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Chochmah

Mutter Weisheit
von

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Mutter Weisheit

Thema des Tages: Atheismus vs. Christentum

Boah ja, ich weiß, mittlerweile hat halb Mexx mitbekommen, dass ich Christin bin. Muss ich noch gleich so parteiisch werden? Ja :D

Natürlich diskriminiere ich keine der anderen Glaubensrichtungen, wenn es auch Ansichten bei allen gibt die ich nie begreifen werde. Aber umgekehrt ist es sicher nicht anders. Garantiert.

Der OS war eigentlich für die "Persona"-Sammlung, da aber die Challenge abgebrochen wurde, wurde er für das "Tree of Life"-Projekt wieder rausgekramt. Und ich wollte aus Boris’ Sicht schreiben, unbedingt (diese Vergewaltigungsstorys mit ihm sind ja noch geschmack- und niveauloser als bei Voltaire!)

Ich habe Boris auch eher als Atheisten eingestuft. Jedoch ist es hier dann in eine ganz andere Richtung gegangen.

Der Titel "Mutter Weisheit" entsprang frisch aus der Bibel, in der es tatsächlich heißt, dass Gott eine offizielle weibliche Seite hat. Die Männliche steht für den Mut und die Stärke und den Ruhm, die Weibliche für die Weisheit, angeblich Sophia Serpentina genannt.
 

- Mutter Weisheit
 

„Was treibt ihr euch zu dieser Stunde noch in den Gängen herum? Los, sofort in die Betten, wenn ihr keinen Ärger haben wollt!“ „So ein Mist“, fluchte einer der Jungen und die ganze Gruppe rannte davon. Ich hoffte für sie ihre Zimmer befanden sich in dieser Richtung, denn wenn nicht würde das schwere Konsequenzen für sie haben.

Bei der ständig steigenden Anzahl an Jungen und damit auch der Anzahl potenzieller Beyblader wurde die Abtei immer unübersichtlicher. Das bedeutete, dass viel Zeit investiert wurde um die Starken von den Schwachen zu trennen, beziehungsweise die Starken noch stärker zu machen.

Doch noch waren sie ohne Leitung und hatten alle nur ihre eigenen, absurden Gedanken im Kopf, ihr Verstand war voller Kindlichkeit. An ihre Stelle mussten Intelligenz und Beharrlichkeit.

Doch sie dazu erziehen war nicht so leicht wie anfangs erhofft. Die Menge war das vermutlich größte Problem. Ich wusste nicht woher Voltaire die Jungs her hatte, die er fast täglich hierherbrachte. Kinder aus allen Gesellschaftsschichten aus ganz Russland. Ihn kümmerte die Anzahl wenig, schließlich war ich derjenige, der sie zu Elitekämpfern ausbildete, was zudem bedeutete, aufgrund noch bestehenden Personalmangels, dass ich ebenso dafür sorgen musste dass sie sich alle an die Regeln hielten. Dabei war es egal ob sie noch Kleinkinder waren oder bereits dem Erwachsenwerden entgegen kamen, eigensinnig waren sie alle, wenn sie neu waren.

Jeden Abend erwischte ich kleine Gruppen die durch die Gänge liefen, obwohl sie wussten, dass es verboten war. Doch die Gruppen kamen immer seltener, die Jungen begannen zu begreifen, dass ich der Überlegene war und sie gegen mich keine Chance hatten und daher nicht weiter versuchen sollten, sich zu wehren. Eine überaus weise Erkenntnis.

Abgesehen von dieser einen Gruppe am späten Abend war niemand mehr aufzufinden, der die Hausregeln missachtete. Wie zu jeder späten Stunde lief ich durch die Gänge des Flügels, in dem sich die Zimmer befanden, ehe ich mich zu Bette begab. Einige waren Einzelzimmer, andere doppelt oder gar dreifach belegt.

Alles war ruhig.

Doch ehe ich zum Umkehren kam, erblickte ich einen schwachen aber hellen Lichtstrahl, er meinen Weg erhellte.

Da schlief jemand wohl immer noch nicht. Und dabei war es schon kurz vor Mitternacht.

Ich hoffte für den Burschen, er hatte eine gute Erklärung dafür.

