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Zwölf Sterne für ein Halleluja!
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Kapitel 3: Samanthael

Kapitel 3: Samanthael
 

Erde, Vereinigte Staaten von Amerika, Minnesota, Hütte des USAF Lieutenant Generals Jonathan Jack O`Neill

Es war etwas über zwei Wochen her, seit er die Nachricht aus der Pegasus-Galaxie gehört hatte. Major Davis hatte es ihm erzählt, er hatte geantwortet, er solle es auf die Verlustliste setzen und die Beileidsbriefe bereit machen. Davis war ein guter Mann, aber O`Neill wusste nicht, ob er ihm mit Absicht eine Kleinigkeit verschwiegen hatte, oder ob er schlicht und ergreifend nicht den Mumm gehabt hatte, zu sagen, dass sie gefallen war.

Er würde es nie und nimmer vor dem Major oder seinen anderen Adjutanten oder sonst wem zugeben, aber als er die Liste des auf Victis Romanis gefallenen Personals durchgegangen war, war in einer Zeile etwas in ihm zerbrochen. Das Bild hatte sich ihm eingebrannt – das schneeweiße Papier mit dem Siegel des Pentagons, zwischen den fast vierhundert Namen ein einzelner, den er nie auf so einer Liste hatte sehen wollen: Carter, Samantha, Col. Dr.

Sie war tot.

Tot.

Das einzelne Wort hatte sich ihm eingebrannt, fast ebenso stark wie das Blatt. In ihm war etwas zerbrochen, fast so stark wie damals, als sich sein Sohn Charlie mit seiner Dienstwaffe erschossen hatte – das war kurz vor der Abydos-Mission gewesen.

Abydos, wo er das Leben wieder zu lieben gelernt hatte – im ersten Anlauf. Im zweiten Anlauf hatte er wieder eine Person sehr zu schätzen gelernt. Und er hatte keine Gelegenheit gehabt, sich von ihr zu verabschieden, weder, als sie nach Atlantis gegangen war – er hatte sie wegen einem Meeting mit dem Verteidigungsminister verpasst – noch bei jedem einzelnen ihrer Besuche. Immer war etwas oder jemand dazwischen gekommen. Er hatte ihr auch nie danken können.

Nie würde er sich das verzeihen können.

Ebenso wenig hatte er ihr jemals sagen können, wie sehr er sie und ihre Arbeit wirklich schätzte – im Bezug auf sie selbst sogar noch mehr.

Zwei Tage nachdem er die Liste auf seinem Schreibtisch gehabt hatte, war ein Mann vom IOA namens Samuel Winters gekommen und wollte ihn nach Atlantis schicken, zu einer Untersuchung des Victis Romanis-Vorfalls. Er hatte dagegen gehalten, der Mann hatte ihm einen offiziellen Wisch, unterschrieben vom US-Präsidenten, von General Maynard und von General Jumper, unter die Nase gehalten.

Es war der Befehl gewesen, nach Atlantis zu gehen.

Am Abend dieses einen Tages war er zu einer Person – zu einer der wenigen Personen – der er vertrauen konnte, gegangen. Zu ihm selbst.

Okay, nicht direkt zu ihm selbst, sondern eher der etwas unglücklichen Kopie der Asgard. Er hatte gerade seinen Abschluss an der USAF-Akademie gemacht und war zum Lieutenant befördert worden – jeder normale General hätte sich geschämt, zu jemandem seines Dienstgrades zu gehen um sich aus zu heulen.

Doch es war gekommen, wie es kommen musste.

Da Major Davis – O`Neills eigentlicher Adjutant, den er auch nach Atlantis hätte mitnehmen sollen – etwas ungeeignet schien und auch selbst laut O`Neill das Zeug zu einem guten Verwaltungsgeneral hatte, hatte sich O`Neill an einen alten Freund aus seiner Zeit über dem Balkan gewandt und ihm seinen Klon für die Zusicherung einer Vorzugslieferung der neuen F-22 Raptors 'abgekauft'.

Er hatte als Grund dafür, dass sich sein eigentlich Adjutant mit Papier rumschlagen und ihn nicht nach Atlantis begleiten sollte, mit den Augen zwinkernd zum Präsidenten und zu General Jumper gemeint, dass sich Davis schon an „den dauernden Akten-Grabenkrieg eines Stabsoffiziers“ gewöhnen sollte. Der höchste Mann im amerikanischen Staat hatte sich nur die Schläfen massiert und ohne zu murren die Genehmigung unterzeichnet.

So war es dann am Ende gekommen, dass sein Klon 'offizielles' Mitglied des Stargate-Kommandos wurde und mit seinem Genspender nach Atlantis zu einer Untersuchung reisen sollte – danach würde er eine Praktikumsstelle bei SG-3 und Colonel Reynolds bekommen. Wenn er sich dort gut schlug, würde er einen festen Platz im SGC bekommen.

Sie würden übermorgen von Colorado Springs fahren, dort mit Landry einen Kaffee in der Kantine trinken und schließlich die Mittelstation betreten – zum ersten Mal seit ihrer Fertigstellung. Der Untersuchungsausschuss würde einen Tag auf dem kleinsten Außenposten der Erde verbringen und von dort aus schließlich zu ihrem Ziel reisen – in die Verlorene Stadt.

Nach Atlantis.

Jahrelang war es sein Traum gewesen, diese Stadt zu finden, ihre Geheimnisse zu entdecken und mit ihr Technologien zu finden, die der Erde gegen die ständige Bedrohung durch Goa`uld-Reste, Replikatoren und andere der vielen Feinde der Menschen zu finden. Die Ori hatten momentan mehr damit zu tun, ihre inneren Angelegenheiten zu klären – und wenn das getan war bezweifelte O`Neill stark, dass sie ein weiteres mal die Waffen erheben würden. Tomin schien ihm ein guter Mann, zumal er ja immer noch eine Frau auf der Erde hatte.

