermahnen
musste, das da nichts mehr ist zwischen ihnen, hörte es sich
für mich wieder so an, als wenn Leon vielleicht doch noch was
von ihm will.

XD ich mag Ben. Irgendwie ist der sympathisch und wie „unaufdringlich“
er die Inliner verschenkt und gleich die Pistole auf die Brust setzt,
damit Manuel mit ihnen zum Skaten geht ... hi hi ... die Stelle war
köstlich^^°

CuCu Jyorie

Von:  Khaosprinzessin
2010-11-21T22:56:32+00:00 21.11.2010 23:56
Hmmm Pseudo-Verabredung mit dem Ex wird gekenzelt? Bin ja mal gespannt.
Anton und Ben sind super! So sind echte Freunde und Geschwister! Und Anja ist auch super. Son bissl verplant...macht sie voll sympathisch.
Freu mich aufs nächste Kappi.

See ya in hell, beast
Von:  RockFee
2010-11-21T12:03:54+00:00 21.11.2010 13:03
Manuel kann froh sein, seinen Bruder und Ben zu haben. Die beiden sind eine wichtige Stütze, nach einem Jahr Auslandsaufenthalt wieder in das "normale" Leben zurückzufinden. Er sollte ihnen gegenüber auch ehrlich sein, dass er für Leon noch immer so intensive Gefühle hat.

Martin kommt also nicht zur Willkommensfeier. Irgendwie gut, aber irgendwann muss Manuel sich damit konfrontieren, denn: die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Ich bin wirklich gespannt, ob Manuel nochmal mit Leon zusammenkommt, oder ob der Sinn dieser geschichte ist, sich von eben diesem zu lösen.
Im Moment alles irgendwie traurig, aber, weil deine Personen so authentisch sind, sehr sehr schön.

lg Rockfee
Von:  Tali
2010-11-21T11:29:37+00:00 21.11.2010 12:29
Ich hätte jetzt noch ewig weiter lesen können. Man ist so vertieft in deine Geschichte, weil Manuel und seine Umgebung sympatisch sind. Wirklich gut! Ich freu mich auf mehr!


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