„… denn du bist der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Und beschütze meine Mama und meinen Papa, in all deiner Herrlichkeit, in aller Ewigkeit und achte auf sie, dass sie immer Brot und Süßigkeiten auf dem Tisch haben.“

Mein Vorhaben mir den Jungen zu schnappen verwarf ich dem Moment, als dieser Satz meine Ohren erreichte.

Ein vielleicht sechsjähriges Kind kniete vor seinem Bett, der Kopf leicht nach vorne gebückt und beide Hände ineinander gefaltet. Seine knallroten Haare schimmerten matt im Mondlicht, dass durch das Fenster in den Raum eindrang.

Ich war nie neugierig gewesen, doch nahm ich eine angenehmere Stehposition ein und lauschte dem Jungen beim beten zu.

Es war merkwürdig das zu sehen. Vor den Staatsgewalten galt unsere Abtei als schlichtes Trainingslager, dass zudem kirchlichen Dogmen lehren sollte. Fast alle waren - zumindest auf dem Papier - christlich-orthodox. Doch ihr einziger Inhalt in ihrem Leben war das Beybladen und das Einzige, was sie anstrebten der Sieg. Über Himmel und Gott redete niemand.

Nur allein dieser Junge war der Erste und Einzige in diesen vier Wänden, den ich jemals habe beten sehen.

„Und bitte sorg dafür dass dieser blöde Boris von der Treppe fällt und stirbt.“

Sein letzter Satz traf mich beinahe wie ein Schlag ins Gesicht und spürte, wie ich mit meiner Wut kämpft. Unverschämtes Balg.

Ohne zu überlegen betrat sich sein kleines, dunkles Zimmer, darauf bedacht, keine verräterischen Geräusche von mir zu geben. Ob er mich überhaupt gehört hätte, so sehr wie er in sein Gebet vertieft war, war fraglich.

„Sag mal Junge, hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man anderen Leuten kein Unglück wünscht?“

Sein kleiner Körper zuckte zusammen, als hätte er einen Stromschlag erlitten und zog die Luft schnell ein, ehe er für wenige Augenblicke die Atmung anhielt.

Er traute sich kaum mit seinen großen, blauen Augen zu mir aufzublicken, sondern sah nur auf den steinernen Boden. Die Hände waren weiterhin ineinander gefaltet und eng an seinen Körper gepresst.

„G-Guten Abend, Gospodin“, sagte er mit Mühen, seine zitterte Stimme war kaum zu hören. „Du hast immer nicht geantwortet. Hat man dir nicht gesagt, wie man sich Erwachsenen gegenüber benimmt?! Oder bist du immer so vorlaut?“ „Es tut mir Leid, Gospodin.“

Er sah immer noch nicht auf, nur seine Hände hatte er auseinander genommen und sorgsam auf seinen Schoß gelegt.

„Wie heißt du?“ „Tala, Gospodin.“ „Tala…“

Nun da ich seinen Namen hörte, dämmerte es mir langsam. Ich konnte mich wieder klarer an ihn erinnern.

Er war noch nicht lange hier. Sein Vater war ehemaliger Soldat, der meilenweit nach billigem Wodka stank und ihn abgegeben hatte. Er selbst behauptete, er käme mit dieser Rotznase, wie er ihn nannte nicht mehr klar, nachdem seine Frau - ihr Name war Sophia, wenn ich mich recht erinnerte - einfach weggelaufen war.

Er hatte seinen Beyblade im vorigen Jahr von ihr bekommen, also sollte er daraus auch etwas Anständiges machen, war er für sonst nichts gut.

Und das würde er.

„Darf ich noch zu Ende beten? Ich habe mich noch nicht bei Gott bedankt. Ich bin auch leise.“ „Hoffe ich für dich. Und beeil dich.“

Wieder legte er die Hände zusammen und schloss die Augen. Seine Lippen bewegten sich nur schwach, man merkte es kaum, wenn man nicht darauf achtete. Ich blieb neben ihm stehen, da ich sonst keine Ruhe haben würde, würde ich einfach wieder gehen.

Wer sagte, dass dieser Junge auch das tat, was man ihm sagte? Schließlich hatte er mir den Tod durch Genickbruch gewünscht.