Er hätte nie gedacht, dass eines Tages Carter – seine Carter – einen Posten in der fernen Pegasus-Galaxie annehmen würde und dort 'ihr Leben auf dem Altar der Freiheit opfern' würde, wie es Abraham Lincoln einmal ausdrückte.

Es hatte noch so viel gegeben, was der General seiner langjährigen Stellvertreterin und Freundin hatte sagen wollen – doch er würde nun nie die Gelegenheit dafür erhalten.

Was ihm am meisten ärgerte war, dass er nicht mal zur offiziellen Trauerstunde ins SGC hatte kommen können, geschweige denn nach Atlantis zur Beerdigung, wo – auf ihren Willen hin, sollten ihre sterblichen Überreste nicht geborgen werden können – man ihre Hundemarken im schier endlosen Ozean von Lantea versenkt hatte.

Übermorgen wäre sein letzter Tag für eine ganze Weile in den Staaten und auf der guten, alten Mutter Erde. Er glaubte nicht, dass dieser Ausschuss schnell abgehackt wäre, er rechnete mit etwa einem Monat bis sie alle Aussagen der Beteiligten hatten, danach noch ein paar Wochen für die Auswertung und sie hatten ihren Urteilsspruch – O`Neill rechnete fest damit, dass er zu Ungunsten Colonel Carters ausfallen würde.

Er würde aber bis zum bitteren Ende die Fakten so anzweifeln, dass seine Sam entlastet war. Nichts sollte ihr Andenken beschmutzen, nichts und niemand!

Mit diesen trüben Gedanken schloss der General die Tür seines Hauses auf, in dem er die letzten beiden Tage auf Gottes Erde verbringen würde. Es kam ihm irgendwie... falsch war für ihn nicht das richtige Wort, es war mehr ungerecht für ihn, dass er nun dieses Haus betrat, in dem SG-1 – seine kleine, abgeschiedene und komplett von jedweder militärischen Effizienz losgelöste aber doch immer wieder und immer wieder erfolgreiche Chaosmannschaft – so oft ihre DVD- und Video-Abende abgehalten hatte oder auch einfach nur geredet hatte.

Nie wieder würden sie so beisammen sitzen.

Nie wieder würden sie über die Tiefe Teal`cs lachen, worauf der nur mit einem Hochziehen der Augenbraue antwortete.

Nie wieder würden sie alle beieinander sitzen und zusammen eine Flasche Bier – im Falle des Jaffa nur eine Flasche Pflaumensaft, die der General immer in seinem Kühlschrank hatte – trinken und über Daniels Hang zu philosophieren wo es nichts zu philosophieren gab lachen.

Nie wieder würde das glockenhelle einer weiblichen US-Air-Force-Astrophysikerin durch die leeren Räume hallen... sie hatten es schon so lange nicht mehr gehört...

Mit einer kleinen Träne im Auge legte O`Neill die Hausschlüssel auf den kleinen Beitisch an der Tür und sah auf das kleine rote Lämpchen des Anrufbeantworters, welches nicht leuchtete – keine Nachrichten, gut. Er hatte nichts mehr zu tun.

Beinahe schon entschlossen legte der Offizier seine Jacke ab und warf sie auf den leeren Küchentisch. Er trat an den Kühlschrank um sich ein Bier zu nehmen, als ihm ein Geräusch in der sonst stillen Wohnung auffiel – Wasserrauschen.

Ein schneller Blick genügte um zu wissen, dass es nicht aus der Küche kam, denn einerseits war es viel zu leise für den keinen halben Meter entfernten Wasserhahn, andererseits war ebendieser nicht offen, kein Wasser floss. Der General bekam es zwar nicht mit der Angst zu tun – dazu war er zu oft in Gefangenschaft bei netten Menschen mit netten, ausgewachsenen Schlangen gewesen – aber unheimlich war es ihm schon.

Eine schnelle Bewegung und in seiner Hand lag die so vertraute Beretta 92F, die er immer bei sich trug, wenn er das Pentagon verließ – und manchmal sogar wenn er im Verteidigungsministerium war. Eine weitere Bewegung, diesmal nur vom Daumen und die Waffe war entsichert.

Leicht in die Hocke gebeugt schlicht der erfahrene Soldat in den Flur seines Hauses in Richtung Badezimmer, wo er das Geräusch eindeutig lokalisieren konnte – und er hörte nun auch, was genau es war: Die Dusche.

Jemand war wohl eingebrochen um bei ihm zu duschen... er würde darüber lachen, wenn er nicht Kommandant einer absolut geheimen Regierungseinrichtung wäre. In seinem Haus lagerten zwar keine hochgeheimen Unterlagen, aber dennoch stellte ein Einbruch eine schwere Strafe dar.

Eine Strafe, die dank amerikanischem Recht auf Tod lautete.

Die Waffe erhoben öffnete O`Neill die Tür. Dicke Dampfschwaden hüllten ihn ein. Das gibt ne Warmwasserrechnung..., schoss es ihm durch den Kopf. Wie lange müsste man wohl wirklich heiß duschen, um sein relativ großes Badezimmer so effektiv – effektiver als eine Kiste Rauchgranaten – einzunebeln.

Langsam und vorsichtig schlich der ehemalige SGC-Chef zur Dusche, die im hinteren, linken Eck stand und mittels Plastikvorhängen einen Sichtschutz geben sollte. Er konnte durch den Dampf nichts erkennen, nicht mal eine schwache Silhouette.

Mit einer schnellen Bewegung riss er den Vorhang beiseite und wollte „KEINE BEWEGUNG!!!“ brüllen, als er hinter dem Polyethylen eine durchaus ansprechende, weibliche Rückfront erblickte – eine nackte, nasse, durchaus ansprechende, weibliche Rückfront.

Eine nackte, nasse, durchaus ansprechende, weibliche Rückfront, auf deren Rücken ein blonder Haarschopf aufgelöst klebte.

Eine nackte, nasse, durchaus ansprechende, weibliche Rückfront, die sich nun umdrehte und die Person entblößte, die er am allerwenigsten erwartet hätte: Samantha Carter.

Sie war es ohne Zweifel – das Gesicht, das Lächeln. Nur das diese tot war und somit schlecht bei ihm duschen konnte. Das Einzige, was nicht ebenso wenig zu seiner Sam zu passen schien, waren die fast schon katzenartigen, grazilen Bewegungen, mit der die Frau aus der Dusche dem General, der absolut überrascht, mit offenem Mund und gesenkter Waffe nach hinten getaumelt war, hinterher stieg.

Plötzlich spürte der Offizier einen Widerstand in seinem Rücken – der Badezimmerschrank. Er hatte dieses Einrichtungsstück noch nie gemocht. Wenn man es am wenigsten brauchte, stand es im Weg.

Grazil legte Carter die Arme um seinen Hals, näherte sich langsam mit ihrem Kopf dem seinigen, vereinigte langsam ihre Lippen. Der General versteifte sich, lockerte sich aber nach kurzer Zeit – wahrscheinlich war es eine Illusion, aber es war die beste seit... seit... er wusste nicht seit wann.

Er genoss den Kuss, klappernd fiel die Beretta auf den Boden, er zog ihren Körper näher an sich, lies sich auf das zarte Spiel ihrer Lippen ein.

Zärtlich lösten sich sie sich beiden voneinander, der Wasserstrom in der Dusche war auf wundersame Weise versiegt, sodass der Wasserdampf sich langsam wieder abkühlte und zu ganz normalem Wasser wurde, welches sich an den Scheiben des Badezimmers und auf anderen Flächen kondensierte.

„Ist das ein Traum?“, fragte der General nach kurzer Zeit verwirrt, die Frau immer noch fest an sich gezogen.

Zart legte sie ihre Kopf auf seine Schulter, wobei sie sich leicht auf die Zehenspitzen stellen musste. „Nicht ganz – ich bin hier. Mehr oder weniger.“ Sie lächelte dieses eine Lächeln, von dem ihr Freund und Kollege – eigentlich eher Kamerad – Walter Harriman ihr erzählt hatte, dass es unter den Tormannschaften das '1000-Gigawatt-Sam-Carter-Lächeln' genannt wurde.

„Was soll das heißen?“, wollte der General wissen und drückte sie fast schon apathisch an sich.

„Ich bin tot. Das dürfte ihnen bekannt sein.“, stellte die Frau ernüchternd fest. Sie zog sich leicht aber widerwillig aus der Umarmung, ja fast schon Klammerung, des Stabsoffiziers zurück, nur um ihm in die Augen ihres ehemaligen Kommandierenden Offiziers zu sehen. „Tja... aber es haben sich neue Möglichkeiten eröffnet – ich sag`s am besten kurz und knapp: Ich bin aufgestiegen.“

O`Neill musterte sie von oben bis unten – soweit er es eben konnte, er war schließlich Offizier und Gentleman – und fragte sich im Stillen, ob es wirklich wahr war, dass seine Sam transzendiert war. Er konnte es sich nicht vorstellen, beim besten Willen.

Daniel, ja, er konnte dieses ganzes Zeug um den Aufstieg, Philosophie und hatte sicherlich diese geistige Komponente, er war sicherlich auch 'rein' im Sinne von unbefleckt im Geiste dafür, aber nicht Carter. Sie beide und Teal`c, sie würden, da war sich der General sicher, niemals aufsteigen.

„Okay, Lady, es war sehr nett, dass sie vorbei geguckt haben, aber ich habe momentan leider keine Zeit für Spielchen oder Halluzinationen.“, bahnte sich der Satz bevor er weiter denken konnte den Weg auf seine Zunge aus seinem Mund. Er wollte es vielleicht selbst nicht – er hätte es später nicht sagen können ob oder ob nicht – aber beinahe automatisch nahm sein Gesicht einen harten, beinahe steinharten, Ausdruck an.

Die Frau in seinen Armen sah ihn komisch an. „Ich bin keine Halluzination.“

„Ja, ja...“, meinte er nur und befreite sich aus der Umarmung, die die Frau immer noch aufrecht erhielt.

„Was soll ich denn machen, wenn sie mir nicht glauben, General?! Soll ich vielleicht Wasser zu Brot machen?“ Ähm... WAS?!, fragte sie sich in Gedanken.

Der General sah sie erst verwirrt an. „Das Kunststück würde ich gerne sehen!“, meinte er dann lächelnd und hob seine Beretta auf, nur um sie auf die unbewaffnete und unbekleidete Frau zu richten.

Diese atmete nur frustriert aus. „Jack, wir wissen beide, dass das nicht funktioniert.“

„Man kann es versuchen!“, antwortete der herausfordernd.

„Wie denn mit einem FISCH?!“, erwiderte Carter erbost.

Kurz schielte der ehemalige SG-1-Teamleiter nach unten, auf seine Waffe, schon halb eine Forelle erwartend – doch da war immer noch seine Beretta. Verwirrt blickte er auf, direkt in die Augen der Frau, die behauptete, Samantha Carter zu sein, die bis auf weniger als einen halben Meter an ihn heran getreten war.

Sofort durchzuckte ihn ein Gedanke: Entweder hat sich da jemand sehr viel Mühe gegeben, oder sie ist es...

Die Frau sah ihn milde lächelnd an, mit dem gleichen Lächeln, mit dem sie ihn immer bedacht hatte, wenn er malwieder ihr Technobrabbel nicht verstand. Es war für den General klar, dass das seine Sam war, egal, wie er es drehte und wendete und selbst wenn sie bloß eine Ausgeburt seines leicht angeknacksten Geistes war.