„Bist du irgendwann fertig? Es ist spät, du solltest längst schlafen.“ „Ich muss aber ordentlich und richtig beten, sonst ist Gott traurig.“ „Das ist doch Irrsinn. Es ist egal wie man betet, es ändert sich ohnehin gar nichts.“ „Gar nicht wahr! Mutter hat gesagt, dass man das so machen muss und dann geht alles in Erfüllung!“, keifte er und warf den Kopf in den Nacken, um zu mir aufzusehen. Er hatte Angst, wohlmöglich hatte er kaum geglaubt, dass er widersprechen würde. Auch ich hatte ihn bisher als überaus gehorsam erlebt, wenn überhaupt.

„Warum glauben Sie nicht an den lieben Gott, Gospodin?“

Seine Stimme klang wieder gewohnt, leise, schüchtern.

„Wie kommst du auf diese Behauptung?“ „Sie klingen wie jemand, der nicht an Gott glaubt, Gospodin.“

Eine berechtigte Frage und eine gute Feststellung. Warum nicht? Die Antwort schien simpel, war sie dies aber ganz und gar nicht. Jemand Normales hätte wohlmöglich mit einem schlichten »Weil eben« geantwortet.

„Ich… glaube an Gott. Aber nicht an jenen, den du „lieben Gott“ nennst“, erklärte und sah stur aus dem Fenster. Das Mondlicht wurde schwächer, als dunkle Wolken an der weißen, hellen Kugel vorbeizogen um sie für kurze Zeit zu verschlingen.

„Ich habe alle Geheimnisse der Natur erkannt. Magie und Wunder sind Ausreden abergläubischer Leute. Dennoch, ich bezweifle seine Existenz nicht. Doch seine angebliche Liebe für uns kaufe ich ihm nicht ab.“ „Aber meine Mama hat gesagt, er liebt uns.“

Ich konnte nur lachen.

Eine Maßnahme zur Beruhigung, vermutlich hätte ich ihn noch angeschrien. Dieses Kind begann mir auf den Geist zu gehen. Aber natürlich, was das liebste Mütterlein sagt war selbstverständlich immer wahr.

Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich zur Tür und wollte gehen. Ich wollte ihn in seiner Welt lassen, irgendwann würde er einsichtig werden.

Alles zu eine Frage der Zeit und des Verstandes.

„Und ich weiß, dass er uns liebt!“

Ich blieb vor der Tür stehen, spürte einen unerträglichen Schmerz im Kiefer, dadurch dass ich vor Zorn meine Zähne unaufhörlich aneinander presste. Wieder dieses Verlangen ihn anzuschreien, aber ich versuchte mich zu beherrschen.

Mit einem erwachsenem Menschen hätte ich vernünftig reden können. Aber er war nur ein Kind, das wohl glaubte das Wissen mit der Muttermilch in sich aufgenommen zu haben.

Doch wie mutig er plötzlich wirkte, als ich mich ihm wieder zuwandte. Welch Entschlossenheit in seinen Augen… Vielleicht, weil er plötzlich nicht mehr alleine vor mir kniete.

„Ich habe mir Mutter zurückgewünscht. Und der liebe Gott hat sie wieder zu mir gebracht. Mutter hat sich in einen Wolf verwandelt und ist nun immer bei mir.“

Im Grunde hätte ich ihn ignorieren müssen. Er war nur ein dummes, kleines Kind. Diesem Geschwätz von Nächstenliebe und dem gütigen Vater, dafür hatte ich nie Interesse oder Verständnis gezeigt.

Alles auf der Welt war logisch. Aber dennoch habe ich meinen Glauben, mit dem ich aufgewachsen war nie ablegen können.

So hatte ich für mich entschieden, dass es ihn gab, aber nicht so gütig war wie es hieß. Gütig war allein die Entwicklung unserer Welt.

Daran hatte ich nie gezweifelt. Selbst in diesem Moment habe ich erst nur an meinem Augen gezweifelt, als neben diesen unverschämten Kind noch eine Person erschien, die ihn fürsorglich umarmte. Sie schimmerte im Mondlicht, sie schien als hätten allein Schnee und Eis ihren Körper geformt, Augen und Haar waren wie Glas.