„Ska`ara lässt dir Grüße ausrichten, es geht ihm und den restlichen Abydoniern gut, sie sind immer noch alle fleißig am lernen. Die alle da oben sind übrigens leicht... durchgedreht, um es noch vorsichtig zu formulieren. Kein Wunder, dass Daniel da oben keinen Spaß hatte...“, ein amüsiertes Schnauben kam aus Carters Nase, während sie lächelnd den Kopf schüttelte, die Hände in die Hüften gestemmt.

„Auf jeden Fall... Während der Untersuchung, die mich schuldig sprechen soll, wie ich mir mal denke – das IOA hat uns beide, Daniel und Teal`c noch nie gemocht, da bin ich mir sicher – werden ihnen viele neue Freunde begegnen, wenn sie sie mit ihren Eigenarten und ihnen ihre Freiheit lassen. Es sind alles sehr stolze Männer und sie werden es auch immer sein. Akzeptieren sie sie so, wie sie sind, sonst wird der Ausschuss in einer Katastrophe enden.“, stellte die Frau, die Carter, fest und sah ihren ehemaligen Kommandanten bittend, ja schon fast flehend, an. Sie wusste, wie er war, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

Gerne erinnerte sie sich, wie er immer wieder die vergeblichen Anträge an das IOA und den Präsidenten gestellt hatte, das aktuell jeweils neueste Schiff der BC-304A-Klasse Enterprise zu taufen. Schließlich hatte der Präsident doch nachgegeben – das Schiff, welches später als Sergei Pawlowitsch Koroljow als erstes Schiff der Russischen Raumflotte beim Supertor zerstört werden sollte, hätte, wäre es amerikanisch geblieben, den Namen Enterprise getragen.

So hatte es keine Enterprise im Weltraum gegeben. O`Neill hatte jedoch nicht aufgegeben – wäre es nach ihm gegangen, hätte die Apollo den Namen Enterprise-A getragen. Laut der Überlieferung von General Hammond, der bei der entsprechenden Unterredung dabei gewesen war, hatte der Präsident nur mit den Augen gerollt.

Trotzdem kam es dem Amerikaner merkwürdig vor: gerade eben hatten sie sich noch in den Armen gelegen und sich näher miteinander beschäftigt und jetzt siezten sie sich wieder, obwohl die Frau immer noch unbekleidet in O`Neills Badezimmer stand und vor Nässe nur so troff, während er immer noch eine als Fisch bezeichnete Pistole in der Hand hielt.

„Ich werde mir Mühe geben.“, antwortete O`Neill und lächelte. Dann zog er sein T-Shirt unter dem kritischen Blick Carters aus, der jedoch viel verlor, als sie den immer noch trainierten Oberkörper ihres ehemaligen Kommandierenden Offiziers sah. „Für sie. Sie können doch nicht einfach so nackt durch die höheren Ebenen spazieren.“

Sie lächelte wieder, wobei sie die tausend Gigawatt mehr als schlug. „Danke, aber ich muss sowieso wieder. Und ganz nackt marschiere ich da oben sowieso nicht rum.“ So war also Sam privater – der General hatte sie immer nur im Dienst erlebt, nie wenn sie einfach so war, wie sie war. „Also dann, General, ich meld mich mal wieder irgendwann!“

Ein heller Lichtblitz, wie von einem Asgard-Transporter, nur weitaus heller und blendender leuchtete auf. Als er wieder verblasste, stand vor ihm nicht mehr Sam – vor ihm stand Colonel Samantha Carter, United States Air Force, Stargate-Kommando in vollem Blue Dress und salutierte respektvoll, bevor sie sich in einem weiteren Lichtblitz verabschiedete, einen verwirrten Lieutenant General zurücklassend.
 

(Anm.d.A.: Zu aller erst zu einigen Kleinigkeiten. Die Bundeswehr hat keine Achtzehnte Panzerdivision [tatsächlich sind laut Wikipedia die einzigen beiden deutschen Panzerdivisionen die Zehnte zu Sigmaringen und die Erste zu Hannover]. General Harald Kujat war der dreizehnte Generalinspekteur der Bundeswehr und lebt noch, es existiert wirklich ein Ort namens Buxtehude in Niedersachsen. Ob sie dort einen Standort der Bundeswehr haben, weiß ich nicht, ebenso wenig wie, ob es wirklich eine General Kujat-Kaserne gibt.

Alle dargestellten Personen – außer, es gibt einen expliziten Hinweis - existieren meines Wissens nach nicht, sollten ihre Darstellung oder Funktion irgendjemand sauer aufstoßen, ist es seine Schuld. Ähnlichkeiten zu lebenden oder bereits verstorbenen Personen des Heeres der Bundeswehr oder sonstigen sind rein zufällig und unbeabsichtigt. Dankeschön fürs Lesen dieses Hinweises.)
 

Erde, Europa, Bundesrepublik Deutschland, Niedersachsen, General Harald Kujat-Kaserne, nahe Buxtehude, Hauptquartier und Stabsstandort der 18. Panzerdivision

Wer dachte, es wäre wunderbar in einer Armee fast ganz oben zu stehen, irrte sich, und zwar gewaltig. Generalleutnant Armin Kupferstecher, seines Zeichen Berufssoldat seines geliebten Vaterlandes wie jeder Kupferstecher seit vierzehn Generationen, hatte sich das auch gedacht. Als Kommandant der Achtzehnten Panzerdivision der Bundeswehr hatte er auch einige gewisse Vorrechte, unter anderem, dass er seine Befehle direkt unterschrieben von der Bundeskanzlerin, dem Verteidigungsminister oder dem Generalinspekteur erhielt.

Aber das hieß noch lange nicht, dass er sich nicht bis um vier Uhr morgens in seinem Büro aufhalten und Anträge auf Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars deren Gültigkeitsvermerke von der Bezugsbehörde stammten zum Behub der Vorlagen beim zuständigen Erteilungsamt durcharbeiten musste.

In solchen Momenten hasste der General seinen Job.

Er hatte langsam echt keine Lust mehr – zumindest für heute.

Vor zwei Tagen war ein Einsatzbefehl für ihn und seinen engsten Vertrauten, Hauptmann Peter Jansen, eingetroffen – aus dem NATO-Oberkommando, unterschrieben vom NATO-Kommandanten und Kommandanten der US-Truppen in Europa, dem deutschen Verteidigungsminister, dem deutschen Bundespräsidenten, dem Generalinspekteur des Heeres, dem Generalinspekteur der Bundeswehr, der Bundeskanzlerin und schließlich und endlich von der ganzen fröhlichen Politiker-Runde nochmal aus den Staaten, Frankreich, Russland und Großbritannien, inklusive der englischen Königin.

Im ersten Moment hatte er sich gefragt, was der ganze Müll an Unterschriften sollte, der ihn nur am folgenden Tag in ein einsames Landhaus nahe einem alten amerikanischen Raketenbunker aus den Tage des Kalten Krieges beordert hatte, wo er von einigen netten Herren der US-Luftwaffe – von denen kein einziger auch nur einen Adler trug – in eine Geheimoperation er Amerikaner in Colorado in einem gewissen Cheyenne Mountain Complex eingeweiht wurde.

Zuerst hatten sich der Generalleutnant und sein langjähriger Vertrauter und Adjutant schweigend angesehen, bis Kupferstecher lächelnd befahl: „Führen sie eine Lachmaßnahme durch!“

Darauf hatte sich der Hauptmann nicht mehr halten können und los gelacht, die USAF-Offiziere hatten sich leicht verwirrt angesehen und einer hatte nur „Okay, dann eben so!“ gemeint, bevor er eine komische, beinahe schon schlangenförmig zu nennende Waffe zog und auf die beiden deutschen Soldaten schoss.

Als sie acht Stunden später erwachten war das Gezeter groß gewesen, dann waren beide zur Ruhe gekommen. Schließlich hatte der Kommandant der Achtzehnten gesagt: „Alles so richtig wie bei Star Trek?“

„Fast.“, hatte einer der Offiziere, ein Mann namens Major Barnsley, geantwortet. Er hatte etwas auf dem Gesicht gehabt, was man großzügig 'Lächeln' hätte nennen können, als er fort fuhr: „Zuerst hatten wir nur das Stargate, bis wir anfingen an dem ersten eigenen Schiffen zu bauen – der inzwischen zerstörten Prometheus. Heute haben wir vier Schiffe im Dienst: die beiden amerikanischen Schiffe Daedalus und Odyssee, die französische De Gaulle sowie die britische Britannia.“

Es waren noch einige Klärungen erfolgt, dann war der Generalleutnant wieder abgereist, im Gepäck ein freundliches Schreiben der Politiker, die ihm schon einmal geschrieben hatten, welches ihm mitteilte, dass er, Jansen und eine Einheit der Feldjäger nach Atlantis gehen würden, extra für diesen Untersuchungsausschuss.

Sie würden alle morgen Abend dank der Flugbereitschaft - „Y-Tours: Wir buchen – sie fluchen!“ - nach Amerika fliegen und dort für einen glorreichen Tag in einer SGC genannten Einrichtung verbringen nur um schließlich von dort auf die sogenannte Mittelstation zu verlegen um von dort aus nach Atlantis zu gelangen.

Dies war sozusagen die letzte Nacht in seinem Vaterland und er hatte die große Ehre sie in seinem Büro zu verbringen. Fast tröstend wirkte für ihn der Gedanke, dass in seinem Vorzimmer Hauptmann Jansen und die beiden Stabsunteroffiziere Himmelstoß und Klinck ebenfalls über Akten gebeugt waren und die Kommandoübernahme des Generalmajors Eisenschmied über seine geliebten Panzer vorbereiteten.

Kupferstecher mochte Eisenschmied nicht. Er war ein ehemaliger 'Falli', also Fallschirmjäger, und er mochte ihn als alte Panzerbacke schon aus Prinzip nicht. Außerdem war der Fallschirmjäger arrogant bis es nicht mehr ging – nur weil er so blöd (laut Eisenschmieds Ansicht mutig) gewesen war, sich für die Waffengattung zu entscheiden die aus Flugzeugen absprang, zu melden!

Erstens war es für den deutschen Dreisterner zu klären, was daran überhaupt mutig war und zweitens hatte er Höhenangst, die ab fünf Meter bei ungesicherten Wegen und Leitern begann. Das waren eigentlich neben einer gewaltigen persönlichen Abneigung eines Badeners gegenüber einem Württemberger die einzigen Gründe, warum er den Generalmajor nicht mochte, ja sogar fast verabscheute.

Aber sie waren deutsche Soldaten und deutsche Soldaten hatten sich seit Zeiten der Bundeswehr den internationalen Ruf disziplinierte, kameradschaftliche und gute Soldaten zu sein – Image stach persönliche Abneigungen und die Rivalitäten der einzelnen deutschen Stämme.

Etwas knackste.

Kupferstecher war schon nicht mehr der Jüngste, er hatte immer wieder so seine Probleme mit den Gelenken und Knochen. Über dreißig Jahre stand er nun in den Diensten der Bundesrepublik, dreißig Jahre, in denen er viele Freunde gefunden hatte – national und international.

Aber trotz der Tatsache, dass er als frisch gebackener Brigadegeneral bei der letzten REFORGER-Übung im Mai 1993 noch selbst mit einem Panzer über deutsche Felder in Formation mit amerikanischen M1-Panzern gedonnert war, machte ihn auch nicht viel jünger. Er wurde einfach alt.

Langsam stand der Generalleutnant auf, streckte sich und seinen Rücken durch und gähnte herzhaft – ein gewaltiger Spritzer kaltes Wasser ins Gesicht und eine ordentliche Tasse Kaffee in den Rachen und die Welt würde besser aussehen, da war sich der langjährige Offizier sicher. Die Flecktarnuniform der Bundeswehr trug er gerne, wenn nichts zu erwarten war, weil sie einfach viel praktischer war als der Dienstanzug, auch wenn dieser weitaus schicker aussah. Außerdem konnte man sich in Flecktarn besser strecken, schon da stieß der Anzug an seine Grenzen.