Eine schöne Gestalt, die den Kleinen beschützte. War diese Gestalt eventuell der Grund, warum er so an seiner Überzeugung festhielt?

Scheinbar glaubte er im Recht zu sein, weil er dieses Wesen für seine Mutter hielt.

Für einen kleinen Moment glaubte auch ich an diesen Fakt… Auch wenn die Tatsache auf der Hand lag, dass es nicht seine Mutter war.

Sophia Iwanov lag nun auf einer Blechtrage in einem Kühlfach, nachdem man sie tot am Flussufer fand, wie ich durch die Zeitung erfuhr. Niemand erkannte ihre halbverweste und zerhackte Leiche, auch nicht den eigenartigen Anhänger, den sie auch auf einem Bild trug, dass bei ihrem Sohn im Zimmer stand.

Ich behielt es für mich. Dass ich ihren betrunkenen, eifersüchtigen und nun verschwundenen Ehemann in Verdacht hatte, blieb mein Geheimnis. Dafür hatte er mich bezahlt.

Doch unabhängig von den Details, seine Mutter war nicht mehr und dennoch war dieser Junge von ihrer Rückkehr so fest überzeugt. Genauso überzeugend hielt er mit seinen Beyblade entgegen, mit dem Abbild eines weissen Wolfes.

Sein Bitbeast. Ein höheres Wesen, dass ihn auserwählt hatte. Das war der einzige Grund warum ich ihn, trotz seines schwachen und schüchternen Aussehens aufgenommen hatte.

Überraschend war nur, dass ich keinen Wolf sah, wie er auf seinem Beyblade abgebildet war sondern eben diese weibliche, menschenähnliche Gestalt.

Ich wusste nicht wer sie war, oder ob sie überhaupt real war. Für Tala war sie real, dass, von dem er glaubte seine Mutter zu sein.

Oder war sie es doch? Wusste dieser Junge tatsächlich etwas, von dem ich nichts wusste?

War dieser Junge wirklich von etwas gesegnet und behütet, das man als Liebe eines höheren Wesens bezeichnen konnte?

„Vielleicht kennen Sie ja die Tricks, trotzdem wissen Sie nicht alles. Sie wissen nämlich nicht das „Warum“. Ich aber. Gott hat mir Mama zurückgebracht, weil ich er mich liebt und ich ihn auch immer geliebt habe. Und jetzt ist Mama wieder da.“ „Glaub was du willst.“

Seine Worte berührten mich nicht. Ich beharrte auf dies, was ich glaubte. Und doch geriet ich ins schwanken, je länger ich diese Frau sah.

Sie sah seiner Mutter wirklich ähnlich…

Vielleicht hatte er irgendwo in seiner Behauptung recht. Vielleicht besaß er wirklich ein Wissen, eine Art kindliche Weisheit, die ich im Laufe des Erwachsenwerdens vergessen habe.

„Bete von mir aus zu Ende und dann gehst du sofort schlafen. Wenn du morgenfrüh zu spät kommen solltest, verbiete ich dir das Beten. Dann wird dir nicht einmal mehr Gottes Liebe helfen können.“ „Glauben Sie was Sie wollen.“

Er musste wohl immer das letzte Wort haben. So schüchtern wie er tat war er wohl dann doch nicht.

Ich ließ ihn beten, an diesem Abend, den Abend darauf und den darauf. Er sollte ruhig tun was ihm beliebte, ich glaubte nicht daran. Ich würde nie an Gottes Liebe glauben, zu sehr war sie schon in Vergessenheit geraten.

Ich rechnete ebenfalls damit, dass es Tala irgendwann auch so ergehen würde, würde er erwachsen werden.

Doch selbst als er älter wurde und ebenso alles wusste wie ich, konnte ich ihn noch oft am Fenster stehen und beten sehen, zusammen mit der schneeweißen Frau, die ihm selbst bei seinen Kämpfen nie von seiner Seite wich…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-12-05T10:44:02+00:00 05.12.2010 11:44
Brot und Süßigkeiten. XD Aber was danach kommt ist heftig. Ich finde es interessant, wie er trotz seiner Geschichte um das Wohl seiner Eltern betet.
Das mit Wolborg und seiner Mutter ist bewegend. Und das sie in Form von seinem Bitbeast immer bei ihm ist.



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