Langsam trottete der Offizier zu seiner Bürotür. Tagsüber stand sie meistens offen, auch um den Soldaten das Gefühl zu geben, dass auch der General da war und vor allem, dass dieser arbeitete. Ebenso sollte es auch symbolisieren, dass selbst der kleinste AGAnaut zum Generalleutnant gehen konnte – die meisten blieben jedoch mit ihren Beschwerden vorne oder in ihrem Kompanien.

In der ganzen Zeit als General hatte sich bisher nur zweimal ein Wehrdienstleistender zu ihm gewagt – zwei mal der selbe, ein junger Pseudo-Adliger, der etwas auf sein zweizeiliges Namensschild gab und mit dem goldenen Löffel im Hinterteil geboren worden war. Als der Generalleutnant nicht auf seine Forderungen nach Diensterleichterung extra für ihn eingegangen war, hatte dieser ihm angefangen zu drohen, mit seinem Vater geprahlt und dass der General bald als Gefreiter in Afghanistan Toiletten putzen würde und solche Scherze. Dieser hatte einfach nur die Feldjäger gerufen und ihn aus der AGA werfen lassen, ihn aber für die kompletten neun Monate behalten.

Jeden Tag hatte er ihn gesehen und jeden Tag gefragt: „Und, wer wischt nun die Scheiße des anderen auf?“

Bei der Erinnerung an dieser kleinen eingebildeten Fatzken, dessen Vater sogar einmal persönlich am Kasernentor gestanden hatte und ihm förmlichst unter den starren Augen seines Sohnes gedankt hatte, grinste der Generalleutnant. Wenn er jemals einen Gefallen aus dem deutschen Hochadel brauchte, sollte er nur kommen – bei ihm würde er mehr als nur Gehör finden.

Der Blick des Offiziers fiel nach links, eine alte Geste. An der Wand hing ein Ganzkörperspiegel, etwa zwei Meter hoch. Er zeigte einen alten Mann, der nie etwas vom Leben geschenkt bekommen hatte.

Etwa eins achtzig groß, mit grauem Haar und dem lockeren Flecktarn, dessen Beintaschen mit allerlei Zeug, wie Füllfederhaltern, Bleistiften, Taschentüchern und Handschuhen, vollgestopft waren, damit sie halbwegs nach was aussahen, bekleidet stand da ein Offizier, auf dessen Schultern im Dienstanzug drei Sterne geblitz hätten. Sein Gesicht war nicht direkt hager, aber es war hart.

Er hatte lang nicht mehr gelacht, nur hin und wieder gegrinst – teilweise sehr stark, wie das Treffen mit Barnsley zeigte.

Auch etwas, was den Ruf höherer deutscher Offiziere ausmachte – sie waren nicht nur humorlos, sie waren der Nullpunkt der Humorlosigkeit.

Hätte man in seine Augen gesehen, hätte man die eines Mannes gesehen, der schon zu viel durchgemacht hatte, Dinge, die andere Menschen in eine Klapsmühle brachten. Er hatte mit dreißig geheiratet, mit einunddreißig hatte er seinen ersten Sohn in den Armen gehalten, mit zweiunddreißig hatte er ihn und seine Frau zu Grabe getragen – Autounfall, ein Besoffener hatte sie Frontal genommen. Beide waren sofort tot gewesen, wobei man den Babysitz seines Sohnes vierzig Meter in einem Baum an der Landstraße gefunden hatte, kaum mehr als solcher zu erkennen.

Seitdem verabscheute er jedwede Art von Alkohol, selbst bei gesellschaftlichen Anlässen hielt er sich bei Wasser.

Mit fünfunddreißig war ein Feldwebel aus der Kompanie, deren AGA er leitete, zu blöd gewesen eine Granate richtig zu werfen, was in einem toten Feldwebel und vier toten AGAnauten resultiert war, zusammen mit einer ganzen Reihe Verletzter. Der jetzige Generalleutnant war mit einem disziplinarischen blauen Auge davongekommen, die Eltern der Getöteten und Verletzten waren dagegen Sturm gelaufen. Sie hatten Glück gehabt, dass zu diesem Zeitpunkt Deutschland wichtigere Sorgen hatte – zum Beispiel ihre siebzehn Millionen Brüder und Schwestern, die wieder ein geeintes Deutschland friedlich haben wollten und einen verrückten Iraker namens Saddam Hussein.

Das waren nur zwei Vorfälle einer langen Karriere, und es wurden und wurden nicht weniger.

Sie hatten ihn zu einem Mann von Charakter geformt, mehr als es seine Ausbildung an der Heeresoffiziersschule damals noch in Hannover jemals hätte tun können.

Langsam führte er seine Hand zur Klinke, nahm sie aber gleich wieder weg. Er hatte zwei Dinge vergessen: sein geliebtes, pechschwarzes Barett mit dem stilisierten Kampfpanzer als Litze, welches er immer trug, wenn er nicht öffentlich unterwegs war – da hieß es meistens rotes Barett des Basis, so wie alle Generäle – und schließlich einen Stoß unterschrieben und gegengezeichnete Papiere für seine drei Vorzimmer-Frontschweine.

Schnell drückte er die Klinke runter, marschierte im Stechschritt durch sein Vorzimmer, knallte im Vorbeigehen den Stoß auf Jansens Tisch, ging ein Stockwerk runter in die Herrentoiletten um sich Wasser ins Gesicht zu spritzen, trocknete sich ab, ging zu der kleinen Kaffeemaschine der IR-Abteilung, die momentan verwaist war, nahm sich eine Tasse, einen kleinen Schluck und füllte sich nach und marschierte wieder hoch ohne sich einmal umzusehen.
 

Was der Generalleutnant nicht bemerkte, war, dass seine drei Frontschweine allesamt Waffen gezogen hatten und diese auf eine vierte Person gerichtet hielten. Sie waren ihm leicht verwirrt zweimal mit ihren Blicken quer durchs Vorzimmer gefolgt.

„Passiert sowas öfter?“,fragte die vierte Person, eine Frau um die vierzig, gewandt in eine weiße Robe, die langen blonden Haare über den Rücken ausgebreitet. Alles in allem stellte sie für die drei Soldaten, zwei Stabsfeldwebel und ein Hauptmann, einen... angenehmen Anblick dar – vor allem, da sie neben ihrem gewaltigen farblichen Kontrast Flecktarn-weiß ein äußerst neuer, angenehmer und vor allem willkommener Kontrast war.

Und weil sie eine Frau war, welche von Natur aus rar auf Standorten der Bundeswehr waren. Doch trotzdem zielten die drei deutschen Soldaten auf die Frau, was schon alleine daran lag, wie sie aufgetaucht war.

„Es passiert schon manchmal.“, antwortete Hauptmann Jansen, ein Mann, halb so alt wie sein Vorgesetzter, mit braunen Haaren und eiskalten Augen, einem ebenso ausdruckslosem Gesicht und einer einsneunzig-Statur, die selbst die bulligsten und aggresivsten Neonazis dazu gebracht hätte, sich ihr vorhaben noch mal zu überlegen – vorausgesetzt der kackbraune Abschaum konnte denken, was jeder Deutsche mit Hirn bezweifelte.

Der Hauptmann wirkte nicht wie jemand, der gerne nachdachte – er tat es aber, viel und gerne, und in diesem Moment besonders gerne, wie die Frau aufgetaucht war: Die drei Soldaten waren über ihren Papieren gesessen, gebeugt und hatten versucht die viel zu klein gedruckten Beschriftungen der einzelnen Kästchen zu lesen – jeder, selbst das erfahrene Papier-Frontschwein Jansen, hätte ein Raster-Elektronenmikroskop gebraucht, um diese Beschriftungen anständig lesen zu können.

Plötzlich war die Stille von einem anderen Geräusch unterbrochen worden als dem hin und wieder vorkommenden entnervten Stöhnen der Soldaten, die zum zehntausendsten Mal an diesem Tag ein und das selbe Formular ausfüllten, oder dem kratzen der Feder eines Füllers – der Generalleutnant bestand darauf, dass sämtliche Anträge, die ihm zur Gegenzeichnung vorgelegt wurden, entweder mit Füller oder mit Bleistift geschrieben waren. Es war das Knacken einer Zahnleiste gewesen, die sich geräuschvoll in einen Apfel versenkt hatte.

Der Hauptmann hatte seinen Blick nicht gehoben sondern nur nach rechts geguckt und sich der auf seinem Schreibtisch sitzenden und einen Apfel essenden Frau gegenüber gefunden. Automatisch war sein Blick zu dem ihm gegenüber sitzenden Stabsfeldwebel Klinck gewandert, der ebenso wie der Rest des Vorzimmers auf die Frau starrte, die über die Schulter das Formular musterte.

„Da fehlt was!“, hatte sie gemeint, bevor alle drei Soldaten aufgesprungen und ihre Waffen entsichert auf sie gerichtet hatten, wovon der General nichts mitbekommen hatte, weil sein Büro Schalldicht war.

So standen sie nun, Stabsfeldwebel Himmelstoß blickte immer noch die Tür an – er war leicht entsetzt und neu in dem kleinen deutschesten aller deutschen Schlachtfelder: der Bürokratie – und Stabsfeldwebel Klinck hielt seine alte P8 immer noch auf die Frau gerichtet, ebenso wie Jansen.

Beinahe wären die beiden Waffen losgegangen, als der Generalleutnant unvermittelt die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf riss und die Soldaten beinahe zu Tode erschreckte – sein Blick blieb fassungslos und verwundert an der Blondine hängen.

„Eindringling!“, meinte er zu seinen Männern, „Nehmt sie sofort fest!“

„Aber... Herr Generalleutnant, es könnte passieren, dass... nun, ja... die Hände von einem von uns zu Stellen wandern... wo sie nicht hingehören... was eventuell dem Ansehen der Bundeswehr schaden könnte!“, redete sich Jansen raus, die beiden Stabsfeldwebel nickten eifrig. Während des gesamten Monolog hatte die Gesichtsfarbe des Hauptmanns immer mehr rot genähert, bis er das Rot einer Tomate trug, was nicht zu seinem sonstigen Gesichtsaufbau und seiner Statur zu passen schien.

„Gut. Dann holen sie, Hauptmann Jansen, jetzt Frau Oberstabsfeldwebel Hammerau von der Wache. Und ab!“, befahl der Generalleutnant mit einem Lächeln. Er wusste, dass sich die Feldjägerin großer Beliebtheit in seinem Vorzimmer erfreute, so wie in der ganzen General Harald Kujat-Kaserne. Selbst der schwulste AGAnaut ließ sich gerne von ihr verhaften, obwohl das meistens etwas weniger gut war – in Gewahrsam der Feldjäger zu sein endete in der General Harald Kujat-Kaserne meistens damit, dass der Generalleutnant persönlich die Zellen öffnete, weil sich die AGAnauten sonst gegenseitig erdrückt worden wären, oder, noch schlimmer, wieder einer der selbsternannten Weltverbesserer der UN-Menschenrechtskommision malwieder vorbei guckte und den Deutschen Menschrechtsverstöße andichtete, nur weil ihre Zellen überfüllt waren.

Nein, das war laut einigen Quellen das letzte, was die Bundeswehr gebrauchen konnte – deshalb schob die Oberstabsfeldwebel des Heimatstandortes der Achtzehnten nachts Innendienst an der Wache vor dem Stabsgebäude.

Kurz darauf kam die junge Frau in das kleine Zimmer gespurtet und für die Soldaten ging die Sonne auf – mit etwa eins-siebzig Größe und langem, schwarzem, zu einem Knoten gebundenen Haaren und einem Gesicht, wie ein Engel, kam eine junge Frau herein, die jeder Feldjäger und jeder sonstige Soldat der Bundesrepublik Deutschland – und wahrscheinlich der Rest der Welt ebenso – als Vorgesetzte haben wollte: Oberstabsfeldwebel Mareike Hammerau, Feldjägerbataillon 152, von manchen scherzhaft 'Frau Tannenbaumgeneral' genannt. Den meisten, die das in ihrer Anwesenheit taten, standen zwei Tage wunderbaren Aufenthalts in einem Feldjägerhotel in Aussicht, sogar mit eigenem Zimmerservice und schwedischen Gardinen.

Diese kam schon, im Schlepptau von Hauptmann Jansen, angetrabt, schoss vor dem Generalleutnant in die Grundstellung und meldete sich lautstark, während der Generalleutnant sie musterte. Er kam schnell zu dem Schluss, das nur an Männern die Flecktarnuniform schlecht aussah – sie trug den Parker, der, obwohl er laut modebewussteren Soldaten eine Katastrophe war, doch relativ gut ihre durchaus ansprechende Figur betonte.

„Frau Oberstabsfeldwebel, bitte verhaften sie diese unverfroren in unsere wunderschöne Kaserne eingedrungene Person.“, befahl der Generalleutnant in einem Ton, dem jedem deutschen Ausbilder seit 1955 mehr als nur zur Ehre gereicht hätte.

Die junge Frau salutierte zackig und brüllte – ohne sich zu verhaspeln – zurück: „Jawohl, Herr Generalleutnant!“ Danach trat sie an die Blondine, welche sie interessiert musterte, heran, zog ihren kleinen Gummiknüppel und meinte locker: „So, Süße, hinknien und Hände hinter den Kopf!“

Unwillkürlich durchzuckte den Generalleutnant ein Gedanke von solcher Einfachheit aber doch Komplexität, wie es ihn nur in Deutschland geben konnte: Hätten das meine Deppen mit ihren P8ern nicht auch machen können?! Mussten sie mich extra so weit bringen, dass ich die Feldjäger rufe?!

„Nö.“, antwortete diese in bestem und akzentfreiem Deutsch. „Bin sowieso gleich wieder weg, ich muss nur mal kurz euren Generalleutnant und euren Hauptmann entführen – gehen wir in ihr Büro?“, fragte sie zuckersüß und wies mit der Hand auf die Tür.

Ein hartes Geräusch, das Geräusch vom aufeinander treffen eines Gummiknüppels und einer behandschuhten Hand unterband aber jede Reaktion. „Nicht mit mir, Kleine, wo die beiden wandelnden Testosteron-Kettensärge hingehen bin ich dabei. Punkt.“, stellte sie grimmig, aber leicht lächelnd, klar.

„Meinetwegen.“ Sie drehte sich um und schlenderte geradezu in das kleine Büro, dessen Tür immer noch offen stand. Auf dem Weg dorthin warf sie den Rest ihres Apfels in den Mülleimer, trat aber schnell in das Büro ein, wo sie schnell in den Sessel des Generalleutnants huschte.

Dieser musterte sie mit hochgezogener Augenbraue, wie sie es sich in seinem hohen Lehnsessel gemütlich machte. „Der Sessel des Divisionskommandanten – raus da!“

„Kurzzeitig werden sie es noch aushalten, Herr Generalleutnant.“, sagte die Frau. „Was ich ihnen zu sagen habe, ist schnell erledigt, sie haben also ihren Sessel bald wieder. Es ist so – dort, wo sie hin verlegt werden, werden sie einen alten Freund wieder treffen, aber sie werden auch neue kennenlernen. Sie werden allerdings auch in so manch einen Gewissenskonflikt geraten, Herr Generalleutnant, und sie in so manch einen Konflikt mit ihrer Geschichte, Herr Hauptmann... Denken sie weiße darüber nach, was sie tun. Darum bitte ich sie, alle drei.“

Die drei sahen sie etwas verwundert an, sie verstanden nicht, was die Frau im Sessel des Kommandanten der Achtzehnten Panzerdivision von ihnen wollte. „Hebt mal alle das linke Bein.“, wurden sie aufgefordert – was die drei Soldaten auch taten.

Ungläubig sah die weißgewandte die Soldaten vor ihr an. „Gut... Das war eigentlich metaphorisch gemeint... aber... gut. Also, um sie zwecks meiner Identität nicht ganz dumm sterben zu lassen – nennt mich Samanthael, Botin von da krass Chefin. Man sieht sich!“ Vor den immer noch verwirrten Augen der drei Deutschen, die ihre linken Beine immer noch in der Luft hatten, verschwand der merkwürdigste und späteste Besuch, den die General Harald Kujat-Kaserne jemals informeller als informell hatte empfangen dürfen, in einem hellen Lichtblitz, zusammen mit dem Sessel.

Einige Minuten lang herrschte Schweigen in dem kleinen Büro, welches selbst die beiden Stabsfeldwebel nicht brachen, als sie ihre Köpfe in den Raum streckten, um nachzusehen, was los war.

Langsam aber sicher senkte sich der Fuß des Generalleutnants, der seinen beiden immer noch genauso wie er maßlos verwirrten Untergebenen befahl, die Füße wieder runter zu nehmen. „Ich denke... ich denke das war ein Traum.“, stellte der Generalleutnant fest. „Aber eine Probe steht noch aus!“

Wenige Sekunden später musste er mit schmerzender Wange auf dem Boden sitzend die Probe als gescheitert ansehen – Generalleutnant und Tannenbaumgeneral passten wohl doch nicht zueinander...



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